Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.08.2001, Az. 2 StR 504/00

2. Strafsenat | REWIS RS 2001, 1687

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[X.] DES [X.]/00vom8. August 2001in der [X.]: ja[X.]St: neinVeröffentlichung: jaStPO §§ 273 Abs. 1, 274 Satz 1Zum Wegfall der Beweiskraft des Protokolls.[X.], Urteil vom 8. August 2001 - 2 [X.] - [X.] -Der 2. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom18. Juli 2001 in der Sitzung vom 8. August 2001, an denen teilgenommen ha-ben:Vizepräsident des [X.]esDr. [X.]als Vorsitzenderund die [X.] am [X.]. h.c. Detter,[X.],die [X.]innen am [X.]. [X.],[X.]als beisitzende [X.],[X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger,die [X.]als [X.]in,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 -für Recht [X.] Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. Juni 2000 wird verworfen.2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels unddie den [X.] im Revisionsverfahren entstandenennotwendigen Auslagen zu tragen.Von Rechts wegenGründe:I.1. [X.], [X.], geriet aufgrund einesleichten Anrempelns im Toilettenvorraum einer Gaststätte mit dem später ge-töteten [X.]in Streit. Die verbale Auseinandersetzung über die Be-merkung des Opfers, [X.]habe ihm ein Bein gestellt, wurde im Ga-straum fortgesetzt und führte schließlich zu einem [X.] für [X.]durch den Gastwirt. [X.]berichtete seinem [X.]uder, dem [X.], von dem Streit. Für das Lokalverbot machten die [X.]verantwortlich und wollten es ihm heimzahlen. [X.]sah indem Geschehen eine Kränkung seines [X.]uders und diese als eigene Ehrver-letzung an. Sie bewaffneten sich mit Dachlatten, warteten vor der [X.] den Gegner und wollten ihn angreifen, sobald er das Lokal verlassen wür-- 4 -de. Der Angeklagte ging zwischendurch mehrfach hinein. Schließlich fragte er [X.], als dieser gerade alleine war, ob er derjenige sei, der mit seinem[X.]uder Streit gehabt habe. Als er darauf keine Antwort erhielt, empfand er [X.] eine zusätzliche Beleidigung, weil [X.]ihm die kalte Schulter ge-zeigt hatte und einfach weggegangen war. [X.]stürzte sich mit [X.] auf den Kontrahenten, sobald er herauskam. Der Angeklagte, der diebereit gelegte Latte nicht mehr ergreifen konnte, kam ihm zu Hilfe. Als [X.]sich einem hinzugeeilten Freund des Opfers zuwandte, stand der Ange-klagte diesem allein gegenüber. Er erkannte, daß es ihm kaum gelingen würde,den erheblich größeren [X.]niederzustrecken, und entschloß sich, das inseiner Tasche befindliche Springmesser einzusetzen. Mit erheblicher Wuchtstach er fünfmal auf [X.]ein, der infolge der Stichverletzungen ver-starb. Die Verärgerung und Wut über den [X.] des [X.]uders und überdas aus seiner Sicht abschätzige Verhalten ihm gegenüber waren [X.] den Entschluß des Angeklagten, [X.]zu töten, was ihm auch [X.] war.2. Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes verurteilt, weil eraus niedrigen Beweggründen gehandelt habe. Es hat angenommen, daß [X.] und Wut ihrerseits wegen eines krassen [X.] Anlaß und Tat auf niedriger Gesinnung beruhten. Der Angeklagte [X.] nichtigem Anlaß getötet.Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Angeklagten,mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.