Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 231

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

18. Dezember 2012

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 249 Abs. 2 Satz 1 Gb, I; ZPO § 287 Abs. 1
Auch ein grundsätzlich geeigneter Mietpreisspiegel stellt nur eine Grundlage für die Schätzung gemäß §
287 Abs.
1 ZPO dar. Deshalb kann etwaigen Zweifeln daran, dass es sich bei den in einer Liste ausgewiesenen Mietpreisen um den im Einzelfall maßgeblichen Normalpreis handelt, gegebenenfalls auch durch Zu-
oder Abschläge Rechnung getragen werden (Fortführung Senatsurteil vom 12.
April 2011 -
VI
[X.], [X.], 769 Rn.
18).
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 -
VI [X.] -
[X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am 18.
Dezember 2012
durch den Vorsitzenden [X.], [X.], Pauge und [X.] und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 9.
Zivilkammer des [X.] vom 26.
Oktober 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin,
ein Mietwagenunternehmen,
macht nach einem Verkehrs-unfall vom 22. Dezember 2010 aus abgetretenem Recht des Geschädigten restliche Mietwagenkosten gegen die Beklagte als
Haftpflichtversicherer
des Schädigers geltend, dessen volle Haftung dem Grunde nach unstreitig ist.
Der Geschädigte mietete bei der Klägerin für seinen beschädigten PKW [X.], Leistung 103 kW, ein Ersatzfahrzeug an, für welches ihm
für die [X.] vom 23. Dezember bis zum 30. Dezember 2010
ein Betrag in Höhe von 1.166,68

Am 23.
Dezember 2010 trat 1
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-

3

-

er die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten an die Klägerin ab. Nach Teilzahlung der Beklagten macht die Klägerin einen Restbe-trag in Höhe von 636,96

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Abtretung gemäß §
134 BGB wegen eines Verstoßes gegen §
3 [X.] unwirksam sei. Auf die Be-rufung der Klägerin hat das [X.] die Beklagte zur Zahlung der beantrag-ten restlichen Mietwagenkosten verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zuge-lassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in juris veröffent-licht ist ([X.], Urteil vom 26.
Oktober 2011 -
9 [X.]/11),
steht der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus §
7 Abs.
1 [X.], §
115 Abs.
1 [X.], §
398
BGB zu.
Die Abtretung sei nicht wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienst-leistungsgesetz unwirksam, weil sie nach §
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] als [X.] zur Ausübung der Hauptleistung der Klägerin -
der Vermietung von Kraft-fahrzeugen
-
erlaubt sei. Nach §
249 BGB könne der Geschädigte als [X.] Herstellungsaufwand von mehreren auf dem örtlich relevanten
Markt -
nicht nur für Unfallgeschädigte
-
erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen. Den Ausgangspunkt bilde der am Markt übliche Normaltarif. Es sei zulässig,
zu dessen Bestimmung gemäß §
287 ZPO auf das sogenannte gewichtete Mittel (jetzt:
Modus) des "[X.]" im Post-3
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-

4

-

leitzahlengebiet des Geschädigten zurückzugreifen. Als Schätzungsgrundlage könne hier der [X.] 2010 herangezogen werden. Soweit die Beklagte die [X.] für nicht anwendbar halte und meine, bei der Erhebung der Daten hätten gravierende Mängel vorgelegen, könne sie hiermit nicht durchdringen. Dass die Erhebung des [X.] (Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008) oder die Erhebung des Dr.
Zinn zu anderen Ergebnissen gelange,
genü-ge nicht, um durchgreifende Zweifel an der Nutzbarkeit der [X.] zu begründen. Eine mangelhafte Erhebung
für den [X.] ergebe sich auch nicht aus dem Sachvortrag der Beklagten,
insbesondere dem Einwand, es hätten über das [X.] günstigere Fahrzeuge zur Anmietung be-reit
gestanden.

