Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.02.2022, Az. VIII R 44/18

8. Senat | REWIS RS 2022, 3944

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Gegenstand

Einkommensteuerliche Behandlung barer Zuzahlungen an den inländischen Privatanleger im Zusammenhang mit einer Verschmelzung US-amerikanischer Kapitalgesellschaften


Leitsatz

1. Bei der Besteuerung eines im Inland steuerpflichtigen Aktieninhabers einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft findet § 20 Abs. 4a EStG bei einem aufgrund einer Verschmelzung erfolgten Tausch der Aktien mit Spitzen- und Barausgleich keine Anwendung, wenn bei rechtsvergleichender Betrachtung die Verschmelzung aufgrund der hohen Barzahlungen nicht einmal hypothetisch in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 Nr. 5 UmwStG fallen könnte.

2. Der gesamte Vorgang ist danach als Tausch gegen die Gewährung eines Mischentgelts nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG zu besteuern.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 09.10.2018 - 2 K 3516/17 E aufgehoben und der Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 12.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.10.2017 dahin abgeändert, dass die Veräußerungen der Aktien der [X.] im Zuge der Verschmelzung der [X.] auf die [X.] bei der Besteuerung des Erblassers nur in Höhe von 47.613,43 € als Kapitaleinkünfte der Einkommensteuer unterliegen.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen die Klägerin zu 25 % und der Beklagte zu 75 %.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Erbengemeinschaft, die durch [X.] vertreten wird. Sie ist Rechtsnachfolgerin des verstorbenen ehemaligen Klägers und Revisionsklägers ([X.]). Dieser war im Inland unbeschränkt steuerpflichtig und wurde für das [X.] (Streitjahr) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er hielt im Streitjahr 2 000 Aktien der Firma [X.], einer Kapitalgesellschaft nach [X.] Recht. Die Aktien hatte er jeweils hälftig am [X.] zu einem Kaufpreis in Höhe von umgerechnet 33.698,11 € und am 23.05.2014 zu einem Kaufpreis in Höhe von umgerechnet 44.336,02 € angeschafft. Im Streitjahr wurde die [X.] auf die Firma [X.], ebenfalls eine [X.] Kapitalgesellschaft, verschmolzen. Aus diesem [X.]rund erhielten die Aktionäre der im Zuge der Verschmelzung aufgelösten [X.] für eine bisher gehaltene [X.]-Aktie 0,2909 neue [X.]-Aktien und eine Zahlung in Höhe von 50,50 US-$ je [X.]-Aktie. Aus dem Depot des [X.] wurden am 12.06.2015 sämtliche [X.]-Aktien ausgebucht und im [X.]egenzug 581 Aktien der [X.] zuzüglich eines Spitzenausgleichs in Höhe von 49,29 € eingebucht. Zu diesem Zeitpunkt hatten die [X.]-Aktien einen Kurswert in Höhe von insgesamt umgerechnet 35.796,54 €. Zusätzlich erfolgte auf das Depot des [X.] eine Zahlung in Höhe von umgerechnet 89.801,73 €. Insgesamt erhielt der [X.] somit aufgrund der Verschmelzung [X.]-Aktien und [X.]eldzahlungen im Wert von 125.647,56 €. Nach der Jahressteuerbescheinigung der Depotbank für das Streitjahr wurde die Zuzahlung in [X.]eld als steuerpflichtiger Kapitalertrag ausgewiesen und hierfür Kapitalertragsteuer in Höhe von [X.] € zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von 1.234,77 € einbehalten.

