Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2013, Az. I ZR 192/12

I. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 362

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
I ZR 192/12
Verkündet am:

12. Dezember 2013

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Goldbärenbarren
UWG § 3 Abs.
2 Satz 2 und 3, § 3 Abs. 3 in Verbindung mit Nr. 28 des Anhangs, § 4 Nr. 6
a)
Für die Anwendung von § 3 Abs. 2 Satz
3 UWG ist es erforderlich, aber auch aus-reichend, dass die geschäftliche Handlung voraussichtlich und vorhersehbar allein das geschäftliche
Verhalten einer Verbrauchergruppe wesentlich beeinflusst, die als beson[X.] schutzbedürftig bezeichnet ist.
b)
Die Anwendung von § 3 Abs. 2 Satz 2 Fall
2 UWG setzt voraus, dass eine Werbung gezielt eine bestimmte Gruppe von [X.] anspricht.
c)
Der Umstand, dass der Verkehr an eine nach früherer Rechtslage per se verbotene Geschäftspraxis möglicherweise noch nicht ebenso wie an andere Verkaufsförde-rungsmaßnahmen gewöhnt ist, rechtfertigt bei der Prüfung des § 4 Nr. 6 UWG keine strengere Bewertung.
d)
Eine unmittelbare Aufforderung zum Kauf im Sinne von Nr.
28 des Anhangs zu §
3 Abs.
3 UWG setzt einen Kaufappell voraus, für den eine Ansprache im Imperativ ty-pisch, jedoch nicht unerlässlich ist; nicht erforderlich ist, dass die Aufforderung im Wege eines Direktkontakts zum umworbenen Kind erfolgt.
[X.], Urteil vom 12. Dezember 2013 -
I ZR 192/12 -
[X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 12.
Dezember 2013 durch [X.], [X.] und Dr.
Koch

für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 21.
September 2012 aufgeho-ben.

Auf die Berufung der [X.] wird das Urteil der 4.
Kammer für Handelssachen des [X.] vom 8.
Februar 2012 ab-geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die
Parteien
produzieren
und vertreiben
Lakritz und Fruchtgummi. Die Klägerin
wendet sich gegen eine Werbung der [X.]
für das
Gewinnspiel
"H. GLÜCKS-WOCHEN".

An dem Gewinnspiel
konnten
Kunden teilnehmen, die
zuvor fünf Produk-te
der [X.]
erworben und dies durch Einsendung von Kassenbons nach-1
2
-
3
-
gewiesen hatten.
Die Beklagte warb für das Gewinnspiel ab Februar 2011 mit einem
Werbespot, der
auf verschiedenen Fernsehsendern überwiegend tags-über und am frühen Abend ausgestrahlt
wurde
und auch auf ihrer Internetseite abgerufen werden konnte.
Darin
traf
der Fernsehmoderator [X.] Gottschalk
im Supermarkt auf eine Familie
und
eine Mutter mit
jeweils
zwei Kindern. Er
warb
dabei
für die Produkte der [X.]
und die Teilnahme an dem
Gewinn-spiel, bei dem
die Chance bestand, einen von 100
Goldbarren im Wert von [X.] 5.000

zu gewinnen.

Die Klägerin
ist der Ansicht, die Beklagte nutze die geschäftliche Uner-fahrenheit von
Kindern
und Jugendlichen
wettbewerbswidrig
aus, die sie
dazu
verleite, ihre Produkte über Bedarf zu kaufen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

es der [X.] unter Androhung von [X.] zu verbieten, unter der Be-zeichnung "H.
GLÜCKS-WOCHEN"
ein Gewinnspiel zu veranstalten, bei dem zur Teil-nahme jeweils fünf Produkte der [X.]
erworben werden müssen, was durch ent-sprechende Kaufbelege nachgewiesen werden muss, wenn dies in einem 30-sekündigen
TV-Spot, wie
auf
(der Klage)
beigefügter [X.] gespeichert und
nachste-hend durch Storyboard wiedergegeben, geschieht:

(es folgen 18 Einzelbilder aus dem Werbespot mit dem zugehörigen Text)

Sie hat die Beklagte zudem auf Auskunft und Zahlung von
Abmahnkos-ten in Anspruch genommen sowie die Feststellung
der
Schadensersatzpflicht
der [X.]
begehrt.

