Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.06.2011, Az. VII R 39/10

7. Senat | REWIS RS 2011, 6017

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Gegenstand

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 7.6.2011 VII R 36/10 - Nacherhebung von Einfuhrabgaben wegen Änderung einer langjährigen, den Vorschriften nicht entsprechenden Praxis der Zollbehörde - Erkennbarkeit eines aktiven Irrtums der Zollbehörde - Keine Pflicht des Zollschuldners zur Kenntnis von Verwaltungsvorschriften - Zollwertrechtliche Behandlung von Umschließungen)


Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte 2003 und 2004 Gemüsekonserven aus [X.] ein. Dabei legte sie als Zollwert die von den [X.] Verkäufern in Rechnung gestellten Kaufpreise zugrunde, ohne die Kosten für die Behältnisse (Gläser und Metalldrehverschlüsse) hinzuzurechnen, die sie zuvor aus dem freien Verkehr der [X.] erworben, zwischen dem 27. Februar und dem 30. September 2002 ausgeführt und den [X.] Verkäufern der Konserven unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatte. Diese Art der Zollwertermittlung war in der Vergangenheit unbeanstandet geblieben, weil es der früheren Dienstanweisung ([X.]) für die [X.] Zollverwaltung entsprach, Kosten für vom Käufer zur Verfügung gestellte [X.] aus dem freien Verkehr des Zollgebiets der [X.] dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis nicht hinzuzurechnen (Abs. 7 Buchst. b Unterabs. 1 [X.], Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung --[X.]-- Z 53 14), um zum Zweck der abgabenfreien Wiedereinfuhr der [X.] zu bewilligende passive Veredelungsverkehre zu vermeiden. Diese Regelung enthält die im Dezember 2002 in der [X.] bekannt gegebene Neufassung der Dienstvorschrift [X.] ([X.]) jedoch nicht mehr (vgl. Abs. 42 [X.], [X.] Z 51 01). Dementsprechend wurde in den [X.]-Nachrichten vom 27. Februar 2003 darauf hingewiesen, dass wegen der geänderten zollwertrechtlichen Behandlung von [X.] auch eine entsprechende Änderung der Dienstvorschrift zur passiven Veredelung erforderlich sei. Über Änderungen bei der Zollwertermittlung sowie bei der Bewilligung passiver Veredelungsverkehre von [X.] wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --[X.]--) die Klägerin mit Schreiben vom 2. April 2003 hin.

2

Wegen der geänderten Zollpraxis erließ die Zollverwaltung aufgrund eines Erlasses des [X.] ([X.]) vom 13. Januar 2005 [X.] für nach dem 27. Februar 2002, aber vor dem Wirksamwerden rückwirkend bewilligter passiver Veredelungen ausgeführte und nach dem 27. Februar 2003 wieder eingeführte [X.]. Hiervon betroffen waren auch die Einfuhrsendungen der Klägerin. Nachdem im Rahmen einer Prüfung festgestellt worden war, dass die Klägerin die Kosten der unentgeltlich zur Verfügung gestellten Behältnisse bei der Zollwertermittlung nicht berücksichtigt hatte, erhob das [X.] mit Einfuhrabgabenbescheid vom 19. Juni 2006 die Einfuhrabgaben unter Zugrundelegung des erhöhten [X.] nach.

3

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) ab. Das dem [X.]-Urteil entsprechende in einem Parallelverfahren ergangene Urteil ist in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ([X.]) 2010, Beilage 1, 4 veröffentlicht.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex ([X.]) abzusehen sei. Wegen der langjährigen und anlässlich von Betriebsprüfungen immer wieder bestätigten damaligen Verwaltungspraxis sei von einem Irrtum des [X.] im Sinne vorgenannter Vorschrift auszugehen. Den Verlautbarungen der Zollverwaltung im Jahr 2003 habe lediglich entnommen werden können, dass künftig auszuführende [X.] in passive Veredelungsverkehre zu überführen seien, nicht aber, dass die bisherige Verfahrensweise auch für bereits ausgeführte [X.] nicht mehr gelten solle. Sie (die Klägerin) sei daher bei Abgabe der Zollanmeldungen gutgläubig gewesen und habe den Zollwert so angegeben, wie es von ihr vernünftigerweise habe erwartet werden können. Auch wenn man ihr die Unkenntnis von der Änderung der [X.] vorhalten wollte, so hätte sie doch jedenfalls ihr Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen Verwaltungspraxis bereits vor dieser Änderung durch die Ausfuhr der [X.] ohne Überführung in den passiven Veredelungsverkehr betätigt gehabt.

