Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.01.2018, Az. 2 StR 150/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2018, 15883

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Gegenstand

Vorsätzliches Tötungsdelikt: Strafschärfende Berücksichtigung des Handelns des Täters mit Tötungsabsicht; Anforderungen an die Entscheidung des Tatgerichts; Ergebnis der Senatsanfrage


Leitsatz

1. Der Umstand, dass der Täter mit Tötungsabsicht gehandelt hat, kann beim vorsätzlichen Tötungsdelikt strafschärfend berücksichtigt werden. Hierin liegt grundsätzlich kein Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen (§ 46 Abs. 3 StGB).

2. Die Entscheidung darüber, ob das Handeln des Täters mit Tötungsabsicht im Einzelfall als ein Strafschärfungsgrund anzusehen ist, obliegt dem Tatgericht. Es ist verpflichtet, bei seiner Entscheidung auch gegenläufig wirkende strafmildernde Gesichtspunkte, die sich aus den Vorstellungen, Zielen und Absichten des Täters ergeben können, zu berücksichtigen.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 27. Oktober 2014 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensbeanstandungen und sachlich-rechtliche Einwendungen gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet.

A.

2

Nach den Feststellungen des Schwurgerichts beschloss der 74 Jahre alte Angeklagte     [X.]am 22. Oktober 2013, seine erheblich jüngere und [X.]en hegende Ehefrau    Rü.   zu töten. In Ausführung dieses Tatentschlusses griff er sie auf der Kellertreppe des gemeinsamen [X.] an und schlug ihr einen Gegenstand gegen den Kopf, wodurch sie zu Fall kam und die Kellertreppe hinabstürzte. Nunmehr ergriff der Angeklagte einen etwa 2,8 Kilogramm schweren Feuerlöscher und schlug damit in Tötungsabsicht [X.] wuchtig auf den Kopf seiner am Boden liegenden Ehefrau ein. Sie erlitt durch diese mehrfachen, massiven Gewalteinwirkungen multiple offene [X.]. Weitere stumpfe Gewalteinwirkungen gegen den Oberkörper des [X.] führten zu zahlreichen Rippenbrüchen, die zu einer mehrfachen Durchsetzung der Brusthöhle und zu Einblutungen in die Lunge führten. Die Ehefrau des Angeklagten verstarb aufgrund der erlittenen massiven Verletzungen innerhalb weniger Minuten.

3

Das Schwurgericht hat bei der Prüfung der Frage, ob die Tat als ein (sonst) minder schwerer Fall des Totschlags im Sinne des § 213 StGB anzusehen ist, zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er „den Tod seiner Ehefrau absichtlich und zielgerichtet herbeiführen wollte“. Auch im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat das Schwurgericht neben der brutalen Tatausführung strafschärfend „die Tatsache“ berücksichtigt, dass der Angeklagte seine Ehefrau „absichtlich getötet hat“.

B.

4

Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Der Schuldspruch ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch der Strafausspruch ist frei von [X.]. Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht sowohl bei der [X.] als auch bei der konkreten Strafzumessung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

I.

