Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2005, Az. AK 9/05

3. Strafsenat | REWIS RS 2005, 1919

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[X.] BJs 57/04 - 8

AK 9/05 vom 8. September 2005 in dem Ermittlungsverfahren gegen

wegen des Verdachts der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am 8. September 2005 gemäß §§ 121, 122 [X.] beschlossen: Die Untersuchungshaft hat [X.]. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesge-richtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den [X.] Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.
Gründe: Der Beschuldigte wurde am 23. Januar 2005 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 24. Januar 2005 aufgrund des Haftbefehls des Er-mittlungsrichters des [X.] von diesem Tag (2 [X.] 46/2005), ergänzt durch die Beschlüsse vom 25. Mai 2005 (2 [X.] 195/2005 und 197/2005) ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, in elf Fällen gemeinschaft-lich mit den Mitbeschuldigten [X.]und [X.]

in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt zu haben, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tat-- 3 - sachen einen Irrtum erregte oder unterhielt, sowie in weiteren 23 Fällen eine solche Tat versucht zu haben (§ 263 Abs. 1, § 25 Abs. 2, §§ 22, 23 StGB). a) Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand besteht der dringende Ver-dacht, dass der Beschuldigte in [X.] spätestens im [X.] 2004 mit dem Mitbeschuldigten [X.]übereinkam, durch die Begehung von [X.] zum Nachteil von Lebensversicherungsgesellschaften hohe Geldsummen da-durch zu erlangen. Zu diesem Zweck sollte alsbald nach dem Abschluss von Verträgen ein tödlicher Verkehrsunfall des Beschuldigten in [X.] vorge-täuscht werden. Alsdann sollten von den Mitbeschuldigten [X.] und I.

