Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.03.2016, Az. X R 49/14

10. Senat | REWIS RS 2016, 14818

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Gegenstand

Mittelbare Zulageberechtigung und Mindesteigenbeitrag - Vermeintliche "Klarstellung" des Gesetzgebers kann konstitutive Gesetzesänderung sein - Kein Verlangen von gesetzlich nicht normierten Voraussetzungen zur Durchführung des automatisierten Verfahrens


Leitsatz

NV: Jedenfalls bis zur Änderung des § 86 Abs. 2 Satz 1 EStG durch das JStG 2007 steht dem mittelbar zulageberechtigten Ehegatten die ungekürzte Altersvorsorgezulage auch dann zu, wenn der unmittelbar zulageberechtigte Ehegatte den Mindesteigenbeitrag zwar geleistet hat, dieser aber nicht gefördert worden ist .

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 3. Juli 2014  10 K 10078/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 2005 Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. [X.]r und seine [X.]hefrau [X.] verfügten jeweils über einen zertifizierten [X.]. Sie wurden zusammen zur [X.]inkommensteuer veranlagt.

2

[X.] war im Streitjahr in der Steuerberatungskanzlei des Klägers angestellt. Vom 1. Januar 2004 bis zum 19. Dezember 2004 bezog sie einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 12.739 €. Anschließend erhielt sie bis zum 31. Mai 2006 Krankengeld, und zwar täglich in Höhe von 25,60 €, wovon die Krankenkasse einen Rentenversicherungsbeitrag von 2,50 € abzog.

3

[X.] zahlte auf ihren [X.] 160 € ein. Sie hatte im Streitjahr einen Anspruch auf zwei Kinderzulagen in Höhe von je 92 €.

4

Der Kläger und [X.] beantragten für das Streitjahr jeweils die [X.], ferner machten sie die von [X.] gezahlten Altersvorsorgebeiträge als Sonderausgaben (§ 10a Abs. 1 Satz 1 des [X.]inkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung --[X.]StG--) geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der geltend gemachten Sonderausgaben ab, da der Anspruch auf [X.] günstiger sei.

5

Die [X.], [X.] (Beklagte und Revisionsklägerin --[X.]--) schrieb die beantragten Zulagen den Altersversorgungsverträgen zunächst gut. Nach der Überprüfung der Zulagenberechtigung ließ die [X.] die Zulagen jedoch zurückbuchen, da nach ihrer --mittlerweile aufgegebenen-- Ansicht im Streitjahr eine Rentenversicherungspflicht der [X.] nicht vorliege.

6

Daraufhin beantragte nur der Kläger die Festsetzung der [X.].

7

Die [X.] lehnte die Festsetzung der [X.] ab. Auch das [X.]inspruchsverfahren blieb erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage aus den in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte 2014, 1878 veröffentlichten Gründen statt.

8

Mit ihrer Revision macht die [X.] die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die mittelbare Zulageberechtigung setze die "Begünstigung" des [X.]hegatten als unmittelbar zulageberechtigt voraus. Diese verlange eine Förderung der vom unmittelbar [X.] geleisteten Beträge. Denn erst mit der Inanspruchnahme einer steuerlichen Förderung fielen die auf den Vertrag eingezahlten Beiträge unter den besonderen Schutz des § 93 [X.]StG. Andernfalls könne der unmittelbar zulageberechtigte [X.]hegatte jederzeit über sein ungefördertes Altersvorsorgevermögen unschädlich verfügen. [X.]ine Ableitung der Zulageberechtigung aus einem ungeförderten Vertrag widerspreche dem gesetzgeberischen Ziel, den Aufbau der privaten Altersvorsorge nur zur Absicherung der Absenkung des Rentenniveaus bei der gesetzlichen Rentenversicherung zu schaffen.

9

[X.]rst die Koppelung an die unmittelbare Zulageberechtigung gewährleiste die Auszahlung der [X.] im automatisierten Verfahren. Ansonsten könnten die Voraussetzungen entgegen der gesetzlichen Vorstellung nur aufwendig im Festsetzungsverfahren abschließend geklärt werden.