5

1. Nach bisheriger Rechtsprechung des [X.] wurde es überwiegend als ein Verstoß gegen das in § 46 Abs. 3 StGB verankerte Verbot der Doppelverwertung von [X.] und damit als rechtsfehlerhaft angesehen, wenn der Tatrichter das subjektive Tatbestandsmerkmal direkten Tötungsvorsatzes strafschärfend berücksichtigt (vgl. [X.], Beschluss vom 11. März 2015 – 1 StR 3/15, [X.], 171 ([X.]); [X.], Beschlüsse vom 25. Juni 2015 – 2 [X.], [X.]R StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 7, vom 21. Januar 2004 – 2 [X.], vom 23. Oktober 1992 – 2 [X.], [X.] 1993, 72 und vom 1. Dezember 1989 – 2 [X.], [X.]R StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3; [X.], Beschlüsse vom 5. Oktober 1977 – 3 StR 369/77, vom 8. Februar 1978 – 3 [X.] und vom 13. Mai 1981 – 3 [X.], NJW 1981, 2204; [X.], Urteil vom 28. Juni 1968 – 4 [X.]; Beschlüsse vom 16. September 1986 – 4 [X.], [X.]R StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1, vom 26. April 1988 – 4 [X.], [X.] Nr. 41 zu § 46 StGB, vom 30. Juli 1998 – 4 [X.], [X.], 23, vom 3. Februar 2004 – 4 [X.] und vom 14. Oktober 2015 – 5 StR 355/15, [X.], 8). Der Tatbestand des Totschlags setze vorsätzliche Tatbegehung voraus, deren „Regelfall“ die Tötung mit direktem Vorsatz sei ([X.], Beschluss vom 1. Dezember 1989 – 2 [X.], [X.]R StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3; [X.], Beschluss vom 5. Oktober 1977 – 3 StR 369/77, juris Rn. 6; [X.], Urteil vom 14. August 2008 – 4 [X.], [X.], 624). Dem Handeln mit direktem Tötungsvorsatz komme kein für sich genommen gesteigerter Unrechtsgehalt zu, während die Tötung mit bedingtem Tötungsvorsatz eine geringere [X.] aufweise ([X.], Beschluss vom 19. März 2009 – 4 StR 53/09, [X.], 564).

6

Abweichende Entscheidungen sind – soweit ersichtlich – vereinzelt geblieben. Der 3. Strafsenat hat jedoch in seinem Beschluss vom 17. September 1990 (3 StR 313/90, [X.]R StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4) darauf hingewiesen, dass die strafschärfende Wertung direkten Vorsatzes im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des Angeklagten sich nicht in jedem Fall als rechtsfehlerhaft erweisen müsse. Mit Beschluss vom 28. Juni 2012 (2 [X.], [X.], 689) hat der [X.] entschieden, dass es zwar „in der Regel“ gegen das [X.] des § 46 Abs. 3 StGB verstoße, wenn der Tatrichter das Vorliegen direkten Tötungsvorsatzes straferschwerend bewerte, dies jedoch nicht für die Tötungsabsicht gelte.

7

2. Diese Rechtsprechung des [X.], die eine isolierte strafschärfende Berücksichtigung der Vorsatzform als rechtsfehlerhaft einstufte, hat überwiegend Zustimmung erfahren (vgl. Schäfer/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 618; [X.]Jähnke, 11. Aufl., § 212 Rn. 45; [X.]Theune, 12. Aufl. § 46 Rn. 77; [X.]. [X.] 1985, 205, 206; MüKoStGB/[X.]/[X.], 3. Aufl. § 46 Rn. 194; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 212, Rn. 79; [X.]/Sinn, 9. Aufl., § 212 Rn. 71; Streng, in: Kindhäuser/[X.]/Paeffgen, 5. Aufl., StGB § 46 Rn. 55; [X.]., [X.] 2017, 526 ff. [X.]/[X.], 3. Aufl., § 212 Rn. 27; [X.]/Safferling § 212 Rn. 91; [X.], [X.] 109 (1997), [X.], 322 f.; [X.]/[X.] StGB, 28. Aufl. § 46 Rn. 33). Kritische Stimmen (vgl. [X.]/Weigend Strafrecht [X.], 5. Aufl. S. 887; [X.]-StGB/[X.], 2. Aufl. § 46 Rn. 93, 185; Frisch, in: [X.], Festgabe aus der Wissenschaft, 2000, [X.], [X.], 290 f.; [X.], [X.] Strafzumessung, 1999, [X.], 263; [X.], Das vorsätzliche Tötungsdelikt, 2010, [X.] ff.; [X.], [X.] 1985, 397, 398; [X.], [X.] 1981, 512, 513; [X.], NStZ 1985, 158, 161) haben darauf hingewiesen, dass die Auffassung, wonach die Vorsatzform als eine eigenständige Strafzumessungstatsache ausscheide, den aus dem besonderen Teil des Strafgesetzbuchs ersichtlichen gesetzgeberischen Wertungen wi[X.]preche (vgl. [X.], [X.] 1985, 398; [X.], Zur Bedeutung des [X.] bei der Bemessung der Strafe, Diss. 1996, [X.]). Ihr ist außerdem entgegen gehalten worden, dass der Tatbestand des § 212 StGB bereits bei Vorliegen bedingten Tötungsvorsatzes erfüllt sei und die Feststellung direkten Tötungsvorsatzes in Form von Tötungsabsicht deshalb als eine Schuldsteigerung anzusehen sei, welche die [X.] regelmäßig erhöhe (vgl. [X.], [X.] 1981, 513; [X.], aaO, [X.] ff.; [X.]. [X.] 2017, 391, 393). Die strafschärfende Berücksichtigung der hierin liegenden Schuldsteigerung gerate weder mit dem in § 46 Abs. 3 StGB verankerten [X.] von [X.] ([X.]-StGB/[X.], aaO, § 46 Rn. 93, 185; von [X.], [X.] 2017 S. 229, 239) noch mit dem Gedanken in Konflikt, dass es sich um das Regeltatbild des Totschlags handele ([X.], [X.] 2017, 391, 393; MüKo/[X.], aaO, § 212 Rn. 82; [X.], [X.] 2017, 225 ff.).

