Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.03.2008, Az. 3 StR 433/07

3. Strafsenat | REWIS RS 2008, 5022

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 [X.] vom 12. März 2008 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja ___________________________________ StPO § 1 (faires Verfahren), § 154, § 302 Abs. 1 Satz 1 [X.]. 6 Abs. 1 Satz 1 1. Wird bei einer verfahrensbeendenden Absprache unter Beteiligung des Gerichts rechtswidrig ein Rechtsmittelverzicht vereinbart, so hat dies nicht die Unwirksam-keit der Absprache im Übrigen zur Folge. 2. Die Ankündigung des Angeklagten, gegen das aufgrund einer [X.] ergehende [X.]eil Rechtsmittel einzulegen, ist für sich genommen kein [X.], der die Bindung des Gerichts an eine zulässige Verständigung beseitigt. Sie rechtfertigt es auch nicht, dass sich die Staatsanwaltschaft von ihrer in die [X.] einbezogenen Zusage löst, zu einer anderen Tat des Angeklagten einen Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO zu stellen. 3. Bindet das Gericht die Staatsanwaltschaft durch deren Zusage einer Antragstel-lung nach § 154 Abs. 2 StPO in eine [X.] ein, so hat es für den - 2 - Fall, dass diese ihr Versprechen sodann unter Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nicht einhält, die Verpflichtung, den Angeklagten, der im [X.] auf die Zusage die ihm vorgeworfenen anderen Taten eingeräumt hat, im Rahmen der rechtlichen Gestaltungsspielräume von den sich hieraus ergebenden Folgen so weit freizustellen, dass die getroffenen Absprachen weitestmöglich ein-gehalten werden. Nur wenn sich auf diese Weise kein Ergebnis erzielen lässt, das noch mit dem Gebot fairer Verfahrensführung vereinbar wäre, kommt ein Verfah-renshindernis für die Verfolgung der Tat in Betracht, zu der der Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO angekündigt worden ist. [X.], [X.]. vom 12. März 2008 - 3 [X.] - [X.] in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u. a. - 3 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom 21. Februar 2008 in der Sitzung am 12. März 2008, an denen teilgenommen haben: [X.] am [X.] [X.]als Vorsitzender, die [X.] am [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] als beisitzende [X.], Oberstaatsanwalt beim [X.] als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 21. Februar 2008 - als Verteidiger des Angeklagten, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 4 - 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das [X.]eil des [X.] vom 21. Mai 2007 im Strafausspruch dahin ge-ändert, dass der Angeklagte zu einer Jugendstrafe von zwei Jah-ren verurteilt wird. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung über die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung und über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in [X.] mit schwerer räuberischer Erpressung, wegen schweren Raubes und wegen Raubes zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen rich-tet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge, das [X.] habe sei-ne Pflicht verletzt, das Verfahren fair zu gestalten, sowie mit der allgemeinen Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel führt auf die Verfahrensrüge zur Änderung 1 - 5 - des Strafausspruchs und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur Entscheidung über die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung. 1. Der Beanstandung liegt folgendes, dem Protokoll der Hauptverhand-lung, dem Revisionsvortrag und den dienstlichen Erklärungen übereinstimmend zu entnehmendes Geschehen zugrunde: 2 Gegen den Angeklagten und mehrere Mitangeklagte fand die [X.] wegen des Vorwurfs zweier bewaffneter Raubüberfälle auf Mitarbeiter von Spielhallen im September 2006 statt (Taten 1 und 2). Zugleich waren ge-gen die Tätergruppe weitere Ermittlungsverfahren anhängig; gegen den Ange-klagten war wegen eines Überfalls auf eine Tankstelle am 4. November 2006 (Tat 3) bereits Anklage zum [X.] erhoben, diese aber noch nicht zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Am zweiten Hauptverhandlungstag teil-te der Vorsitzende mit, es hätten "zwischen dem [X.] der [X.], den Angeklagten, deren Verteidigern und dem Gericht Gespräche mit dem Ziel einer einvernehmlichen und verfahrensabschließenden Verständi-gung stattgefunden". Der [X.] der Staatsanwaltschaft, die Ange-klagten und deren Verteidiger erklärten daraufhin: "Wir greifen die Anregung des Gerichts auf und sind bereit, für den Fall eines Geständnisses folgende Strafen zu akzeptieren: – der Angeklagte A. eine Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren - ohne Strafaussetzung." Im [X.] daran erklärte der [X.] der Staatsanwaltschaft, dass er in den gegen den Angeklagten und die Mitangeklagten bei der Polizei anhängigen Ermittlungsver-fahren, bei den bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Ermittlungsverfahren und "in den bei der [X.] bereits angeklagten Verfahren eine - end-gültige - Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO veranlassen bzw. eine - endgültige - Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO beantragen wird". Sodann gaben der [X.] - 6 - geklagte und die Mitangeklagten über die Verteidiger - der Angeklagte über Rechtsanwalt [X.]
