Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.03.2012, Az. 6 AZR 560/10

6. Senat | REWIS RS 2012, 7943

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Gegenstand

Gutschrift auf ein Arbeitszeitkonto für eine Lehrkraft


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 3. August 2010 - 2 [X.]/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über eine Gutschrift von 2,7 Unterrichtsstunden auf ein Arbeitszeitkonto anlässlich einer im April 2008 durchgeführten Klassenfahrt.

2

Die Klägerin ist beim beklagten Land als Lehrerin beschäftigt und an einem Gymnasium tätig. Die für die Mitglieder der [X.] geltenden Tarifverträge finden [X.] Anwendung.

3

Am 15. Dezember 2006 vereinbarten die Parteien Altersteilzeit im modifizierten Blockmodell. Die Freistellungsphase soll am 1. August 2012 beginnen. Das beklagte Land legte die Arbeitszeit der Klägerin in der aktiven Phase der Altersteilzeit auf 18,69 Unterrichtsstunden pro Woche fest.

4

§ 5 des [X.] bestimmt:

        

„§ 5   

        

Zusätzlich zu leistende Arbeitsstunden

        

Der Beschäftigte ist verpflichtet, im Rahmen der Notwendigkeiten in der Dienststelle zusätzliche Arbeitsstunden zu leisten.

        

Diese sind innerhalb der folgenden 3 Monate durch entsprechende Freizeit auszugleichen.“

5

Beim beklagten Land gilt für die Lehrkräfte an öffentlichen Schulen des [X.] die Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. September 2001 (GVBl. LSA S. 376), zuletzt geändert am 30. Oktober 2007 (GVBl. LSA S. 354). Nach deren § 3 beträgt die [X.], dh. die Zahl der Unterrichtsstunden, die vollbeschäftigte Lehrkräfte im Durchschnitt wöchentlich zu erteilen haben, für Lehrkräfte an Gymnasien 25 Unterrichtsstunden. Gemäß § 4 [X.] kann die jeweilige Unterrichtsverpflichtung einer Lehrkraft wöchentlich bis zu vier Unterrichtsstunden über- oder unterschritten werden. Soweit dafür kein Ausgleich innerhalb des Schuljahres erfolgt, sind höchstens 80 Unterrichtsstunden in das folgende Schuljahr zu übernehmen und in diesem abzugelten.

6

Durch den Tarifvertrag in Ausfüllung des Tarifvertrages zur [X.] Absicherung zur Sicherung von Arbeitsplätzen an allgemeinbildenden Schulen [X.] ([X.] Schulen LSA) vom 1. März 2003 war die Arbeitszeit der vollbeschäftigten Lehrkräfte im für den [X.] maßgeblichen [X.]raum abweichend von der [X.] auf 20,5 Unterrichtsstunden pro Woche abgesenkt.

7

Beim beklagten Land gilt der Runderlass „Flexibler Unterrichtseinsatz der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen“ (sog. [X.]) vom 22. November 2006, zuletzt geändert am 1. Oktober 2007. Dieser regelt [X.].:

        

„1.1   

Lehrkräfte können nach § 4 Abs. 2 der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen … im Rahmen ihrer regelmäßigen Arbeitszeit so eingesetzt werden, dass sich der Umfang der tatsächlich wöchentlich zu erteilenden Unterrichtsstunden - je nach Unterrichtsversorgung und Unterrichtsbedarf der Schule - innerhalb einer Bandbreite von vier Unterrichtsstunden über oder unter der jeweiligen Unterrichtsverpflichtung bewegt. Mehr- oder Minderzeiten am Ende des Schuljahres dürfen 80 Unterrichtsstunden nicht überschreiten.

                 

…       

        

2.    

Entstehen von Mehr- und Minderzeiten

        

2.1     

Dieser RdErl. bezieht sich ausschließlich auf die Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften. Durch andere dienstliche Tätigkeiten (z. B. Pausenaufsichten, Arbeiten während der unterrichtsfreien [X.], Erarbeitung von Prüfungsaufgaben) entstehen weder Mehr- noch Minderzeiten, soweit nicht in Nr. 3 eine abweichende Regelung getroffen wird.

