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Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Erfordernis der Feststellung der Einsichtsfähigkeit zur Feststellung der Schuldfähigkeit
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Mai 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt; die Vollstreckung der Strafe hat es nicht zur Bewährung ausgesetzt. Weiter hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge einer Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat Erfolg.
I.
Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen war der zumindest seit 2016 an einer paranoiden Schizophrenie ([X.]: [X.]) leidende, erheblich vorbestrafte Angeklagte, bei dem auch ein Cannabis- und Alkoholmissbrauch festzustellen war, am 8. Oktober 2019 im Besitz von bereits portionierten 30,71 Gramm Haschisch (Wirkstoffgehalt 30,43 %, Wirkstoffmenge 9,205 Gramm THC), das der Deckung seines Eigenbedarfs dienen sollte. Bei der Tat war der Angeklagte zwar in der Lage, das Unrecht der Tat einzusehen, aber aufgrund seiner psychischen Erkrankung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt.
II.
Das Urteil hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand, weil die Feststellungen zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung nicht von einer fehlerfreien Beweiswürdigung getragen sind und auch die für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderliche Gefahrenprognose durchgreifenden Bedenken begegnet.
1. [X.] hat keinen Bestand, weil es an einer die Annahme vorhandener Einsichtsfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung (§ 20 StGB) tragenden Beweiswürdigung fehlt. Das [X.] ist, obwohl die Zeugen [X.]und [X.] übereinstimmend angegeben haben, dass der Angeklagte den Eindruck gemacht habe, sich hinsichtlich des bei ihm aufgefundenen Betäubungsmittels keiner Schuld bewusst zu sein ([X.] f. und [X.]), ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass der Angeklagte zur Einsicht in das Unrecht der Tat in der Lage gewesen sei. Dies begegnet durchgreifenden Bedenken. Mit Blick auf den von den Polizeibeamten [X.]und [X.] geschilderten Eindruck vom Angeklagten nach dem Auffinden des Betäubungsmittels und bei der nachfolgenden Vernehmung hätte es genauerer Prüfung und Erörterung bedurft, ob es nicht - durch die psychische Erkrankung und den Suchtmittelmissbrauch des Angeklagten bedingt - bereits an dessen Einsichtsfähigkeit fehlte. Dies gilt umso mehr, weil der Angeklagte das Betäubungsmittel nach den getroffenen Feststellungen konsumierte, um den mit seiner psychiatrischen Erkrankung verbundenen Leidensdruck zu mildern. Die vom [X.] zur Begründung einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten in Bezug genommenen Ausführungen der Sachverständigen, die Erkrankung des Angeklagten habe dazu geführt, dass dieser „nicht mehr über die Möglichkeit verfügt habe, über Recht und Unrecht zu reflektieren...“ ([X.]), dieser habe vielmehr eine reduzierte Fähigkeit aufgewiesen, sich mit der [X.] Umwelt und den rechtlichen Erwartungen der [X.] in seiner Handlungsplanung auseinanderzusetzen und diese zu berücksichtigen ([X.]), sind gerade nicht geeignet, entsprechende Zweifel an der Einsichtsfähigkeit des Angeklagten auszuräumen.
Danach kommt es auch nicht mehr darauf an, ob der vom [X.] zur Begründung einer nicht aufgehobenen Steuerungsfähigkeit des Angeklagten herangezogene Umstand, dass der Angeklagte den vor Ort anwesenden Polizeibeamten [X.] als solchen erkannt haben mag und er auf Fragen „sozialadäquat“ habe antworten können, für die Frage fortbestehender, wenngleich erheblich beeinträchtigter Steuerungsfähigkeit überhaupt hinreichende Aussagekraft besitzt.