Zulageberechtigt sei der mittelbar zulagebegünstigte [X.]hegatte gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 [X.]StG im Streitjahr zwar bereits gewesen, wenn der unmittelbar zulageberechtigte [X.]hegatte "seinen [X.]" geleistet habe und nicht wie nach der Änderung durch das Jahressteuergesetz ([X.]) 2007 ([X.] 2006 2878), wenn der unmittelbar zulagebegünstigte [X.]hegatte "seinen geförderten [X.]" erbracht habe. Diese [X.]rgänzung des Wortlautes in § 86 Abs. 2 Satz 1 [X.]StG durch das [X.] 2007 sei jedoch nur klarstellend erfolgt. Folglich hätten auch bereits im Streitjahr beim [X.] nur solche Beiträge berücksichtigt werden können, die zugunsten des [X.] [X.]hegatten geleistet worden seien und für die darüber hinaus dieser entweder einen Zulageantrag gestellt oder einen Sonderausgabenabzug nach § 10a [X.]StG beansprucht habe.

Die [X.] beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

[X.]ntscheidend sei allein, dass ein Anspruch der [X.] auf Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 2 [X.]StG bestanden habe.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zu Recht hat das [X.] die unmittelbare Zulageberechtigung des [X.], nicht jedoch seine mittelbare Zulageberechtigung verneint (unter 1.). Aufgrund der mittelbaren Zulageberechtigung steht dem Kläger eine Zulage nach § 79 Satz 2 [X.]StG zu (unter 2.). Im Streitjahr ist es dabei unerheblich, dass die [X.] zwar einen Beitrag auf ihren Altersvorsorgevertrag geleistet hat, dieser aber weder nach § 10a [X.]StG noch nach Abschn. XI [X.]StG gefördert worden ist (unter 3.).

1. Der Kläger ist nicht unmittelbar zulageberechtigt.

Gemäß § 79 Satz 1 [X.]StG haben nach § 10a Abs. 1 [X.]StG begünstigte unbeschränkt steuerpflichtige Personen Anspruch auf eine Altersvorsorgezulage. Die Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk --wie vorliegend-- führt nicht zu dieser Begünstigung nach § 10a Abs. 1 [X.]StG (weiterführend: Senatsurteil vom 29. Juli 2015 [X.], BFH[X.] 250, 531, [X.], 18, unter II.2.). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

2. Der Kläger ist jedoch mittelbar zulageberechtigt nach § 79 Satz 2 [X.]StG.

a) § 79 [X.]StG in der für das Streitjahr 2005 maßgebenden Fassung lautet: "Nach § 10a Abs. 1 begünstigte unbeschränkt steuerpflichtige Personen haben Anspruch auf eine Altersvorsorgezulage (Zulage). Liegen bei [X.]hegatten die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 vor und ist nur ein [X.]hegatte nach Satz 1 begünstigt, so ist auch der andere [X.]hegatte zulageberechtigt, wenn ein auf seinen Namen lautender Altersvorsorgevertrag besteht."

aa) Nach dem Wortlaut dieser Norm ist der Kläger im Streitjahr mittelbar zulageberechtigt, da [X.] --was schon im [X.]inspruchsverfahren unstreitig geworden ist-- aufgrund von § 3 Satz 1 Nr. 3 des [X.] (SGB VI) als Bezieherin von Krankengeld nach § 79 Satz 1 [X.]StG unmittelbar zulageberechtigt ist und die [X.]heleute die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 [X.]StG erfüllt haben. [X.]ntscheidend für die mittelbare Zulageberechtigung ist, dass der Kläger nicht selbst, wie unter [X.] dargelegt, nach § 10a Abs. 1 [X.]StG begünstigt ist.

bb) Bereits im Urteil vom 21. Juli 2009 X R 33/07 (BFH[X.] 225, 457, [X.], 995) hatte der Senat eine mittelbare Zulageberechtigung der dortigen Klägerin nicht deshalb verneint, weil diese als von der Rentenversicherungspflicht befreites Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks nicht unmittelbar zulageberechtigt war. Die mittelbare Zulageberechtigung scheiterte im [X.]rgebnis nur daran, dass die dortige Klägerin selbst keinen zertifizierten Altersvorsorgevertrag abgeschlossen hatte. [X.]ine Zulageberechtigung des nicht unter § 79 Satz 1 [X.]StG fallenden [X.]hegatten ist auch vom Willen des Gesetzgebers umfasst, wenn die Verneinung eines unmittelbaren Zulageanspruchs --trotz direkter eigener Betroffenheit von einer Absenkung des [X.] darauf beruht, dass eine verfahrensrechtliche Voraussetzung des § 10a Abs. 1 [X.]StG nicht erfüllt wird (so bereits Senatsurteil vom 25. März 2015 [X.], BFH[X.] 249, 475, [X.], 709, Rz 44).