                 

…       

        

2.4     

Mehr- und Minderzeiten entstehen nicht für die jeweils beteiligten Lehrkräfte an Projekttagen, bei Sportfesten, Klassenfahrten, Fortbildungen; anderen ganztägigen dienstlichen Verpflichtungen oder ähnlichen Unterrichtstagen mit ganztägig geänderter Unterrichtsorganisation sowie bei Abwesenheit durch Krankheit.“

8

In der [X.] vom 14. April 2008, 8:30 Uhr, bis zum 16. April 2008, 16:00 Uhr, begleitete die Klägerin eine 11. Klasse auf einer vom beklagten Land genehmigten Klassenfahrt. Hierfür wurden ihr 11,214 Unterrichtsstunden, dh. drei Fünftel der wöchentlichen Arbeitszeit auf Grundlage von 18,69 wöchentlichen Unterrichtsstunden, angerechnet. Am 17. und 18. April 2008 erteilte sie den ihr vom Stundenplan vorgegebenen Unterricht.

9

Mit Schreiben vom 22. April 2008 forderte die Klägerin das beklagte Land vergeblich auf, ihr die während der Klassenfahrt geleisteten Stunden als zusätzliche Freizeit („Plusstunden“) zu gewähren. Mit ihrer am 15. April 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin zunächst eine Gutschrift von 3,786 Unterrichtsstunden für die Klassenfahrt begehrt. Der Klage ist im Umfang von 1,086 Unterrichtsstunden rechtskräftig stattgegeben worden. Dadurch hat die Klägerin für die Klassenfahrt Unterrichtsstunden im selben Umfang wie vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte unter Zugrundelegung der auf 20,5 Unterrichtsstunden abgesenkten Unterrichtsverpflichtung angerechnet erhalten. Streitbefangen ist noch, ob der Klägerin eine Gutschrift über weitere 2,7 Unterrichtsstunden zusteht.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, allein die [X.] lege den Umfang der Unterrichtsverpflichtung vollzeitbeschäftigter Lehrkräfte fest. Jede Unterschreitung der Regelarbeitszeit der [X.] sei eine Form der Teilzeitarbeit. Die unter den [X.] Schulen LSA fallenden Lehrkräfte seien deshalb Teilzeitbeschäftigte.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, ihrem Arbeitszeitkonto weitere 2,7 Stunden gutzuschreiben.

Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Klägerin könne keine Besserstellung gegenüber den vom [X.] Schulen LSA betroffenen Lehrkräften verlangen.

Die Vorinstanzen haben die Klage im noch streitbefangenen Umfang abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, soweit diesem nicht bereits entsprochen worden ist, weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie auf § 5 des [X.] als Anspruchsgrundlage für ihr Begehren einer Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht die Berufung zurückgewiesen, soweit die Klägerin die Gutschrift weiterer 2,7 Stunden auf ihr Arbeitszeitkonto begehrt. Für eine derartige Gutschrift fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Auf die von den Parteien und dem [X.] problematisierte Frage, ob bei dem gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG vorzunehmendem Vergleich zwischen der (alters-)teilzeitbeschäftigten Klägerin und einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft auf die Wochenarbeitszeit von 25 Unterrichtsstunden nach der [X.] oder auf die durch den [X.] Schulen LSA auf 20,5 Unterrichtsstunden abgesenkte Unterrichtsverpflichtung abzustellen ist, kommt es darum nicht an.

I. Die Klage ist mit dem gestellten Antrag zulässig. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Zeitstunden gutzuschreiben bzw. dessen Saldo um eine genau genannte Anzahl von Zeitstunden zu erhöhen, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dies gilt jedenfalls, solange der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem die Stunden bisher nicht verbucht sind, tatsächlich aber noch gutgeschrieben werden können ([X.] 8. Dezember 2010 - 5 [X.] - Rn. 10, [X.] § 6 Nr. 2 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 6; 10. November 2010 - 5 [X.] - Rn. 11, [X.] 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3). Nach Nr. 1.1 und 5.3 [X.] können [X.] unter bestimmten Voraussetzungen auf das nächste Schuljahr übertragen werden.

II. Die Klage ist unbegründet. Es fehlt an einer Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin, ihr für die Klassenfahrt eine Gutschrift auf ihrem Arbeitszeitkonto zu erteilen.