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der [X.] ist
ohne Erfolg geblieben ([X.], [X.], 168
= WRP 2013, 92). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren 3
4
5
6
-
4
-
Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt
die Beklagte weiter die Abwei-sung der Klage.

Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat
die Klageansprüche als begründet angese-hen, weil die angegriffene Werbung für das
von der [X.] veranstaltete Gewinnspiel eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von §
4 Nr.
6 UWG darstelle. Hierzu hat es ausgeführt:

Die Unlauterkeit ergebe sich zwar nicht aus Nr.
28 des Anhangs zu §
3 Abs.
3 UWG, weil eine unmittelbare Aufforderung zum Kauf nicht schon dann anzunehmen
sei, wenn Kinder in der Werbung gezeigt würden, die sich das Produkt kauften oder ihre Eltern zum Kauf aufforderten. Der Werbespot enthalte lediglich
eine jeder Werbung innewohnende mittelbare Aufforderung, bei der
sich
allein
aus den Umständen
ein Kaufappell
ergebe.

Das Verbot der beanstandeten
Werbung folge
aber
aus einer
richtlinien-konformen Auslegung des
§
4 Nr.
6 UWG. Die Kopplung
von Gewinnspiel und Kauf
stelle
eine
unlautere Geschäftspraktik dar, weil sie
in ihrer konkreten Aus-gestaltung
gegen die fachliche Sorgfalt verstoße.
Der angegriffene Werbespot sei objektiv erkennbar dazu bestimmt, die gesamte Familie und damit auch [X.] und Jugendliche anzusprechen.
Deshalb sei gemäß §
3 Abs.
2
Satz
3 UWG auf die Sichtweise eines durchschnittlichen Minderjährigen abzustellen. Die in diesem Fall
für eine Gewinnspielkopplung geltenden erhöhten Sorgfaltsanforde-rungen habe die Beklagte nicht
beachtet,
da
der Werbespot
einen
unzutreffen-den Zusammenhang
zwischen dem Umfang
des Wareneinkaufs und den
Ge-winnchancen nahelege.
Durch einen zusätzlichen Einkauf könne man voraus-7
8
9
-
5
-
sichtlich nur eine Minderung der eigenen Gewinnchancen verhindern, sie aber nicht ohne weiteres steigern, weil sich infolge der [X.] auch die Einkäufe anderer Kunden erhöhten.
Dieser Zusammenhang werde verschleiert, indem der kleine blonde Junge in dem Werbespot sage "Aber [X.], wir ha-ben aber viel größere Gewinnchancen"
und [X.] Gottschalk dies bestätige
mit "Da hat er Recht". Diese Aussage werde dadurch unterstrichen, dass die Mutter im [X.] an diesen Dialog den Einkaufswagen mit Produkten der [X.] belade. Kinder und Jugendliche
seien
auch
in der Lage, durch den [X.] zu erhöhen.
Der Werbespot
sei daher geeignet, Kinder und Jugendli-che, die an diese Art der Werbung nicht gewöhnt seien,
in übertriebener Weise anzulocken und zu einem Kauf über Bedarf zu
veranlassen.

I[X.]
Die
gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
Erfolg.
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts verstößt die
Veranstal-tung des Gewinnspiels in der angegriffenen
Verletzungsform
des Werbespots
nicht gegen §§
3, 4 Nr.
6 UWG.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich
das
Verbot einer Gewinnspielkopplung aus einer richtlinienkonformen Ausle-gung
des §
4 Nr.
6 UWG
im Einzelfall
ergeben kann. Da ein generelles Verbot der Kopplung von Gewinnspielen mit Umsatzgeschäften
mit der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken unvereinbar ist ([X.], Urteil
vom 14.
Januar 2010

C-304/08, [X.]. 2010, 7 = [X.], 244
Rn. 45, 47, 54

Plus Warenhandelsgesellschaft),
ist die Bestimmung richtlinienkonform
dahin
auszulegen, dass eine solche Kopplung nur dann unlauter ist, wenn sie im Einzelfall eine unlautere Geschäftspraxis
im Sinne der Richtlinie darstellt.
Das ist
namentlich dann der Fall, wenn
die betreffende Verhaltensweise einen
Verstoß gegen die berufliche
Sorgfalt im Sinne von Art.
5 Abs.
2 Buchst.
a der 10
11
-
6
-
Richtlinie 2005/29/[X.]
darstellt
(vgl. [X.], Urteil vom 5.
Oktober 2010

I
ZR
4/06, [X.]Z 187, 231 Rn.
25

Millionen-Chance
II).