3. Dem Kläger steht im Streitjahr eine ungekürzte Altersvorsorgezulage zu.

a) Der Anspruch auf eine ungekürzte Altersvorsorgezulage ergibt sich bei mittelbarer Zulageberechtigung (grundsätzlich) aus § 86 Abs. 2 Satz 1 [X.]StG. Dieser hatte im Streitjahr den folgenden Wortlaut:

"[X.]in nach § 79 Satz 2 begünstigter [X.]hegatte hat Anspruch auf eine ungekürzte Zulage, wenn der zum begünstigten Personenkreis nach § 79 Satz 1 gehörende [X.]hegatte seinen Mindesteigenbeitrag unter Berücksichtigung der den [X.]hegatten insgesamt zustehenden Zulagen erbracht hat."

Maßgebend ist demnach, ob [X.] ihren Mindesteigenbeitrag geleistet hat.

§ 86 Abs. 1 Satz 2 [X.]StG sah für das Streitjahr u.a. einen Mindesteigenbeitrag des unmittelbar zulageberechtigten [X.]hegatten von 2 % der erzielten beitragspflichtigen [X.]innahmen des dem Kalenderjahr vorangegangenen Kalenderjahr i.S. des SGB VI vor, vermindert um den Anspruch auf Altersvorsorgezulage des unmittelbar und des mittelbar [X.]. Als Sockelbetrag war seit dem Streitjahr der Betrag von 60 € zu leisten (§ 86 Abs. 1 Satz 4 [X.]StG), auch wenn er über dem nach § 86 Abs. 1 Satz 2 [X.]StG ermittelten Mindesteigenbeitrag lag (§ 86 Abs. 1 Satz 5 [X.]StG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt (unter aa). [X.]ine Förderung dieses [X.] war im Streitjahr nicht Voraussetzung für die Gewährung der ungekürzten Zulage (unter bb).

aa) Die [X.] bezog im Kalenderjahr 2004, dem dem Streitjahr vorangegangenen Kalenderjahr, einen rentenversicherungspflichtigen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 12.739 € sowie rentenversicherungspflichtiges Krankengeld ab dem 20. Dezember 2014 von täglich 25,60 €, also insgesamt 13.020,60 € (12.739 € + 11 Tage x 25,60 €). 2 % dieser Summe ergeben 260,41 €. Nach Abzug der der [X.] im Streitjahr zustehenden Grundzulage von 76 € (§ 84 [X.]StG), der beiden Kinderzulagen von je 92 € (§ 85 Abs. 1 Satz 1 [X.]StG) und der nach § 86 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]StG zu berücksichtigenden Grundzulage des [X.] im Streitjahr von 76 € errechnet sich ein Betrag von -75,59 €. Folglich hatte [X.] nach § 86 Abs. 1 Satz 5 [X.]StG mindestens den Sockelbetrag von 60 € zu leisten, was erfolgte. Damit hatten sie und der Kläger Ansprüche auf die ungekürzten Zulagen.

bb) Im Streitjahr bedurfte es darüber hinaus (noch) keiner Förderung der von [X.] auf ihren Altersversorgungsvertrag eingezahlten Beträge. [X.]ntscheidend war allein die [X.]inzahlung des in § 86 Abs. 1 Satz 2 [X.]StG genannten [X.]. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift und seiner systematischen Stellung (unter (1)). Weder der Zweck der [X.]inführung der mittelbaren Zulageberechtigung (unter (2)) noch die spätere Gesetzesänderung des § 86 Abs. 2 Satz 1 [X.]StG (unter (3)) stehen dem entgegen.

(1) Der Wortlaut des § 86 Abs. 2 Satz 1 [X.]StG in der für das Streitjahr gültigen Fassung stellt nur auf das [X.]rbringen des [X.], nicht jedoch auf seine Förderung ab. § 86 Abs. 1 Satz 5 [X.]StG erweitert dies insoweit, als mindestens der [X.] von 60 € vom unmittelbar [X.] zu leisten ist. Auch § 79 Satz 1 [X.]StG, auf den § 79 Satz 2 [X.]StG hinsichtlich der mittelbaren Zulageberechtigung bei [X.]hegatten verweist, verlangt allein den Anspruch auf eine Altersvorsorgezulage, nicht jedoch deren Gewährung. [X.]in Rückgriff auf den Begriff der "geförderten Beiträge" nach § 82 Abs. 2 [X.]StG erübrigt sich folglich.

