Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2016, Az. 2 StR 150/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 10675

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:010616B2STR150.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR
150/15

vom
1. Juni
2016
in der Strafsache
gegen

wegen Totschlags

-
2
-
Der
2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 1. Juni
2016
gemäß §
132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
1.
Die Hauptverhandlung wird unterbrochen.
2.
Der [X.] beabsichtigt zu entscheiden:
Beim vorsätzlichen Tötungsdelikt kann die Feststellung von Tö-tungsabsicht zu Lasten des Angeklagten strafschärfend be-rücksichtigt
werden.
3.
Er fragt deshalb bei den anderen Strafsenaten an, ob dem [X.] oder an entgegenstehender Rechtsprechung festge-halten wird.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Frei-heitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf [X.] und sachlich-rechtliche Einwendungen gestützte Revi-sion
des Angeklagten.

A.
Nach den Feststellungen des [X.]s beschloss der
74 Jahre alte Angeklagte

R.

am 22.
Oktober 2013, seine erheblich jüngere und
Trennungsabsichten hegende Ehefrau

R.

zu töten. In Ausführung
1
2
-
3
-
dieses Tatentschlusses griff er sie auf der [X.]treppe des gemeinsamen [X.] an und schlug ihr einen Gegenstand gegen den Kopf, wodurch sie die [X.]treppe hinunterstürzte und zu Boden fiel. Nunmehr ergriff der An-geklagte einen etwa
2,8 Kilogramm schweren Feuerlöscher und schlug damit in Tötungsabsicht [X.] wuchtig auf den Kopf seiner am Boden liegenden Ehefrau
ein. Sie erlitt durch
diese
mehrfachen,
massiven Gewaltein-wirkungen multiple offene [X.]. Weitere stumpfe [X.] gegen den Oberkörper des [X.] führten zu zahlreichen
Rip-penbrüchen, die linksseitig zu einer mehrfachen Durchsetzung der Brusthöhle und zu Einblutungen in die Lunge führten. Die Ehefrau des Angeklagten ver-starb aufgrund der erlittenen massiven Verletzungen
innerhalb weniger [X.].
Nach der Tat benachrichtigte der Angeklagte den Rettungsdienst und behauptete in dem Bemühen, ein Sturzgeschehen vorzutäuschen, er habe sei-ne Ehefrau nach Gartenarbeiten blutüberströmt und verletzt im [X.] aufgefun-den.

B.
Dem Antrag des [X.] folgend hält der [X.] die Revi-sion des Angeklagten für unbegründet. Allerdings hat das Schwurgericht im Rahmen der Strafzumessung bei der Prüfung der Frage, ob die Tat als ein (sonst) minder schwerer
Fall des Totschlags im Sinne des §
213 StGB anzuse-hen ist, der Angeklagte
den . Auch im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat das Schwurgericht neben der brutalen Tatausführung strafschärfend t, dass 3
4
-
4
-

.
Die strafschärfende Be-rücksichtigung der

rechtsfehlerfrei festgestellten

Tötungsabsicht erweist sich nach bisher gefestigter
Rechtsprechung des [X.] als rechtsfeh-lerhaft, weil dem Angeklagten damit strafschärfend allein das subjektive [X.] direkten Tötungsvorsatzes
zur Last gelegt wird und dies gegen das in §
46 Abs. 3 StGB verankerte Verbot der Doppelverwertung von [X.]en verstößt
(vgl. [X.]R
StGB § 46 Abs.
3 Tötungsvorsatz
7; [X.] vom 14. Oktober 2015

5 StR 355/15; [X.], Beschluss vom 25.
Juni
2015

2 StR 83/15; [X.], Beschluss vom 11.
März 2015

1 StR 3/15, [X.], 171; [X.], Beschluss vom 23.
Oktober 1992

2 [X.], [X.], 72).
Demgegenüber hat der [X.] in seinem Beschluss vom 28.
Juni 2012 (2
StR 61/12, [X.], 689) seiner Auffassung Ausdruck verliehen, dass es zwar in der Regel

gegen das Doppelverwertungsverbot des §
46 Abs. 3 StGB verstoße, wenn der Tatrichter das Vorliegen direkten Tötungsvorsatzes strafer-schwerend bewerte, dies jedoch nicht für Tötungsabsicht gelte. Der
Umstand, dass der Täter handelt, um den tödlichen Erfolg herbeizuführen, dürfe [X.] berücksichtigt werden.
Zu dieser Rechtsauffassung will der
[X.] zurückkehren
und beabsich-tigt zu entscheiden, dass beim vorsätzlichen Tötungsdelikt die Feststellung
von Tötungsabsicht zu Lasten des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt wer-den kann. Er fragt deshalb wegen Divergenz bei den anderen Strafsenaten an, ob diese ihm folgen oder an ihrer bisherigen Rechtsprechung festhalten.