2. Die
Revision rügt
aber
mit Erfolg, dass das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an die berufliche Sorgfalt gestellt hat.
Die auf §
4 Nr.
6 UWG gestützte Verurteilung der [X.] hat daher keinen Bestand.

a) Entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts ist Maßstab
für die Beur-teilung der angegriffenen Gewinnspielkopplung
nicht
gemäß
§
3 Abs.
2 Satz
3 UWG
die Sichtweise eines durchschnittlichen Mitglieds der Gruppe der Kinder und
Jugendlichen.

aa) Nach §
3 Abs.
2 Satz
3 UWG ist auf die
Sicht eines durchschnittli-chen Mitglieds einer unter anderem aufgrund von Alter oder Leichtgläubigkeit beson[X.] schutzbedürftigen und eindeutig identifizierbaren Gruppe von [X.] abzustellen, wenn eine Werbung für den Unternehmer vorhersehbar nur diese Gruppe betrifft. Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art.
5 Abs.
3 Satz
1 der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken und ist daher richtlinienkonform auszulegen.
Daraus ergibt sich, dass das [X.] "nur diese Gruppe betrifft" in §
3 Abs.
2 Satz
3 UWG
zu verste-hen ist
im Sinne von "nur das wirtschaftliche Verhalten (einer der bestimmt [X.] beson[X.] schutzbedürftigen Verbrauchergruppen) wesentlich [X.]" (vgl. auch Erwägungsgründe
18 Satz
3 und 19 der Richtlinie 2005/29/[X.]).
Dieses Verständnis wird durch die [X.], [X.], spanische
und [X.] Sprachfassung der Richtlinie bestätigt ("only of a clearly identi-fiable group of consumers"; "solo di un gruppo di consumatori chiaramente indi-viduabile";
"el [X.] identificable de consumidores";
"van slechts een duidelijk herkenbare groep consumenten").
Die [X.] Fassung des Art.
5 Abs.
3 Satz
1 der Richtli-12
13
14
-
7
-
nie ist zwar insoweit nicht eindeutig ("le compclairement identifiable de consommateurs"). Wie sich aus Erwägungsgrund
19 der Richtlinie 2005/29/[X.] ergibt, soll damit aber kein von den anderen Sprach-fassungen abweichender Norminhalt zum Ausdruck gebracht werden ("ou lors-que le comportement économique de ce seul groupe de consommateurs est ré par cette pratique").

Da an der Auslegung des Art.
5 Abs.
3 Satz
1 der Richtlinie
2005/29/[X.]
keine vernünftigen
Zweifel bestehen, ist eine Anrufung des Gerichtshofs der [X.] gem. Art. 267 A[X.]V nicht erforderlich
(vgl. [X.], Urteil vom 6.
Oktober 1982

283/81, [X.]. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258

CILFIT).