(2) Auch der Zweck des § 79 Satz 2 [X.]StG spricht nicht dagegen, lediglich eine [X.]inzahlung des förderungsfähigen Betrages zu verlangen. Im Gesetzesentwurf der Koalitionsfraktionen zum Altersvermögensgesetz vom 14. November 2000 (BTDrucks 14/4595, S. 65) ist die [X.] sinngemäß im [X.]ntwurf des § 10a Abs. 4 Satz 5 [X.]StG enthaltene-- Regelung wie folgt begründet worden:

"Bei zusammenveranlagten [X.]hegatten werden beide zum begünstigten Personenkreis gerechnet, wenn nur einer die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 erfüllt. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass auch der nicht pflichtversicherte [X.]hegatte von der [X.] betroffen ist. [X.]s wird somit beiden [X.]hegatten ermöglicht, eine eigenständige zusätzliche Altersvorsorge aufzubauen."

Der Gesetzgeber wollte also jedem [X.]hegatten, selbst wenn er wie im Fall eines von der Rentenversicherungspflicht befreiten Mitgliedes eines berufsständischen Versorgungswerks selbst gar nicht direkt von einer Absenkung des [X.] betroffen ist, eine eigene Begünstigung zukommen lassen, um so die mittelbare Absenkung des Leistungsniveaus aufzufangen (so schon Senatsurteil in BFH[X.] 249, 475, [X.], 709, unter II.2.a cc).

Für besondere über den Wortlaut sowohl des § 79 Satz 2 [X.]StG wie auch des § 86 Abs. 2 Satz 1 [X.]StG hinausgehende Voraussetzungen fehlt es deshalb bereits an einem gesetzgeberischen Willen. Vielmehr sollte für den von der Rentenkürzung des pflichtversicherten [X.]hegatten gleichfalls betroffenen [X.]hegatten allein der Anreiz geschaffen werden, für eine eigene kapitalgedeckte Altersvorsorge zu sorgen (so schon Senatsurteil in BFH[X.] 250, 531, [X.], 18, Rz 33).

(3) [X.]twas anderes ergibt sich nicht aus der durch das [X.] 2007 vom 13. Dezember 2006 ([X.], 2878, [X.], 28) eingeführten [X.]rgänzung des Wortlautes des § 86 Abs. 2 Satz 1 [X.]StG. Hiernach verlangt die Norm mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007 für die Zulagegewährung an den mittelbar [X.] die [X.]rbringung eines "geförderten" [X.] des unmittelbar zulageberechtigten [X.]hegatten.

Nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/2712, S. 65) soll es sich zwar lediglich um die Klarstellung handeln, dass im Rahmen des [X.] nur die zugunsten des Vertrags des unmittelbar [X.] geleisteten Beiträge zu berücksichtigen sind, für die dieser entweder einen Zulagenantrag gestellt hat oder für die ein Sonderausgabenabzug nach § 10a [X.]StG beansprucht worden ist und die insoweit steuerverstrickt sind.

Hieraus ist aber nicht zwingend zu schließen, dass es sich tatsächlich nur um eine deklaratorische Vorschrift handelt. [X.]ine Gesetzesbegründung, wonach eine Neuregelung nur klarstellend zu verstehen sei, ist für die Gerichte nicht bindend und schränkt weder die Kontrollrechte und –pflichten der Fachgerichte und des [X.] ([X.]) ein noch relativiert sie die für sie maßgeblichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe ([X.]-Beschluss vom 17. Dezember 2013  1 BvL 5/08, [X.][X.] 135, 1). Auch eine solche vermeintliche Klarstellung kann ggf. als rückwirkende Gesetzesänderung anzusehen sein. Ob sie gegenüber dem alten Recht deklaratorisch oder konstitutiv wirkt, hängt vom Inhalt des alten und des neuen Rechts ab, der zumeist durch Auslegung ermittelt werden muss. Ist eine Norm vor der Neuregelung in der ursprünglichen Fassung von den Gerichten in einem Sinn auszulegen, der mit der Neuregelung ausgeschlossen werden soll, liegt aus verfassungsrechtlicher Sicht eine konstitutiv wirkende Neuregelung vor ([X.]-Beschluss in [X.][X.] 135, 1). Dies ist vorliegend der Fall.

