Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2012, Az. IX ZB 24/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8837

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 24/11

vom

23. Februar 2012

in dem Insolvenzverfahren

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.], Prof. Dr. Gehrlein, [X.] und die Richterin
Möhring

am 23. Februar 2012
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der [X.] des [X.] vom 7. Dezember 2010 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wit-gesetzt.

Gründe:

I.

Der weitere Beteiligte zu
1 wurde mit Eröffnung des Verbraucherinsol-venzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zum Treuhänder bestellt. Das Insolvenzgericht beauftragte ihn nach §
8 Abs.
3 [X.], die erforderlichen Zustellungen an die Verfahrensbeteiligten mit Ausnahme der Zustellungen an die Schuldnerin durchzuführen. Nach dem Schlusstermin kündigte das Insol-venzgericht der Schuldnerin die Erteilung der Restschuldbefreiung an und be-stellte den weiteren Beteiligten zu 1 zum Treuhänder auch für die Wohlverhal-tensphase. In der Folgezeit
legte der weitere Beteiligte zu
1 dem Insolvenzge-richt die Rechnung eines Drittunternehmers vor, dem er die Ausführung der [X.]
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stellungen
betreffend den Schlusstermin
übertragen
hatte und der je Zustellung 30

Vorstand des Drittunternehmers war die Ehefrau und Sozia des weiteren Beteiligten zu 1. Den
Rechnungsbetrag hatte dieser bereits
aus der Masse entnommen. Der Aufforderung des Insolvenzgerichts, den bezahlten Betrag bis auf einen Betrag von 2,70

i-tere Beteiligte zu
1 nicht nach.

Das Insolvenzgericht hat daraufhin den weiteren Beteiligten zu
1 entlas-sen und den weiteren Beteiligten zu
2 zum Treuhänder bestellt. Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass der weitere Beteiligte zu 1 seine Amts-pflichten verletzt habe. Dessen sofortige Beschwerde hat das [X.] zu-rückgewiesen. Hiergegen wendet sich der weitere Beteiligte zu
1 mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§
7, 6, 292 Abs.
3 Satz
2, §
59 Abs.
2 Satz
1 [X.] i.V.m. Art.
103f EG[X.], §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§
574 Abs.
2, §
575 ZPO). Sie hat jedoch in der Sa-che keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat offen gelassen, ob sich der Treuhänder pflichtwidrig verhalten hat. Es hat ausgeführt, als [X.] komme ne-ben einer Pflichtverletzung des Treuhänders auch eine Situation in Betracht, bei der das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder in einem Maße gestört oder zerrüttet sei, dass ein gedeihli-ches Zusammenwirken nicht mehr möglich erscheine. Dies sei hier der Fall, 2
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weil zwischen dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder seit Jahren Streit über die Frage bestehe, ob der Treuhänder für die ihm nach §
8 Abs.
3 [X.] übertragenen Zustellungsaufgaben einen Zuschlag zur Vergütung entspre-chend
§
3 Abs.
1 [X.] verlangen könne. Der Streit, der zu einer Vielzahl von Beschwerdeverfahren geführt habe, habe sich inzwischen auf die Frage aus-geweitet, ob der Treuhänder die Zustellungsaufgaben auf ein externes Unter-nehmen übertragen dürfe, dessen Vorstand seine Anwaltspartnerin sei, und ob er dafür Auslagenersatz verlangen könne. Schließlich habe das Insolvenzge-richt den Treuhänder in zahlreichen anderen Verfahren entlassen.

2. Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist es allerdings nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht mit der schweren Störung des [X.], die ein gedeihliches Zusammenwirken unmöglich macht,
einen Gesichtspunkt herangezogen hat, auf den das Insolvenzgericht seine Entscheidung noch nicht gestützt hatte. Das Beschwerdegericht ist nicht auf die rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung beschränkt, sondern kann als vollwertige zweite Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensentschei-dung treffen ([X.], Beschluss vom 9.
Oktober 2008 -
IX
ZB 60/07, juris Rn.
2; vom 17.
September 2009 -
IX
ZB 62/08, [X.], 864 Rn.
3; MünchKomm-[X.]/Ganter, 2.
Aufl., §
6 Rn.
53a; HK-[X.]/Kirchhof, 6.
Aufl., §
6 Rn.
33).

b) Die Entlassung des Treuhänders setzt wie die Entlassung eines Insol-venzverwalters einen wichtigen, die Entlassung rechtfertigenden Grund voraus (§
292 Abs.
3 Satz
2, §
59 Abs.
1 Satz
1 [X.]). Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung lässt sich ein solcher nicht bejahen.

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aa) Wie der Senat mit Beschluss vom 19. Januar 2012 ([X.], z.[X.].) entschieden hat, genügt eine
Störung des Vertrauensverhältnisses zwi-schen dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder allein für dessen Entlassung selbst dann nicht, wenn ein gedeihliches Zusammenwirken nicht mehr möglich erscheint. Eine Entlassung
des Treuhänders ist wegen des damit verbundenen Eingriffs in sein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf freie Berufsaus-übung (Art. 12 GG) in der Regel nur dann als verhältnismäßig gerechtfertigt, wenn die Störung des Vertrauensverhältnisses ihre Grundlage in einem pflicht-widrigen Verhalten
des Verwalters hat, welches objektiv geeignet ist, das Ver-trauen des Insolvenzgerichts in seine Amtsführung schwer und nachhaltig zu beeinträchtigen. Dabei kommt auch
ein Fehlverhalten des Verwalters in einem anderen Insolvenzverfahren in Betracht, sofern
aus diesem Verhalten zu schließen ist, dass die rechtmäßige und geordnete Abwicklung des laufenden Verfahrens bei einem Verbleiben des Verwalters im Amt nachhaltig beeinträch-tigt werden würde.

bb) Indem das Beschwerdegericht eine die gedeihliche Zusammenarbeit ausschließende Störung oder Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Gericht und dem Treuhänder als [X.] anerkennt, ohne dass es insoweit auf ein Verschulden des Treuhänders oder auf sonstige weitere sachliche Voraussetzungen ankäme, hat es diesen Maßstab verkannt.