- jeweils eine geständige Einlassung ab. Nachdem das Verfahren am nächsten Verhandlungstag mit sonstigen Beweiserhebungen fortgesetzt worden war, teilte außerhalb der Hauptverhandlung Rechtsanwalt [X.]als neuer Verteidiger des Angeklagten dem Vorsitzenden der Jugend-kammer telefonisch mit, dass sein Mandant nicht mehr bereit sei, eine Jugend-strafe ohne Strafaussetzung zur Bewährung zu akzeptieren. Hiervon unterrich-tete der Vorsitzende den [X.] der Staatsanwaltschaft, der darauf antwortete, er fühle sich nun seinerseits nicht mehr an die getroffene Absprache gebunden, in dem bei der [X.] anhängigen weiteren Verfahren ei-nen Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO zu stellen. Am nächsten Verhandlungstag erklärte Rechtsanwalt [X.]

, der Angeklagte könne nicht verbindlich erklären, dass er ein heute gegen ihn ergehendes [X.]eil akzeptieren werde. Daraufhin erwiderte der [X.] der Staatsanwaltschaft, dass er sich, weil der Angeklagte deutlich gemacht habe, keinen Rechtsmittelverzicht erklä-ren zu wollen, an die getroffene Absprache nicht mehr gebunden fühle, und [X.] die Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten. [X.] trennte die [X.] danach das Verfahren gegen den Angeklagten durch Beschluss ab, weil nunmehr die Verbindung mit dem anhängigen Verfah-ren wegen eines weiteren Raubüberfalls (Tat 3) in Betracht komme, bezüglich dessen ein Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 154 Abs. 2 StPO nicht mehr zu erwarten sei. Am nächsten Verhandlungstag wies die [X.] den Angeklagte darauf hin, dass sie nicht mehr an die Verständigung gebunden sei. Danach wurde bezüglich der weiteren Anklage das Hauptverfahren eröffnet und die Sache zum laufenden Verfahren verbunden. Nach weiterer Beweiserhebung - der Angeklagte ließ sich zum Vorwurf des dritten Raubüberfalls nicht ein - wurde der Angeklagte wegen aller drei Taten zu der Jugendstrafe von drei Jah-ren verurteilt. - 7 - 2. Die Revision wendet sich - ungeachtet des in der Revisionsverhand-lung ohne Beschränkung gestellten Aufhebungsantrags - nicht dagegen, dass das [X.], obwohl es sich nicht mehr an die [X.] ge-bunden fühlte, das vom Angeklagten auf deren Grundlage abgelegte [X.] verwertet und ihn hiervon ausgehend wegen der Taten 1 und 2 schuldig ge-sprochen hat; der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob insoweit ein Verwertungsverbot vorlag. Vielmehr wird mit der Verfahrensrüge beanstandet, dass das [X.] sich nicht von der getroffenen [X.] habe lösen und den Angeklagten daher nur wegen der Taten 1 und 2 zu einer [X.] nicht mehr als zwei Jahren habe verurteilten dürfen. Mit dieser Stoßrichtung hat die Verfahrensrüge einen Teilerfolg. 4 3. Der Schuldspruch hält allerdings rechtlicher Überprüfung stand. Die ihn tragenden Feststellungen beruhen zu allen drei Taten auf einer rechtsfehler-freien Beweiswürdigung. Auch wurde durch die getroffene [X.] kein Verfahrenshindernis für die Verfolgung der Tat 3 begründet. Jedoch kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Im Einzelnen gilt: 5 a) Es ist im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, dass die [X.] mit dem Angeklagten eine [X.] getroffen hat. Trotz feh-lender gesetzlicher Regelung ist im Strafverfahren eine Verständigung innerhalb der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gezogenen Grenzen (siehe hierzu [X.] NStZ 1987, 419; [X.]St 43, 195; [X.]St - [X.] - 50, 40) grund-sätzlich zulässig. Diese Grenzen sind hier jedenfalls nicht in einer Weise über-schritten worden, dass den getroffenen Abreden insgesamt die Verbindlichkeit gefehlt hätte mit der Folge, dass der Angeklagte keinen Anspruch auf Einhal-tung der ihm erteilten Zusagen gehabt hätte. 