5
6
-
5
-
I.
1. a)
Ausgehend von dem in §
46 Abs. 3 StGB verankerten [X.] haben der 3. und der 4.
Strafsenat des [X.] bereits früh entschieden, dass das [X.] des Tötungsvorsatzes bei der Strafzumessung nicht
noch einmal [X.] berücksichtigt werden
dürfe
([X.], Urteil vom 28. Juni 1968

4
StR 226/68, unveröffentlicht; Beschluss vom 16.
September 1986

4
StR 457/86, [X.]R StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1; Beschluss vom 26.
April 1988

4
StR 157/88, [X.] Nr. 41 zu §
46 StGB; Beschluss vom 30.
Juli 1998

4 [X.], [X.], 23; Beschluss vom 3. Februar 2004

4
StR
403/03).
Der Tatbestand des Totschlags setze vorsätzliche Tatbegehung voraus, deren Regelfall

die Tötung mit direktem Vorsatz sei
([X.], Beschluss vom 5.
Oktober 1977

3 [X.]

, juris Rn.
6; [X.], Urteil vom 14.
August 2008

4
StR 223/08, [X.], 624). Der Tötung mit direktem Tötungsvorsatz komme
deshalb kein gesteigerter Unrechtsgehalt zu, während die Tötung mit bedingtem Tötungsvorsatz eine geringere [X.] aufweise ([X.], [X.] vom 19.
März 2009

4 StR 53/09, [X.], 564). In seinem [X.] vom 17.
September 1990 (3
StR
313/90; [X.]R StGB §
46 Abs.
3 Tö-tungsvorsatz
4

dolus directus) hat der 3.
Strafsenat
allerdings darauf [X.], dass die strafschärfende Wertung direkten Vorsatzes im Zusammen-hang mit den Vorstellungen und Zielen des Angeklagten nicht rechtsfehlerhaft sein müsse.
b) Der
Rechtsauffassung des 3. und des 4.
Strafsenats, wonach die strafschärfende Berücksichtigung des direkten Tötungsvorsatzes gegen das Doppelverwertungsverbot des §
46 Abs.
3
StGB verstoße, sind der 1.
Strafsenat (Beschluss vom 11.
März 2015

1
StR 3/15) und der 7
8
-
6
-
5.
Strafsenat (Beschluss vom 14.
Oktober 2015

5
StR 355/15, [X.], 8)
beigetreten.
c) Der [X.] hatte sich der Auffassung des 3. und 4.
Strafsenats zu-nächst angeschlossen (Beschluss vom 1.
Dezember 1989

2
StR 555/89, [X.]R StGB §
46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3

dolus directus) und in der [X.]en Berücksichtigung direkten Tötungsvorsatzes einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot von [X.] gesehen

46 Abs.
3
StGB). Dabei hat er

auch hierin der Rechtsprechung des 3. und 4.
Strafsenats
folgend (vgl. Beschluss vom 13.
Mai 1981

3
StR 126/81, NJW 1981, 2204)
folgend

die Anerkennung einer strafzumessungsrelevanten Schuldabstufung innerhalb des direkten Vorsatzes und eine Schuldabstufung zwischen Absicht und Wissentlichkeit abgelehnt.
d) In seinem Beschluss vom 28.
Juni 2012

2 StR 61/12
([X.], 689)

hat der [X.] demgegenüber die vom Tatrichter strafschärfend berück-sichtigte Vorsatzform von Tötungsabsicht unbeanstandet gelassen.
e) Der 4. Strafsenat hat in seiner Entscheidung vom 26.
April
2016