2

[X.] beantragte in seiner Einkommensteuererklärung die Überprüfung des [X.] für Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung (ESt[X.]) sowie die [X.]ünstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 ESt[X.]. Die Höhe der Kapitalerträge gab er in Bezug auf die Verschmelzung der [X.]-Aktien im Vergleich zur Jahressteuerbescheinigung der Depotbank niedriger an, da er der Auffassung war, dass bei der Besteuerung der Barzuzahlung anteilig die Anschaffungskosten der [X.]-Aktien steuermindernd zu berücksichtigen seien. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) folgte dem nicht, sondern rechnete die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer lediglich auf die festgesetzte Einkommensteuer an, der die Barzuzahlung in voller Höhe zugrunde gelegt worden war. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (F[X.]) Münster wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 42 mitgeteilten [X.]ründen ab.

3

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Der aufgrund der Verschmelzung gezahlte Bar- und Spitzenausgleich sei nicht nach § 20 Abs. 4a Satz 2 ESt[X.] in voller Höhe zu besteuern. Vielmehr seien insofern die anteiligen Anschaffungskosten der [X.]-Aktien im Zeitpunkt der Verschmelzung steuermindernd zu berücksichtigen. Andernfalls käme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber einem Tausch mit Zuzahlung i.S. des § 6 Abs. 6 Satz 1 ESt[X.] sowie einer Aktienveräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 ESt[X.] und folglich zu einem Verstoß gegen den allgemeinen [X.]leichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 des [X.]rundgesetzes ([X.][X.]).

4

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das F[X.]-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 12.05.2017 in der [X.]estalt der Einspruchsentscheidung vom 19.10.2017 dahin abzuändern, dass zur Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen bei Ansatz des Bar- und Spitzenausgleichs als steuerpflichtiger Kapitalertrag die Anschaffungskosten der eingetauschten Anteile der [X.] in Höhe von 78.013,01 € anteilig gegenübergestellt und steuermindernd im Zeitpunkt des Zuflusses des Barausgleichs berücksichtigt werden, so dass im Ergebnis ein Betrag in Höhe von 34.063 € der Besteuerung zugrunde zu legen ist,
hilfsweise, das F[X.]-Urteil und den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 12.05.2017 in [X.]estalt der Einspruchsentscheidung vom 19.10.2017 dahin abzuändern, dass die baren Zuzahlungen nur in Höhe von 47.634,55 € der Einkommensteuer unterliegen.

5

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

6

Die Zuzahlungen seien als Kapitalertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4a Satz 2 ESt[X.] in voller Höhe der Einkommensteuer zugrunde zu legen. Dies verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 [X.][X.].

Entscheidungsgründe

II.

7

Der [X.] kann trotz des Versterbens des [X.] über die Revision entscheiden. Eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (F[X.]O) [X.]. § 239 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist nicht eingetreten, weil [X.] durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war (§ 155 F[X.]O [X.]. § 246 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO). Dessen Prozessvollmacht wirkt über den Tod des [X.] hinaus (§ 155 F[X.]O [X.]. § 86 ZPO; vgl. Beschluss des [X.] --BFH-- vom 14.06.1994 - [X.] 79/93, [X.] 1995, 225, m.w.N.).

III.

8

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Teilstattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 F[X.]O). Der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 12.05.2017 in [X.]estalt der Einspruchsentscheidung vom 19.10.2017 ist nach Maßgabe der Entscheidungsgründe zu ändern. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

9

Bei der Ausbuchung der [X.] auf dem Depot des [X.] gegen Einbuchung der [X.]-Aktien und Zuzahlungen in [X.]eld handelt es sich um Veräußerungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ESt[X.]. Die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ESt[X.] ist nicht durch § 20 Abs. 4a Satz 1 ESt[X.] ausgeschlossen, da diese Regelung jedenfalls nicht auf ausländische Vorgänge anzuwenden ist, die --wie im [X.] mit einer inländischen Verschmelzung nicht vergleichbar sind und daher von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung (UmwSt[X.]) fallen könnten (unter [X.]). Die Höhe des [X.]ewinns aus der Veräußerung der [X.] bestimmt sich als einheitliches Tauschgeschäft mit [X.] nach § 20 Abs. 4 Satz 1 ESt[X.] (unter III.2.).