3. Die Maßregelanordnung (§ 63 StGB) hat ebenfalls keinen Bestand, weil die Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung den bereits genannten Bedenken begegnen und auch die Gefahrenprognose nicht auf einer fehlerfreien Beweiswürdigung beruht.
a) Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit haben, nachdem die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei bejaht wurde, insgesamt keinen Bestand, weil eine Aussage über die Steuerungsfähigkeit nur bei rechtsfehlerfrei festgestellter Einsichtsfähigkeit getroffen werden kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. April 2003 - 3 StR 79/03 Rn. 9 mwN und vom 11. Juli 2017 - 3 [X.]/17 Rn. 12 f. mwN; [X.], StGB, 67. Aufl., § 20 Rn. 3 und 44b mwN) und die Abgrenzung von fehlender Einsichtsfähigkeit und eingeschränkter oder fehlender Steuerungsfähigkeit auch nicht offenbleiben darf (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Juli 2017 - 3 [X.]/17 Rn. 12 f. mwN; [X.], aaO).
b) Auch die Gefährlichkeitsprognose hält, worauf der [X.] zutreffend hingewiesen hat, revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Das [X.] leitet die Gefahr künftiger erheblicher Straftaten des Angeklagten, aufgrund derer er für die Allgemeinheit gefährlich ist, zunächst zutreffend nicht aus der [X.] ab, weil der bloße Besitz von Haschisch zum Zweck des Eigenkonsums keine Straftat darstellt, durch die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder gefährdet werden und aus der sich damit eine Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit ergibt ([X.], Beschluss vom 18. Juli 2019 - 4 StR 43/19 Rn. 12).
Vielmehr stützt die [X.] - ausgehend von § 63 Satz 2 StGB - ihre Erwartung, dass der Angeklagte aufgrund seiner psychischen Erkrankung künftig erhebliche Straftaten im Sinne des § 63 StGB begehen werde, auf die nach ihren Feststellungen neben der Erkrankung bestehende Neigung des Angeklagten zu aggressivem und impulsivem Verhalten und verweist zur Begründung insbesondere auf den Vorverurteilungen zugrunde liegende Taten des Angeklagten. Dies hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand, weil diese in den Jahren 1997, 2008 und 2018 abgeurteilten Taten, aus denen das [X.] - der Sachverständigen folgend (vgl. [X.] f.) - eine vom Angeklagten ausgehende Gefahr künftiger nötigender Verhaltensweisen, Aufforderungen zu Selbsterniedrigung, Schlägen und Vorhalten von Waffen zur Erzwingung der Mitwirkung bei der analen Penetration ableitet ([X.]), nicht im Einzelnen festgestellt sind. Lediglich die entsprechenden Vorahndungen sind den Urteilsgründen zu entnehmen, nicht aber die Einzelheiten des damals abgeurteilten Tatgeschehens und die psychische Situation des Angeklagten bei der jeweiligen Tatbegehung. Auch das zur Begründung der Gefahrenprognose zusätzlich herangezogene Verhalten des Angeklagten in Haftanstalten und Krankenhäusern, das die Sachverständige in ihre Überlegungen eingestellt und auf die sich damit auch das [X.] gestützt hat, wird weitgehend pauschal und wertend mitgeteilt. Der [X.] kann auf dieser Grundlage nicht verantwortlich nachvollziehen, ob aus den früheren Taten des Angeklagten, dessen sonstigem Verhalten und seiner psychischen Erkrankung - gefördert durch den [X.], der Grund für die [X.] war und vergleichbare Taten erwarten lässt - zu schließen ist, dass vom Angeklagten eine Gefahr künftiger erheblicher, das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit gefährdender rechtswidriger Taten ausgeht.
5. Die Feststellungen unterliegen der Aufhebung, weil sie von den [X.] betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).
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Meta
16.09.2020
Bundesgerichtshof 1. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Karlsruhe, 15. Mai 2020, Az: 670 Js 39382/19 - 4 KLs
§ 20 StGB, § 63 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.09.2020, Az. 1 StR 324/20 (REWIS RS 2020, 2040)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 2040
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
3 StR 408/20 (Bundesgerichtshof)
1 StR 305/21 (Bundesgerichtshof)
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