Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2011, Az. VI ZR 142/10

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6660

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

17. Mai 2011

Böhringer-Mangold,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 287; BGB § 249 Abs. 2 Satz 1 Gb, § 254 Abs. 2 Satz 1 Dc
Zur Schätzung von Mietwagenkosten auf der Grundlage von Listen und Tabel-len,
wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der [X.] sich auf den zu entscheidenden Fall in er-heblichem Umfang auswirken.

[X.], Urteil vom 17. Mai 2011 -
VI [X.] -
LG [X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
17. Mai 2011
durch den Vorsitzenden [X.],
die Richter Zoll
und Wellner, die Richterinnen
Diederichsen
und von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 11.
Mai 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin macht restliche Mietwagenkosten gegen den beklagten Haftpflichtversicherer geltend.
Am 29.
September 2008 wurde bei einem Verkehrsunfall das
Fahrzeug der Klägerin beschädigt und musste repariert werden.
Die volle Haftung des Unfallgegners ist außer Streit.
Die Anmietung des [X.] erfolgte am 6.
Oktober 2008 für sieben Tage. Die Beklagte zahlte auf die vom Vermieter des [X.] in Rechnung gestellten 1.841,01

inen Betrag von 554

Um
den Differenzbetrag streiten die Parteien.
1
2
-

3

-

Das Amtsgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen der Klägerin ei-nen weiteren Betrag in Höhe von 843

e-rin hat das [X.] das Urteil des Amtsgerichts abgeändert
und unter [X.] im Übrigen die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 764

Zinsen zu zahlen. Es hat
die Revision zugelassen, mit der die Beklagte die [X.] der Klage erstrebt.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht führt aus, die Klägerin habe Anspruch auf [X.] der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten. Erforderlich sei jedenfalls der dem Selbstzahler auf dem
in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt normalerweise angebotene Tarif, der unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunk-ten gebildet werde, mithin der sogenannte [X.]. Der [X.] sei im Streitfall auf der Grundlage des gewichteten Mittels für das örtliche Postleitzah-lengebiet der Mietpreis-Schwacke
Liste 2007 zu schätzen. Bei den von der [X.] gegen die Liste vorgebrachten Bedenken handle es sich um allgemein gehaltene Angriffe.
Konkrete Tatsachen, die gegen die Verwendung des Miet-preisspiegels sprächen, seien nicht dargetan. Auch sei der sogenannten [X.] nicht der Vorzug zu geben. Deren Datengrundlage
sei gerin-ger als bei der [X.]. Hinsichtlich der örtlichen Feindifferenzierung nach [X.] sei sie außerdem für den einschlägigen [X.] Raum ungenauer. Für die [X.] von sieben Tagen sei der [X.] der Klasse 6
in Höhe von 1.178

maßgebend. Eine weitere Eigener-sparnis sei nicht zu berücksichtigen, da sich die Klägerin
mit einem Fahrzeug einer niedrigeren Fahrzeugklasse begnügt habe. Die Kosten für einen zweiten 3
4
-

4

-

Fahrer seien erstattungsfähig, weil der Ehemann der Klägerin das Fahrzeug mitbenutzt habe. Dem unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten müsse nicht nachgegangen werden.
Die Frage, ob der Klägerin eine Anmietung zu einem günstigeren Tarif möglich gewesen wäre, stelle sich erst im Rahmen des §
254 BGB,
wenn sich die Mietwagenkosten nicht mehr im Rahmen des [X.] hielten. Dies sei
nicht der Fall.