4
StR 104/16 die Frage, ob die strafschärfende Berücksichtigung von Tö-tungsabsicht gegen §
46 Abs.
3 StGB verstoße, ausdrücklich offen gelassen.
2. Die Rechtsauffassung, wonach die Vorsatzform als eine selbstständi-ge Strafzumessungstatsache ausscheide
oder gegen das Verbot des §
46 Abs.
3 StGB verstoße,
hat in der Literatur Zustimmung, aber auch Kritik erfah-ren
[X.] StGB, 63.
Aufl.
§
46 Rn.
30 [X.] und §
212 Rn.
18; LK
StGB/[X.], 11. Aufl.
§
212 Rn.
45; LK
StGB/[X.], 12.
Aufl.
§
46 Rn.
77; MüKoStGB/Miebach
§
46 Rn. 86;
Schäfer/[X.]/[X.], [X.] der Strafzumessung, 5.
Aufl., S.
173, 174; [X.], Recht der Strafzumes-sung, 2.
Aufl., S.
214; [X.]/Kühl
StGB,
28. Aufl.
§
46 Rn.
33; zweifelnd
9
10
11
12
-
7
-
Jescheck/Weigend Strafrecht [X.], 5.
Aufl. S.
887; ablehnend [X.]/[X.], 2. Aufl.
§
46 Rn.
93, 185; [X.] in 50 Jahre Bundesgerichts-hof, Festgabe aus der Wissenschaft, 2000, S.
269, 290
f.; [X.], Tatproportio-nale Strafzumessung,
1999,
S.
260, 263; [X.], Das vorsätzliche Tö-tungsdelikt,
2010,
S.
148 ff.; [X.],
[X.] 1985, 397, 398; [X.],
[X.] 1981, 512, 513). Ihr ist entgegen gehalten worden, dass der Tatbestand des §
212 StGB bereits bei Vorliegen bedingten Tötungsvorsatzes erfüllt sei und die Feststel-lung direkten Tötungsvorsatzes
als
eine Schuldsteigerung
anzusehen sei, [X.] die [X.] erhöhe
(vgl. [X.] aaO). Die strafschärfende Berücksichti-gung der hierin liegenden Schuldsteigerung gerate mit
dem in §
46 Abs.
3 StGB verankerten Doppelverwertungsverbot von [X.] deshalb nicht in Konflikt ([X.]/[X.], 2.
Aufl.
§
46 Rn.
93, 185). Darüber hinaus ist darauf hingewiesen worden, dass einem Täter, dem es auf die Besei-tigung oder Zerstörung eines durch die [X.] geschützten, fun-damentalen
Rechtsguts
ankomme, die Rechtsordnung nachhaltiger in Frage stelle
als der nur bedingt vorsätzlich handelnde Täter ([X.], [X.]-FG, 269, 290; ders., Vorsatz und Risiko, 1983, 498, 499; [X.] 99 (1987)
349, 387 f., 768 ff.; [X.] aaO
S.
154 [X.] das Vertrauen der Bevölkerung in die Normgeltung in besonderem Maße. Darüber hinaus könne sein
zielstrebig auf die Herbeiführung des tatbestandli-chen Erfolges gerichtetes
Verhalten auf seine besondere Gefährlichkeit hindeu-ten ([X.], [X.]-FG, aaO). Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass das [X.] zwischen bedingt vorsätzlichem Handeln einerseits und ab-sichtlichem bzw. wissentlichem Handeln andererseits sich auch deshalb in er-höhter [X.] niederschlage, weil das Ausmaß der Bedrohlichkeit des [X.] aus Opferperspektive unterschiedlich sei ([X.], aaO, S.
263).
-
8
-
II.
Handelt der Angeklagte mit Tötungsabsicht, so ist dies eine die [X.] erhöhende und damit taugliche Strafzumessungstatsache.
Die [X.]e Berücksichtigung von Tötungsabsicht verstößt nicht gegen das in §
46 Abs.
3 StGB verankerte Doppelverwertungsverbot von [X.]en.

1. Tötungsabsicht als tauglicher Strafschärfungsgrund
a) Gemäß §
46 Abs. 1 Satz 1 StGB ist die Schuld des [X.]
Grundlage für die Zumessung der Strafe. Zur Ermittlung der für die [X.] sind alle Umstände heranzuziehen, die den Un-rechts-
und Schuldgehalt der Tat im Einzelfall kennzeichnen. §
46 Abs.
2 StGB benennt beispielhaft
und nicht abschließend einige Bereiche derjenigen Um-stände, die für die Strafzumessung aussagekräftig sind. [X.] und Gewicht dieser Strafzumessungstatsachen bestimmt in erster Linie der Tatrichter, dem hierbei ein weiter Entscheidungsspielraum eingeräumt ist.
b) Zu den Umständen, die §
46 Abs. 2 StGB beispielhaft als für die Straf-zumessung im Einzelfall relevante Tatsachen aufführt, Beweggrün-de
und die Ziele