II.

8

Der [X.] hat mit Beschluss vom 1. Juni 2016 ([X.], 216) ein Anfrageverfahren nach § 132 Abs. 3 [X.] eingeleitet, weil er von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen beabsichtigt. Er ist der Ansicht, dass beim vorsätzlichen Tötungsdelikt die Feststellung von Tötungsabsicht zu Lasten des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt werden kann, und hat bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob sie dem zustimmen oder an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.

9

1. Der [X.] hat seine Rechtsauffassung, wonach die Tötungsabsicht zu Lasten des Angeklagten im Einzelfall strafschärfend berücksichtigt werden könne, in seinem [X.] vom 1. Juni 2016 (zustimmend [X.], [X.] 2017, 301 ff. und [X.], [X.] 2017, 225 ff.: ablehnend Streng [X.] 2017, 526 ff.) im Wesentlichen wie folgt begründet:

Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB sei die Schuld des [X.] Grundlage für die Zumessung der Strafe. Zur Ermittlung der für die Straffrage maßgeblichen Strafzumessungsschuld seien alle Umstände heranzuziehen, die den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat im Einzelfall kennzeichneten. § 46 Abs. 2 StGB benenne beispielhaft und nicht abschließend einige Bereiche derjenigen Umstände, die für die Strafzumessung aussagekräftig seien. [X.] und Gewicht dieser Strafzumessungstatsachen bestimmten in erster Linie das Tatgericht, dem hierbei von Rechts wegen ein weiter Entscheidungs- und Wertungsspielraum eröffnet sei.

Zu den Tatsachen, die für die Strafzumessung relevant sein könnten, zählten auch die „Beweggründe und die Ziele des [X.]“. Der damit angesprochene subjektive Bereich, die innere Einstellung des [X.] zu seiner Tat und die mit ihr verfolgten Absichten, seien damit grundsätzlich für die Strafzumessung bedeutsam.

a) Nach herrschender, terminologisch nicht in jeder Hinsicht einheitlicher Auffassung seien im Bereich des Vorsatzes drei Vorsatzformen zu unterscheiden, die vom bedingten Vorsatz über den „dolus directus 2. Grades“ bis zum „dolus directus 1. Grades“, also der Absicht, reichten. Darin komme eine Schuldschwereskala zum Ausdruck, die – wie der [X.] in seinem [X.] im Einzelnen dargelegt hat – grundsätzlich auch durch den Gesetzgeber anerkannt sei. Sie gelte auch und gerade im Bereich der Tötungsdelikte.