6 - 8 - Zunächst hat das [X.] dem zu beachtenden Formerfordernis ge-nügt, indem es das Ergebnis einer in Vorgesprächen erreichten Annäherung in der öffentlichen Verhandlung mitgeteilt und in die Sitzungsniederschrift [X.] hat. Ein Überschreiten der inhaltlichen Grenzen einer zulässigen Ver-ständigung zum Strafausspruch ist nicht ersichtlich. Dass sich die Abrede auf die Verhängung einer Jugendstrafe bezog, macht sie für sich nicht unzulässig (zu den Bedenken vgl. [X.] NStZ 2001, 555 mit [X.]. [X.] NStZ 2001, 556); es ist nicht erkennbar, dass auch die Frage der Anwendung von Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht und nicht allein die Höhe der höchstens zu [X.] Strafe Gegenstand der Vereinbarung war. Der Umstand, dass in die Absprache die Zusage der Staatsanwaltschaft einbezogen war, in anderen Ver-fahren auf unterschiedliche Weise von weiterer Strafverfolgung abzusehen oder entsprechende Anträge zu stellen, steht deren Wirksamkeit nicht entgegen. 7 b) Die Grenzen einer zulässigen Verständigung sind allerdings dann ver-letzt, wenn das Gericht am Zustandekommen einer [X.]eilsabsprache mitwirkt, in der auch der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels vereinbart wird. Es darf bei Gesprächen über eine einverständliche Verfahrensbeendigung die Fra-ge eines Rechtsmittelverzichts weder von sich aus ansprechen, noch gar be-fürworten oder von den Beteiligten verlangen. Es hat Äußerungen zu vermei-den, die objektiv dahin verstanden werden können, dass ihm an einem Rechtsmittelverzicht gelegen oder dass dieser für den Angeklagten vorteilhaft sei ([X.]St - [X.] - 50, 40, 57); denn für die Vereinbarung eines Rechtsmittel-verzichts bestehen keine legitimen Interessen ([X.]St - [X.] - 50, 40, 56; siehe dazu auch den [X.] des Senats [X.] NJW 2004, 2536). 8 - 9 - Es liegen hier erhebliche Anhaltspunkte dafür vor, dass das [X.] diese Vorgaben missachtet und einen Verzicht der [X.] auf Einlegung der Revision zum Gegenstand der Vorgespräche außerhalb der Hauptverhandlung gemacht hat. Hierfür spricht zum einen schon der Wortlaut der protokollierten Verständigung: Danach hat nicht - wie an sich geboten (vgl. [X.]St 43, 195, 207 und [X.]St - [X.] - 50, 40, 48) - die [X.] für den Fall einer geständigen Einlassung die Zusage erteilt, eine bestimmte Strafhöhe nicht zu überschreiten; vielmehr haben der Angeklagte, sein Verteidiger und der [X.] der Staatsanwaltschaft versprochen, eine Jugendstrafe von nicht mehr als einem bestimmten Höchstmaß zu "akzeptieren". Auch die Reak-tionen des Vorsitzenden und des [X.]s der Staatsanwaltschaft auf die Ankündigung, der Angeklagte werde die Frage der Bewährung möglicher-weise durch das Rechtsmittelgericht überprüfen lassen, deuten in diese Rich-tung. Andererseits hat die Revision ein solches rechtswidriges Verhalten der Verfahrensbeteiligten nicht geltend gemacht; es lässt sich auch den [X.] dienstlichen Stellungnahmen (zur freibeweislichen Feststellung eines unzu-lässigen Geschehens vgl. [X.]St 45, 227, 228) nicht mit Sicherheit entnehmen. 