5

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben.

6

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Es ist der Ansicht, dass sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Sie habe sich nicht darauf verlassen können, dass bei [X.], die teilweise mehr als ein Jahr nach ihrer Ausfuhr in Drittländer befüllt wieder eingeführt werden, die alte [X.] noch Anwendung finde. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin angesichts des Hinweisschreibens vom 2. April 2003 gehindert gewesen sein sollte, in den streitgegenständlichen Anmeldungen für Gemüsekonserven die Kosten für [X.] aufzuführen. Jenes Schreiben beziehe sich eindeutig auf [X.], welche ab dem 1. Mai 2003 für die Ausfuhr vorgesehen seien; es treffe hingegen keine Aussage über zum Zeitpunkt des Schreibens bereits in ein Drittland verbrachte [X.].

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie des angefochtenen Einfuhrabgabenbescheids vom 19. Juni 2006 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Dieser Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

9

Ob die Kosten der dem [X.] Hersteller zur Verfügung gestellten Behältnisse gemäß Art. 32 Abs. 1 Buchst. a Ziff. [X.] in den Zollwert der [X.] einzubeziehen sind --was zwischen den Beteiligten nicht im Streit [X.] oder ob diese Behältnisse nicht eher als Beistellungen anzusehen sind, deren Wert gemäß Art. 32 Abs. 1 Buchst. [X.]. i ZK dem Transaktionswert hinzuzurechnen ist, kann offenbleiben. Der Nacherhebung der daraus resultierenden höheren Einfuhrabgaben steht jedenfalls Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK entgegen.

Nach der vom [X.] ([X.]) in ständiger Rechtsprechung verwendeten Zusammenfassung der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift hat die Zollbehörde von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung von Einfuhrabgaben abzusehen, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Die Nichterhebung muss auf einem Irrtum der zuständigen Behörden beruhen; es muss sich um einen Irrtum handeln, der für einen gutgläubigen Abgabenschuldner nicht erkennbar war, und dieser muss alle geltenden Vorschriften über seine Zollerklärung eingehalten haben (vgl. [X.]-Urteil vom 3. März 2005 [X.]/03 P --Biegi Nahrungsmittel, [X.], [X.]. 2005, [X.], [X.], 228, m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

1. Anders als das [X.] meint, ist die zutreffende buchmäßige Erfassung der Einfuhrabgaben aufgrund eines Irrtums des [X.] unterblieben. Zwar begründet nur ein solcher Irrtum, der auf ein Handeln der zuständigen Behörde zurückzuführen ist (sog. aktiver Irrtum), einen Anspruch auf Absehen von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben, nicht jedoch ein Irrtum, dem die Zollbehörde im Zeitpunkt der Abgabenerhebung wegen unzutreffender oder unvollständiger Angaben des Abgabenschuldners unterlag ([X.]-Urteile vom 27. Juni 1991 [X.]/89 --Mecanarte--, [X.]. 1991, [X.], [X.], 388; vom 14. November 2002 [X.]/00 --Ilumitrónica--, [X.]. 2002, [X.], [X.] 2003, 46). Gleichwohl lässt sich im Streitfall das Vorliegen eines aktiven Irrtums des [X.] bei der Einfuhrabfertigung nicht mit der Begründung verneinen, dass die 2003 und 2004 abgegebenen Zollanmeldungen der Klägerin insoweit unvollständig waren, als sie keinen Hinweis auf die dem [X.] Hersteller unentgeltlich zur Verfügung gestellten Behältnisse enthielten.

Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK verlangt lediglich eine Kausalität zwischen dem behördlichen Irrtum und der unterbliebenen buchmäßigen Erfassung der Einfuhrabgaben, nicht aber, dass der Irrtum im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der betreffenden Zollanmeldung unterlaufen sein muss. Dementsprechend hat der [X.] mit Urteil vom 19. Oktober 2000 [X.]/99 --Sommer-- ([X.]. 2000, [X.], [X.] 2001, 13) einen Irrtum i.S. des Art. 220 Abs. 2 Buchst. [X.] auch in einem Fall angenommen, in dem anlässlich einer früheren Außenprüfung die Nichteinbeziehung bestimmter Kosten in den Zollwert von der Zollbehörde nicht beanstandet worden war und diese Kosten dementsprechend bei späteren, gleichartige Kaufgeschäfte betreffenden Einfuhren mit der Zollwertanmeldung des Einführers nicht angegeben wurden (vgl. zum Sachverhalt den vorangegangenen Vorlagebeschluss des [X.] Bremen vom 4. August 1998  296052K 2, [X.] 1999, 93). Des Weiteren hat der [X.] mit Urteil in [X.]. 1991, [X.], [X.], [X.], 388 ausgeführt, dass Vertrauensschutz gewährt werden kann, wenn die Unrichtigkeit der Erklärungen des Abgabenschuldners nur die Folge falscher Auskünfte ist, die von den zuständigen Behörden erteilt wurden und diese Behörden binden, und hat in ähnlicher Weise das Vorliegen eines Irrtums der zuständigen Behörde bejaht, wenn diese irrige Auskünfte erteilt hat, auf die der Zollbeteiligte vertrauen durfte ([X.]-Urteil vom 26. November 1998 [X.]/96 --Covita AVE--, [X.]. 1998, [X.], [X.] 1999, 86).

Ob sich danach ein aktiver Irrtum der Behörde allein in einer bestehenden und in Verwaltungsanweisungen dokumentierten Praxis der Behörde --wie im [X.] äußern kann, auf die sich der Abgabenschuldner verlassen hat (so Senatsurteil vom 20. Juli 1999 [X.], [X.], 247, 250), oder ob diese behördliche Praxis auch gegenüber dem jeweiligen Zollschuldner konkret bestätigt worden sein muss, kann im Streitfall offenbleiben. Denn wenn auch das [X.] keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat, dass Zollwertanmeldungen der Klägerin, welche Kosten für [X.] nicht beinhalteten, bei früheren Prüfungen unbeanstandet geblieben sind, so ergibt sich dieser Umstand doch aus dem vom [X.] sinngemäß in Bezug genommenen, im [X.] zur [X.]-Akte vorhandenen Prüfungsbericht vom 18. Januar 1999 ([X.] Rz 14). Auch im Streitfall ist daher die damalige durch Betriebsprüfungen bei der Klägerin bestätigte Praxis der Zollverwaltung als ursächlich dafür anzusehen, dass die Klägerin mit ihren Zollanmeldungen für die hier streitigen Einfuhrsendungen keine Angaben zu dem [X.] Hersteller unentgeltlich zur Verfügung gestellten Behältnissen machte und die Kosten für diese Behältnisse somit nicht in den Zollwert einbezogen wurden.

Anders als das [X.] offenbar meint, kann das Vorliegen eines behördlichen Irrtums auch nicht mit der Begründung verneint werden, die [X.] Zollverwaltung habe nicht etwa irrtümlich angenommen, dass die Umschließungskosten nicht zum Zollwert gehörten, sondern sei vielmehr bewusst --allerdings mit Duldung der [X.] von den rechtlichen Vorgaben abgewichen. Zweifelhaft ist insoweit bereits, ob die [X.] Zollverwaltung seinerzeit das [X.]srecht tatsächlich vorsätzlich verletzen wollte oder sie nicht vielmehr geglaubt hat, aus einem als übergeordnet angesehenen Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung die Hinzurechnungsvorschriften des Art. 32 Abs. 1 Buchst. a Ziff. [X.] bzw. Buchst. [X.]. i ZK einschränkend im Wege der in die [X.] aufgenommenen Ausnahme auslegen zu dürfen, um nicht allein wegen der bezüglich des Zollwerts der Gemüsekonserven relativ unbedeutenden Kosten der [X.] passive Veredelungsverkehre in großer Anzahl abwickeln zu müssen. Jedenfalls erfasst aber der Begriff des Irrtums i.S. des Art. 220 Abs. 2 Buchst. [X.] jedwede unrichtige Auslegung oder Anwendung der anwendbaren Rechtsvorschriften ([X.]-Urteil in [X.]. 1991, [X.], Rz 20, [X.], 388). Der [X.] dient in der Rechtsprechung des [X.] der Unterscheidung zwischen einer die Abgabenerhebung betreffenden unzutreffenden Rechtsanwendung oder -auslegung, die auf ein Handeln der zuständigen Behörde zurückzuführen ist, und einer solchen, deren Ursache in der Sphäre des [X.] liegt und deshalb nicht vor einer Nacherhebung schützt. Im Streitfall liegt es aber auf der Hand, dass die jahrelange den Hinzurechnungsvorschriften des Art. 32 Abs. 1 Buchst. a Ziff. [X.] bzw. Buchst. [X.]. i ZK nicht entsprechende Praxis der [X.]n Zollverwaltung keinesfalls der Sphäre der Klägerin zuzuordnen ist, unabhängig davon, ob die Zollverwaltung ihre Praxis für rechtlich vertretbar hielt oder nicht.