bb) Nicht erforderlich ist, dass sich eine geschäftliche Handlung an eine bestimmte
Gruppe schutzbedürftiger Verbraucher "wendet" (vgl. §
3 Abs.
2 Satz
2 UWG) oder
-
wie
bei
Nr.
28 des Anhangs zu §
3 Abs.
3 UWG (vgl. Rn.
30)
-
auf sie
abzielt
(vgl. Fezer/Fezer, UWG, 2. Aufl.,
§
3 Rn.
120; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 32.
Aufl.,
§
3 Rn.
14; aA
Podszun in [X.]/[X.], UWG, 3.
Aufl., §
3 Rn.
72; [X.] in Piper/[X.]/[X.], UWG, 5.
Aufl.,
§
3 Rn.
84).
Für die Anwendung von Satz
3
ist
es vielmehr
erforderlich,
aber auch ausreichend, dass
die geschäftliche Handlung voraussichtlich und vorhersehbar allein das geschäftliche Verhalten dieser Verbrauchergruppe wesentlich beein-flusst. Entgegen der
Ansicht
der Revision entspricht diese
richtlinienkonforme
Auslegung
auch
der im Wortlaut von §
3 Abs.
2 Satz
2 und 3 UWG zum Aus-druck
gekommenen
Intention
des Gesetzgebers
(vgl. Regierungsentwurf eines [X.] zur Änderung des [X.], BT-Drucks.
16/10145, S.
22).

15
16
-
8
-

cc) Danach ist der strengere Prüfungsmaßstab des §
3 Abs.
2 Satz
3 UWG nicht schon heranzuziehen, wenn möglicherweise auch Kinder und Ju-gendliche durch die fragliche Geschäftspraktik beeinflusst werden, weil sie [X.] auch von ihr angesprochen werden.
Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts hat weder im Wortlaut noch in Sinn
und Zweck der Richtlinie 2005/29/[X.]
eine tragfähige
Grundlage. Der von der Richtlinie bezweckte Schutz der Kinder und Jugendlichen wird im [X.] Recht durch die Nr.
28 des Anhangs zu §
3 Abs.
3 UWG und durch §
4 Nr.
2 UWG gewährleistet. Da §
4 Nr.
2 UWG nicht erfordert, dass eine geschäftliche Handlung nur auf schutzbedürftige Verbraucher abzielt oder sich nur ihnen gegenüber auswirken kann, reicht es
dort
aus, dass
sich eine Werbung jedenfalls auch gezielt an [X.] und Jugendliche wendet (vgl. [X.], Urteil vom 6.
April 2006
I
ZR
125/03, [X.], 776 Rn.
20 = [X.], 885
Werbung für Klingeltöne; Urteil vom 17.
Juli 2008
I
ZR
160/05, [X.], 71 Rn.
12 = [X.], 45

Sammelaktion für [X.]).

dd) Das Berufungsgericht hat angenommen,
die beanstandete Glücks-spielwerbung
könne voraussichtlich und vorhersehbar
nicht
allein das geschäft-liche Verhalten der Verbrauchergruppe
der Kinder und Jugendlichen
wesentlich beeinflussen.
Der Werbespot solle erkennbar die gesamte Familie ansprechen
und das beworbene Produkt sei bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen beliebt. Dass sich
der Werbespot an alle Mitglieder einer Familie richte, werde auch durch seine Platzierung tagsüber, im Vorabendprogramm sowie -
wenn auch in geringerem Umfang -
nach 19 Uhr bestätigt.

Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Maßgeblicher Ausgangspunkt für die Beurteilung ist, dass
es sich um eine
Werbung
für ein Gewinnspiel [X.], in der
Eltern und
eine
Mutter mit jeweils zwei Kindern
in einem Supermarkt dargestellt
werden. Bei
dieser Situation des Familieneinkaufs handelt es sich 17
18
19
-
9
-
weder um eine typische Szenerie einer
Kinderwerbung, noch stellt die Werbung auf einen Einkauf mit dem Taschengeld der Kinder ab. Die in dem Gewinnspiel ausgelobten "Goldbärenbarren"
sind wegen ihres hohen und liquiden Werts jedenfalls auch, wenn nicht sogar in erster Linie für Erwachsene attraktiv. Der Werbespot ist
damit
vorhersehbar
geeignet,
zumindest auch
die
Einkaufsent-scheidungen
von Eltern und anderen Erwachsenen
wesentlich
zu beeinflussen.
Sie werden dazu veranlasst, die Produkte der [X.] für sich
oder
ihre Fa-milien in größerer Menge oder eher zu kaufen, als sie es ohne das Gewinnspiel täten.

ee) Das Berufungsgericht hat damit
für die lauterkeitsrechtliche Beurtei-lung der Werbung für das
Gewinnspiel nach §
4 Nr.
6 UWG zu Unrecht den strengen Prüfungsmaßstab des §
3 Abs.
2 Satz
3 UWG angewendet.

