Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.10.2023, Az. B 4 AS 42/23 B

4. Senat | REWIS RS 2023, 8146

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Sachurteil statt Prozessurteil - Berufungseinlegung - Anforderungen an die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners


Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom "17. März 2022" (richtig: 2023) werden als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

[X.] sind als unzulässig zu verwerfen, weil der allein (sinngemäß) geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]). Die Beschwerden sind daher ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 [X.]).

2

Für den Kläger zu 1 gilt dies schon, weil kein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, der sich zu seinen Lasten ausgewirkt haben könnte. Die Beschwerde rügt in der Sache nur die Ansicht des [X.], der Beklagte habe die erstinstanzliche Entscheidung vollständig (und nicht nur auf den Kläger und Beschwerdeführer zu 1 beschränkt) angefochten (siehe dazu und zum Folgenden schon den Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] [X.]/21 B - juris Rd[X.] 4).

3

Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, [X.]n ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, [X.]n er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]) die diesen Verfahrensmangel des [X.] (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits B[X.] vom 29.9.1975 - 8 [X.] 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/ [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 160a Rd[X.] 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des [X.] - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits B[X.] vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - [X.] 1500 § 160a [X.]6).

4

Soweit die Kläger und Beschwerdeführer zu 2 bis 5 geltend machen, das [X.] habe die Berufung des Beklagten ihnen gegenüber als unzulässig verwerfen müssen, weil der Gerichtsbescheid des [X.] insofern rechtskräftig geworden sei, stützen sie sich zwar auf einen anerkannten Verfahrensmangel. Denn der Erlass eines [X.] statt eines Prozessurteils stellt eine qualitativ andere Entscheidung dar (siehe nur B[X.] vom 30.10.2007 - B 2 U 272/07 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 19 Rd[X.] 6 mwN). In der Beschwerdebegründung wird die Auffassung des [X.], eine Beschränkung der Berufung sei nicht erfolgt, unter Hinweis auf die Berufungsschrift des Beklagten gerügt, die die eindeutige Beteiligtenbezeichnung " - Kläger zu 1. -". enthalten habe. Weitere Angaben zum Sachverhalt, zur Prozessgeschichte oder zu weiteren für die Auslegung des Rechtsmittels des Beklagten relevanten Umständen enthält die Beschwerdebegründung jedoch nicht. Daher ist der Senat, der [X.] selbst auslegen darf (Senatsbeschluss vom 19.3.2020 - [X.] [X.]/20 B - juris Rd[X.] 6; Senatsurteil vom 17.9.2020 - [X.] AS 13/20 R - [X.] 4-1500 § 88 [X.] Rd[X.] 23 mwN), auf dieser Grundlage nicht in der Lage, den Umfang der Anfechtung des erstinstanzlichen Gerichtsbescheids zu prüfen. Die genannten Angaben gehören jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrunds; denn es ist nicht Aufgabe des [X.], sich die maßgeblichen Tatsachen aus der angegriffenen Entscheidung oder den Verfahrensakten selbst herauszusuchen (stRspr; zB B[X.] vom 21.8.2017 - B 9 SB 3/17 B - juris Rd[X.] 6; [X.] in [X.]/[X.]/ [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 160a Rd[X.] 13e mwN).

5

Abgesehen davon ist in der Rechtsprechung des [X.], auf die sich die Beschwerde ausdrücklich stützt, anerkannt, dass zum not[X.]digen Inhalt einer Berufungsschrift zwar die Mitteilung gehört, für [X.] und gegen [X.] das Rechtsmittel eingelegt wird, dass dabei allerdings an die Bezeichnung des [X.]s [X.]iger strenge Anforderungen zu stellen sind als an die Bezeichnung des [X.]. Jedenfalls in Fällen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen besteht, richtet sich danach das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung und somit gegen alle gegnerischen Streitgenossen, [X.]n nicht die Rechtsmittelschrift eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lässt. Für die insoweit vom Rechtsmittelgericht vorzunehmende Auslegung kommt es auf eine vollständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist an. Dabei können sich etwa auch aus einer beigefügten Abschrift der angefochtenen Entscheidung oder aus sonstigen beigefügten Unterlagen Hinweise auf den Umfang der Anfechtung ergeben. Besondere Bedeutung kommt der Frage zu, ob eine Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf einen Teil der bisherigen Prozessgegner in Anbetracht des der Vorinstanz unterbreiteten Streitstoffs ungewöhnlich oder gar fernliegend erscheint. Dagegen lässt sich eine Beschränkung des Rechtsmittels in der Regel nicht allein auf den Umstand stützen, dass als [X.] nur einer von mehreren Streitgenossen, und zwar der im Rubrum an erster Stelle Stehende, genannt wird (siehe zum Ganzen nur [X.] vom 7.3.2023 - [X.]/22 - NJW 2023, 2280 Rd[X.] 8 ff mit weiteren Nachweisen). Die danach für die Auslegung der Reichweite der Berufung des Beklagten maßgebenden tatsächlichen Umstände lassen sich der Beschwerdebegründung nicht hinreichend entnehmen.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden An[X.]dung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.].

Söhngen

Burkiczak

B. [X.]

Meta

B 4 AS 42/23 B

09.10.2023

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Köln, 26. September 2022, Az: S 13 AS 3748/21, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 151 Abs 3 SGG, § 519 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.10.2023, Az. B 4 AS 42/23 B (REWIS RS 2023, 8146)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8146

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 11 AL 25/22 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - fehlende Bestellung eines besonderen Vertreters - Vorliegen von …


B 4 AS 56/23 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - objektive Klagehäufung - Darlegung von Zulassungsgründen für jeden prozessualen Anspruch …


B 14 AS 30/11 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Zulässigkeit der Berufung - Wert des Beschwerdegegenstandes - …


B 5 R 165/22 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - "Prozessurteil statt Sachurteil" - keine Auslegung iS eines …


B 3 KR 67/18 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - vorbeugende Unterlassungsklage - Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI ZB 74/22

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.