A. , dem Begünstigten der Verträge, die Versicherungssummen geltend gemacht werden; von dem Erlös sollte der ausländischen terroristi-schen [X.] ein Fünftel bis ein Drittel zukommen; in Verfol-gung dieses Plans gelang den Beschuldigten der Abschluss von elf Lebens-versicherungsverträgen mit einer Gesamtversicherungssumme von über 1,3 Millionen Euro. Mit Eingehung des Vertrages waren die
Versicherungsgesellschaften geschädigt, weil sie dem Risiko ausgesetzt waren, innerhalb kurzer Zeit hohe Versicherungsleistungen auszahlen zu müssen, ohne dass dem eine adäquate Gegenleistung gegenüberstand (vgl. [X.], 368). In 23 wei-teren Fällen stellten die Beschuldigten Anträge auf Lebensversicherungen mit einer Gesamtversicherungssumme von mehr als 3 Millionen Euro, ohne dass es zu Vertragsabschlüssen kam. Wegen der weiteren Einzelheiten des [X.] wird im Übrigen auf die Gründe des Haftbefehls vom 24. Januar 2005 und der Beschlüsse vom 25. Mai 2005, wegen der Einzelheiten der Versicherungsverträge auf die [X.] 4 - tungsschrift des [X.] im Haftprüfungsverfahren vom 20. Juli 2005 Bezug genommen. b) Der dringende Verdacht ergibt sich aus den Ergebnissen der durch-geführten Telekommunikations- und Wohnraumüberwachungen sowie aus den Bekundungen von Vertretern der Versicherungen und der Auswertung der Ver-tragsunterlagen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermitt-lungsrichters des [X.] vom 24. Januar 2005 sowie auf die Zu-leitungsschrift des [X.] im Haftprüfungsverfahren vom 20. Juli 2005 Bezug genommen. Die Angaben des Beschuldigten vor dem Er-mittlungsrichter des [X.] und gegenüber dem [X.] im [X.] sind nicht geeignet, den dringenden Tatverdacht zu beseitigen. Die Einlassung, der Beschuldigte habe selbst zusammen mit dem [X.]den Abschluss von Versicherungsverträgen geplant, um u. a. Geld für die [X.] und die Absicherung seiner Familie für den Fall seines in naher Zukunft erwarteten Todes zu beschaffen, der Mit-beschuldigte [X.] habe darüber nie Bescheid gewusst, ist in Ansehung der Gespräche zwischen den Beschuldigten und der Gesamtzahl erstrebter und abgeschlossener Versicherungsverträge nicht glaubhaft.
c) Die Ergebnisse der Überwachungsmaßnahmen sind auch insoweit verwertbar, als diese aufgrund des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes Rheinland-Pfalz ([X.]) durchgeführt worden sind. Die Erkenntnisse [X.] hier nach § 100 d Abs. 6 Nr. 3 [X.] (§ 100 f Abs. 2 [X.] aF) zu Beweis-zwecken im Strafverfahren verwendet werden, solange sie der Aufklärung einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 2 [X.] dienen.
- 5 - Der Erlangung der Erkenntnisse nach § 29 Abs. 1 [X.] stehen durchgreifende Bedenken nicht entgegen. Die Vorschrift erlaubt die Datener-hebung nur zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und nicht zur "Vorsorge für die Verfolgung" (vgl. insoweit [X.], [X.]. vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - zu § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 SOG Nds). Die Anforderungen, die das [X.] für die gesetzliche Ermäch-tigung zur Überwachung von Wohnraum zum Zweck der Strafverfolgung [X.] hat ([X.] NJW 2004, 999 = NStZ 2004, 270), führen - übertragen auf die landesgesetzliche Regelung zur präventiven Wohnraumüberwachung - nicht zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse. Das [X.] hat §§ 100 c ff. [X.] aF zwar als teilweise mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 30. Juni 2005 einen verfas-sungsgemäßen Rechtszustand herzustellen, jedoch die weitere Anwendung der beanstandeten Normen unter Berücksichtigung des Schutzes der Men-schenwürde und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bis zu diesem Zeit-punkt erlaubt ([X.] NStZ 2004, 270, 273). Es ist nicht ersichtlich, dass die hier durchgeführten Überwachungsmaßnahmen gegen diese einschränkenden Voraussetzungen verstoßen hätten.
Der [X.] muss nicht abschließend entscheiden, ob die genannten [X.] durch die landesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage in jeder Beziehung gedeckt waren, denn sie waren jedenfalls vertretbar (vgl. BGHSt 47, 362; BGHR [X.]-[X.] § 25 b Lausch-Eingriff 1). Insbesondere ist nicht zu besorgen, dass die Polizeibehörden in einer Situation, in der [X.] den Verdacht einer Straftat nach § 129 b StGB begründet haben, und in der Ziel der Maßnahmen die weitere Aufklärung des Sachverhalts zum Zweck der Strafverfolgung war, die polizeirechtlichen Anordnungen herbeigeführt ha-- 6 - ben, um so die engeren Voraussetzungen zu unterlaufen, die die Strafprozess-ordnung an die Durchführung repressiver Maßnahmen stellt. Soweit Bedenken gegen den Beschluss des [X.] daraus abge-leitet werden könnten, dass dieser Beschluss entgegen § 29 Abs. 4 Satz 2 [X.] nicht befristet war, ist diese Frist jedenfalls dadurch eingehalten worden, dass rechtzeitig vor ihrem Ablauf der erforderliche gerichtliche Verlän-gerungsbeschluss erwirkt worden ist.
2. Es besteht weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Der Beschuldigte hat auch für die Taten, für die der [X.] derzeit den dringenden Tatverdacht bejaht, eine empfindliche Freiheitsstrafe zu erwarten, die [X.] bietet. Der Zweck der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 [X.]).
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersu-chungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 [X.]) liegen vor. Im [X.] auf den besonderen Umfang und die besonderen Schwierigkeiten der [X.] ist das Verfahren noch mit der in Haftsachen gebotenen Beschleu-nigung geführt worden. Die Ermittlungen zu den [X.] erst im Juni 2005 zum Abschluss gebracht werden. Die umfangreichen [X.] aus der Wohnraum- und Telekommunikationsüberwachung muss-ten übersetzt und ausgewertet werden. Diese Umstände haben den Abschluss der Ermittlungen, der jetzt aber zeitnah zu erwarten ist, noch nicht zugelassen und rechtfertigen noch die Fortdauer der Untersuchungshaft. - 7 - 4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht zur Bedeutung der Sache und der für den Beschuldigten im Falle seiner Verurteilung zu erwarten-den Strafe noch nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]). 5. Der [X.] kann, da die Untersuchungshaft des Beschuldigten bereits durch den dringenden Tatverdacht des Betrugs und versuchten Betrugs ge-rechtfertigt ist, offen lassen, ob gegen den Beschuldigten auch ein Tatverdacht auf Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129 b Abs. 1 i. V. m. § 129 a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 5 StGB) besteht. Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis ist allerdings davon auszuge-hen, dass es sich bei [X.] um eine ausländische terroristische Vereini-gung handelt, die ihr Ziel, im Wege des gewaltsamen Jihad ([X.]) einen [X.] Gottesstaat zu errichten, durch die Begehung von [X.] - darunter auch Bombenanschläge - verfolgt, die von Mitgliedern der [X.] selbst begangen werden, oder deren Täter dabei von diesen [X.] unterstützt werden. Es besteht auch ein dringender Verdacht, dass der Mitbeschuldigte [X.] ein Mitglied dieser Vereinigung ist, und die Betrugsta-ten dazu dienten, Geld zu beschaffen, welches zumindest teilweise der [X.] zufließen sollte.
Gegen Annahme vollendeter Unterstützung auf der Basis der bisherigen Ermittlungen könnten indes Bedenken bestehen, weil es noch nicht zu einer Auszahlung von Geld gekommen ist und sich eine unterstützende Tätigkeit des Beschuldigten für die Vereinigung auf die Zusage beschränkte, von der erwar-teten Beute einen Teil an die Vereinigung weiterzugeben. - 8 - Allerdings hat der [X.] in einer früheren Entscheidung (BGHR StGB § 129 a Abs. 3 Unterstützen 4) für eine vergleichbare Konstellation die [X.] vertreten, bereits die Zusage einer Beschaffung von Waffen könne sich positiv auf das Bestehen und die Aktionsmöglichkeiten einer terroristischen Vereinigung auswirken und damit zu deren Unterstützung führen, auch wenn das Vorhaben später fehlgeschlagen ist. Diese Entscheidung könnte indes nach vorläufiger erneuter Beurteilung der Rechtsfrage - auch mit Blick darauf, dass der Versuch einer Tat nach § 129 a Abs. 5 StGB nicht strafbar ist - den Bereich der Vollendung des Delikts zu weit nach vorne verlagert haben (vgl. [X.] in [X.] § 129 Rdn. 17).
Der [X.] sieht Anlass zu dem Hinweis, dass sich das Handeln des [X.] möglicherweise als mitgliedschaftliche Betätigung darstellen könn-te. Dies setzt - ausgehend von der Aufgabenstellung des Mitbeschuldigten [X.], in [X.] Mitglieder für [X.] zu werben - eine Neubewertung des [X.] voraus, die dem [X.] im Haftprüfungsverfahren schwer möglich und im Hinblick darauf, dass die Untersuchungshaft zur Zeit noch durch den übrigen Tatvorwurf gerechtfertigt ist, auch nicht geboten war. [X.] [X.]

Meta

AK 9/05

08.09.2005

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2005, Az. AK 9/05 (REWIS RS 2005, 1919)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1919

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