Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.06.2017, Az. 4 ARs 22/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 9861

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:070617B4ARS22.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 ARs
22/16

vom
7. Juni
2017
in der Strafsache
gegen

wegen Totschlags
hier:
[X.] des 2. Strafsenats
vom 1. Juni 2016

2
StR
150/15

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat am 7.
Juni 2017
beschlossen:

Der Senat stimmt der Auffassung des vorlegenden Senats zu, wonach beim vorsätzlichen Tötungsdelikt die Feststellung von Tötungsabsicht zu Lasten des Angeklagten strafschärfend [X.] werden kann. An entgegenstehender eigener Recht-sprechung hält er nicht fest.

Gründe:
1.
Der Senat hat die strafschärfende Berücksichtigung von [X.] bei einer Verurteilung wegen Totschlags in der Vergangenheit mehrfach als Verstoß gegen §
46 Abs.
3 StGB bewertet (vgl. [X.], Beschluss vom 30.
Juli 1998

4
StR
346/98, [X.], 23; Beschluss vom 19.
März 2009

4
StR
53/09, [X.], 564
f.). Zuletzt hat er diese Frage ausdrücklich
offengelassen ([X.], Beschluss vom 26.
April 2016

4
StR
104/16). Der Senat hält an seiner früheren Rechtsprechung nicht mehr fest.
2.
Der Senat ist allerdings nicht der Ansicht, dass im Bereich des subjek-tiven Tatbestands eine vom Gesetzgeber grundsätzlich anerkannte Schuld-schwereskala gilt und deshalb das Vorliegen von Tötungsabsicht schon für sich genommen regelmäßig einen [X.] darstellt. Stattdessen kommt es auch hier auf den Einzelfall an.

1
2
-
3
-
a)
Die Strafzumessung ist Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhand-lung von der Tat und der Persönlichkeit des [X.] gewonnen hat, die [X.] entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
April 1987

GSSt
1/86, [X.]St 34, 345, 349). Bei der Entscheidung über die Bewer-tungsrichtung der zumessungserheblichen Umstände und bei der Strafzumes-sung überhaupt kann der Tatrichter nicht von einem normativen Normalfall [X.]. Die Annahme eines normativen Normalfalls widerspräche
der Systema-tik des [X.] Strafrechts, das dem Tatrichter weite Strafrahmen zur Verfü-gung stellt und in §
46 StGB lediglich einzelne wichtige Strafzumessungsge-sichtspunkte aufführt, ohne dass es sich dabei um eine erschöpfende Aufzäh-lung handelt (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
April 1987

GSSt
1/86, [X.]St 34, 345, 350
f.). Soweit in §
46 Abs.
2 Satz
1 StGB die Beweggründe und Ziele des [X.], die aus der Tat sprechende Gesinnung und der bei der Tat aufgewen-dete
Wille genannt werden, handelt es sich um [X.] für die Bestimmung des subjektiven Handlungsunrechts. Die einzelnen Vorsatzformen treffen dazu

für sich genommen

keine unmittelbare Aussage. Sie bedürfen stets einer Würdigung im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 11.
Februar
1992

1
StR
708/91, [X.]R StGB §
46 Abs.
3
Tötungsvorsatz
5; Beschluss vom 17.
September 1990

3
StR
313/90, [X.]R StGB §
46 Abs.
3 Tötungsvorsatz
4; Beschluss vom 15.
Februar 1984

4
StR
51/84; Beschluss vom 13.
Mai 1981

3
StR
126/81, NJW 1981, 2204;
Theune in: [X.] Kommentar z. StGB, 12.
Aufl., §
46 Rn.
102; [X.], Das Recht der Strafzumessung, 2.
Aufl.,
S.
214).
b)
Dies gilt auch für die Tötungsabsicht.
3
4
-
4
-
Absichtlich tötet, wem es bei [X.] auf die Herbeiführung des
Todes ankommt. Dabei
ist es gleichgültig, ob die Erreichung des [X.] für sicher oder nur für möglich gehalten wird. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob sie erwünscht ist oder bedauert wird (vgl. [X.], Urteil vom 26.
Juli 1967

2
StR
368/67, [X.]St 21, 283, 284
f.; [X.] in: [X.], 3.
Aufl., §
15 Rn.
41; [X.], Strafrecht Allgemeiner Teil, Band
I,
4.
Aufl., §
12 Rn.
8; zur dog-matischen Entwicklung des Absichtsbegriffs siehe [X.], [X.] in den Straftatbeständen des Besonderen Teils des StGB, 1996, S.
12
ff. [X.]). Mit Tötungsabsicht handelt daher auch, wer den Tod eines anderen nicht um seiner selbst willen herbeiführen will, in ihm aber ein notwendiges Zwischenziel auf dem Weg zum eigentlich angestrebten Ziel sieht (vgl. [X.], Urteil vom 26.
Juli 1967

2
StR
368/67, [X.]St 21, 283, 284
f. [Verdeckung durch [X.]]; [X.], Der strafrechtliche Absichtsbegriff, 2004, S.
6
f. [X.]).
Dass der Täter den Tod des Opfers als (Zwischen-)Ziel seiner Handlung anstrebt, spricht zwar für eine besonders starke Abweichung von den [X.] der Rechtsordnung (vgl. [X.], Vorsatz und Risiko, 1983, S.
499); es [X.] aber für sich allein noch nicht das Vorliegen einer besonders verwerflichen Gesinnung oder eine besondere Stärke seines verbrecherischen Willens. Dies zeigt sich beispielhaft bei der Mitleidstötung. Wer einem moribunden Angehöri-gen das Leben nimmt, um ihn von schwerem Leiden zu befreien, tötet absicht-lich. Dabei wird das fraglos strafmildernd zu bewertende Handlungsziel [X.] mit der Herbeiführung des nur deshalb angestrebten tatbestandsmäßigen Erfolges erreicht. Eine isolierte Negativbewertung der Tötungsabsicht am Maß-e-ötung [X.] würde zu einer Aufspaltung der Bewertung des an sich einheitlichen subjektiven Handlungsunrechts führen. Auch bestünde die Gefahr, 5
6
-
5
-
dass es insoweit zu einer dem Strafzumessungsrecht [X.] kommt. Ähnn-nen-

Tötungsabsicht wird für sich genommen allerdings dann als selbststän-diger [X.] herangezogen werden können, wenn es dem Täter auf die Herbeiführung des Todes um seiner selbst willen ankommt und keine weiteren relevanten Handlungsziele festgestellt werden können. In diesem Fall nähert sich das subjektive Handlungsunrecht dem Mordmerkmal der Mordlust an (vgl. dazu [X.], Urteil vom 7.
Juli 1953

1
StR
195/53, NJW 1953, 1440 [[X.]]; Urteil vom 26.
Februar 1986

3
StR
18/86).
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

Quentin
Feilcke
7

Meta

4 ARs 22/16

07.06.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: ARs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.06.2017, Az. 4 ARs 22/16 (REWIS RS 2017, 9861)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9861

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