II.
1. Über die Revision war, da die Klägerin im Revisionstermin trotz recht-zeitiger Ladung nicht vertreten war, auf Antrag der Beklagten durch Versäum-nisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, son-dern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4.
April 1962 -
V
ZR 110/60, [X.]Z 37, 79, 81 und Urteil vom 4.
Oktober 1995 -
IV
ZR 73/94, NJW-RR 1996, 113).
2. Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Allerdings ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach §
287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebli-ches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der [X.] verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer [X.] gelassen oder seiner Schätzung unrichtige
Maßstäbe zugrunde
gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 10.
Juli 1984 -
VI
ZR 262/82, [X.]Z 92, 85, 86
f.; vom 8.
Dezember 1987 -
VI
ZR 53/87, [X.]Z 102, 322, 330; vom 23.
Novem-ber 2004 -
VI
ZR 357/03, [X.]Z 161, 151, 154; vom 9.
Dezember 2008 -
VI
ZR 5
6
7
-

5

-

173/07, VersR
2009, 408
Rn.
12; vom 9.
Juni 2009 -
VI
ZR 110/08, VersR
2009, 1092
Rn. 10; vom 18.
Mai 2010 -
VI
ZR 293/08, VersR
2010, 1054
Rn.
3;
vom 22.
Februar 2011 -
VI
ZR 353/09, VersR
2011, 643
Rn.
6
und vom 12.
April 2011 -
VI
ZR 300/09, z.[X.].).
Die Art der [X.] gibt §
287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden.
Ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer [X.] bleiben.
Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen nicht auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse verzich-ten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen
bei der Schadensschätzung Verwendung finden (vgl. Senatsurteile vom 11.
März 2008 -
VI
ZR 164/07, VersR
2008, 699
Rn.
9; vom 14.
Oktober 2008 -
VI
ZR 308/07, VersR
2008, 1706
Rn.
22; vom 18.
Mai 2010 -
VI
ZR 293/08, aaO
Rn. 4;
vom 22.
Februar 2011 -
VI
ZR 353/09,
aaO Rn.
7 und vom 12.
April 2011 -
VI
ZR 300/09,
z.[X.].).
Demgemäß hat der erkennende Senat vielfach ausgesprochen, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach §
287 ZPO den "[X.]" grundsätzlich auch auf der Grundlage des "[X.]" im maßgebenden Postleitzahlengebiet (ggf. mit sachverständiger Beratung) ermitteln kann (st.
Rspr. vgl. etwa Senatsurteile vom 18.
Mai 2010 -
VI
ZR 293/08, aaO
Rn.
4 und zuletzt vom 12.
April
2011 -
VI
ZR 300/09, z.[X.].). Grundsätzlich ist weder die Schätzung auf der Grundlage des "[X.] 2006" noch des "[X.] 2007" als rechtsfehlerhaft zu erachten (vgl. zum Schwacke-Mietpreisspiegel 2006:
Se-natsurteile vom 11.
März 2008 -
VI
ZR 164/07, aaO
Rn. 8; vom 19.
Januar 2010
-
VI
ZR 112/09, VersR
2010, 494 Rn. 6; vom 2.
Februar 2010 -
VI
ZR 139/08, VersR
2010, 545 Rn.
26
und
-
VI
ZR 7/09, VersR
2010, 683 Rn.
9). Auch eine Schätzung auf der Grundlage anderer Listen oder Tabellen, wie etwa der soge-nannten [X.] (vgl.
dazu ausführlich
Senatsurteil vom 12.
April 2011 -