b) Auch ein Fall des §
3 Abs.
2 Satz
2
Fall
2
UWG
liegt nicht vor.
An[X.] als bei [X.] kommt es dabei zwar nicht auf die Verhaltensbeeinflussung son-dern auf die Zielrichtung der Werbung an. Erforderlich ist, dass sie sich an eine bestimmte Gruppe von [X.] wendet, sie also gezielt anspricht
(vgl. [X.] in [X.]/[X.]
aaO §
3 Rn.
16).
Auch daran fehlt es aber im [X.]. Die auf Familien ausgerichtete Werbung der [X.] wendet sich an alle Familienmitglieder und damit jedenfalls im selben Maße an Erwachsene wie an Kinder und Jugendliche.

c) Für die Beurteilung der Werbung maßgeblich
ist
daher
nach
§
3 Abs.
2 Satz
2
Fall
1
UWG
das Verständnis eines durchschnittlichen
Verbrauchers.
[X.] verstößt die beanstandete [X.] nicht gegen die berufliche Sorgfalt.

20
21
22
-
10
-

aa) Die Beurteilung, ob eine Geschäftspraxis
der beruflichen
Sorgfalt im Sinne des
§
3 Abs.
2 Satz
1 UWG und des
Art.
5 Abs.
2 Buchst.
a der Richtlinie 2005/29/[X.] wi[X.]pricht, ist
an der
Zielsetzung der Richtlinie
auszurichten, dem Verbraucher eine informationsgeleitete und freie, mithin rationale Ent-scheidung zu ermöglichen
(vgl. Art.
2 Buchst.
e
der Richtlinie). Eine [X.] kann daher im Einzelfall gegen die berufliche Sorgfalt verstoßen, wenn die Fähigkeit des Verbrauchers, eine solche
geschäftliche Entscheidung treffen zu können, spürbar beeinträchtigt wird (vgl. [X.], [X.], 767, 773
f.; [X.]., [X.], 22, 28). Dabei sind
die Art
des beworbenen
Produkts, seine
wirtschaftliche Bedeutung und die
durch die Teilnahme an dem Gewinn-spiel entstehende
finanzielle Gesamtbelastung zu berücksichtigen. Weiter
kann von Bedeutung sein, welche Gewinne ausgelobt werden, und ob die Gewin[X.] transparent dargestellt werden (vgl. [X.], [X.], 626, 632; [X.]., [X.], 767, 774).
An[X.] als das Berufungsgericht angenommen hat, lässt
sich aber aus dem Umstand, dass der Verkehr an eine nach früherer
Rechtslage per se verbotene Geschäftspraxis möglicherweise noch nicht
in gleicher Weise
wie an andere Verkaufsförderungsmaßnahmen
gewöhnt ist, für die Prüfung des § 4 Nr. 6 UWG keine strengere Bewertung herleiten.

bb) Bei
Anwendung dieser Grundsätze steht
die [X.] der [X.]
mit der
beruflichen
Sorgfalt
in Einklang.
Die finanzielle Gesamt-belastung, die
sich durch die
Teilnahme an dem
Gewinnspiel
ergibt, wird
deut-lich.
Es
spricht auch nichts dafür, dass
der Werbespot zu unzutreffenden Vor-stellungen
über die Gewinnchancen
führt. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass von einem Werbenden nicht verlangt werden kann, die Wechselwirkung zwischen einem infolge der [X.] erhöhten Wareneinkauf und den Gewinnchancen der Kunden in einem Werbespot [X.].
Der von der Werbung angesprochene Durchschnittsverbraucher wird auch
durch den Auftritt des blonden Jungen
in dem Werbespot, der auf den mit 23
24
-
11
-
Produkten der [X.] gefüllten Einkaufswagen seiner Mutter zeigt und dabei auf ihre "viel größeren Gewinnchancen"
hinweist, nicht von einer informations-geleiteten Nachfrageentscheidung abgehalten. Der Durchschnittsverbraucher weiß, dass die Chance für den Gewinn eines "Goldbärenbarrens"
außer von
der Zahl seiner Einsendungen mit je fünf Kassenbons ganz wesentlich auch von der Gesamtzahl der Einsendungen aller Kunden abhängt, die an der angekün-digten Verlosung teilnehmen.
Im Übrigen wird nach der
Äußerung des Jungen und der
Aussage
[X.] Gottschalks
"Da hat er Recht"
zu der
zutreffenden
Erläuterung übergeleitet, dass es für fünf gekaufte H.-Produkte jeweils eine Gewinnchance gibt.

