Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.06.2020, Az. 7 B 16/19

7. Senat | REWIS RS 2020, 3958

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Gegenstand

Beseitigung einer Aufschüttung im Überschwemmungsgebiet


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 11. September 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 43 200 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger wendet sich gegen eine wasserrechtliche Beseitigungsanordnung, mit der ihm die Entfernung einer Aufschüttung auf seinem Grundstück aufgegeben wurde.

2

Das Grundstück des [X.] liegt in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet. Nach den Feststellungen des [X.] befindet sich auf dem Grundstück auf einer Fläche von etwa 860 m² eine ca. 1 bis 1,5 m hohe Erdaufschüttung aus [X.] und eventuell Bauschuttablagerungen.

3

Widerspruch und Klage vor dem Verwaltungsgericht blieben ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des [X.].

II

4

Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.

5

1. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil das Urteil von einer Entscheidung des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

6

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.], des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts aufgestellten und deren Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. etwa [X.], [X.]uss vom 21. April 2015 - 7 [X.] - [insoweit in [X.] 451.222 § 3 BBodSchG Nr. 3 nicht abgedruckt] - juris Rn. 5 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des [X.] nicht.

7

Die vom Kläger zur Darlegung einer Divergenz zitierte Passage aus den Entscheidungsgründen des Urteils des [X.]:

"Der Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit einer Einzelfallregelung bedeutet, dass einerseits deren Adressat in der Lage sein muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist und dass andererseits der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen seiner zwangsweisen Durchsetzung sein kann ([X.], Urt. v. 2. Juli 2008 - 7 C 38/07 -, juris Rn. 11; [X.]. v. 8. Februar 2011 - 4 A 637/10 -, juris Rn. 24; [X.], [X.]. v. 1. August 2016 - 10 CS 16.893 -, juris Rn. 25 m.w.N.).",

enthält schon keinen abstrakten Rechtssatz des Berufungsgerichts, der als solcher einem Rechtssatz des [X.] widersprechen könnte. Vielmehr greift das Oberverwaltungsgericht in der zitierten Passage die in Bezug genommene Rechtsprechung (insbesondere) des [X.] auf und macht sich diese zu Eigen. Einen eigenständigen Rechtssatz formuliert das Berufungsgericht hingegen nicht.

8

Wenn der Kläger hieran anknüpfend rügt, das Oberverwaltungsgericht habe einen vom [X.]verwaltungsgericht formulierten Rechtssatz zur Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes verkürzt - namentlich ohne einen Hinweis auf die zu beachtenden Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (siehe hierzu etwa [X.], Urteil vom 2. Juli 2008 - 7 C 38.07 - [X.]E 131, 259) - wiedergegeben, bezeichnet dies keine Divergenz. Vielmehr macht der Kläger der Sache nach geltend, das Oberverwaltungsgericht habe einen maßgeblichen Gesichtspunkt der Rechtsprechung des [X.] bei seiner Entscheidung außer [X.] gelassen. Damit rügt er einen Mangel bei der Rechtsanwendung, auf den eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht gestützt werden kann (stRspr, siehe nur [X.], [X.]üsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 Rn. 4 und zuletzt vom 5. März 2020 - 4 [X.] 38.19 - juris Rn. 3 m.w.N.).

9

2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt, also näher ausgeführt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, [X.], [X.]üsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - [X.]E 13, 90 <91> und vom 24. Januar 2020 - 10 B 17.19 - juris Rn. 5 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

2.1 Die der Sache nach im Wesentlichen identischen Fragestellungen,

"Ist der Begriff 'Ablagerung von Gegenständen' in § 78 Abs. 1 Nr. 5 [X.] a. F. so zu verstehen, dass er Aufschüttungen (Urt. Rn. 29), eine Erdaufschüttung aus [X.] und eventuell Bauschuttablagerungen (Urt. Rn. 4) umfasst?"

und

"Ist eine Aufschüttung, ist [X.] ein Gegenstand i. S. v. § 78 Abs. 1 Nr. 5 [X.] a. F.?",

rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass die aufgeworfenen Fragen sich auf die Auslegung einer außer [X.] getretenen Norm beziehen. Denn auch Rechtsfragen zu ausgelaufenem Recht können Gegenstand einer Revision sein, wenn sich die Fragen bei der - wie hier - im Wesentlichen gleichlautenden [X.] (§ 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] n.F.) in gleicher Weise stellen können (vgl. [X.], [X.]uss vom 8. August 2012 - 7 [X.] - juris m.w.N.). Die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen bedürfen indessen, soweit sie einer rechtsgrundsätzlichen Klärung überhaupt zugänglich sind, nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens.

Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] in der bei Erlass des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 6. März 2015 geltenden, zwischenzeitlich außer [X.] getretenen Fassung vom 31. Juli 2009 (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] a.F.) ist in festgesetzten Überschwemmungsgebieten die nicht nur kurzfristige Ablagerung von Gegenständen, die den Wasserabfluss behindern können oder die fortgeschwemmt werden können, untersagt. Ob Gegenstände geeignet sind, den Wasserabfluss zu behindern oder fortgeschwemmt zu werden, ist jedoch eine Frage, die nach den tatsächlichen Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen und einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.