. Der damit angesprochene subjektive Bereich, die innere Einstellung des [X.]
zu seiner Tat und die mit ihr verfolgten Absichten,
ist für die Strafzumessung bedeutsam. Er umfasst nicht nur die vom Täter mit seiner

tatbestandsmäßigen

Handlung verfolgten weiteren Ziele, sondern auch seine innere Einstellung zum [X.]. Die unterschiedlichen, in Recht-sprechung und Schrifttum überwiegend anerkannten, nach heute herrschender Dogmatik nicht mehr der Schuld, sondern dem Unrecht zuzurechnenden unter-schiedlichen Vorsatzformen sind daher strafzumessungsrelevant.
13
14
15
16
-
9
-
aa) Nach herrschender, terminologisch nicht in jeder Hinsicht einheitli-cher Auffassung sind im Bereich des Vorsatzes drei Vorsatzformen zu [X.]. Der bedingt vorsätzlich handelnde Täter hält bei Vornahme der

rechtsgutsgefährdenden

Handlung den Eintritt des tatbestandlichen Erfol-ges für möglich und findet sich mit seinem Eintritt ab, auch wenn er auf dessen Eintritt weder abzielt noch ihm dieser auch nur erwünscht ist. Demgegenüber sieht der mit unbedingtem Vorsatz handelnde Täter den Eintritt
des tatbestand-oder er hält den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges für sicher oder möglich
und
erstrebt seinen Eintritt in dem Sinne, dass es ihm auf die Erreichung des tatbestandlichen Erfolges ankommt (dolus directus 1.
Grades).
[X.]) Die gesetzgeberische Anerkennung einer Schuldschwereskala gera-de auch im Bereich des subjektiven Tatbestands steht außer Frage. Sie zeigt sich
nicht nur in den unterschiedlichen gesetzlichen Strafrahmen, die das Straf-gesetzbuch für die
vorsätzliche (§§
211, 212 StGB) und die fahrlässige Tötung (§
222 StGB)
bereitstellt. Der Gesetzgeber differenziert auch in einer Reihe wei-terer Vorschriften des Strafgesetzbuchs je nach der Vorsatzform. So sieht der Qualifikationstatbestand des §
226 Abs.
2 StGB
in Fällen absichtlicher oder wissentlicher Erfolgsverursachung einer schweren Folge im Sinne des §
226 Abs.
1 StGB einen höheren Strafrahmen vor.
Eine Vielzahl von weiteren Straf-tatbeständen
(vgl. nur §§
87 Abs.
1, 145, 167a, 183a, 258
ff.
StGB) setzt
bereits auf [X.] des Straftatbestands absichtliches oder wissentliches Handeln voraus.
Eine Reihe von Staatsschutzdelikten wiederum (§§
88 Abs. 1, 89, 90 Abs.
3
(Qualifikation des §
90 Abs.
1),
90a Abs.
3
(Qualifikation des §
90a Abs.
1), 90b Abs.
1 StGB)
stellt
ausdrücklich

unter [X.]. Mit Absicht sind gemeint, also solche, die mit dolus directus 1.
Grades ausgeführt werden (Schriftlicher Bericht des [X.], BTDrucks.
V/2860, S.
11).
17
18
-
10
-
Auch sah der Entwurf eines Strafgesetzbuches 1962 in §
16 eine Defini-tion der drei Vorsatzformen und in §
17 eine Differenzierung zwischen Absicht und Wissentlichkeit
vor
(BT-Drucks.
IV/650, S.
14
). Die Normen soll-ten wissenschaftliche Herleitung und Richterrecht kodifizieren (BT-Drucks.
IV/650, S.
101) und wurden allein aus redaktionellen Gründen nicht Gesetz.
Insbesondere die gesetzgeberische Entscheidung, Qualifikationstatbe-stände für absichtliches oder wissentliches Handeln bereit zu stellen, zeigt [X.], dass nach der Wertentscheidung des Gesetzgebers diesen beiden Vorsatzformen ein höherer Schuldgehalt beizumessen ist als bedingt vorsätzli-chem
Handeln.
[X.]) Die gesetzgeberischen
Formulierungen
belegen
zugleich die Aner-kennung der unterschiedlichen Vorsatzarten innerhalb des unbedingten oder unmittelbaren Vorsatzes. Die generelle gesetzliche Differenzierung zwischen Absicht und Wissentlichkeit ist ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber auch insoweit eine graduelle Schuldabstufung als selbstverständlich voraus-setzt
(ablehnend [X.], aaO, S.
220; [X.], Strafrecht [X.], 2.
Aufl., S.
261).
Denn anderenfalls hätte es näher gelegen, den beide Vorsatzformen
umfas-

dd) Diese grundsätzliche gesetzgeberische Anerkennung einer Schuld-schwereskala
im Bereich des subjektiven Tatbestands gilt

ungeachtet des Umstands, dass der Gesetzgeber insoweit auf eine ausdrückliche
Differenzie-rung im Rahmen der §§
211, 212 StGB verzichtet hat

auch und gerade für die Tötungsdelikte.