1. Entgegen der Auffassung des F[X.] und der Beteiligten handelt es sich bei dem Tausch der [X.] gegen die [X.]-Aktien und dem Barausgleich nicht um eine gesellschaftsrechtliche Maßnahme i.S. des § 20 Abs. 4a Sätze 1 und 2 ESt[X.], sondern um einen Tausch gegen [X.], der unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ESt[X.] fällt, so dass der zu besteuernde [X.]ewinn nach § 20 Abs. 4 ESt[X.] zu berechnen ist.

a) Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 ESt[X.] auch der [X.]ewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ESt[X.], wobei unerheblich ist, ob es sich um eine in- oder ausländische Körperschaft handelt. Eine Veräußerung in diesem Sinne ist die entgeltliche Übertragung des --zumindest wirtschaftlichen-- Eigentums auf einen Dritten (vgl. BFH-Urteil vom 12.06.2018 - [X.] 32/16, [X.], 74, [X.], 221, m.w.N.). Eine solche Veräußerung liegt auch bei dem Untergang von [X.]esellschaftsanteilen aufgrund einer Verschmelzung der Anteile des übertragenden Rechtsträgers gegen die [X.]ewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger vor.

b) Danach hat [X.] die [X.] nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 ESt[X.] veräußert. Bei den [X.] handelt es sich um Anteile an einer [X.] Aktiengesellschaft und somit um Anteile an einer Körperschaft i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ESt[X.]. Bei der [X.]ewährung der [X.]-Aktien und der Ausgleichszahlungen in Form des Bar- und Spitzenausgleichs handelt es sich um ein sog. "[X.]" für die aufgrund der Verschmelzung ausgebuchten [X.], so dass der Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 ESt[X.] erfüllt ist.

c) Zwar trifft § 20 Abs. 4a ESt[X.] bei einem aufgrund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen vollzogenen Tausch abweichend von § 20 Abs. 2 Satz 1 ESt[X.] und den §§ 13 und 21 UmwSt[X.] Sonderregelungen für die Besteuerung der eingetauschten Aktien und Zuzahlungen. Die Vorschrift ist jedoch entgegen der Auffassung des F[X.] und der Beteiligten im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

aa) Voraussetzung für die Anwendung der Sonderregelungen ist nach § 20 Abs. 4a Satz 1 ESt[X.] ein Tausch "auf [X.]rund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen". Bei einem weiten Verständnis dieses Merkmals fiele jeglicher Anteilstausch, der durch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen der beteiligten [X.] oder ausländischen-- Unternehmen veranlasst ist, unter die Vorschrift. Danach wäre auch die Einbuchung der [X.]-Aktien bzw. Ausbuchung der [X.] auf dem Depot des [X.] infolge der Verschmelzung der [X.] auf die [X.], die ihrerseits auf Maßnahmen der beteiligten [X.]esellschaften zurückzuführen ist, von der Regelung erfasst.

bb) Der [X.]esetzgeber wollte allerdings keinen derart weiten Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 ESt[X.] eröffnen, sondern hat sich --wie den [X.]esetzgebungsmaterialien zu entnehmen [X.] bei dessen Einführung am UmwSt[X.] orientiert. Die Regelung sollte demnach ausdrücklich "Verschmelzungen, [X.] und qualifizierte Anteilstauschvorgänge" erfassen, die "dem Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 5 unterliegen" (BTDrucks 16/11108 vom 27.11.2008, S. 16). Verdeutlicht wird dies durch den Verweis in § 20 Abs. 4a Satz 1 ESt[X.] auf die §§ 13 und 21 UmwSt[X.]. Danach werden Kapitalmaßnahmen, die nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 5 UmwSt[X.] bzw. der §§ 13 und 21 UmwSt[X.] fallen, auch nicht von § 20 Abs. 4a Satz 1 ESt[X.] erfasst.