6

-

-
VI
ZR 300/09 mwN, z.[X.].),
ist nicht von vornherein grundsätzlich rechtsfeh-lerhaft. Die Listen dienen dem Tatrichter nur als Grundlage für seine Schätzung nach §
287 ZPO. Er kann im Rahmen seines Ermessens unter Berücksichti-gung der Umstände des Einzelfalles
von diesen
-
etwa durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden [X.]
-
abweichen.
Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf allerdings
dann,
aber auch
nur dann,
der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemach-te Mängel der [X.] sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (st.
Rspr. des Senats
vgl. etwa Senatsurteil vom 11.
März 2008 -
VI
ZR 164/07, aaO; vom 14.
Oktober 2008 -
VI
ZR 308/07,
aaO; vom 19.
Januar 2010 -
VI
ZR 112/09, aaO; vom 18.
Mai 2010 -
VI
ZR 293/08, aaO Rn.
4 und zuletzt vom 12.
April
2011 -
VI
ZR 300/09, z.[X.].).
b)
Im Ansatz geht das Berufungsgericht von diesen
Grundsätzen
bei seiner Schadensschätzung auf der Grundlage des [X.] 2007 aus. Doch
macht die Revision mit Recht geltend,
dass die Beklagte [X.] dieses
Mietpreisspiegels aufgezeigt und unter Beweis gestellten umfassenden Sachvortrag dazu gehalten
habe, dass die Klägerin ein ver-gleichbares Fahrzeug für sieben Tage inklusive sämtlicher Kilometer und Voll-kaskoversicherung zu konkret benannten, wesentlich günstigeren Preisen
be-stimmter anderer Mietwagenunternehmen hätte anmieten können.
Die Beklagte hat unter Benennung von drei konkreten Mietpreisangeboten dargelegt, dass der
angebotene [X.]
in dem der Klägerin örtlich zugänglichen Bereich zwischen 282,99

und 312,01

liege. Dieser Tarif stimme
überein mit dem örtlichen [X.] für die entsprechende Fahrzeugklasse nach der sogenannten [X.]. Er sei nicht nur deutlich niedriger als der von der hier eingeschalteten Mietwagenfirma in Rechnung gestellte Preis 8
9
-

7

-

von 1.429,40

, sondern auch erheblich günstiger
als der [X.] von 1.178

-Mietpreisliste 2007. Es handle sich bei
den aufgezeigten Angeboten
um den ortsüblichen [X.] für Selbstzahler im maßgebenden [X.] und nicht um kurzfristige [X.] oder
Schnäppchenpreise. Zum Beweis dafür hat die Beklagte die [X.] eines Sachverständigengutachtens beantragt. Damit hat die Beklagte hin-reichend deutlich gemacht, dass der
zur Schadensbehebung erforderliche maßgebende [X.] deutlich günstiger sei
als der, zu dem die Klägerin das Fahrzeug angemietet hat,
und
der sich nach dem Modus der [X.]
2007 ergibt.

Mit diesem konkreten Sachvortrag der Beklagten gegen die Tauglichkeit des Modus der [X.] 2007 als [X.] im Streitfall hätte sich das Berufungsgericht näher befassen müssen. Dadurch, dass es dies unterlassen hat, hat es den Anspruch der Beklagten auf [X.] Gehör verletzt und die Grenzen seines tatrichterlichen Ermessens im Rahmen des §
287 ZPO
überschritten.
c) Erfolglos bemängelt die Revision allerdings, dass das Berufungsge-richt Nebenkosten für einen zusätzlichen Fahrer berücksichtigt hat. Auf der Grundlage der Aussage des vom Berufungsgericht gehörten Zeugen [X.] die [X.] insoweit keinen rechtlichen Bedenken.
10
11
-

8

-

3. Das Urteil des [X.]s war mithin aufzuheben und die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen.
Galke
Zoll
Wellner

Diederichsen
von Pentz

Vorinstanzen:
AG
[X.], Entscheidung vom 14.10.2009 -
2 [X.] 1348/08 -

LG [X.], Entscheidung vom 11.05.2010 -
13 [X.]/09 -

12

Meta

VI ZR 142/10

17.05.2011

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2011, Az. VI ZR 142/10 (REWIS RS 2011, 6660)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6660

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZR 142/10 (Bundesgerichtshof)

Schadensersatz bei Kfz-Unfall: Mängel der Schätzgrundlage für die Bemessung der Mietwagenkosten


VI ZR 300/09 (Bundesgerichtshof)


VI ZR 300/09 (Bundesgerichtshof)

Schadensersatz bei Kfz-Unfall: Schätzgrundlage für die Bemessung der Mietwagenkosten


VI ZR 316/11 (Bundesgerichtshof)


VI ZR 293/08 (Bundesgerichtshof)

Schadensersatz bei Kfz-Unfall: Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten; Eignung von Listen und Tabellen zur Schadensschätzung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI ZR 142/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.