II.
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
1. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungs-gericht allerdings angenommen, dass die Einziehung einer an ein Mietwagen-unternehmen abgetretenen Schadensersatzforderung des Geschädigten auf Erstattung von
Mietwagenkosten gemäß §
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] grundsätzlich erlaubt ist, wenn -
wie hier
-
allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist (vgl. Senatsurteile vom 31.
Januar 2012 -
VI
ZR 143/11,
[X.], 458 =
[X.], 270 Rn.
7
ff.; vom 11.
September 2012 -
VI
ZR 296/11, [X.], 1451 Rn.
12
und -
VI
ZR 297/11, [X.], 1409 Rn.
16).
6
7
-

5

-

2. Das Berufungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nach §
7 Abs.
1 [X.], §
115
Abs.
1 Nr.
1
[X.], §
398 BGB als er-forderlichen Herstellungsaufwand (§
249 Abs.
2 Satz
1 BGB) Ersatz der Miet-wagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Nach
dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten [X.] kann der Geschädigte für die Anmietung eines vergleichba-ren Ersatzfahrzeugs von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt -
nicht nur für Unfallgeschädigte
-
erhältlichen Tarifen grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen (vgl. etwa Senatsurteile vom 12.
Oktober 2004 -
VI
ZR 151/03, [X.], 377, 383
f.; vom 11.
März 2008 -
VI
ZR 164/07, NJW
2008, 1519
Rn.
7; vom 14.
Oktober 2008 -
VI
ZR 308/07, [X.], 1706 Rn.
9; vom 12.
April 2011 -
VI [X.], [X.], 769 Rn.
10). Darüber hinaus-gehende bei gebotener wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht erforderliche Mietwagenkosten kann der Geschädigte aus dem Blickwinkel der [X.] nur dann ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis-
und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeit-lich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer ([X.] war (vgl. etwa Senatsurteile vom 14.
Oktober 2008 -
VI
ZR 210/07, [X.], 83 Rn.
6;
vom 12.
April 2011 -
VI
[X.], aaO, jeweils mwN).
3. Die Revision hält allerdings mit Recht die Schätzung des der Klägerin zugänglichen [X.] für fehlerhaft.
a) Die
Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs
ist
in erster Linie Sache des nach §
287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob erhebliches Vorbringen der Par-8
9
10
-

6

-

teien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der [X.] verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder der Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt worden sind (vgl. [X.] vom 10.
Juli 1984 -
VI
ZR 262/82, [X.], 85, 86
f.; vom 8.
Dezember 1987 -
VI
ZR 53/87, [X.], 322, 330; vom 23.
November 2004 -
VI
ZR 357/03, [X.], 151, 154; vom 9.
Dezember 2008 -
VI
ZR 173/07, [X.], 408 Rn.
12; vom 9.
Juni 2009 -
VI
ZR 110/08, [X.], 242
Rn.
10; vom 22.
Februar 2011 -
VI
ZR 253/09, [X.], 643 Rn.
6). Die Art der Schätzungsgrundlage gibt §
287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf ledig-lich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streit-entscheidung zentralen Fragen auf
nach Sachlage unerlässliche fachliche [X.] nicht verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen
oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden (vgl. Senatsur-teile vom 11.
März 2008 -
VI
ZR 164/07, [X.], 699
Rn.
9; vom 14.
Oktober 2008 -
VI
ZR 308/07, aaO
Rn.
22; vom 18.
Mai 2010 -
VI
ZR 293/08, [X.], 1054 Rn.
4; vom 22.
Februar 2011 -
VI
ZR 353/09, aaO Rn.
7; vom 12.
April 2011 -
VI
[X.], aaO
Rn.
17; vom 17.
Mai 2011 -
VI
ZR 142/10, [X.], 1026 Rn.
7). Nach diesen Grundsätzen ist der Tatrichter grundsätzlich weder gehindert, seiner Schadensschätzung die [X.] noch den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde zu legen. Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genügt nicht, um Zwei-fel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Die Listen dienen dem Tatrichter nur als Grundlage für seine Schätzung nach §
287 ZPO. Er kann im Rahmen seines Ermessens unter Be-rücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von diesen -
etwa durch Abschlä--