19
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22
-
11
-
(a) Zwischen Absicht, Wissentlichkeit und bedingtem Vorsatz besteht ein strafzumessungsrelevanter Unterschied (in diesem Sinne [X.], Das vor-sätzliche Tötungsdelikt, 2010, [X.] ff.). Während der mit bedingtem Vorsatz handelnde Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges zwar als naheliegend voraussieht und sich um der von ihm verfolgten Handlungsziele willen mit des-sen Eintritt abfindet, sieht der wissentlich handelnde Täter den Eintritt des [X.] kalkuliert die Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges und die hierin liegende Verletzung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts überlegt ein. Das Handeln trotz sicherer Voraussicht des Erfolgseintritts
erhöht das Hand-lungsunrecht gegenüber dem bedingt vorsätzlich handelnden Täter, bleibt [X.] seinerseits hinter dem des absichtlich Handelnden, den Eintritt des tatbe-standlichen Erfolges erstrebenden [X.] zurück.
(b) Zwar haben die Verfasser des Entwurfs 1962 die beiden Vorsatzfor-men des dolus directus als in der Regel gleich strafwürdig bezeichnet
(BTDrucks.
IV/650, S.
131regelmäßig an Strafwürdigkeit gleichkommen. Der bösen Absicht im einen Falle n-gewiesen, dass

passt.

(BT-Drucks.
IV/650, S. 131).

Dies gilt in besonderem Maße für die Tötungsdelikte.
Der
mit Tötungsab-sicht handelnde Täter setzt sich nicht nur über die durch §
212 StGB strafbe-wehrte Verhaltensnorm, Handlungen zu unterlassen, durch die eine andere Person zu Tode kommen kann, hinweg
und nimmt dabei den Eintritt des tatbe-standlichen Erfolges in Kauf. Es kommt ihm vielmehr auf die Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges an. Sein Handeln zielt im Wortsinne auf die Herbei-führung des Todes einer anderen Person ab, diese ist nicht nur billigend in Kauf 23
24
25
-
12
-
genommene oder wissentlich herbeigeführte Folge, sondern Ziel seines [X.].
Dieses Streben ist im besonderen Maße mit einem [X.] Unwerturteil belegt. Dass der auf die Rechtsgutsverletzung gerichtete Wille eine höhere Ge-fahr für das geschützte Rechtsgut darstellt, weil der mit dolus directus 1.
Grades handelnde Täter sein Handlungsziel zielstrebig verfolgt, liegt auf der Hand.
c) Das (unbedingte) Streben nach der Herbeiführung des tatbestandli-chen Erfolges ist

je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls

geeig-net, die individuelle [X.] zu erhöhen
(vgl. auch [X.], [X.] 1985, 205, 206).
Zwar deutet ein Handeln mit direktem
Tötungsvorsatz
für sich genom-men nicht stets und schlechthin auf eine besonders verwerfliche Gesinnung oder auf eine besondere Stärke des verbrecherischen Willens eines [X.] hin. Eine
mit bedingtem Tötungsvorsatz begangene Tat kann

je nach den Um-ständen des Einzelfalls

eine höhere [X.] aufweisen als eine mit direk-tem Tötungsvorsatz begangene Tat. Deshalb kann der (isolierte) Hinweis auf die Vorsatzform im Einzelfall zur Beschreibung höherer [X.] zu kurz grei-fen (Schäfer/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 5.
Aufl. Rn.
618; [X.], aaO; [X.], Vorsatz und Risiko, S.
498, 499; ablehnend [X.], [X.] 1985, 397, 398; [X.]/[X.], 2.
Aufl.
§
46 Rn.
185
[X.]). Darüber hinaus empfiehlt es sich, die Vorsatzform stets im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des [X.] und seinen
Handlungsmotiven
zu würdigen ([X.], Beschluss vom 29.
August
1984

3 [X.]; Urteil vom 25.
Oktober 1989

3 [X.], [X.]R StGB §
212 Abs.
1 Strafzumessung
1; [X.], Beschluss
vom 17.
September 1990