9 Der Senat muss diese Frage jedoch nicht näher aufklären. Selbst wenn unter Beteiligung des Gerichts unzulässig ein Rechtsmittelverzicht vereinbart worden sein sollte, hätte dies nicht zur Folge, dass die übrigen Abreden unbe-achtlich wären. Zwar wäre das Versprechen des Rechtsmittelverzichts selbst unwirksam und deshalb ohne Bindung für die [X.]; indes würde die Wirksamkeit der Verständigung im Übrigen durch die rechtswidrige Einbeziehung eines Rechtsmittelverzichts hier nicht beeinträchtigt werden. Die Verbindlichkeit einer nach den allgemeinen Grundsätzen wirksamen [X.]eilsab-sprache wird nicht dadurch gefährdet, dass sie mit dem Versprechen eines spä-teren Rechtsmittelverzichts verbunden ist. Selbst wenn dies unzulässigerweise 10 - 10 - der Fall gewesen sein sollte, wären die hiermit verbundenen Erwartungen nicht schützenswert (vgl. [X.] in FS für [X.], 652). c) Demgemäß war das [X.] im Grundsatz an seine Zusage ge-bunden, den Angeklagten wegen der Taten 1 und 2 zu einer Jugendstrafe von höchstens zwei Jahren ohne Strafaussetzung zur Bewährung zu verurteilen sowie das Verfahren zu Tat 3 - nach einem entsprechenden Antrag der [X.] - gemäß § 154 Abs. 2 StPO einzustellen. Von dieser Bindung konnte es sich nur unter den von der Rechtsprechung anerkannten Vorausset-zungen lösen. Danach kommt ein Abweichen von der Zusage nur dann in [X.], wenn schon bei der [X.]eilsabsprache vorhandene relevante tatsächliche oder rechtliche Aspekte übersehen wurden (vgl. [X.]St - [X.] - 50, 40, 50), oder wenn sich in der Hauptverhandlung neue (d. h. dem Gericht bisher unbekannte) schwerwiegende Umstände zu Lasten des Angeklagten ergeben (so die zuvor von [X.]St 43, 195, 210 gezogene, engere Grenze). Dies war hier nicht der Fall. [X.]) Der Angeklagte hat die ihm vorgeworfenen beiden Überfälle einge-räumt. Es ist nicht ersichtlich, dass er dabei hinter den vom Gericht an ihn ge-stellten Anforderungen zurückgeblieben wäre. Mit seinem Geständnis hat er seinen Teil der Verständigung erfüllt. Relevante tatsächliche oder rechtliche Aspekte waren von der Kammer weder bei der Absprache übersehen worden noch im [X.] daran neu zutage getreten. Insbesondere gab die Erklärung des Angeklagten, er könne nicht zusichern, dass er bei einem absprachegemäß ergehenden [X.]eil auf Rechtsmittel verzichten werde, bzw. er sei mit einer Ver-urteilung zu einer die Zusage ausschöpfenden Strafe nicht mehr einverstanden, der [X.] keine Berechtigung, von der getroffenen [X.] abzurücken. Darf ein Rechtsmittelverzicht nicht zum Gegen-stand der [X.] - 11 - ständigung gemacht werden, so kann auch eine Erklärung, ggf. Rechtsmittel einlegen zu wollen, die Bindungswirkung der Absprache nicht beseitigen. [X.]) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die [X.] aufgrund der Erklärungen des Angeklagten in nicht zu rechtferti-gender Weise von ihren Zusagen gelöst hat, die sie in der unter ihrer Beteili-gung zustande gekommenen [X.] gegeben hatte. 13 Die Staatsanwaltschaft hatte sich dadurch an der [X.] beteiligt, dass sie für den Fall eines Geständnisses des Angeklagten und des-sen Verurteilung im Rahmen der Verständigung (höchstens zu einer Jugend-strafe von zwei Jahren ohne Strafaussetzung zur Bewährung) die Einstellung weiterer Ermittlungs- und Strafverfahren bzw. die Stellung entsprechender An-träge zugesichert hat (zu den Bedenken gegen eine Beteiligung der Staatsan-waltschaft an einer [X.] vgl. [X.]St 42, 191; 45, 227). Sie [X.] damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sich der Angeklagte verlassen durfte und dessen Grundlage durch seine Ankündigung, gegen das aufgrund der [X.] ergehende [X.]eil gegebenenfalls [X.] einzulegen, nicht entfallen ist; auch der Staatsanwaltschaft ist kein berechtig-tes Interesse daran zuzubilligen, ein [X.]eil einer Überprüfung durch das