Bundessozialgericht, Urteil vom 06.05.2010, Az. B 13 R 134/08 R

13. Senat | REWIS RS 2010, 6887

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Gegenstand

Hinterbliebenenrentenanspruch - Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe - sozialgerichtliches Verfahren - Vernehmung des Standesbeamten


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 31. Januar 2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer großen [X.].

2

Die 1950 geborene Klägerin lebte seit 1978 mit dem 1946 geborenen und am 27.7.2004 verstorbenen Versicherten in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Sie heirateten am 2.7.2004. Aus der ersten Ehe der Klägerin waren ein [X.] und eine Tochter hervorgegangen, aus der ersten Ehe des Versicherten eine Tochter. Die Klägerin hatte in den Jahren 2003 und 2004 ein monatliches Bruttoeinkommen von ca 2.400 Euro aus ihrer Beschäftigung als Apothekenhelferin.

3

Im Oktober 2002 erkrankte der Versicherte an einem Blasenkarzinom, das operativ entfernt wurde. Im Februar 2004 wurde eine fortschreitende Metastasierung diagnostiziert. Die ab 1.6.2004 durchgeführte Chemotherapie diente lediglich palliativen Zwecken. Der Versicherte wurde in den Zeiträumen vom [X.] bis 3.6.2004 und vom 8.6. bis 10.6.2004 stationär behandelt, danach aufgrund einer deutlichen Verschlechterung erneut vom 14.6. bis 10.7.2004, wobei die Chemotherapie abgebrochen und die Behandlung mit Morphin fortgesetzt wurde. Unter dieser Medikation war der Versicherte mit Hilfe eines Stützrollators zeitweise gehfähig. Die Eheschließung erfolgte am 2.7.2004 auf der Krankenstation. Zur Entlassung des Versicherten wurde eine sog [X.] eingerichtet. Am 27.7.2004 wurde der Versicherte notfallmäßig erneut stationär aufgenommen; er verstarb noch am selben Tag.

4

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von [X.] lehnte die Beklagte ab, da sie von einer sog [X.] gemäß § 46 Abs 2a [X.] ausging (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 28.10.2005).

5

Das [X.] hat - nach Vernehmung der Schwester, des [X.]es und der Tochter der Klägerin sowie nach deren persönlicher Anhörung - die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids verurteilt, der Klägerin ab 27.7.2004 [X.] aus der Versicherung des Verstorbenen zu gewähren. Dem Anspruch stehe der Ausschlussgrund gemäß § 46 Abs 2a [X.] nicht entgegen.

6

Das L[X.]-Brandenburg hat mit Urteil vom 31.1.2007 die Berufung der Beklagten nach persönlicher Anhörung der Klägerin zurückgewiesen unter Neufassung des Tenors, dass der Klägerin ab 27.7.2004 große [X.] zu gewähren sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs 2a [X.] sei nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens widerlegt, weil zur Überzeugung des Senats trotz der sehr kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass die Versorgung der Klägerin der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung gewesen sei. Hierbei stütze sich der Senat auf die glaubhaften Einlassungen der Klägerin in ihren vorbereitenden Schriftsätzen, im Termin zur mündlichen Verhandlung und auf die Aussagen ihrer vom [X.] als Zeugen vernommenen Kinder. Danach stehe fest, dass - neben [X.] - zumindest gleichgewichtiger Zweck der Eheschließung gewesen sei, der beiderseitigen Liebesbeziehung nach langjährigem Zusammenleben durch den Akt der Eheschließung den - nach Wortwahl der Klägerin - "offiziellen Segen" zu geben und so eine Rechtsposition zu erlangen. Die Klägerin habe überzeugend ausgeführt, dass der [X.] schon viele Jahre vor der Krebserkrankung bestanden habe, jedoch aus finanziellen Gründen und familiären Erwägungen nicht eher realisiert habe werden können. Die mit dem Versicherten im Familienverbund lebenden Kinder der Klägerin, die ihn als "Vater" angesehen hätten, hätten die langjährige Heiratsabsicht ebenfalls bestätigt.

7

Der Umstand der seit 1978 gelebten langjährigen Liebesbeziehung stehe einem überwiegenden Versorgungsgedanken entgegen. Die Liebesbeziehung sei ohnehin nicht auf gegenseitige Versorgungsansprüche ausgerichtet gewesen, weil die Klägerin einer vollschichtigen Berufstätigkeit nachgegangen sei, mit der sie ohne Weiteres ihren eigenen Lebensunterhalt habe sichern können. Dies habe die Klägerin vor dem Senat eindrucksvoll dargelegt.