Der mit Tötungsabsicht handelnde Täter setze sich nicht nur über die durch § 212 StGB strafbewehrte Verhaltensnorm, Handlungen zu unterlassen, durch die eine andere Person zu Tode kommen kann, hinweg und nehme dabei den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges in Kauf. Es komme ihm vielmehr auf die Herbeiführung dieses tatbestandlichen Erfolges an. Sein Handeln ziele im Wortsinne auf die Herbeiführung des Todes einer anderen Person ab, diese sei nicht nur billigend in Kauf genommene oder wissentlich herbeigeführte Folge, sondern Ziel seines Handelns. Dieses Streben sei in besonderem Maße mit einem [X.] Unwerturteil belegt. Dass der auf die Rechtsgutsverletzung gerichtete Wille eine höhere Gefahr für das geschützte Rechtsgut darstelle, weil der mit dolus directus 1. Grades handelnde Täter sein [X.] zielstrebig verfolge, liege auf der Hand.

Gleichwohl lasse sich nicht feststellen, dass ein Handeln mit direktem Tötungsvorsatz stets und schlechthin auf eine beson[X.] verwerfliche Gesinnung oder auf eine besondere Stärke des verbrecherischen Willens eines [X.] hindeute. Eine mit bedingtem Tötungsvorsatz begangene Tat könne – je nach den Umständen des Einzelfalls – sogar eine höhere [X.] aufweisen als eine mit direktem Tötungsvorsatz begangene Tat. Deshalb könne der (isolierte) Hinweis auf die Vorsatzform im Einzelfall zur Beschreibung höherer [X.] zu kurz greifen.

b) Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht verstoße nicht gegen das [X.] des § 46 Abs. 3 StGB.

Nach dem in § 46 Abs. 3 StGB verankerten „[X.] von [X.]“ dürften Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestands sind, im Rahmen der Strafzumessung nicht noch einmal berücksichtigt werden. Das [X.] hindere den Tatrichter jedoch nicht daran, im Rahmen der Strafzumessung zugunsten oder zum Nachteil eines Angeklagten den Ausprägungsgrad oder die konkrete Modalität eines – objektiven oder subjektiven – Merkmals des gesetzlichen Tatbestands zu berücksichtigen. Seien [X.] steigerungsfähig, so könne die Form ihrer Verwirklichung im Einzelfall im Rahmen der Strafzumessung (§ 46 Abs. 2 StGB) berücksichtigt werden. Darüber hinaus greife das [X.] auch dann nicht ein, wenn ein Straftatbestand zwei unterschiedlich schwer wiegende Alternativen zur Verfügung stelle.

Jedenfalls bei Tötungsabsicht handele es sich um gegenüber dem zur Tatbestandserfüllung hinreichenden bedingten Tötungsvorsatz um eine Steigerung der Vorsatzform, die den Unrechtsgehalt der Tat grundsätzlich erhöhen könne. Sie könne daher strafschärfend berücksichtigt werden. Es handele sich bei der Tötung eines Menschen mit dolus directus 1. Grades oder mit Absicht auch nicht um den normativen Regelfall des § 212 Abs. 1 StGB, der eine strafschärfende Berücksichtigung des zielgerichteten Vorgehens ausschlösse (vgl. zur Begründung im Einzelnen den Beschluss des [X.]s vom 1. Juni 2016 – 2 StR 150/15, [X.], 216).

2. Die Strafsenate des [X.] haben in ihren Antwortbeschlüssen mitgeteilt, dass sie der durch den [X.] formulierten Anfrage, dass beim vorsätzlichen Tötungsdelikt die Feststellung von Tötungsabsicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden könne, grundsätzlich zustimmen und entgegenstehende eigene Rechtsprechung aufgeben.

a) Der 5. Strafsenat ist in seiner Antwort vom 23. Februar 2017 (5 [X.], [X.] 2017, 391) der Rechtsauffassung des anfragenden [X.]s beigetreten und hat eigene entgegenstehende Rechtsprechung aufgegeben.

