Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2011, Az. 4 StR 659/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 6919

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 659/10

vom
10. Mai
2011
in der Strafsache
gegen

wegen Anstiftung zur
versuchten
besonders schweren Brandstiftung
u.a.

-
2
-
Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 10. Mai
2011
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Juli 2010
a)
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Ange-klagte der Anstiftung zur
-
tateinheitlich begange-nen
-
versuchten besonders schweren Brandstif-tung und Brandstiftung schuldig ist;
b)
im Strafausspruch aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere allgemeine Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Mona-ten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1
-
3
-
I.
Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte in angemieteten Räum-lichkeiten im Erdgeschoß des [X.], in welchem sich im Erdgeschoß verschiedene Geschäftslokale und im Obergeschoß fünf genutzte Wohnungen befanden, ein Sonnenstudio. Da die Einkünfte des Angeklagten nicht ausreich-ten, um seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, fasste er den Entschluss, das Inventar des Sonnenstudios durch Dritte in Brand setzen zu lassen, um gegenüber der [X.] vermeintliche Versicherungsansprüche betrügerisch geltend zu machen. Mit der Brandlegung beauftragte der Ange-klagte ihm bekannte Personen, die nicht ermittelt werden konnten. Der Ange-klagte hielt es für möglich und nahm billigend in Kauf, dass sich das Feuer auch auf das bewohnte Obergeschoß ausweiten konnte. Nicht ausschließbar vertraute er aber darauf, dass Menschen dadurch weder verletzt noch getötet werden.
Am 24. Januar 2009 zwischen 2.30 und 4.20
Uhr gelangten die vom [X.] beauftragten Täter mit einem vom Angeklagten überlassenen Schlüssel in das Sonnenstudio. Sie entzündeten im Eingangsbereich in der Nähe der dortigen Empfangstheke befindliche Gegenstände, wofür sie etwas Benzin aus einem mitgebrachten 5-Liter-Kanister verwendeten, den sie mit ge-öffnetem Verschluss im Sonnenstudio zurückließen. Das Feuer, das Gebäude-teile nicht erfasste, führte dazu, dass die Einrichtungen des Sonnenstudios, vor allem die Trennwände im Bereich der Empfangstheke und in ihrer Nähe in grö-ßerem Umfang verrußt bzw. verkohlt und -
ebenso wie die Akustikdecke -
durch die Hitzeeinwirkung zerstört wurden. Beim Eintreffen der um 6.55
Uhr alarmier-ten Feuerwehr war das Feuer bis auf noch vorhandene Glutnester erloschen. In Folge des [X.], durch den niemand verletzt wurde, war das vom Angeklag-2
3
-
4
-
ten angemietete Geschäftslokal bis zu dessen Instandsetzung nicht mehr nutz-bar. Hätte sich aus der Brandlegung ein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwartender Vollbrand des Sonnenstudios entwickelt, wäre mit einem Über-greifen des Feuers auf das Obergeschoß und einer Gefährdung der Bewohner zu rechnen gewesen.
II.
Der
Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Prü-fung nicht stand. Die unbekannt
gebliebenen Täter haben entgegen der [X.] der Strafkammer lediglich eine versuchte schwere Brandstiftung in [X.] mit Brandstiftung gemäß §
306a Abs.
1 Nr.
1, §
306 Abs.
1 Nr.
1, §
52 StGB begangen. Nach §
28 Abs.
2 StGB hat sich der Angeklagte daher der Anstiftung zur tateinheitlichen versuchten besonders schweren Brandstiftung und Brandstiftung schuldig gemacht.