Ein Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt
liegt
auch nicht darin, dass in dem sich an die Belehrung über die Teilnahme-
und Gewinnmöglichkeiten an-schließenden Teil des Werbespots die beiden Familien ihre Einkaufswagen mit Produkten der [X.] füllen und dabei ersichtlich über einen bestehenden Bedarf
hinaus
einkaufen. Insoweit handelt es sich
worauf die Revision mit Recht hinweist
um eine bloß werbetypische Übertreibung, die nach Maßgabe
des
Art.
5 Abs.
3 Satz
2
der Richtlinie 2005/29/[X.] nicht zu beanstanden ist.

II[X.] Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt
sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§
561 ZPO).

1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die be-anstandete [X.] nicht gegen das Per-se-Verbot der Nr.
28 des Anhangs zu §
3 Abs.
3 UWG verstößt.

a) Diese Vorschrift kann
zwar
auch bei einer Gewinnspielkopplung an-wendbar sein, wenn Kinder unmittelbar zum Kauf des gekoppelten Produkts aufgefordert werden (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO
Anh. zu §
3 III 25
26
27
28
-
12
-
Rn.
28.9). Eine unmittelbare Aufforderung zum Kauf
setzt
aber
einen
Kaufappell
voraus, für
den
eine Ansprache im Imperativ
typisch, jedoch nicht
unerlässlich
ist
(vgl. [X.] in [X.]/[X.] [X.]. zu §
3 III Rn.
28.8; [X.] in Piper/[X.]/[X.] aaO
Anh. zu §
3 Abs.
3 Rn.
61; Mankowski, [X.], 421, 423). Dagegen ist nicht erforderlich, dass die
Aufforderung im Wege eines
Direktkontakts zum umworbenen
Kind
erfolgt, da die Vorschrift
anderenfalls weitgehend leer liefe (vgl.
Fezer/[X.]. UWG Nr.
28 Rn.
14; [X.], [X.], 421, 423; [X.], [X.], 865, 868, wonach
nur die persönliche Ansprache von Kindern im Rahmen einer [X.] erfasst sein
soll).

b) Das Berufungsgericht
hat
im Ergebnis zutreffend
angenommen,
dass die angegriffene Werbung keine unmittelbare Kaufaufforderung
an Kinder im Sinne der Nr.
28 des Anhangs zu §
3 Abs.
3 UWG enthält.

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung lässt sich der Aussage "einfach fünf leckere H.-Produkte kaufen und gewinnen"
kein an Kinder gerich-teter
Kaufappell
entnehmen. Selbst wenn man
darin eine unmittelbare Aufforde-rung zum Kauf und nicht lediglich eine Information über die Teilnahmevoraus-setzungen des Gewinnspiels sehen wollte, ist diese jedenfalls nicht gezielt an Kinder gerichtet. Da Nr.
28 des Anhangs
nicht jede an Kinder gerichtete [X.] untersagen will (vgl. Erwägungsgrund
18
Satz
4 der Richtlinie 2005/29/[X.]), ist für
die
Anwendung
dieser Bestimmung
entscheidend, dass Kinder
[X.]
gezielt angesprochen werden. Nicht erfasst ist dagegen eine an [X.] gerichtete Werbung, von der sich auch Kinder angesprochen fühlen
kön-nen
(vgl. [X.] in [X.]/[X.] [X.]. zu §
3 III Rn.
28.7).