2. Ausgehend von seiner Ansicht, dass ein behördlicher Irrtum i.S. des Art. 220 Abs. 2 Buchst. [X.] nicht vorliege, hat das [X.] nicht geprüft, ob die Klägerin gutgläubig gehandelt hat. Seinen Feststellungen lassen sich allerdings keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Klägerin bei Abgabe der Zollanmeldungen von der Neufassung der [X.] und der darin nicht mehr enthaltenen Ausnahmeregelung Kenntnis hatte und somit wusste, dass sie Angaben zu den dem [X.] Verkäufer unentgeltlich überlassenen Behältnissen hätte machen müssen.

Das an die Klägerin gerichtete Schreiben des [X.] vom 2. April 2003 ändert daran nichts. Sein Inhalt rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Klägerin mit seinem Zugang hinsichtlich der in den Zollanmeldungen nicht angegebenen Behältnisse nicht mehr in gutem Glauben sein konnte, denn das genannte Schreiben befasst sich so gut wie gar nicht mit dem Zollwert, sondern nahezu ausschließlich mit den für [X.] nunmehr zu beantragenden passiven Veredelungsverkehren. Das Schreiben gibt keinen Hinweis darauf, dass die Kosten für bereits ausgeführte und jetzt wieder befüllt eingeführte [X.] von nun ab in den Zollwertanmeldungen anzugeben sind, sondern lässt sich ohne Weiteres dahin verstehen, dass von nun ab, jedenfalls für ab dem 1. Mai 2003 auszuführende [X.] passive Veredelungsverkehre erforderlich sind, anderenfalls diese bei späterer Einfuhr nicht abgabenfrei belassen werden können. Dass dieses Erfordernis auch für bereits ausgeführte [X.] gelten sollte, wird hingegen nicht deutlich, denn es gibt keinen Hinweis auf einen für bereits ausgeführte [X.] möglichen rückwirkenden passiven Veredelungsverkehr. Diese Möglichkeit erwähnt (soweit ersichtlich) erstmals der [X.] vom 13. Januar 2005.

3. Der Irrtum konnte von der gutgläubigen Klägerin vernünftigerweise auch nicht erkannt werden. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung, dass ein behördlicher Irrtum nicht vorliege, hat zwar das [X.] auch diese Voraussetzung ungeprüft gelassen; die vom [X.] getroffenen Feststellungen erlauben jedoch eine entsprechende Prüfung durch den erkennenden Senat.

Die Erkennbarkeit des Irrtums ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] (und des erkennenden Senats) unter Berücksichtigung seiner Art, d.h. unter Berücksichtigung der Komplexität der betreffenden Regelung, sowie der Berufserfahrung des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers und der von ihm aufgewandten Sorgfalt zu beurteilen. Von Bedeutung ist insoweit allerdings auch die Länge des Zeitraums, in dem die Behörden in ihrem Irrtum verharrten ([X.]-Urteil in [X.]. 2002, [X.], [X.], [X.] 2003, 46). Hinsichtlich der zollwertrechtlichen Behandlung vom Käufer zur Verfügung gestellter [X.] darf daher nicht außer Betracht bleiben, dass sich die [X.] Praxis, [X.] aus dem freien Verkehr der [X.] von der eigentlich gebotenen Einbeziehung in den Zollwert auszunehmen, auf die bereits in der [X.] vom 15. März 1993 enthaltene [X.] zur damaligen Zollwertverordnung (Verordnung ([X.]) Nr. 1224/80 des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren, [X.]) zurückgeht, diese zollwertrechtliche Ausnahme mithin bis zu ihrer Streichung fast zehn Jahre lang Grundlage für die [X.] Verwaltungspraxis war, wobei es sich überdies nicht allein um die Praxis des beklagten [X.] handelte, sondern aufgrund der vom [X.] erlassenen [X.] die Praxis aller [X.]n Zollstellen war. Sie wurde nicht nur bei Betriebsprüfungen stets bestätigt, sondern zudem vom [X.] mit Schreiben an den [X.] der [X.] vom 16. August 2000 bekräftigt, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die [X.] Rechtspraxis auf einer Duldungsabsprache mit der Europäischen Kommission beruhe.