cc) Somit handelt es sich bei den Aus- und Einbuchungen auf dem Depot des [X.] im Zusammenhang mit der Verschmelzung der [X.] auf die [X.] um keinen Tausch aufgrund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 1 ESt[X.], da die Verschmelzung aufgrund der Höhe der Zuzahlung nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 13 UmwSt[X.] ([X.]. § 12 Abs. 2 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des Streitjahrs --KSt[X.]--) fällt.

aaa) § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwSt[X.] eröffnet u.a. für Verschmelzungen i.S. des § 2 Nr. 1 des [X.]es (Umw[X.]) sowie vergleichbare ausländische Vorgänge den Anwendungsbereich des UmwSt[X.]. Da eine Verschmelzung unter Beteiligung ausschließlich ausländischer Rechtsträger keine Verschmelzung i.S. des § 2 Nr. 1 Umw[X.] darstellt, könnte es sich bei der Verschmelzung der [X.] auf die [X.] allenfalls um einen "vergleichbaren ausländischen Vorgang" --nämlich eine von § 13 UmwSt[X.] [X.]. § 12 Abs. 2 Satz 2 KSt[X.] ebenfalls erfasste sog. [X.] handeln.

bbb) Für die Prüfung, ob ein ausländischer Vorgang mit einer inländischen Verschmelzung vergleichbar ist, ist zunächst auf die sog. wesentlichen Strukturmerkmale abzustellen (vgl. auch BFH-Urteile vom 01.07.2021 - [X.] 9/19, [X.], 306, Rz 21 ff., und [X.] 15/20, [X.], 314, Rz 21 ff., jeweils für die Abspaltung). Diese liegen im Streitfall nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher den [X.] bindenden Feststellungen des F[X.] (§ 118 Abs. 2 F[X.]O) vor. Zum einen hat die [X.] ihr Vermögen als [X.]anzes auf die [X.] übertragen und wurde sodann aufgelöst; zum anderen haben die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ([X.]) Anteile am übernehmenden Rechtsträger ([X.]) erhalten (vgl. z.B. [X.]raw in [X.]/[X.]/[X.], UmwSt[X.], 3. Aufl., § 1 Rz 64).

ccc) Darüber hinaus sind jedoch auch die geleisteten entgeltlichen Zuzahlungen in die Vergleichbarkeitsprüfung einzustellen (so ausdrücklich BTDrucks 16/2710 vom [X.], S. 35). Nach nationalem Recht dürfen die --im [X.] baren Zuzahlungen nicht 10 % des [X.]esamtnennbetrags der gewährten [X.]eschäftsanteile der übernehmenden [X.]esellschaft übersteigen (vgl. § 54 Abs. 4, § 68 Abs. 3 Umw[X.]). Zwar handelt es sich bei der Prüfung der baren Zuzahlungen nicht um Tatbestandsmerkmale der Vergleichbarkeitsprüfung, so dass nicht jedes (geringfügige) Überschreiten der 10 %-[X.]renze der Vergleichbarkeit eines ausländischen Vorgangs mit einer inländischen Umstrukturierungsmaßnahme entgegensteht (vgl. insoweit BFH-Urteile in [X.], 306, Rz 27, und in [X.], 314, Rz 27). Allerdings kann die Höhe der vertraglich vereinbarten Zuzahlungen im Rahmen einer typusorientierten [X.]esamtbetrachtung zu berücksichtigen und daher als "Indiz" für eine fehlende Vergleichbarkeit zu werten sein (Schreiben des [X.] vom 11.11.2011 - IV C 2-S 1978-b/08/10001, [X.], 1314, Rz 01.25, 01.40). Insbesondere dürfen die Zuzahlungen nicht so hoch sein, dass sie der gesamten Maßnahme das "[X.]epräge" geben ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 11 Rz 56; vgl. auch [X.]/Schnitger, Internationales Steuerrecht 2006, 765, 769 f.; [X.] in Widmann/[X.], Umwandlungsrecht, § 11 UmwSt[X.] Rz 220). Dies wird durch den Zweck der nicht disponiblen §§ 54 Abs. 4 und 68 Abs. 3 Umw[X.] bestätigt, die sicherstellen sollen, dass die Verschmelzung nicht zu einem "Auskauf" der Anteilsinhaber führt (z.B. [X.] in Widmann/[X.], a.a.[X.], § 54 Umw[X.] Rz 60; [X.] in [X.], [X.], 6. Aufl. 2019, § 54 Rz 127, 130, m.w.N.). Ein Verstoß gegen § 54 Abs. 4 und § 68 Abs. 3 Umw[X.] hätte daher die Nichtigkeit der entsprechenden Vertragsbestimmungen mit der Vermutung der [X.]esamtnichtigkeit (§ 139 des Bürgerlichen [X.]esetzbuchs) des Verschmelzungsvertrags zur Folge (z.B. [X.] in Widmann/[X.], a.a.[X.], § 54 Umw[X.] Rz 75; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 54 Rz 157, m.w.N.).