1. Die von den Haupttätern verübte schwere Brandstiftung ist nicht über das Versuchsstadium hinaus verwirklicht worden.
a) Da das [X.] ein Übergreifen des Feuers auf Gebäudeteile in der Weise, dass deren Fortbrennen aus [X.] möglich war (vgl. [X.], Urteil vom 20. Juni 1986 -
1 [X.], [X.]St 34, 115, 117), nicht hat fest-stellen können, fehlt es an einem vollendeten Inbrandsetzen. Entgegen der [X.] des [X.] liegen die Voraussetzungen der Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens eines der Wohnung von Menschen dienenden Ge-bäudes nach §
306a Abs.
1 Nr.
1 StGB nicht vor.
4
5
6
-
5
-
b) Schutzobjekt des durch das Sechste Gesetz zur Reform des Straf-rechts (6.
StrRG) vom 26. Januar 1998 ([X.]) neu gefassten §
306a Abs.
1 Nr.
1 StGB ist jede Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient. Geschützt ist die Wohnstätte des Menschen als der örtliche Mittelpunkt menschlichen Lebens (vgl. [X.], Urteil vom 24. April 1975 -
4 [X.], [X.]St 26,
121, 123). Aus dem auf das Wohnen bezogenen Schutzzweck des §
306a Abs.
1 Nr.
1 StGB folgt, dass die Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens eines Wohngebäudes bei einer Brandlegung in einem einheitlichen, teils gewerblich, teils als Wohnung genutzten Gebäude erst dann verwirklicht ist, wenn (zumindest) ein zum selbständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes, d.h. eine zum Wohnen bestimmte abgeschlossene [X.], durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist (vgl. [X.],
Urteil vom 12. September 2002 -
4 [X.], [X.]St 48, 14, 18, 20; Beschlüsse
vom 24. Oktober 2006 -
3 [X.], [X.], 78; vom 10.
Januar 2007 -
5 [X.], [X.], 270, 271; vom 6.
Mai 2008 -
4 StR 20/08,
NStZ
2008,
519;
vom
14.
Juli
2009
-
3 StR 276/09, [X.], 151, 152; vom 26. Januar 2010 -
3 [X.], [X.], 452; vgl. auch Urteil vom 17.
November 2010 -
2 StR 399/10, NJW 2011, 1091; [X.], StGB, 58. Aufl., §
306a Rn. 8a; anders noch [X.], Beschluss vom 29. September 1999 -
3 [X.], [X.], 197). Dass das Feuer auf zu Wohnzwecken genutzte Teile des Gebäudes
hätte
übergreifen können, ändert nichts am fehlenden Eintritt des in §
306a Abs.
1 Nr.
1 StGB tatbestandlich vorausgesetzten Erfolgs und vermag daher die Annahme einer vollendeten schweren Brandstiftung gemäß §
306a Abs.
1 StGB nicht zu begründen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Januar 2010 -
3 [X.] aaO). Da die Inbrandsetzung des Inventars des Sonnen-studios lediglich zu einer Zerstörung des dem Betrieb des Sonnenstudios die-nenden [X.] führte, ist die von den unbekannt gebliebenen Tätern 7
-
6
-
verübte schwere Brandstiftung nach § 306a Abs.
1 Nr.
1 StGB im [X.] stecken geblieben.
c) Auf Anfrage des Senats hat der 2. Strafsenat seine entgegenstehen-de,
dem Beschluss vom 19. Juli 2007 -
2 StR 266/07 -
zu Grunde liegende Rechtsauffassung aufgegeben.
2. Die von den unbekannt gebliebenen Tätern begangene versuchte schwere Brandstiftung nach §
306a Abs.
1 Nr.
1, §
22 StGB steht zu der [X.] verwirklichten vollendeten Brandstiftung gemäß §
306 Abs.
1 Nr.
1 StGB im Verhältnis der Tateinheit.
a) In der Rechtsprechung
des [X.] ist anerkannt, dass bei einer dasselbe Gebäude betreffenden Brandlegung der Tatbestand der Brandstiftung nach §
306
Abs.
1 Nr.
1 StGB durch denjenigen der schweren Brandstiftung gemäß §
306a Abs.
1 Nr.
1 StGB verdrängt wird (vgl. [X.], Be-schlüsse
vom 8. Juli 2003 -
4 [X.]; vom 3. April 2002 -
3 [X.]; vom 6. Dezember 2000 -
1 [X.], [X.], 232; vom 21.