So liegt der Fall hier. Zur Teilnahme an dem von der [X.] veran-stalteten Gewinnspiel und dem dafür erforderlichen Kauf ihrer Produkte
soll
er-29
30
31
-
13
-
kennbar jedermann
animiert werden. Das kommt
schon darin zum Ausdruck, dass sämtliche Mitglieder der im Werbespot auftretenden Familie durch Über-gabe von Produkten der [X.] ausdrücklich angesprochen werden. Auch die vom Berufungsgericht festgestellte
Gestaltung
des Werbespots, insbeson-dere die Verwendung einer einfach gehaltenen Sprache und der Auftritt von Kindern, rechtfertigt nicht die Annahme, die Werbung sei gezielt an Kinder ge-richtet und spreche lediglich
daneben
auch Erwachsene an. Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass Süßigkeiten
der
von der [X.] bewor-benen
Art
bei
Kindern beson[X.] beliebt sein mögen.

c) Liegen die Voraussetzungen der Nr.
28 des Anhangs nicht vor, kann die Frage offenbleiben, ob dieser Tatbestand im Streitfall überhaupt anwendbar ist. Bedenken gegen eine Anwendung könnten sich daraus ergeben, dass es sich vorliegend um audiovisuelle kommerzielle Kommunikation im Sinne von Art.
1 Abs.
1 Buchst.
a Ziffer
ii und Buchst.
h der Richtlinie 2010/13/[X.] über audiovisuelle Mediendienste handelt. Insoweit wird im Schrifttum unter [X.] auf Art.
3 Abs.
4 der Richtlinie 2005/29/[X.] teilweise angenommen, die Bestimmung des Art.
9 Abs.
1 Buchst.
g der Richtlinie 2010/13/[X.], die durch §
6 Abs.
2 [X.] umgesetzt wird, habe Vorrang vor Art.
5 Abs.
5 der Richtlinie 2005/29/[X.] in Verbindung mit
Nr.
28 des Anhangs und schließe dessen An-wendung aus (zu Art.
9 Abs.
1 Buchst.
g der Richtlinie 2010/13/[X.] oder den Bestimmungen der zuvor gültigen einschlägigen Richtlinien Fezer/[X.]ang UWG Nr.
28 Rn.
7; [X.] in [X.]/[X.] [X.]ang zu §
3 Abs.
3 Rn.
28.18; Mankowski, [X.], 421, 429; vgl. auch Regierungsent-wurf eines [X.] zur Änderung des [X.] aaO S.
34).

2. Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt auch kein Verstoß gegen §
4 Nr.
11
UWG in Verbindung mit
§
6 Abs. 2 [X.] vor. Dabei kann dahinstehen, 32
33
-
14
-
ob es sich bei dieser Vorschrift um eine Marktverhaltensregelung handelt. Es fehlt jedenfalls an einem direkten Kaufappell an Kinder oder Jugendliche
(dazu vorstehend Rn.
30). Die Werbung
enthält auch keine unmittelbare Aufforderung an Kinder oder Jugendliche, ihre Eltern oder Dritte zum Kauf der beworbenen Produkte zu bewegen.

3.
Von seinem Standpunkt aus folgerichtig hat das Berufungsgericht nicht geprüft, ob die angegriffene Gewinnspielkopplung
wie von der Klägerin geltend gemacht
gegen §§
3, 4 Nr. 2 UWG verstößt. Die
[X.]
der [X.]
ist
indes
nicht geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit minder-jähriger Verbraucher auszunutzen, was der Senat auf der Grundlage
der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen selbst beurteilen kann.

Danach handelt es sich bei den beworbenen Fruchtgummis um Produk-te, die regelmäßig auch von Kindern und Jugendlichen gekauft werden, und deren Eigenschaften und Preiswürdigkeit ihnen hinreichend bekannt sind. Auch für minderjährige Werbeadressaten wird zudem
die finanzielle Gesamtbelas-tung einer
Teilnahme am Gewinnspiel deutlich, die sich im
Rahmen ihres übli-chen
Taschengelds
hält
(vgl. [X.], Urteil vom 22.
September 2005
I
ZR
28/03, [X.], 161 Rn.
19, 22 = [X.], 69
Zeitschrift mit Sonnenbrille; [X.],
[X.], 71 Rn.
16
ff.
Sammelaktion für [X.]).