- 5 -II.1. Mit der Verfahrensrüge beanstandet der Beschwerdeführer die Verlet-zung von § 338 Nr. 5 StPO in Verbindung mit § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO durchvorschriftswidrige Abwesenheit eines notwendigen Verteidigers in der [X.] vom 11. April 2000.a) Dazu macht er geltend:An 21 Verhandlungstagen sei er teils von Pflichtverteidiger Rechtsanwalt[X.]und Wahlverteidiger Rechtsanwalt [X.]. gemeinsam, teils aber auchvon jedem einzeln verteidigt worden. Am 12. Hauptverhandlungstag, [X.] April 2000, sei für ihn nur Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger in der [X.] erschienen. Dieser habe während der Vernehmung des Zeugen[X.] den Sitzungssaal zeitweise verlassen. In Abwesenheit des [X.] diesem Tage für ihn erschienenen Verteidigers habe der Zeuge [X.] H. zur Sache ausgesagt und auf Vorhalte des Vorsitzenden geantwortet. [X.] Abschnitts der Hauptverhandlung sei er nicht verteidigt gewesen.Zum Beweis der Richtigkeit seines Vorbringens beruft sich der [X.] auf das Protokoll der Hauptverhandlung, das diese [X.]) [X.] hat keinen Erfolg.aa) Die Anwesenheit eines notwendigen Verteidigers nach § 140 Abs. 1Nr. 1 StPO gehört zu den wesentlichen Förmlichkeiten im Sinne von §§ 273Abs. 1, 274 Satz 1 StPO, deren Beobachtung nur durch das Protokoll bewiesenwerden kann (vgl. [X.]St 24, 281). [X.] scheint durch das Protokoll [X.] zu werden. Die Beweiskraft des Protokolls kann jedoch entfallen, wenn es- 6 -an bestimmten inhaltlichen Mängeln leidet. Es kommen in Betracht aus sichselbst nicht lösbare Widersprüche, unerklärliche Auslassungen (Lücken) [X.]. Um solche offensichtlichen Mängel handelt es sich nach derneueren Rechtsprechung auch, wenn die Sitzungsniederschrift Vorgänge [X.], die sich nach aller Erfahrung so nicht zugetragen haben können. Dabeiist zu beachten, daß das Protokoll einer sich über mehrere Termine erstrek-kenden Hauptverhandlung eine Einheit bildet. Der [X.] hat der-artige, die Beweiskraft ausschließende Mängel des Protokolls wiederholt [X.].So wurde als nicht lösbarer Widerspruch behandelt das Schweigen [X.] über die Anwesenheit eines beisitzenden [X.]s an ei-nem bestimmten Verhandlungstag, dessen Anwesenheit die vorangegangenenTeilprotokolle auswiesen, und die Bezugnahme des nachfolgenden Teilproto-kolls auf dieselbe Besetzung des Gerichts ([X.], Beschluß vom 25. [X.] - 2 StR 514/99). Ein Widerspruch wurde auch in dem Fall bejaht, in [X.] Protokoll für einen Sitzungstag einen anderen [X.] anstelle des an denübrigen Sitzungstagen anwesenden Beisitzers aufführte ([X.]St 16, 306). [X.] Weise wurde für widersprüchlich gehalten, daß nach Ausschluß derÖffentlichkeit deren Wiederherstellung nicht protokolliert, für die später erfolgteVernehmung einer Zeugin aber die Öffentlichkeit erneut ausgeschlossen wurde([X.] NStZ-RR 2000, [X.] wurde darin gesehen, daß der Staatsanwalt nach der [X.] keinen bestimmten Schlußantrag zur Strafhöhe gestellt hat,obwohl sich aus anderen Umständen zwingend ergab, daß er einen solchengestellt haben mußte ([X.]R StPO § 274 Beweiskraft 12). Als lückenhaft wurdedas Protokoll des weiteren dann behandelt, wenn ein protokollierter Vorgang- 7 -darauf hindeutete, daß ein anderer zuvor geschehen sein mußte. Wurde in [X.] die Sitzung eingangs als öffentlich