Zugleich lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens klären, dass es sich bei "Aufschüttungen, eine Erdaufschüttung aus [X.] und eventuell Bauschuttablagerungen" bzw. "[X.]" um Gegenstände im Sinne des § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] a.F., § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] n.F. handelt. Der Begriff des Gegenstandes bezeichnet im vorliegenden sachlichen Zusammenhang - dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend - einen Körper, eine Sache bzw. [X.] (vgl. auch § 90 BGB, der eine Sache als körperlichen Gegenstand definiert). Unter diesen Begriff des Gegenstandes fallen, unabhängig von deren stofflicher Zusammensetzung im Einzelnen, auch "Aufschüttungen, eine Erdaufschüttung aus [X.] und eventuell Bauschuttablagerungen" bzw. "[X.]". Aus der Literatur ergeben sich keine gegenteiligen Hinweise. Im Schrifttum werden lediglich typische Abflusshindernisse - wie sperrige Gegenstände - benannt, ohne den Begriff des Gegenstandes näher zu erörtern oder einzuschränken (vgl. [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl. 2019, § 38 Rn. 46; [X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, Stand September 2019, § 38 [X.] Rn. 42; Schwendner/[X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]/[X.], Stand August 2019, § 38 [X.] Rn. 35; vgl. auch [X.]. 16/12275, S. 63).

2.2 Die weiteren vom Kläger als klärungsbedürftig angesehenen Fragen:

"Bestimmt der Bauherr durch seinen Bauantrag, was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll?"

und

"Bestimmt der Bauherr durch seinen Bauantrag den Geltungsbereich und räumlichen Umfang einer mit der Baugenehmigung erteilten wasserrechtlichen Genehmigung hier nach § 100a Abs. 2 SächsWG?",

beziehen sich auf nicht revisibles Landesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO).

Der Kläger legt mit Blick auf Bauantrag bzw. Baugenehmigung in seiner Beschwerde selbst dar, dass sich die Frage stelle, ob der Bauantrag nach § 68 Abs. 1 [X.] und den entsprechenden Normen anderer Landesbauordnungen lediglich eine formelle Verfahrensvoraussetzung sei oder das Bauvorhaben (zugleich) materiell bestimme. Bei der auf die Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung gerichteten weiteren Fragestellung ergibt sich der Bezug zu nicht revisiblem Landesrecht schon aus der Formulierung der Frage selbst.

3. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Der Kläger stützt seine Aufklärungsrüge (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) darauf, dass das Oberverwaltungsgericht ohne hinreichende Sachaufklärung - namentlich ohne Einnahme eines gerichtlichen Augenscheines - zur Feststellung gekommen sei, dass die [X.] auf seinem Grundstück offensichtlich fortgeschwemmt werden könnten.

Eine Aufklärungsrüge erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des [X.] aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem [X.], insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch einen unbedingten Beweisantrag oder jedenfalls eine sonstige Beweisanregung hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, siehe etwa [X.], [X.]uss vom 12. Juli 2018 - 7 [X.] - [X.] 451.224 § 36 KrWG Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des [X.] nicht gerecht.

Er legt nicht dar, dass er bereits im Verfahren vor dem [X.] auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben er nunmehr rügt, durch einen unbedingten Beweisantrag oder jedenfalls durch eine sonstige Beweisanregung hingewirkt hätte. Sein Hinweis, dass er wegen der zur Klärung der Frage des [X.] der Beklagten erfolgten [X.] nicht damit habe rechnen können bzw. müssen, dass das Oberverwaltungsgericht im Berufungsverfahren zu nicht erörterten Tatsachen bestimmte Annahmen treffe, überzeugt nicht. Für den Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtigten konnte kein Zweifel darüber bestehen, dass sich eine zugelassene Berufung auf sämtliche vom Streitgegenstand umfasste Sach- und Rechtsfragen erstreckt. Darüber hinaus vermochte der Kläger auch nicht darzulegen, dass es im Rahmen der Einvernahme eines Augenscheins durch das Oberverwaltungsgericht voraussichtlich zu tatsächlichen Feststellungen gekommen wäre, die von denjenigen abweichen, die die Vorinstanz auf der Grundlage der aus den Verfahrensakten gewonnenen Erkenntnisse zu der Situation auf dem Grundstück getroffen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

7 B 16/19

09.06.2020

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 11. September 2019, Az: 4 A 148/18, Urteil

§ 78a Abs 1 S 1 Nr 4 WHG, § 78 Abs 1 S 1 Nr 5 WHG 2009, § 86 Abs 1 VwGO, § 132 Abs 2 VwGO, § 137 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.06.2020, Az. 7 B 16/19 (REWIS RS 2020, 3958)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3958

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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