November 2000
-
1 StR 438/00, [X.], 196). Gleiches gilt für das Verhältnis von einfacher zur besonders schweren Brandstiftung gemäß §
306b Abs.
2 StGB ([X.], [X.] vom 6. Dezember 2000 -
1 [X.], aaO). Handelt es sich bei dem Tatobjekt um ein fremdes Gebäude, wird der Unrechtsgehalt des §
306 Abs.
1 Nr.
1 StGB durch einen Schuldspruch wegen schwerer oder besonders schwe-rer Brandstiftung nach §
306a Abs.
1
Nr. 1, §
306b Abs.
2 StGB vollständig er-fasst.
8
9
10
-
7
-
b) Anders ist das Konkurrenzverhältnis
aber zu beurteilen, wenn eine versuchte schwere oder versuchte besonders schwere Brandstiftung nach §§
22,
306a Abs.
1 Nr.
1, §
306b Abs.
2
Nr. 2
StGB mit einer vollendeten einfa-chen Brandstiftung gemäß §
306 Abs.
1 Nr.
1 StGB zusammentrifft. Diese Konstellation kann sich in Folge der Erweiterung der Brandstiftungsdelikte um die Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens ergeben, wenn -
wie hier -
bei einer Zerstörung eines gewerblichen Zwecken dienenden Teils eines teils gewerblich, teils zu Wohnzwecken genutzten Gebäudes zwar der Tatbestand des §
306 Abs.
1 Nr.
1 StGB, nicht aber derjenige des §
306a Abs.
1 Nr.
1, §
306b Abs.
2 Nr. 2 StGB vollendet ist. In diesen Fällen wird durch eine Verur-teilung nur wegen versuchter schwerer oder versuchter besonders schwerer Brandstiftung nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht, dass bezogen auf den Tatbestand der einfachen Brandstiftung nach §
306 Abs.
1 Nr.
1 StGB ein Brandstiftungserfolg eingetreten ist. Die Klarstellungsfunktion der Idealkonkur-renz ([X.], Urteil vom 24. September
1998
-
4 StR 272/98, [X.]St 44, 196, 198) gebietet es daher, Tateinheit zwischen §
306 Abs.
1 Nr.
1 und §§
22, 306a Abs.
1 Nr.
1, §
306b Abs.
2 Nr. 2 StGB anzunehmen
(vgl. [X.], Urteil vom 12.
Juni 2008 -
4 [X.], [X.], 309 zu §§
22, 306b Abs.
2 Nr.
1 StGB und §
306a Abs.
1 Nr.
1 StGB; Beschlüsse
vom 31. August 2004 -
1 StR 347/04, [X.], 367 zu §§
22, 306c StGB und §
306a Abs.
1 Nr.
1 StGB; vom 21. November 2000 -
1 StR 438/00, aaO zu §§
22, 306b Abs.
1 StGB und §
306a
Abs.
1 Nr.
1 StGB).
3. Da es sich bei der nach §
306b Abs.
2 Nr.
2 StGB erforderlichen Ab-sicht um ein strafschärfendes persönliches Merkmal im Sinne des §
28 Abs.
2 StGB handelt (vgl. [X.], Beschluss vom 29. September 1999 -
3 [X.], [X.], 197, 198), hat sich der Angeklagte auf der Grundlage der rechts-fehlerfrei getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nach §
28 Abs.
2 StGB der 11
12
-
8
-
Anstiftung zur
-
tateinheitlich begangenen
-
versuchten besonders schweren Brandstiftung und Brandstiftung schuldig gemacht. Der Senat ändert
den Schuldspruch
entsprechend. §
265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der verhängten [X.] zur Folge. Die zugehörigen, rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen können dagegen bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bishe-rigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neuen Tatrichter sind möglich.
Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer, nach-dem die Zuständigkeit des Schwurgerichts nicht mehr gegeben ist.
[X.]Cierniak

Mutzbauer

Bender
13
14

Meta

4 StR 659/10

10.05.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2011, Az. 4 StR 659/10 (REWIS RS 2011, 6919)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6919

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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