3
StR 313/90, [X.]R StGB §
46 Abs.
3 Tötungsvorsatz
4). Die grundsätzliche Tauglichkeit der Strafzumes-26
27
-
13
-
sungstatsache Tötungsabsicht als Strafschärfungsgrund ist damit jedoch nicht in Frage gestellt.
2.
Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des §
46 Abs.
3 StGB.
a) Nach dem in §

dürfen Umstände, die schon Merkmale des ge-setzlichen Tatbestands sind, im Rahmen der Strafzumessung nicht noch einmal berücksichtigt werden. Das Doppelverwertungsverbot von [X.] hindert den Tatrichter jedoch nicht daran, im Rahmen der Strafzumessung zugunsten oder zum Nachteil eines Angeklagten den Ausprägungsgrad oder die konkrete Modalität eines

objektiven oder subjektiven

Merkmals des ge-setzlichen Tatbestands zu berücksichtigen, wenn dieses steigerungsfähig ist (vgl. [X.], [X.] 111 (1999), 156; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 1991, S.
205; [X.], aaO). Sind [X.] steigerungsfähig, so kann die Form ihrer Verwirklichung im Einzelfall im Rahmen der Strafzumessung (§
46 Abs.
2 StGB) berücksichtigt werden. Darüber hinaus greift das Doppelverwer-tungsverbot auch dann nicht ein, wenn ein Straftatbestand zwei unterschiedlich schwer wiegende Alternativen zur Verfügung stellt ([X.], Urteil vom 30.
Januar 1980

3
StR
471/79, [X.], 1344; RG GA
56 (1909), 96).
b) Gemessen hieran verstößt die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht nicht gegen §
46 Abs.
3 StGB.
Jedenfalls bei Tötungsabsicht handelt es sich um gegenüber dem zur Tatbestandserfüllung hinreichenden bedingten Tötungsvorsatz um eine Schuld-steigerung, die den Unrechtsgehalt der Tat erhöht. Sie kann zu Lasten des [X.] berücksichtigt werden.
28
29
30
31
-
14
-
c) Zwar wird die Unzulässigkeit der strafschärfenden Berücksichtigung von Tötungsabsicht auch damit begründet, dass es sich in beiden Spielarten des dolus directus Absicht und Wissentlichkeit

des Tot-schlags im Sinne des §
212
StGB handele, der dem Gesetzgeber bei Schaffung des Strafrahmens für die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen vor [X.] gestanden habe ([X.], Beschluss vom 14.
Oktober 2015

5 StR 355/15, NStZ-

Juni 2015

2
StR 83/15, [X.]R StGB §
46 Abs.
3 Tötungsvorsatz
7; [X.], Beschluss vom 19.
März 2009

4
StR 53/09, [X.], 564, 565; [X.], Urteil vom 14.
August 2008

4
StR 223/08, [X.], 624; [X.], Beschluss vom 3.
Februar 2004

4
StR 403/03, juris; [X.], Beschluss vom 30.
Juli 1998

4
[X.], [X.], 23; [X.], Beschluss vom 23.
Oktober 1992

2
[X.], [X.], 72; [X.], Beschluss vom 1.
Dezember 1989

2
StR 555/89, [X.]R StGB §
46 Abs.
3 Tötungsvorsatz
3; [X.], Beschluss vom 15.
November 1983

3 [X.], EzSt
StGB §
212 Nr.
7; [X.], [X.] vom 13.
Mai 1981

3
StR 126/81, NJW 1981, 2204; [X.], Beschluss vom 8.
Februar 1978

3
StR 425/77, juris; [X.], Beschluss vom 5.
Oktober 1977

3
[X.], juris). Dies erscheint aber schon aufgrund der praktischen Erfahrung zweifelhaft, wonach in der überwiegenden Zahl der Fälle bedingter Vorsatz und nur in seltenen Einzelfällen Absicht festgestellt wird. Im Übrigen ist es auch nicht naheliegend, die ganz
unterschiedlichen Motivationslagen des direkten Vorsatzes (Inkaufnehmen auch des unerwünschten,
aber als sicher 32
-
15
-
vorausgesehenen Erfolges um eines weiteren Ziels willen) und der Absicht ([X.] gerade mit dem Ziel der Erfolgsherbeiführung) zu einem
einzigen .
Fischer

Krehl

[X.]

Zeng

Bartel

Meta

2 StR 150/15

01.06.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2016, Az. 2 StR 150/15 (REWIS RS 2016, 10675)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10675

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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