b) Der 3. Strafsenat hat in seinem Beschluss vom 7. März 2017 (3 [X.], [X.], 237) dem im Tenor des [X.]es formulierten Rechtssatz unter Aufgabe eigener entgegenstehender Rechtsprechung zugestimmt. Er ist der Auffassung, dass Tötungsabsicht ein taugliches Kriterium für eine Strafschärfung sein könne, wobei dies der Bewertung des Tatgerichts unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls obliege. Die Festlegung, welche [X.] einzelnen Umständen zukomme, sei Teil der dem Tatgericht aufgegebenen Strafzumessung, die nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle unterliege. Der [X.] teile die Auffassung des anfragenden [X.]s, dass das unbedingte Streben nach der Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls geeignet sei, die individuelle [X.] zu erhöhen. Nach der Wertentscheidung des Gesetzgebers, wie sie in den Straftatbeständen des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs sichtbar werde, komme den drei Vorsatzformen prinzipiell ein unterschiedlicher Schuldgehalt zu. Die Schuldschwere steigere sich im Grundsatz vom dolus eventualis über den dolus directus 2. Grades (Wissentlichkeit) hin zum dolus directus 1. Grades (Absicht). Die kriminelle Intensität des Täterwillens sei beim dolus directus 1. Grades in der Regel am stärksten ausgeprägt. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass das außertatbestandliche Ziel des „nur“ wissentlich [X.] ebenso verwerflich wie das tatbestandliche Ziel des absichtlich [X.] sein könne. [X.] das Tatgericht einzelfallbezogen eine solche Verwerflichkeit an, so werde es das außertatbestandliche Ziel im Rahmen der Strafzumessung ohne weiteres zum Nachteil des wissentlich [X.] werten; dadurch stünde dieser sogar schlechter als der absichtlich Tötende, wenn die Tötungsabsicht nicht strafschärfend berücksichtigt werden könne. Der [X.] hat offen gelassen, ob die strafschärfende Berücksichtigung des dolus directus 2. Grades (Wissentlichkeit) unter dem Gesichtspunkt des „normativen Regelfalls“ gegen das [X.] gemäß § 46 Abs. 3 StGB verstoße.

c) Der 4. Strafsenat hat in seiner Antwort vom 7. Juni 2017 (4 [X.], [X.], 238) mitgeteilt, dass er der Rechtsauffassung des [X.] beitrete und seine frühere Rechtsprechung, wonach die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht bei Verurteilung wegen Totschlags gegen das in § 46 Abs. 3 StGB verankerte [X.] von [X.] verstoße, aufgebe.

Der 4. Strafsenat ist jedoch der Auffassung des vorlegenden [X.]s entgegengetreten, „dass im Bereich des subjektiven Tatbestands eine vom Gesetzgeber grundsätzlich anerkannte Schuldschwereskala“ gelte und „deshalb das Vorliegen von Tötungsabsicht schon für sich genommen regelmäßig einen [X.]“ darstelle. Es komme vielmehr jeweils auf die Umstände des Einzelfalls an. Die in § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB genannten Beweggründe und Ziele des [X.] seien „Leitpunkte für die Bestimmung des subjektiven [X.]s“. Die einzelnen Vorsatzformen träfen dazu – für sich genommen – keine unmittelbare Aussage und bedürften deshalb stets einer Würdigung im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des [X.]. Dies gelte auch für die Tötungsabsicht. Diese liege vor, wenn es dem Täter auf die Herbeiführung des Todes ankomme. Dabei sei es gleichgültig, ob die Erreichung des [X.] für sicher oder nur für möglich gehalten werde. Gleichgültig sei außerdem, ob die Herbeiführung des Todes dem Täter erwünscht sei oder von ihm bedauert werde. Mit Tötungsabsicht handele deshalb auch, wer den Tod eines anderen nicht um seiner selbst willen herbeiführen wolle, in ihm aber ein notwendiges Zwischenziel auf dem Weg zu dem eigentlich angestrebten Ziel sehe. Zwar spreche es für eine beson[X.] starke Abweichung von den Maßstäben der Rechtsordnung, dass der Täter den Tod des Opfers als (Zwischen-) Ziel seiner Handlung anstrebe; dies belege jedoch für sich genommen noch nicht das Vorliegen einer beson[X.] verwerflichen Gesinnung oder eine besondere Stärke des verbrecherischen Willens. Dies zeige sich beispielhaft in Fällen der Mitleidstötung. Wer einem moribunden Angehörigen das Leben nehme, um ihn von schwerem Leiden zu befreien, töte zwar absichtlich. Der Tod des Angehörigen werde aber nur deshalb angestrebt, um ein „fraglos strafmildernd zu bewertendes [X.]“ – den Angehörigen von schwerem Leiden zu befreien – zu erreichen. Ähnlich liege es, wenn ein Täter – wie beispielsweise in den so genannten „Haustyrannen-Fällen“ – aus einer notstandsähnlichen Situation heraus absichtlich töte.