8

Ebenso wenig spreche der Krankheitsverlauf des Versicherten gegen diese Einschätzung. Die Klägerin habe glaubhaft ausgeführt, dass sie trotz palliativer Behandlung des Versicherten nicht davon ausgegangen sei, dass "[X.] so bald würde sterben müssen". Doch auch wenn die Klägerin im Zeitpunkt der Eheschließung gewusst haben sollte, dass der Tod des Versicherten in naher Zukunft bevorstehe, verbliebe es bei dem vorrangigen Motiv der Eheschließung, der beiderseitigen Liebesbeziehung den "offiziellen Segen" zu geben. Daher habe für den Senat keine Veranlassung bestanden, den von der Beklagten hilfsweise gestellten Beweisanträgen zu folgen. Selbst wenn eine Nottrauung gemäß § 7 Personenstandsgesetz (PStG) vorgelegen hätte, änderte dies nichts an der zur Überzeugung des Senats feststehenden Motivationslage für die Heirat.

9

Mit ihrer vom B[X.] zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 46 Abs 2a [X.] und von §§ 103, 128 [X.]G. Die Klägerin habe den Nachweis des Vorliegens "besonderer Umstände", die die Rechtsvermutung des § 46 Abs 2a [X.] widerlegen könnten, nicht erbracht. Die Verrechtlichung einer Liebesbeziehung durch Eheschließung sei kein von der [X.] verschiedener Beweggrund. Die zuvor seit 26 Jahren geführte eheähnliche Lebensgemeinschaft unterstreiche den Versorgungscharakter der Ehe. Im Fall der lebensbedrohlichen Erkrankung eines Partners sei die wirtschaftliche Absicherung des Überlebenden das maßgebliche Motiv für die Heirat. Konkrete Heiratspläne seien erst nach Bekanntwerden der weit fortgeschrittenen Krebserkrankung gefasst und realisiert worden. Die Hoffnung oder Erwartung, eine lebensbedrohliche Erkrankung zu überleben, könne kein besonderer Umstand im Sinne der Norm sein. Das L[X.] hätte sich zudem gedrängt fühlen müssen, dem hilfsweise gestellten Beweisantrag, den Standesbeamten zu den Umständen der Eheschließung bei der Nottrauung zu befragen, nachzukommen.

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 31. Januar 2007 sowie des [X.] vom 6. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des [X.] vom 31. Januar 2007 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]G). Das angefochtene Urteil beruht - wie die Beklagte zutreffend rügt - auf einer Verletzung der Pflicht des Berufungsgerichts zur Sachaufklärung (§ 103 [X.]G). Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] kann der Senat nicht entscheiden, ob die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf große [X.] zu Recht abgelehnt hat.

1. Gemäß § 46 Abs 2 Satz 1 [X.] haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, ua dann Anspruch auf große [X.], wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 27.7.2004 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs 1 [X.] erfüllt hatte. Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten hatte sie auch das 45. Lebensjahr vollendet.

Nach § 46 Abs 2a [X.], der mit Wirkung vom 1.1.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (vom [X.], [X.]) eingeführt worden ist und für alle seit dem 1.1.2002 geschlossenen Ehen gilt (vgl § 242a Abs 3 [X.]), ist der Anspruch auf [X.] ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert (vom 2.7. bis 27.7.2004); damit ist der Tatbestand des § 46 Abs 2a Halbs 1 [X.] erfüllt. Ob jedoch "besondere Umstände" iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 [X.] vorliegen, die den Eintritt der entsprechenden Rechtsfolge - Ausschluss des Anspruchs auf [X.] - hindern, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht abschließend entscheiden.

2. Entgegen dem Vorbringen der Revision ist der vom Berufungsgericht als maßgeblich zugrunde gelegte Beweggrund der Klägerin für die Eheschließung, nämlich der Wunsch, nach langjährigem eheähnlichem Zusammenleben mit dem Versicherten der beiderseitigen Liebesbeziehung den "offiziellen Segen" zu geben und sie damit auch formal und rechtlich zu manifestieren, nicht von vornherein - losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls - ungeeignet, einen besonderen Umstand iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 [X.] zu begründen.