dd) Im Streitfall machten die baren Zuzahlungen an [X.] (89.851,02 €) --wie bei allen anderen Anteilsinhabern der [X.] auch-- ca. 250 % des Aktienkurses der neu eingebuchten [X.]-Aktien (35.796,54 €) aus. Der [X.] ist im Rahmen einer indiziellen Würdigung, die er selbst vornehmen kann, der Auffassung, dass jedenfalls bare Zuzahlungen in dieser [X.]rößenordnung der Vergleichbarkeit mit einer inländischen Verschmelzung i.S. des § 2 Nr. 1 Umw[X.] entgegenstehen und vielmehr zu einer "verschleierten Aktienveräußerung" führen, die ihrerseits nicht in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 ESt[X.] fällt. Folglich kommt es --mangels Vorliegens eines "Falls des § 20 Abs. 4a Satz 1 ESt[X.]"-- auch nicht zu einer Umqualifizierung der baren Zuzahlungen gemäß § 20 Abs. 4a Satz 2 ESt[X.] in einen Kapitalertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 ESt[X.]; stattdessen handelt es sich bei den baren Zuzahlungen (weiterhin) um eine [X.]egenleistung im Rahmen einer Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ESt[X.]. Diesen [X.]rundsätzen entspricht die Entscheidung des F[X.] nicht. Das F[X.]-Urteil ist somit aufzuheben.

2. Die Sache ist spruchreif. Der [X.] entscheidet auf [X.]rundlage der tatsächlichen Feststellungen des F[X.] in der Sache selbst und gibt der Klage insoweit statt, als der [X.]ewinn des [X.] aus der Veräußerung der [X.] nur in Höhe von insgesamt 47.613,43 € als Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ESt[X.] der Einkommensteuer zugrunde zu legen ist.

a) Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ESt[X.] richtet sich nach § 20 Abs. 4 Satz 1 ESt[X.] und somit im Wesentlichen nach dem Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung und den Anschaffungskosten. Vorliegend hat [X.] als [X.]egenleistung für die Ausbuchung der [X.] eine [X.]egenleistung in Höhe von insgesamt 125.647,56 € erhalten. Dieses [X.] setzt sich zusammen aus der Barzuzahlung in Höhe von 89.801,73 €, dem Spitzenausgleich in Höhe von 49,29 € und den eingebuchten [X.]-Aktien, die mit dem Börsenwert im Zeitpunkt der Einbuchung in Höhe von insgesamt 35.796,54 € zu bewerten sind (vgl. hierzu [X.] vom 06.04.2009 - IX B 204/08, [X.] 2009, 1262, unter [X.] ff. zu § 17 Abs. 2 ESt[X.]). Von dieser [X.]egenleistung sind die Anschaffungskosten der 2 000 [X.] abzuziehen. Diese belaufen sich für die am [X.] erworbenen 1 000 [X.] auf 33.698,11 € und für die am 23.05.2014 erworbenen 1 000 [X.] auf 44.336,02 €, so dass sich der [X.]ewinn aus der Veräußerung der [X.] aufgrund der Verschmelzung insgesamt auf 47.613,43 € beläuft.