Eine isolierte Negativbewertung der Tötungsabsicht am Maßstab einer generellen Schuldschwereskala im Bereich des subjektiven Tatbestands bei gleichzeitiger Positivbewertung des nur durch eine Tötung erreichbaren [X.]es würde zu einer Aufspaltung der Bewertung des „an sich einheitlichen subjektiven [X.]s führen“. Es bestünde außerdem die Gefahr, dass es zu einer dem Strafzumessungsrecht wesensfremden Schematisierung komme.

Tötungsabsicht könne aber für sich genommen dann als ein selbstständiger [X.] herangezogen werden, wenn es dem Täter auf die Herbeiführung des Todes „um seiner selbst willen“ ankomme und keine weiteren relevanten [X.]e festzustellen seien. In Fällen der genannten Art nähere sich das subjektive [X.] dem Mordmerkmal der Mordlust an.

d) Der 1. Strafsenat hat in seinem Antwortbeschluss vom 27. Juli 2017 (1 [X.]) der Rechtsauffassung des anfragenden [X.]s grundsätzlich zugestimmt, jedoch darauf hingewiesen, dass entscheidend für eine strafschärfende Berücksichtigung der Tötungsabsicht sei, ob dem Täter angesichts seiner Handlungsweise eine höhere [X.] vorzuwerfen sei. Das Tatgericht habe sich daher in den Urteilsgründen stets mit den Vorstellungen und Zielen des [X.] auseinander zu setzen und vor diesem Hintergrund zu bewerten, ob danach eine höhere [X.] gegeben sei. Sei dies der Fall, stünde § 46 Abs. 3 StGB einer strafschärfenden Berücksichtigung der Vorsatzform nicht entgegen. Unter dieser Maßgabe hat der 1. Strafsenat etwa entgegenstehende eigene Rechtsprechung aufgegeben.

3. Nach dem Ergebnis des [X.] besteht unter den Strafsenaten des [X.] Einigkeit darüber, dass der Tatrichter den Umstand, dass der Täter mit Tötungsabsicht gehandelt hat, strafschärfend berücksichtigen kann. Die früher vertretene Rechtsansicht, wonach in der strafschärfenden Berücksichtigung von Tötungsabsicht ungeachtet der konkreten Umstände des Einzelfalls regelmäßig ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung von [X.] (§ 46 Abs. 3 StGB) liegt, ist danach aufgegeben.