Der Senat hat im Urteil vom [X.] (B 13 R 55/08 R - [X.], 99 = [X.]-2600 § 46 [X.] mwN) zur Auslegung und Anwendung des [X.] des § 46 Abs 2a Halbs 2 [X.] bereits entschieden, dass eine abschließende Typisierung und Bewertung einzelner von den Tatsacheninstanzen festgestellter Ehemotive durch das Revisionsgericht nicht möglich ist. Daran hält er in Kenntnis hiergegen vorgebrachter Bedenken (vgl [X.], [X.] 2010, 15, 21) nach erneuter Prüfung fest. Wie in dem genannten Urteil näher dargelegt ist, sind nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 46 Abs 2a Halbs 2 [X.] als "besondere Umstände des Falles" alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls zu prüfen, die auf einen von der [X.] verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Die vom Gesetzgeber selbst intendierte Einzelfallprüfung lässt eine abschließende abstrakt-generelle (normgleiche) Einordnung einzelner denkbarer Ehemotive durch das Revisionsgericht nicht zu. Vielmehr kommt es nach dem Gesetz auf die - gegebenenfalls auch voneinander abweichenden - Beweggründe beider Ehegatten im konkreten Einzelfall an (Senatsurteil aaO, RdNr 20). Dabei sind die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten (aaO RdNr 24). Diese Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Würdigung nach Maßgabe des § 46 Abs 2a [X.] wird nicht dadurch entbehrlich, dass die damit verbundenen Anforderungen den Wunsch der Verwaltung nach "überprüfbaren … objektiven Kriterien" (vgl [X.], aaO) nicht erfüllen können.

In diesem Zusammenhang kann es zwar nicht als Verletzung von Bundesrecht angesehen werden, wenn die Tatsacheninstanz annimmt, dass bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbs 2 [X.] nicht erfüllt sein wird. Gleichwohl darf dabei nicht von vornherein der Nachweis ausgeschlossen werden, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus [X.] geheiratet wurde. Bei der abschließenden Gesamtbewertung darf wiederum gefordert werden, dass diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sind, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist ([X.], 99 = [X.]-2600 § 46 [X.], RdNr 27).

Der Frage, ob besondere Umstände iS des [X.] vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, ist vorrangig anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten (§ 103 [X.]G) nachzugehen (aaO RdNr 29 mwN). Sie ist in erster Linie auf [X.] zu beantworten (B[X.] vom [X.]/09 B - BeckRS 2009, 72520 RdNr 7). Somit obliegt es zuvörderst den Tatsacheninstanzen, sich nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen und unter Würdigung aller Indizien eine Überzeugung davon zu verschaffen, ob im Einzelfall die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass die Erlangung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war (vgl auch B[X.] vom [X.] - B 13 R 101/08 R - Juris RdNr 14 f). Ein Rentenversicherungsträger, der vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit seine Annahme, dass eine Versorgungsehe vorliege, verteidigen will, kann deshalb durch das Stellen von Beweisanträgen darauf hinwirken, dass alle Umstände - auch die für eine Versorgungsehe sprechenden Indizien - in die Beweiswürdigung des Gerichts einbezogen werden.

3. Vorliegend hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] einen solchen Beweisantrag zur Entscheidung des Gerichts gestellt; sie hat verlangt, den zuständigen Standesbeamten zu den Umständen der Eheschließung zu vernehmen. Diesem Beweisantrag hätte das [X.] nachkommen müssen; seine Ablehnung unter Berufung darauf, dass unabhängig von den konkreten Umständen der Trauung die volle Überzeugung des Senats zur Motivationslage für die Heirat bereits feststehe, verletzt Bundesrecht (§ 103 [X.]G).

Einer der Ausnahmefälle, der es erlaubt hätte, auf die Vernehmung des von der Beklagten mit der Bezeichnung "den zuständigen Standesbeamten" hinreichend konkret benannten Zeugen zu verzichten, ist nicht gegeben. Solche Ausnahmefälle sind dann anzunehmen, wenn es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht ankommt, diese bereits erwiesen sind oder das Beweismittel ungeeignet oder unerreichbar ist (vgl Senatsurteil vom [X.] - B 13 RJ 59/00 R - [X.] 3-2200 § 1248 [X.] f; B[X.] vom 16.5.2007 - B 11b [X.]/06 B - Juris RdNr 10; B[X.] vom 28.5.2008 - B 12 KR 2/07 B - Juris RdNr 11; s auch [X.] vom 12.3.2010 - 8 [X.]/09 - Juris RdNr 25 f). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.