Revisi-onsgericht auf Rechtsfehler zu entziehen, dem eine [X.] vo-rausgegangen ist, in die sie eigene Zusagen eingebracht hat. 14 Indem die [X.] die Erklärungen der Staatsanwaltschaft in die [X.] mit dem Angeklagten aufgenommen hat, hat sie sich die daraus für diesen ergebenden Zusagen zu eigen gemacht und war daher durch das Gebot fairer Verfahrensgestaltung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK; Art. 20 Abs. 3 GG) gehalten, diese in ihrem Zuständigkeitsbereich - soweit rechtlich hierzu in 15 - 12 - der Lage (siehe dazu unten d)) - umzusetzen, wenn der Angeklagte seinen Teil der Abrede erfüllt, mithin das Geständnis zu den Taten 1 und 2 abgibt. Hätte die Staatsanwaltschaft nach der geständigen Einlassung des Angeklagten in dem Verfahren zu Tat 3 den von ihr versprochenen Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO gestellt, wäre das [X.] somit verpflichtet gewesen, diesem Antrag zu entsprechen. d) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ergibt sich vor diesem Hintergrund indessen kein Verfahrenshindernis für die Aburteilung der Tat 3. 16 Die Staatsanwaltschaft hat zwar durch ihre Weigerung, nach dem [X.] zu den Taten 1 und 2 in dem Verfahren zu Tat 3 den Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO zu stellen, das durch ihre entsprechende Zusa-ge begründete berechtigte Vertrauen des Angeklagten in nicht zu rechtfertigen-der Weise verletzt. Das Verhalten der Staatsanwaltschaft hatte zur Folge, dass es an einer gesetzlichen Voraussetzung für eine Verfahrenseinstellung nach dieser Vorschrift fehlte und die [X.], die den Antrag der Staatsan-waltschaft nicht erzwingen konnte, an einer Erfüllung ihres diesbezüglichen Versprechens schon aus Rechtsgründen gehindert war - unbeschadet dessen, dass sie sich selbst an die Absprache nicht mehr gebunden fühlte. Nach [X.] Rechtsprechung begründet die nicht gerechtfertigte, die Verfahrensfair-ness missachtende Weigerung der Staatsanwaltschaft, entsprechend einer er-teilten Zusage das Verfahren hinsichtlich einer bestimmten Tat nach [X.] einzustellen, jedoch kein Verfahrenshindernis für deren Ahndung, sondern lediglich einen wesentlichen Strafmilderungsgrund ([X.]St 37, 10). Hieran ist jedenfalls für die hier gegebene besondere Fallkonstellation festzu-halten. Zwar lag der damaligen Entscheidung des Senats die Besonderheit zugrunde, dass der Angeklagte [X.] trotz der Zusage der 17 - 13 - Staatsanwaltschaft fortgesetzt hatte (vgl. [X.]St 37, 10, 14 f.), während hier der Angeklagte keinen die Änderung des Verhaltens der Staatsanwaltschaft recht-fertigenden Anlass gegeben hat. Dies veranlasst indessen keine unterschiedli-che Betrachtung. Denn die Verletzung des Grundsatzes fairer Verfahrensfüh-rung kann ein Verfahrenshindernis nur dann begründen, wenn keine Möglichkeit besteht, diesen Verstoß durch strafprozessuale Maßnahmen und/oder die [X.] materiellrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten auf der [X.] so weit auszugleichen, dass sich das Verfahren insgesamt noch als fair erweist. Für die hier in Rede stehende Fallgestaltung bedeutet dies: Bindet das Gericht die Staatsanwaltschaft in eine [X.] ein, so hat es für den Fall, dass diese ihre Zusagen sodann unter Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nicht einhält, etwa - wie hier - eine versprochene Antrag-stellung nach § 154 Abs. 2 StPO verweigert, die Verpflichtung, den Angeklag-ten, der im Vertrauen auf die Zusage die ihm vorgeworfenen anderen Taten eingeräumt hat, im Rahmen der rechtlichen