3. Die Entscheidung des [X.] stellt sich aber aus ande-ren Gründen als richtig dar (§
577 Abs.
3 ZPO). Nach dem vom [X.] festgestellten Sachverhalt und den von ihm in Bezug genommenen Fest-stellungen des Insolvenzgerichts ist die festgestellte schwere Störung des [X.] auf ein pflichtwidriges Verhalten des weiteren Beteiligten 8
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zu 1 zurückzuführen, das objektiv geeignet war, eine solche Störung zu bewir-ken.

a) Vieles spricht dafür, dass der weitere Beteiligte zu
1 seine Pflichten als Treuhänder bereits dadurch verletzt hat, dass er mit der Durchführung der ihm übertragenen Zustellungen zu Lasten der Masse einen Drittunternehmer zu ei-nem Preis beauftragte, der mit 30

t-preis gelegen haben dürfte ([X.], Beschluss vom 19. Januar 2012 -
IX
ZB 25/11, Rn.
12).

b) [X.] war jedenfalls, dass der weitere Beteiligte zu
1 die Beauf-tragung des Drittunternehmers mit der Durchführung der Zustellungen nicht so-gleich dem Insolvenzgericht anzeigte. Vorstand des beauftragten [X.] war die Ehefrau und Mitgesellschafterin der Anwaltssozietät des weiteren Beteiligten zu
1. Ein Insolvenzverwalter ist verpflichtet, von sich aus dem Insol-venzgericht einen Sachverhalt anzuzeigen, der bei unvoreingenommener, le-bensnaher Betrachtungsweise die ernstliche Besorgnis rechtfertigen kann, dass der Verwalter als befangen an seiner Amtsführung verhindert ist ([X.], Urteil vom 24.
Januar 1991 -
IX
ZR 250/89, [X.]Z 113, 262, 275, 277). Zu §
42 ZPO ist anerkannt, dass die Ehe des Richters mit dem Vertretungsorgan einer betei-ligten Partei ein Befangenheitsgrund sein kann (etwa [X.]/Vollkommer, ZPO, 29.
Aufl., §
42 Rn.
12 unter Hinweis auf [X.], [X.], 161; vgl. auch [X.], 77 und [X.], NJW-RR 2003, 1368). [X.] kann der Umstand, dass die Ehefrau des Treuhänders Vorstand des von ihm mit delegierten Aufgaben entgeltlich betrauten Unternehmens ist, die [X.] der Befangenheit des Treuhänders begründen. Er muss deshalb vom Treuhänder dem Insolvenzgericht angezeigt werden.

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c) [X.] war ferner, dass der
weitere Beteiligte zu
1 die Rechnung des Drittunternehmers dem Insolvenzgericht erst nach dem Schlusstermin vor-legte, in dem die zunächst vorläufig erfolgte Festsetzung seiner Vergütung be-stätigt wurde. Nach §
8 Abs.
2 [X.] muss grundsätzlich bereits im [X.] dargelegt werden, welche Dienst-
oder Werkverträge für besondere Aufgaben im Rahmen der Insolvenzverwaltung abgeschlossen worden sind. Dies war hier nicht möglich, weil der Auftrag an den Drittunternehmer erst nach Einreichung des [X.] erteilt worden sein dürfte. Der weitere [X.] hätte dann aber spätestens im Schlusstermin die Mitteilung nachholen müssen, damit der Auftrag bei der Festsetzung der Vergütung noch berücksich-tigt werden konnte. Da zu diesem Zeitpunkt die Rechnung des [X.] bereits vorlag, wäre eine rechtzeitige Information des Insolvenzgerichts noch möglich gewesen.

d) Nach den Feststellungen des Insolvenzgerichts verschwieg der [X.] außerdem in mehreren anderen beim nämlichen Insolvenzge-richt anhängigen Verfahren, dass der Drittunternehmer auch Zustellungen ab-rechnete, die nicht von jenem, sondern vom weiteren Beteiligten zu
1 ausge-führt worden waren,
und dass dieser die zu Unrecht berechneten Zustellungen an den Drittunternehmer aus der Masse bezahlte. Dieses pflichtwidrige
und möglicherweise auch strafbare Verhalten
weist auf eine generelle Unzuverläs-sigkeit des Treuhänders hin und kann deshalb auch in anderen Insolvenzver-fahren berücksichtigt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 17. März 2011 -
IX
ZB 192/10, [X.], 663 Rn. 20).

e) Jedenfalls in der Zusammenschau sind die
angeführten
Pflichtverlet-zungen geeignet, das Vertrauen des Insolvenzgerichts in eine den gesetzlichen 13
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Vorschriften entsprechende, verlässlich korrekte und nicht ständiger Kontrolle bedürfende Amtsführung schwer und nachhaltig zu stören.

Kayser
Raebel
Gehrlein

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.08.2010 -
34 IK 297/06 -

LG Berlin, Entscheidung vom 07.12.2010 -
85 T 354/10 -

Meta

IX ZB 24/11

23.02.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2012, Az. IX ZB 24/11 (REWIS RS 2012, 8837)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8837

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IX ZB 21/11

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