Keine vollständige Einigkeit wurde darüber erzielt, in welcher Weise der Tatrichter die Tötungsabsicht rechtsfehlerfrei berücksichtigen kann. Während der 3. und 5. Strafsenat mit dem anfragenden [X.] ungeachtet des Umstands, dass der isolierte Hinweis auf die Vorsatzform im Einzelfall zur Beschreibung höherer [X.] auch zu kurz greifen könne, der Auffassung sind, dass eine vom Tatrichter vorgenommene isolierte Negativbewertung von Tötungsabsicht rechtlich unbedenklich sei, stehen der 1. und der 4. Strafsenat einer solchen isolierten Negativbewertung der Vorsatzform ablehnend gegenüber. Der 4. Strafsenat wendet sich gegen eine isolierte Negativbewertung am Maßstab einer generellen Schuldschwereskala im Bereich des subjektiven Tatbestands, weil dies zu einer Aufspaltung der Bewertung des an sich einheitlichen subjektiven [X.]s führe. Er hält daher eine Gesamtbewertung des subjektiven [X.]s unter strafschärfender Bewertung der Tötungsabsicht bei gleichzeitiger Einbeziehung der konkreten Handlungsmotive, der Beweggründe und der Ziele des [X.] für erforderlich. Eine Ausnahme hiervon will der 4. Strafsenat in Fällen anerkennen, in denen es dem Täter auf die Herbeiführung des Todes des Opfers „um seiner selbst willen“ ankomme und keine weiteren relevanten [X.]e festgestellt werden könnten; in Fällen der genannten Art, in denen sich das subjektive [X.] dem Mordmerkmal der Mordlust annähere, könne die Tötungsabsicht isoliert strafschärfend herangezogen werden. Nach Auffassung des 1. Strafsenats ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller das subjektive [X.] kennzeichnenden Umstände darzulegen, dass und aus welchen Gründen der festgestellten Tötungsabsicht im konkreten Einzelfall ein die [X.] erhöhendes Gewicht beigemessen werde. Das Tatgericht hat sich daher in den Urteilsgründen mit den Vorstellungen und Zielen des [X.] auseinanderzusetzen und zu bewerten, ob ihm wegen des Handelns mit Tötungsabsicht eine höhere [X.] vorzuwerfen ist.

Als Ergebnis des [X.] ist mithin – ungeachtet gewisser Unterschiede im Einzelnen – festzuhalten, dass die Tötungsabsicht nach Auffassung aller Strafsenate des [X.] taugliches Kriterium für eine Strafschärfung sein kann. Die Frage, ob in der festgestellten Tötungsabsicht ein die Strafhöhe beeinflussender, bestimmender Strafschärfungsgrund zu sehen ist, kann aber nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls getroffen werden. Die Entscheidung hierüber obliegt dem Tatrichter, der hier – wie stets im Rahmen der Strafzumessung – gehalten ist, gegenläufig wirkende strafmildernde Umstände im konkreten Einzelfall zu berücksichtigen.

Während der 1. und der 4. Strafsenat annehmen, dass die Tötungsabsicht in den gesamten Bereich des subjektiven [X.]s eingeordnet werden müsse und eine strafschärfende Würdigung nur in Betracht komme, wenn den Vorstellungen, Zielen und Absichten des [X.] unter Einschluss der Tötungsabsicht im Einzelfall ein negatives Gewicht beizumessen sei, ist der anfragende [X.] mit dem 3. und dem 5. Strafsenat der Auffassung, dass eine isolierte Negativbewertung der Tötungsabsicht rechtlich unbedenklich sei, wenngleich dies nicht zu einer schematischen Betrachtungsweise führen dürfe; der Tatrichter habe deshalb je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls auch die das [X.] mildernden Umstände in den Blick zu nehmen.

Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht verstößt damit grundsätzlich nicht gegen das Verbot der Doppelverwertung von [X.] (§ 46 Abs. 3 StGB). Mit der Tötungsabsicht verbindet sich regelmäßig – ergibt sich nicht aus gegenläufig zu gewichtenden Umständen eine andere Beurteilung des [X.]s – eine erhöhte [X.] des absichtsvoll [X.].

III.