1. § 4 Abs. 2 [X.] regelt nur die Abgeltung von Unterrichtsstunden. Unterrichtsstunden sind nach § 3 Abs. 1 [X.] die wöchentlich im Rahmen der [X.] zu erteilenden Unterrichtsstunden. Auf Klassenfahrten erbrachte Arbeitsleistungen werden deshalb von dieser Norm nicht erfasst.

2. § 10 Abs. 3 Satz 1 [X.] findet gemäß § 44 Nr. 2 Satz 1 [X.] für Lehrkräfte ausdrücklich keine Anwendung.

3. Auch aus dem [X.] ergibt sich kein Anspruch der Klägerin, ihrem Arbeitszeitkonto 2,7 weitere Unterrichtsstunden gutzuschreiben. Nach Nr. 2.1 [X.] bezieht sich dieser ausschließlich auf die Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften. Durch andere dienstliche Tätigkeiten wie etwa Pausenaufsichten entstehen weder Mehr- noch Minderzeiten, soweit nicht in Nr. 3 [X.] für die Durchführung von Prüfungen eine andere Regelung getroffen worden ist. In Nr. 2.4 [X.] ist ausdrücklich geregelt, dass Mehr- und Minderzeiten für die jeweils beteiligten Lehrkräfte nicht für die Teilnahme an Klassenfahrten entstehen.

4. Auch eine vertragliche Abrede über die Führung eines [X.] besteht nicht.

a) Ein Arbeitnehmer hat aus § 611 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf korrekte Führung des [X.], sofern dieses nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt ([X.] 19. März 2008 - 5 [X.] - Rn. 10, [X.] § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1). Ein Arbeitszeitkonto gibt nämlich den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus ([X.] 26. Januar 2011 - 5 [X.] 819/09 - Rn. 13, [X.] § 611 Arbeitszeit Nr. 36 = [X.] 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 4; 10. November 2010 - 5 [X.] - Rn. 16, [X.] 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 28. Juli 2010 - 5 [X.] 521/09 - Rn. 13, [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 195 = [X.] 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 2).

b) § 5 des [X.] enthält eine solche Abrede zu einem Arbeitszeitkonto, das den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt, nicht. Danach sind lediglich die von der Klägerin im Rahmen der Notwendigkeiten in der Dienststelle zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden innerhalb der folgenden drei Monate durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Freizeitausgleich ist bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht ([X.] 18. Mai 2011 - 5 [X.] 181/10 - Rn. 11, [X.] 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 4). Der Freizeitausgleich erfolgt durch Reduzierung der Sollarbeitszeit ([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] 296/09 - Rn. 17, [X.] § 611 Arbeitszeit Nr. 35 = [X.] 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 1), setzt jedoch nicht die Einrichtung eines [X.] voraus. Darüber hinaus sind die im Rahmen der Klassenfahrt im April 2008 von der Klägerin erbrachten zusätzlichen Arbeitsstunden nicht „in der Dienststelle“ geleistet worden.

III. Der Antrag der Klägerin, ihrem Arbeitszeitkonto 2,7 Stunden gutzuschreiben, kann auch nicht dahin ausgelegt werden, dass sie eine Vergütung der streitbefangenen Stunden verlangt. Die Klägerin hat von Anfang an - beginnend mit dem Schreiben vom 22. April 2008 - stets nur „Plusstunden“ als Freizeitausgleich begehrt und auch prozessual ausschließlich ihren Antrag hierauf gerichtet, ohne erkennen zu lassen, dass es ihr um die Bezahlung der streitbefangenen Stunden geht. Darüber hinaus läge bei einem solchen Begehren ein Wechsel im Streitgegenstand vor (vgl. [X.] 18. Mai 2011 - 5 [X.] 181/10 - Rn. 10, [X.] 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 4), der in der Revisionsinstanz nicht mehr erfolgen kann.

IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Mestwerdt    

        

    Spelge    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Döpfert    

                 

Meta

6 AZR 560/10

21.03.2012

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Dessau-Roßlau, 2. Oktober 2009, Az: 11 Ca 165/09, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 4 Abs 2 LehrArbZV ST

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.03.2012, Az. 6 AZR 560/10 (REWIS RS 2012, 7943)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7943

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Referenzen
Wird zitiert von

2 Ca 8202/19

2 Sa 201/16

6 Sa 575/20

6 Sa 574/20

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