Auf die von der Beklagten unter Beweis gestellten tatsächlichen Umstände der Eheschließung kommt es schon deshalb entscheidungserheblich an, weil das [X.] alle Umstände des Einzelfalls, die für oder gegen eine [X.] sprechen könnten, aufzuklären und in einer abschließenden Gesamtbewertung zu würdigen hat. Zur Klärung dieser tatsächlichen Voraussetzungen war der benannte Zeuge auch ein geeignetes und erreichbares Beweismittel. Als Standesbeamter, der die Eheschließung auf der Station im Krankenhaus vollzogen hat, hätte er zu den näheren Umständen der Heirat, wie etwa ihm gegenüber geäußerte [X.] der Eheleute, Zeugnis geben können. Bislang sind im gerichtlichen Verfahren nur Personen vernommen worden, die (als Kinder und Schwester) der Sphäre der Klägerin zugehörig sind. Nicht zuletzt beruht die Beweiswürdigung des [X.] im Wesentlichen auf den Angaben der Klägerin zu ihren eigenen Beweggründen. Die Zeugenaussage des Standesbeamten könnte aber nicht nur Anhaltspunkte zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin ergeben, sondern darüber hinaus weitere Erkenntnisse zu den inneren Motiven beider Eheleute für die Heirat erbringen. Solche Ermittlungen waren auch deshalb angezeigt, weil sich die Klägerin zum Beweis des Vorliegens der besonderen Umstände iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 [X.] gerade auf ihre innere Motivation für die Heirat berufen und hierzu vor dem [X.] und dem [X.] bereitwillig Auskunft gegeben hat. Eine unzulässige Ausforschung im Bereich der privaten Lebensführung (vgl dazu Senatsurteil vom [X.] - [X.], 99 = [X.]-2600 § 46 [X.], RdNr 22, 29 mwN) stand daher nicht zu befürchten.

Das [X.] hätte sich somit - ausgehend von seiner materiellen Rechtsansicht - zur Zeugenvernehmung des Standesbeamten zu den näheren Umständen der Trauung gedrängt fühlen müssen. Wenn es anstelle dessen ausgeführt hat, dass selbst im Fall einer sog Nottrauung aus Anlass einer lebensbedrohlichen Erkrankung (§ 7 PStG idF des bis zum 31.12.2008 gültigen Gesetzes vom [X.], [X.] 833) "dies nichts an der dargelegten, zur vollen Überzeugung des Senats feststehenden Motivationslage für die Heirat" ändere, so handelt es sich um eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung. Einer der besonders gelagerten Ausnahmefälle, für die diskutiert wird, ob ein Beweisantrag auf Zeugenvernehmung dann abgelehnt werden darf, wenn aufgrund der Fülle und Güte bereits erhobener Beweise die entscheidungserheblichen Tatsachen mit einer solchen Gewissheit feststehen, dass die Überzeugung des Gerichts durch die beantragte weitere Beweiserhebung - ihr Erfolg unterstellt - nicht mehr erschüttert werden kann (vgl [X.] vom 11.4.1991 - 3 C 73.89 - [X.] 310 § 86 Abs 1 [X.] f mwN; [X.] vom 12.3.2010 - 8 [X.]/09 - Juris RdNr 25 f mwN; s auch B[X.] vom 31.8.1987 - 4a [X.]/87 - Juris RdNr 5 - zu den beim Zeugenbeweis im Vergleich zum [X.] strengeren Anforderungen), liegt hier nicht vor. Insbesondere zeigt das Urteil des [X.] plausible Gründe für das Bestehen einer für jedermann nachvollziehbaren, unerschütterlichen Überzeugung des Berufungsgerichts nicht auf. Eine solche Überzeugung ist auch kaum denkbar, solange ausschließlich Personen aus dem Umfeld der Klägerin gehört und darauf verzichtet wurde, auch andere in Frage kommende Auskunftspersonen (vgl zB [X.] Düsseldorf vom 14.12.2009 - [X.] (10) [X.]/09 - Juris) zu den Beweggründen der Nottrauung im Krankenhaus zu befragen.

Auf diesem Verstoß gegen § 103 [X.]G beruht die Entscheidung des [X.]. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht nach den beantragten weiteren Ermittlungen zu einem für die Beklagte günstigen Ergebnis gekommen wäre.

Das [X.] wird die unterlassene Beweisaufnahme zu den näheren Umständen der Trauung nachzuholen und auf dieser Grundlage eine neue Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen haben. Es wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 13 R 134/08 R

06.05.2010

Bundessozialgericht 13. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Berlin, 6. März 2006, Az: S 15 R 5418/05, Urteil

§ 46 Abs 2a Halbs 1 SGB 6 vom 21.03.2001, § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB 6 vom 21.03.2001, § 46 Abs 2 S 1 SGB 6, § 242a Abs 3 SGB 6, § 103 SGG, § 170 Abs 2 S 2 SGG, § 7 PersStdG vom 04.05.1998, AVmEG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 06.05.2010, Az. B 13 R 134/08 R (REWIS RS 2010, 6887)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6887

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