b) Für diesen [X.]ewinn aus der Veräußerung der Anteile der in den [X.] ansässigen [X.] steht der [X.] ([X.]) abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht zu. [X.] war im Streitjahr im Inland wohnhaft und danach mit sämtlichen Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 ESt[X.]). Das Abkommen zwischen der [X.] und den [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem [X.]ebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29.08.1989 i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom 04.06.2008 (B[X.]Bl I 2008, 612, [X.], 784) --[X.] 1989/2008-- weist das Besteuerungsrecht für den [X.]ewinn aus der Veräußerung von Aktien nach Art. 13 Abs. 5 [X.] 1989/2008 ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat des [X.] und damit vorliegend [X.] zu (vgl. auch BFH-Urteil vom 30.05.2018 - I R 35/16, [X.] 2019, 46, Rz 24).

3. Soweit die Klägerin beantragt, dass der Besteuerung aus der Veräußerung der [X.] nur ein [X.]ewinn in Höhe 34.063 € zugrunde zu legen ist, ist die Klage unbegründet. Da § 20 Abs. 4a ESt[X.] keine Anwendung findet, ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]. § 20 Abs. 4 ESt[X.] nicht nur der [X.]ewinn aus der Barzahlung, sondern auch der [X.]ewinn aus dem Tausch der [X.] gegen die [X.]-Aktien der Besteuerung zugrunde zu legen. Die Anschaffungskosten für den Erwerb der [X.] sind danach von der Summe der im Zuge der Verschmelzung insgesamt erhaltenen [X.]egenleistung im Wert von 125.647,56 € abzuziehen, woraus sich ein zu besteuernder [X.]ewinn in Höhe von 47.613,43 € ergibt (s. oben III.2.).

4. Über den Hilfsantrag muss der [X.] nicht gesondert entscheiden, da dieser in Bezug auf die Herabsetzung der Einkommensteuer betragsmäßig unter dem Hauptantrag liegt und auf einem einheitlichen Sachverhalt beruht (vgl. BFH-Urteil vom 18.11.2020 - I R 25/18, [X.], 421, BStBl II 2021, 732).

5. Die Übertragung der Berechnung der Steuer auf das [X.] folgt aus § 100 Abs. 2 Satz 2 F[X.]O.

6. [X.] folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 F[X.]O. Die Kosten des Klageverfahrens tragen --entsprechend dem Umfang, in dem das Begehren der Klägerin erfolgreich war-- das [X.] zu 75 % und die Klägerin zu 25 %.

Meta

VIII R 44/18

14.02.2022

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 9. Oktober 2018, Az: 2 K 3516/17 E, Urteil

§ 20 Abs 1 Nr 1 S 1 EStG 2009, § 20 Abs 2 S 1 Nr 1 S 1 EStG 2009, § 20 Abs 4 S 1 EStG 2009, § 20 Abs 4a S 1 EStG 2009, § 20 Abs 4a S 2 EStG 2009, § 2 Nr 1 UmwG, § 54 Abs 4 UmwG, § 68 Abs 3 UmwG, § 1 Abs 1 Nr 1 UmwStG 2006, § 1 Abs 3 Nr 5 UmwStG 2006, § 13 UmwStG 2006, §§ 13ff UmwStG 2006, AEUmwStG 2006, § 155 FGO, § 239 Abs 1 ZPO, § 246 Abs 1 ZPO, EStG VZ 2015

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.02.2022, Az. VIII R 44/18 (REWIS RS 2022, 3944)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3944

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