7

-

ge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif
-
abweichen (vgl. Senatsurteile vom 12.
April 2011 -
VI
[X.], aaO Rn.
18; vom 17.
Mai 2011 -
VI
ZR 142/10, aaO).
b) Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf allerdings dann, aber auch nur dann, der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemach-te Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in
er-heblichem Umfang auswirken (vgl. etwa Senatsurteile vom 11.
März 2008 -
VI
ZR 164/07, aaO; vom 14.
Oktober 2008 -
VI
ZR 308/07, aaO
Rn.
22; vom 19.
Januar 2010 -
VI
ZR 112/09, [X.], 494 Rn.
6; vom 18.
Mai 2010 -
VI
ZR 293/08, aaO
Rn.
4; vom 12.
April 2011 -
VI
[X.], aaO Rn.
17; vom 17.
Mai 2011 -
VI
ZR 142/10, aaO
Rn.
8). Die Anwendung der Listen durch den Tatrichter begegnet also nur dann Bedenken, wenn die Parteien deutlich güns-tigere bzw. ungünstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten [X.]-raum am Ort der Anmietung aufzeigen.
c) Im Ansatz ist
das Berufungsgericht von diesen Grundsätzen bei seiner Schadensschätzung auf der Grundlage des [X.]s 2010
ausgegangen. Zutreffend hat es die von der Beklagten gegen die Eignung der [X.] allgemein erhobenen Einwände als unerheblich angesehen.
Es hat aber nicht hinreichend berücksichtigt, dass auch ein grundsätzlich [X.] nur eine Grundlage für die Schätzung darstellt.
Im Streitfall begegnet die uneingeschränkte Übernahme der
in der
[X.] ausge-wiesenen Mietpreise
deshalb Bedenken, weil die Beklagte -
wie die Revision mit Recht geltend macht
-
deutlich günstigere Angebote anderer Anbieter auf-gezeigt hat. Sie hat bereits in
ihrer Klageerwiderung auf [X.] bei großen Anbietern -
jeweils bezogen auf deren Stationen in [X.], dem Sitz der Klägerin
-
verwiesen und zugleich vorgetragen, dass zu einem Betrag in dieser 11
12
-

8

-

Größenordnung auch im streitgegenständlichen Unfallzeitpunkt ein Fahrzeug hätte angemietet werden können. Zu den vorstehenden Tarifen hätte der Ge-schädigte problemlos (auch telefonisch bzw. unmittelbar an den Stationen der benannten Vermieter) durch Vorlage einer Kreditkarte oder entsprechende [X.] ein Fahrzeug erhalten können. Damit hat sie
hinreichend deutlich [X.], dass der zur Schadensbehebung erforderliche maßgebende Normaltarif zum [X.]punkt der Anmietung deutlich günstiger gewesen sein könnte
als der
Modus des [X.]s 2010. Mit diesem konkreten Sachvor-trag der Beklagten hätte sich das Berufungsgericht im Streitfall näher auseinan-dersetzen
müssen. Dadurch, dass es dies unterlassen hat, hat es die Grenzen seines tatrichterlichen Ermessens im Rahmen des §
287 ZPO überschritten.
4. Das Berufungsgericht wird
im weiteren Verfahren
zu berücksichtigen haben,
dass der Tatrichter im Rahmen des §
287 Abs.
1 Satz 2 ZPO auch hin-sichtlich der Entscheidung, eine Beweisaufnahme durchzuführen, freier gestellt ist. Deshalb kann etwaigen Zweifeln daran, dass es sich bei den in einer Liste ausgewiesenen Mietpreisen um den im Einzelfall maßgeblichen Normalpreis

13
-

9

-

handelt, gegebenenfalls auch durch Zu-
oder Abschläge Rechnung getragen werden (vgl. Senatsurteil vom 12.
April 2011 -
VI
[X.], aaO Rn.
18).
Galke
[X.]
Pauge

[X.]
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.05.2011 -
19 [X.] -

[X.], Entscheidung vom 26.10.2011 -
9 [X.]/11 -

Meta

VI ZR 316/11

18.12.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11 (REWIS RS 2012, 231)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 231

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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