Wie bereits dargelegt, reichte es nach der bis zum 31. Dezember 2006 gültigen Fassung des § 86 Abs. 2 Satz 1 [X.]StG aus, dass der Mindesteigenbeitrag des unmittelbar [X.] nur geleistet, nicht aber gefördert werden musste. Nach der bisherigen Regelung hatte der mittelbar zulagenberechtigte [X.]hegatte deshalb schon bei [X.]rbringen dieses [X.] den Anspruch auf die volle Zulage. Genau dies sollte die Neuregelung in § 86 Abs. 2 Satz 1 [X.]StG verhindern (so auch Killat in [X.]/[X.]/[X.], § 86 [X.]StG Rz 10). Die [X.]rgänzung des Wortlauts des § 86 Abs. 2 Satz 1 [X.]StG war damit keine Klarstellung; vielmehr wurde konstitutiv eine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung geschaffen. Der fehlende deklaratorische Charakter der Neuregelung zeigt sich zudem deutlich darin, dass die geänderte Vorschrift gemäß Art. 20 Abs. 6 [X.] erst zum 1. Januar 2007 in [X.] getreten ist (vgl. auch BTDrucks 16/2712, S. 65). Für das Streitjahr jedenfalls kommt dieser Änderung keine Bedeutung zu.

(4) Aus Sicht des Senats ergeben sich auch ansonsten keine Gründe, die dazu führen könnten, den eindeutigen Wortlaut des § 86 Abs. 2 Satz 1 [X.]StG einzuschränken.

(a) Das Argument der [X.], die Inanspruchnahme der steuerlichen Förderung sei von der Bindungswirkung des § 93 [X.]StG abhängig zu machen, hat keine Auswirkung auf die Zulagen und Steuervergünstigungen des mittelbar [X.]. Denn sollte der unmittelbar Zulageberechtigte die Förderung beantragt und erhalten haben, hat zwar dieser bei einer schädlichen Verwendung nach § 93 [X.]StG seine Zulagen und die nach § 10a Abs. 4 [X.]StG gesondert festgestellten Beträge zurückzuzahlen (§ 93 Abs. 1 Satz 1 [X.]StG). Den mittelbar [X.] trifft in einem solchen Fall keine Rückzahlungspflicht hinsichtlich seiner Förderung.

(b) Soweit die von der [X.] geforderte Koppelung der Zulagenberechtigungen beider [X.]hegatten technisch eine Auszahlung im automatisierten Verfahren erst möglich machen sollte, kann dies nicht dazu führen, über den eindeutigen Wortlaut des § 86 Abs. 2 Satz 1 [X.]StG hinaus weitere Voraussetzungen zu verlangen. Selbst wenn eine abschließende Klärung der Förderung des Altersvorsorgevertrags des mittelbar [X.] erst im vom Gesetzgeber in § 90 Abs. 4 Satz 1 [X.]StG ausdrücklich vorgesehenen Festsetzungsverfahren möglich sein sollte, wäre dies hinzunehmen. Schließlich dient das automatisierte Verfahren nur der [X.]rleichterung des Gesetzesvollzugs.

(c) Die von der [X.] angesprochene Missbrauchsvorbeugung vermag der Senat nicht zu erkennen. Gerade im Hinblick auf den dargestellten Sinn der sehr weiten Regelung der mittelbaren Zulageberechtigung scheint hier ein eher atypischer Fall vorzuliegen, den der Gesetzgeber, jedenfalls im Streitjahr, billigend in Kauf genommen hat.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 49/14

09.03.2016

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 3. Juli 2014, Az: 10 K 10078/13, Urteil

§ 10a Abs 1 EStG 2002 vom 05.07.2004, § 79 S 1 EStG 2002 vom 05.07.2004, § 79 S 2 EStG 2002 vom 05.07.2004, § 86 Abs 1 S 2 EStG 2002 vom 05.07.2004, § 90 Abs 4 S 1 EStG 2002 vom 05.07.2004, § 93 Abs 1 S 1 EStG 2002 vom 05.07.2004, § 86 Abs 1 S 2 EStG 2002 vom 13.12.2006, § 86 Abs 1 S 4 EStG 2002 vom 05.07.2004, § 86 Abs 1 S 5 EStG 2002 vom 05.07.2004

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.03.2016, Az. X R 49/14 (REWIS RS 2016, 14818)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14818

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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