bezeichnet und vor [X.] Urteilsverkündung vermerkt, daß die Öffentlichkeit wieder hergestellt [X.], so enthielt das Protokoll eine augenscheinliche Lücke, soweit die [X.] zuvor ausgeschlossen sein mußte ([X.]St 17, 220). Eine Lücke hat der[X.] auch in dem Fall angenommen, in dem das [X.] den[X.] auf einen nicht korrekt gestellten Beweisantrag hinwiesund das Protokoll keine Reaktion des Anwalts aufzeigte. Es wurde durch [X.] nicht als bewiesen angesehen, der Anwalt habe den Hin-weis des Gerichts schweigend hingenommen ([X.]R StPO § 274 [X.]). Lücken und Widersprüche greifen häufig ineinander über. So wurde [X.] hinsichtlich der Verlesung von Niederschriften über [X.] für lückenhaft und in sich widersprüchlich erachtet. Nachdem auf [X.] bestimmte Niederschriften laut Sitzungsprotokollverlesen wurden, wies das Protokoll aus, daß der bereits ergangene Beschlußüber die Verlesung der Niederschriften weiter ausgeführt und die Verlesungfortgeführt wurde. Das Protokoll über die Fortsetzung der Verlesung wurde [X.] erachtet, soweit daraus nicht zu entnehmen war, daß nur die inder Anordnung konkret bezeichneten Niederschriften über die [X.] verlesen worden sind ([X.], Beschluß vom 22. Juni 1999 - 1 [X.]/99).Als unklar wurde der Protokollvermerk "allgemein vereidigt" [X.] Dolmetscherin eingestuft. Da der Vermerk die bloße Tatsache der Verei-digung, aber auch die nach § 189 Abs. 2 GVG erforderliche Berufung auf denEid beinhalten kann, führte die Mehrdeutigkeit zum Wegfall der Beweiskraft([X.]St 31, 39). Wegen offensichtlicher Unklarheit konnte in einem [X.] das Schweigen des Protokolls keinen Beweis für die Abwesenheit eines- 8 -notwendigen Verfahrensbeteiligten (Dolmetscher) begründen. Bei unterschied-licher Handhabung der Protokollierung der Namen in verschiedenen Fortset-zungsterminen ließ sich bei mehrfachem Wechsel in der Person des Dolmet-schers dem einheitlichen Sitzungsprotokoll nicht entnehmen, welche Persondie Funktion des notwendigen Verfahrensbeteiligten an dem Tag bekleidete, andem das Protokoll zur Anwesenheit schwieg ([X.], Beschluß vom 22. Mai 2001- 3 StR 462/00).Einen offensichtlichen Mangel - ohne nähere Einordnung - hat der [X.] angenommen, soweit das Protokoll lediglich vermerkte, [X.] erschienen war und Angaben zur Sache machte, aber zur Frageihrer Vereidigung und Entlassung schwieg ([X.] NStZ 2000, 546).bb) Der Fall eines offensichtlichen, die Beweiskraft des Protokolls aus-schließenden Mangels ist auch hier gegeben. Aus dem Inhalt der Sitzungsnie-derschrift läßt sich kein klarer Beweis für die fehlende Anwesenheit eines not-wendigen Verteidigers in der Sitzung vom 11. April 2000 während der Verneh-mung des [X.]führen.Der Tatrichter hat ausweislich des [X.] an allen anderenVerhandlungstagen das Gebot der notwendigen Verteidigung beachtet. Dafür,daß dies auch während der gesamten Vernehmung des [X.] geschehenist, sprechen folgende Umstände: Es gehört zu den vornehmsten [X.] Pflichtverteidigers, die notwendige Verteidigung sicherzustellen. Der [X.] kann dem Pflichtverteidiger nicht unterstellen, daß er bei Abwesenheit [X.] sich während eines wesentlichen Teils der [X.] entfernt hätte. Ferner konnte es bei dem überschaubaren Verfah-ren der mit drei Berufsrichtern besetzten Kammer