Eine Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit von Minderjährigen erfolgt durch den Werbespot auch nicht
deshalb, weil sie -
wie das Berufungs-gericht angenommen hat -
durch eine unzutreffend suggerierte Gewinnchance zu einem Kauf über Bedarf verleitet werden. Der
Auftritt des blonden Jungen, der auf
"viel größere Gewinnchancen"
bei dem
mit Produkten der [X.] gefüllten Einkaufswagen seiner Mutter hinweist, ist nicht geeignet, eine unrichti-ge Vorstellung über die Gewinnchancen hervorzurufen.
Seine
Aussage wird 34
35
36
-
15
-
durch die Antwort von [X.] Gottschalk "Da hat er Recht, denn für fünf ge-kaufte H.-Produkte gibt es jeweils eine Gewinnchance"
auf die an der Verlosung teilnehmenden Einsendungen bezogen. Das ist nicht zu beanstanden. Zudem wissen
nach der Lebenserfahrung schon
Minderjährige, dass die Gewinnchan-cen bei
einer steigenden
Zahl
der an einer
Verlosung
teilnehmenden
Einsen-dungen
abnehmen.
Da ein
bestimmter
Kunde
das
Verhalten der anderen Kun-den
nicht beeinflussen kann,
trifft im Übrigen die Aussage zu, mit einem Kauf von mehr Produkten seien größere Gewinnchancen verbunden.

Wie der Senat bereits für Sammel-
und Treueaktionen entschieden hat ([X.], [X.], 71 Rn.
15

Sammelaktion für [X.]), gilt zudem auch für Gewinnspielkopplungen, dass sie wegen der Notwendigkeit, Kinder und Jugendliche auf das alltägliche Marktgeschehen in der Welt der Erwachse-nen vorzubereiten, nicht generell unzulässig sind. Dabei ist vorliegend zu be-rücksichtigen, dass sich der Wert der Hauptgewinne von 5.000

Einzelhandel üblicher Gewinnspiele hält und nicht ersichtlich ist, dass [X.] dadurch stärker als bei
vergleichbaren
Sach-
oder Barprämien dazu veranlasst
würden, Lakritz und Fruchtgummi im Übermaß zu erwerben.

4. Die beanstandete [X.]
der [X.] erfüllt auch kei-nen der Tatbestände irreführender oder aggressiver Geschäftspraktiken, auf die sich die Klägerin noch berufen hat. Ohne das Hinzutreten besonderer [X.] im Einzelfall lässt sich eine Gewinnspielkopplung
weder als
aggressive (Art.
8 und 9 der Richtlinie 2005/29/[X.]) noch
als irreführende Geschäftspraktik (Art.
6 und 7 der Richtlinie 2005/29/[X.])
ansehen ([X.]Z 187, 231 Rn.
22, 25

Millionen-Chance
II). Solche Umstände sind im Streitfall nicht festgestellt und
von der
Klägerin
auch
nicht
vorgetragen. Die Klägerin macht nicht geltend, dass die Beklagte den angesprochenen Verkehr unter Druck gesetzt,
in die Irre ge-37
38
-
16
-
führt oder auch nur unzureichend über die Teilnahmebedingungen oder Ge-winnmöglichkeiten unterrichtet hat.

5. Mit dem Hauptantrag erweisen sich auch die darauf rückbezogenen Folgeansprüche
sowie der Antrag auf Erstattung der Abmahnkosten
als unbe-gründet.

IV. Da
die Sache zur Endentscheidung reif ist (§
563 Abs.
3 ZPO), ist das angefochtene Urteil aufzuheben.
Auf die Berufung der [X.]
ist
das landge-richtliche Urteil abzuändern und
die Klage abzuweisen.

V. Die
Kostenentscheidung folgt aus §
91 Abs.
1 ZPO.

Büscher
Pokrant
Schaffert

Kirchhoff
Koch
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom
08.02.2012 -
84 [X.]/11 -

[X.], Entscheidung vom 21.09.2012 -
6 U 53/12 -

39
40
41

Meta

I ZR 192/12

12.12.2013

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2013, Az. I ZR 192/12 (REWIS RS 2013, 362)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 362

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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