Gemessen hieran begegnen die tatrichterlichen Ausführungen zur strafschärfenden Berücksichtigung der Tötungsabsicht weder unter Berücksichtigung der Auffassung des 2., 3. und 5. Strafsenats noch unter Berücksichtigung des – abweichenden – Maßstabs des 1. und des 4. Strafsenats durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Schwurgericht hat im Rahmen der Prüfung, ob sich die Tat als ein sonst minder schwerer Fall des Totschlags im Sinne des § 213 StGB darstellt, zwar zu Lasten des Angeklagten eingestellt, dass „die Tat mit erheblicher Brutalität begangen wurde und der Angeklagte den Tod seiner Ehefrau absichtlich und zielgerichtet herbeiführen wollte“. Auch hat es im Rahmen der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte den Tod seiner Ehefrau „absichtlich und zielgerichtet herbeigeführt hat“. Das Tatgericht hat sich jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung sowie der rechtlichen Würdigung bei Abhandlung der Mordmerkmale (Habgier, Heimtücke, niedrige Beweggründe) ausführlich mit den Vorstellungen, Zielen sowie den handlungsleitenden Motiven des Angeklagten auseinandergesetzt. Dabei hat es zwar Anhaltspunkte dafür gesehen, dass der Angeklagte, der gegenüber seiner Ehefrau – nicht zuletzt aufgrund seiner narzisstischen Persönlichkeitszüge – eine abwertende Haltung eingenommen habe, über ihre [X.]en frustriert und zornig gewesen sei und Motive der Rache für die erlittene Kränkung bei der Tat eine Rolle gespielt haben könnten. Sichere Feststellungen zur eigentlichen [X.] hat das Schwurgericht aber nicht zu treffen vermocht. Anhaltspunkte, die das Handeln des Angeklagten, in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, sind insgesamt nicht zutage getreten. Das Schwurgericht hat im Übrigen nicht übersehen, dass beim Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat eine „große Enttäuschung, Frustration und Wut“ angesichts der [X.] entstanden war.

Vor diesem Hintergrund ist nicht zu besorgen, dass das Tatgericht der Vorsatzform isoliert und undifferenziert strafschärfende Wirkung beigemessen und das subjektive [X.] nicht – wie dies nach Auffassung des 1. und des 4. Strafsenats regelmäßig erforderlich und in den Urteilsgründen auch darzulegen ist – insgesamt in den Blick genommen hat.

Die tatgerichtliche Wertung, dass der rechtsfehlerfrei festgestellten Tötungsabsicht strafschärfendes Gewicht beizumessen sei, hält sich sonach im Rahmen des tatrichterlichen Wertungsspielraums und ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

IV.

Anlass für eine Kompensationsentscheidung bestand nicht.

Zwar hat das Revisionsverfahren, das am 5. Juni 2015 beim [X.] eingegangen ist, lange gedauert. Die Verfahrensdauer ist jedoch dem Umstand geschuldet, dass die Revisionshauptverhandlung am 1. Juni 2016 zur Durchführung des [X.] ausgesetzt worden ist. Nach Eingang der letzten Antwort auf den [X.] am 8. August 2017 wurde mit Verfügung vom 10. August 2017 neuer Hauptverhandlungstermin auf den 6. Dezember 2017 bestimmt. Eine frühere Terminierung war in Ansehung der Terminslage des [X.]s nicht möglich.

[X.]     

      

[X.]     

      

Zeng   

      

Bartel     

      

Schmidt     

      

Meta

2 StR 150/15

10.01.2018

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 23. Februar 2017, Az: 5 ARs 57/16, Beschluss

§ 46 Abs 2 StGB, § 46 Abs 3 StGB, § 211 StGB, § 212 StGB, § 132 Abs 2 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.01.2018, Az. 2 StR 150/15 (REWIS RS 2018, 15883)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15883


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 StR 150/15

Bundesgerichtshof, 2 StR 150/15, 10.01.2018.

Bundesgerichtshof, 2 StR 150/15, 01.06.2016.


Az. 1 ARs 20/16

Bundesgerichtshof, 1 ARs 20/16, 27.07.2017.


Az. 4 ARs 22/16

Bundesgerichtshof, 4 ARs 22/16, 07.06.2017.


Az. 3 ARs 21/16

Bundesgerichtshof, 3 ARs 21/16, 07.03.2017.


Az. 5 ARs 57/16

Bundesgerichtshof, 5 ARs 57/16, 23.02.2017.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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