nicht entgehen, wenn [X.] zwei Angeklagten zeitweise nicht verteidigt war. Außerdem hatte die [X.] -kundsbeamtin das Verlassen des [X.] durch den Pflichtverteidiger indie Sitzungsniederschrift aufgenommen, so daß ihr die Abwesenheit diesesVerteidigers bewußt war. Es lag daher nahe, daß sie die [X.] davoninformiert hätte, sollte kein weiterer Verteidiger zugegen gewesen sein. Eshandelte sich ferner um zwei augenfällige Vorgänge, einmal um den [X.] durch den Pflichtverteidiger und sodann um den Vorgang deserneuten Erscheinens. Diese Vorgänge standen auch unter der Beobachtungder beiden Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerver-treterin. Das Interesse sämtlicher vorbenannter Verfahrensbeteiligter an derprozeßordnungsgemäßen Abwicklung des Verfahrens, das sich schon im [X.] des zwölften Verhandlungstages befand, gab Anlaß zu [X.] und Sorgfalt. Es ist auszuschließen, daß allen diesen [X.] entgangen sein könnte, daß der Beschwerdeführer nicht vertei-digt war, wie das Protokoll es aussagt.Außerdem handelte es sich bei der Vernehmung des [X.]um [X.] der Beweisaufnahme. Er hatte als Verhörsperson die polizeilichenVernehmungen durchgeführt. Auf seiner Aussage beruhen wesentliche Fest-stellungen. Rechtsanwalt [X.]hatte der Vernehmung des Zeugen [X.] H. über die polizeiliche Aussage des Angeklagten [X.]widersprochen.Der Widerspruch wurde durch [X.] zurückgewiesen. Nach seinemWiedererscheinen im Sitzungssaal beantragte Rechtsanwalt [X.] keine Wie-derholung des Verfahrensabschnitts. Bei der Gewichtung dieser Aussage ist esschlechthin ausgeschlossen, daß er versehentlich den Sitzungssaal [X.] kein Verteidiger an diesem Abschnitt der Beweisaufnahme teilnahm.Da die Anwesenheit eines zweiten Verteidigers nicht zu den [X.] in das Protokoll aufzunehmenden Förmlichkeiten im Sinne von §§ 273- 10 -Abs. 1, 274 Satz 1 StPO gehört (vgl. [X.]St 24, 280, 281), liegt es nahe, daßder Wahlverteidiger Rechtsanwalt [X.]in der Verhandlung vom 11. [X.] anwesend war, obwohl er für den Zeitraum, in dem Rechtsanwalt [X.]sich entfernt hatte, nicht in die Sitzungsniederschrift aufgenommen wurde.Der tatsächliche Verfahrensgang kann dem Protokoll nicht klar entnom-men werden. Aus den oben angeführten Gründen enthält das Protokoll inso-weit einen offensichtlichen Mangel, der zum Wegfall der Beweiskraft der [X.] nach § 274 Satz 1 StPO führt.Dem stehen die von der Revision zitierten Entscheidungen - [X.], [X.] 9. Oktober 1985 - 3 StR 473/84 - = [X.], 287 und [X.], Urteil vom30. März 1983 - 2 [X.] - = NStZ 1983, 375 - nicht entgegen. Die [X.] des Protokolls entfällt hier aufgrund der geschilderten Besonderhei-ten des [X.], die - wie in den zuvor dargestellten Entscheidun-gen - das Protokoll selbst ausweist. Das von der Rechtsprechung entwickelteKorrektiv der Unklarheit (vgl. [X.] in Festschrift 50 Jahre [X.] S. 710 ff.)greift hier insbesondere ein, weil die Zulässigkeit der Beweiserhebung durchVernehmung des Zeugen [X.] umstritten, der Inhalt der Aussage aberverfahrensentscheidend war. Es scheint ausgeschlossen, daß Rechtsanwalt[X.] nach ausdrücklichem Widerspruch gegen die Vernehmung diesesZeugen über die polizeiliche Aussage seines Mandanten und nach Zurückwei-sung der beanstandeten Beweiserhebung durch [X.] während derdanach erfolgten Aussage des [X.] den Sitzungssaal verläßt,ohne daß ein anderer Verteidiger zugegen gewesen wäre. Das Schweigen [X.] über die Anwesenheit eines notwendigen Verteidigers während die-ser umstrittenen und bedeutungsvollen Vernehmung ist dem oben zitierten [X.], der [X.] habe den Hinweis des Gerichts auf ei-- 11 -nen nicht korrekt gestellten Beweisantrag schweigend hingenommen ([X.]R§ 274 Beweiskraft 16). So wie die fehlende Reaktion des Nebenklägervertre-ters auf einen gerichtlichen Hinweis, so ist auch die fehlende Anwesenheit ei-nes notwendigen Verteidigers während der verfahrensentscheidenden Aussa-ge des Zeugen bei dem vorausgegangenen Prozeßgeschehen durch die [X.] nicht bewiesen.cc) Der Senat hatte deshalb im Wege des [X.] zu klären, wieder Verfahrensablauf wirklich war (vgl. [X.]/[X.], [X.] Aufl. § 274 Rdn. 18 m.w.N.). Dazu hat er dienstliche Äußerungen und an-waltliche Versicherungen eingeholt.Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat in ihrer dienstlichen Äuße-rung erklärt, daß Rechtsanwalt [X.] an der gesamten [X.] 11. April 2000 teilgenommen hat und dessen Anwesenheit nur versehent-lich im Protokoll nicht aufgeführt ist, weil die entsprechende Zeile aus dem [X.] nicht in die Reinschrift übertragen wurde. Ihre Aufzeichnungen hatsie beigefügt. Aufgrund der zusätzlichen übereinstimmenden dienstlichen [X.] der drei Berufsrichter und der beiden Sitzungsvertreter der [X.] sieht der Senat den Vortrag der Revision, der Angeklagte sei [X.] April 2000 während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung nichtverteidigt gewesen, als widerlegt an. Die erstinstanzlichen Verteidiger des [X.] haben wegen des fortbestehenden [X.] dieerbetene Stellungnahme abgelehnt.Der vom Beschwerdeführer in Anspruch genommene [X.] § 338 Nr. 5 StPO ist damit nicht [X.] 12 -Der Senat kann deshalb offen lassen, ob nach Distanzierung der Ur-kundspersonen vom Inhalt der Sitzungsniederschrift die insoweit [X.] des Protokolls nur zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksich-tigt werden darf (vgl. [X.]St 4, 364; [X.] StV 1988, 45). Der von der Recht-sprechung entwickelte Grundsatz, daß dadurch einer zulässig erhobenen [X.] nicht nachträglich der Boden entzogen werden darf (vgl. [X.]St 2,125, 127; 10, 145, 147; 34, 11, 12), basiert letztlich auf Erwägungen, die mitdem Grundsatz eines für den Angeklagten fairen Verfahrens zusammenhän-gen. Fraglich ist allerdings, ob aus dem Gebot des fairen Verfahrens [X.], daß das Revisionsgericht sehenden Auges einen Verfahrensvorgangunterstellen muß, der so nicht geschehen ist, nur weil das wirkliche Geschehensich für den Beschwerdeführer ungünstig auswirkt. Aus dem Grundsatz desfairen Verfahrens muß dies jedenfalls dann nicht folgen, wenn der behaupteteVerfahrensverstoß in der Sphäre des Angeklagten liegt.Es bedurfte hier auch keiner Entscheidung darüber, ob eine mit [X.] eines Verteidigers unvereinbare Rügebehauptung sich als [X.] darstellt und zur Unzulässigkeit führt (vgl. [X.]R StPO § 274 Beweis-kraft 21).2. Die Sachrüge, mit der sich die Revision gegen die Annahme "niedri-ger Beweggründe" wendet, hat ebenfalls keinen Erfolg. Das [X.] aufgrund der getroffenen Feststellungen ist weder in [X.] in subjektiver Hinsicht rechtlich zu beanstanden.a) Ein Beweggrund ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefsterStufe steht und deshalb als besonders verachtenswert erscheint (vgl. [X.]St 3,132 ff.; 35, 116, 127; [X.]R StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11, 25).