Gestaltungsspielräume von den sich hieraus ergebenden Folgen so weit freizustellen, dass die getroffenen [X.]n weitestmöglich eingehalten werden. Nur wenn auf diesem Wege kein Ergebnis erzielbar ist, das das [X.] noch als fair erscheinen lässt, kann ein Verfahrenshindernis für die Verfolgung der Tat in Betracht kommen, zu der die Staatsanwaltschaft den Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO unberechtigt verweigert. Dies ist im Hinblick auf die hier gegebenen Besonderheiten nicht der Fall, die es ermöglichen, die Höchststrafenzusage auch dann zu respektieren, wenn in den Schuldspruch die Verurteilung wegen der Tat 3 einbezogen wird. 18 Die erste notwendige Voraussetzung hierfür hat das [X.] dadurch geschaffen, dass es das Verfahren zu Tat 3 mit dem Verfahren bezüglich der 19 - 14 - Taten 1 und 2 verbunden hat. Hierdurch wurde die Möglichkeit eröffnet, auf die Tat 3, die der Angeklagte an seinem 21. Geburtstag begangen hat, ebenfalls Jugendstrafrecht anzuwenden (§ 32 Satz 1 JGG). Von dieser Möglichkeit hat die [X.] rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Sie hat es indessen rechtsfehlerhaft unterlassen, die weitere notwendige Konsequenz zu ziehen und auf dieser Grundlage ihre weiterhin verbindliche Höchststrafenzusage einzuhalten. Dies war ihr entgegen der Auffassung des [X.] von Gesetzes wegen nicht verwehrt. Sie war bei der Anwendung von Jugendrecht nicht gehindert, auch für die drei abgeurteilten Taten auf eine Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren zu erkennen. Dies lag umso näher, als die Jugendstrafe ohnehin ohne die Bindung an die Straf-rahmen des Erwachsenenrechts maßgeblich nach erzieherischen [X.] zu bemessen war, sowie Staatsanwaltschaft und Gericht offensichtlich (anderenfalls wäre die zugesagte Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO eine Verletzung des Rechts zu Gunsten des Angeklagten gewesen) der Überzeugung waren, die dritte Tat sei von minderer Bedeutung (so die Rechts-gedanken von § 154 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO). 20 e) Nach alledem hat der Schuldspruch, nicht dagegen der [X.]. Diesen kann der Senat jedoch selbst abändern. Er erkennt entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf eine Jugendstrafe von zwei Jahren - die Strafe, die das [X.] nach der getroffenen Absprache höchstens hätte verhängen dürfen. Er schließt aus, dass sich an der Grundlage für die Verhän-gung von Jugendstrafe, die der Tatrichter wegen der Schwere der Schuld für erforderlich gehalten hat, etwas geändert haben könnte. Ebenso ist im Hinblick auf die festgestellte Lebensentwicklung des Angeklagten sowie auf den [X.], dass nunmehr drei Raubüberfälle zu ahnden sind, auszuschließen, dass 21 - 15 - ein neuer Tatrichter eine Jugendstrafe von weniger als zwei Jahren unter Be-achtung des [X.] als ausreichend für die notwendige Einwir-kung ansehen könnte. Der neue Tatrichter hat daher - auch unter Berücksichtigung der Entwick-lung, die der Angeklagte in der seit dem angefochtenen [X.]eil vergangenen [X.] gemacht hat - nur noch darüber zu entscheiden, ob die Vollstreckung der [X.] ausgesetzt werden kann. Eine Entscheidung hierzu ist dem Senat verwehrt. 22 [X.] Miebach [X.] [X.] Schäfer

Meta

3 StR 433/07

12.03.2008

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.03.2008, Az. 3 StR 433/07 (REWIS RS 2008, 5022)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 5022

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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