Auch wenn die Klägerin --wie das [X.] meint-- als ein erfahrener Importeur anzusehen sein mag, durfte sie doch in Anbetracht der seitens der Zollverwaltung --sogar von deren oberster [X.] immer wieder bestätigten Auffassung vernünftigerweise annehmen, dass es sich bei der der [X.] zu entnehmenden einschränkenden Auslegung des Art. 32 Abs. 1 Buchst. a Ziff. [X.] bzw. Buchst. [X.]. i ZK um eine allseits als vertretbar gebilligte Auslegung handelte, und ihr weiteres Handeln danach ausrichten. Es hieße zu viel von der Klägerin zu verlangen, wenn man ihr vorhielte, sie hätte sich seinerzeit gegen die gängige Praxis der Zollwertermittlung wenden und die Einbeziehung der Umschließungskosten in den Zollwert durch die Eröffnung passiver Veredelungsverkehre vermeiden müssen. Ob das [X.] unter der Geltung der alten [X.], der zufolge die Anmeldung von [X.] zum passiven Veredelungsverkehr nicht erforderlich war, die Bewilligungsvoraussetzungen des Art. 86 Anstrich 2 ZK als erfüllt angesehen hätte, darf bezweifelt werden.

Der Ansicht des [X.], die Klägerin hätte bei Lektüre der [X.] vom 27. Februar 2003 die Möglichkeit der rückwirkenden Bewilligung passiver Veredelungsverkehre für die [X.] erkennen und nutzen müssen, ist nicht zu folgen. Zwar kann sich ein Wirtschaftsbeteiligter nach ständiger Rechtsprechung des [X.] und des erkennenden Senats nicht auf die Unkenntnis der im [X.] veröffentlichten Rechtsvorschriften berufen; eine Pflicht zur Kenntnis von Verwaltungsvorschriften, deren Adressat allein die Verwaltung ist, besteht jedoch grundsätzlich nicht. Es bestand für die [X.] auch kein Grund, der es nahe gelegt hätte, den [X.] dieser Zeit eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Im Übrigen ist in den [X.] vom 27. Februar 2003 von der Möglichkeit einer rückwirkenden Bewilligung der passiven Veredelung für bereits ausgeführte [X.] nicht die Rede.

4. Nach alledem scheitert der der Klägerin zu gewährende Vertrauensschutz auch nicht daran, dass sie in ihren Zollanmeldungen für die streitigen [X.] die unentgeltliche Lieferung der Behältnisse an den [X.] Hersteller nicht erwähnte. Soweit Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK für ein Absehen von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben auch fordert, dass der Zollschuldner alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat, genügt er dieser Forderung auch bei gegenüber den zuständigen Behörden angegebenen unrichtigen oder unvollständigen Daten, sofern er diese in gutem Glauben abgegeben hat und vernünftigerweise nur diese Daten kennen oder sich beschaffen konnte ([X.]-Urteile in [X.]. 1991, [X.], Rz 29, [X.], 388; und vom 14. Mai 1996 [X.]3/94 und [X.]/94 --Faroe [X.], [X.]. 1996, [X.], [X.], [X.] 1997, 12). Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war die Klägerin gutgläubig und durfte in Anbetracht der bisherigen Verwaltungspraxis vernünftigerweise annehmen, dass Angaben in den Zollanmeldungen zu den dem [X.] Hersteller unentgeltlich zur Verfügung gestellten Behältnissen entbehrlich waren.

Meta

VII R 39/10

07.06.2011

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 27. Oktober 2009, Az: 4 K 166/08, Urteil

Art 32 Abs 1 Buchst a Ziff ii ZK, Art 32 Abs 1 Buchst b Ziff i ZK, Art 220 Abs 2 Buchst b ZK, Art 32 Abs 1 Buchst a Ziff ii EWGV 2913/92, Art 32 Abs 1 Buchst b Ziff i EWGV 2913/92, Art 220 Abs 2 Buchst b EWGV 2913/92

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.06.2011, Az. VII R 39/10 (REWIS RS 2011, 6017)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6017

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