- 13 -Wenn Tatmotive wie Wut und Verärgerung den Täter zur Tötung eines Men-schen veranlaßt haben, kommt es weiter darauf an, ob die tatauslösende [X.] ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen oder ob sie menschlichverständlich sind (vgl. [X.]R a.a.O. 16, 23).Aufgrund des [X.] zwischen Anlaß und Tat durfte die Kam-mer im Rahmen der Gesamtwürdigung das Vorgehen objektiv als besondersverachtenswert und verwerflich ansehen (vgl. [X.] StV 1981, 399, 400; StV1983, 504; NJW 1967, 1140). Bei der Auseinandersetzung des [X.]uders mitdem Tatopfer ging es um eine Bagatelle, wie sie häufig in Gaststätten [X.]. Der Angeklagte selbst war daran nicht beteiligt, er kannte das Opfernicht einmal. Der Getötete wich einer Eskalation mehrfach aus und hatte kei-nen Anlaß für das spätere Tatgeschehen gegeben. Der [X.] betrafebenfalls nicht ihn selbst und bedeutete nichts weiter als die Ausübung [X.] durch den Wirt. Seine rechtsfeindliche Einstellung wird auch [X.] beseitigt, daß er sich gekränkt fühlte. Denn dazu hatte er, wie [X.], objektiv keinen Anlaß. Der Angeklagte suchte die Auseinandersetzung.Die aus dem Tatbild und der Persönlichkeit des Angeklagten unter Einbezie-hung der Vorbelastungen gezogene Schlußfolgerung der Kammer, Wut [X.] beruhten auf einer egozentrischen Grundhaltung, die es für dieSelbst- und Fremdachtung unverzichtbar mache, notfalls mit drakonischenMitteln bis hin zur Tötung eines Menschen auf geringste Kränkungen zu [X.], ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Diese Grundhaltung wirdbelegt durch sein Rachebedürfnis nach unbedeutenden Vorfällen. Darin [X.] zum Ausdruck, der die Allgemeinheit kein Verständnis entge-genbringen kann.- 14 -b) Aus den Urteilsgründen ergeben sich auch die subjektiven Vorausset-zungen für die Bewertung der Tat als ein Handeln aus niedrigen Beweggrün-den.Die tatauslösenden Motive braucht der Täter rechtlich nicht als niedrigeBeweggründe zu bewerten. Es reicht aus, daß er die Umstände, die die Nied-rigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausfüh-rung ins Bewußtsein aufgenommen hat (vgl. [X.]St 28, 210, 212; [X.]R § 211Abs. 2 niedrige Beweggründe 6, 15, 16, 26). Nach den getroffenen Feststellun-gen war dem Angeklagten bewußt, daß er aus nichtigem Anlaß tötete. [X.] wird belegt durch den [X.]. Nur weil der [X.] Scheitern der Aktion hinnehmen wollte, griff er zum Messer, dessen Ein-satz nach dem [X.] an sich nicht erfolgen sollte. Daß der Angeklagte im-stande war, seine Gefühle der Verärgerung und Wut gedanklich zu beherr-schen und willensmäßig zu steuern, lag angesichts seines längeren Zuwartensauf das Erscheinen des Gegners so nahe, daß es keiner Erörterung bedurfte.[X.] Detter [X.][X.] Elf

Meta

2 StR 504/00

08.08.2001

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.08.2001, Az. 2 StR 504/00 (REWIS RS 2001, 1687)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 1687

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