Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.08.2023, Az. 8 B 24/23

8. Senat | REWIS RS 2023, 5726

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Gegenstand

Anfechtung einer Bürgermeisterwahl


Tenor

Die Beschwerde des Beigeladenen zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs [X.] vom 24. Januar 2023 wird zurückgewiesen.

Der Beigeladene zu 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1, die diese selbst trägt.

Unter Abänderung der Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs [X.] vom 24. Januar 2023 wird der Wert des Streitgegenstands für alle Rechtszüge auf jeweils 7 500 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger und der [X.]eigeladene zu 2 bewarben sich um das Amt des [X.]ürgermeisters der [X.]eigeladenen zu 1. Die Wahl fand am 2. Februar 2020 statt. [X.]ei einer Wahlbeteiligung von 40,57 % entfielen auf den [X.]eigeladenen zu 2, den bisherigen Amtsinhaber, 56,24 % und auf den Kläger 33,39 % der abgegebenen gültigen Stimmen. Die erforderliche Mehrheit übertraf der [X.]eigeladene zu 2 damit um 6,24 %, was 229 Stimmen entsprach. Gegen das festgestellte und öffentlich bekanntgemachte Wahlergebnis erhob der Kläger fristgerecht Einspruch, den das zuständige Landratsamt als unbegründet zurückwies.

2

Das Verwaltungsgericht hat der daraufhin erhobenen Klage nach Durchführung einer [X.]eweisaufnahme stattgegeben und den [X.]eklagten verpflichtet, die [X.]ürgermeisterwahl der [X.]eigeladenen zu 1 vom 2. Februar 2020 für ungültig zu erklären. Der Verwaltungsgerichtshof hat die dagegen erhobenen [X.]erufungen des [X.]eklagten und der [X.]eigeladenen zurückgewiesen. Der Kläger rüge zu recht, dass er über die zulässige Anzahl der Wahlplakate von der [X.]eigeladenen zu 1 nicht ausreichend informiert worden und der [X.]eigeladene zu 2 ihm gegenüber insoweit im Vorteil gewesen sei. Es habe die konkrete Möglichkeit bestanden, dass der [X.]eigeladene zu 2 ohne diesen Verstoß die absolute Mehrheit der Stimmen nicht erreicht hätte. Die (zunächst) erfolgte Ablehnung, einen Flyer des [X.] als [X.]eilage zur Ausgabe des Nachrichtenblatts der [X.]eigeladenen zu 1 zu veröffentlichen, begründe einen weiteren Wahlfehler. Dieser habe jedoch für sich betrachtet das Ergebnis der Wahl nicht beeinflussen können. Schließlich liege eine weitere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung in der [X.] einer privaten Unterstützungsanzeige zugunsten des [X.]eigeladenen zu 2 in einer Ausgabe des [X.] der [X.]eigeladenen zu 1.

3

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete und auf sämtliche Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde des [X.]eigeladenen zu 2 bleibt ohne Erfolg.

4

1. Die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache ist nicht dargelegt.

5

Grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bestimmten, in ihrer [X.]edeutung über den Einzelfall hinausgehenden, revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 1. August 2022 - 8 [X.] 14.22 - juris Rn. 3 m. w. N.). Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Das ist hier nicht geschehen.

6

Der [X.]eigeladene zu 2 formuliert keine bestimmte klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage des revisiblen Rechts. Mit seinem Vorbringen legt er nach Art einer [X.]erufungsbegründung lediglich seine Auffassung dar, das [X.]erufungsgericht habe den Rechtsstreit falsch entschieden.

7

2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz zuzulassen. Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.]undes oder des [X.]undesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung solcher Rechtssätze genügt den [X.] an eine [X.] nicht (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 21. Juni 1995 - 8 [X.] 61.95 - juris Rn. 5 und vom 18. März 2022 - 8 [X.] 49.21 - juris Rn. 3).

8

Diesen Anforderungen wird die [X.]egründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerecht. Sie erschöpft sich in einer Reihe wörtlicher Zitate aus dem Urteil des Senats vom 8. April 2003 - 8 C 14.02 - ([X.]VerwGE 118, 101) verbunden mit der Darlegung, das [X.]erufungsgericht überdehne die Anforderungen dieser Rechtsprechung. Damit wird kein vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellter, die angegriffene Entscheidung tragender Rechtssatz aufgezeigt, der im Widerspruch zu einem vom [X.]undesverwaltungsgericht aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift stünde. Der Sache nach macht der [X.]eigeladene zu 2 vielmehr geltend, das [X.]erufungsgericht habe die Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts falsch angewandt.

9

3. Schließlich ist die Revision auch nicht wegen eines [X.] zuzulassen. Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO verlangt, dass ein Verfahrensmangel des gerichtlichen Verfahrens in der von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO geforderten Weise geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann. Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert und schlüssig dargetan wird ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. Februar 2014 - 8 [X.] 65.13 - juris Rn. 19 m. w. N.). Eine Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs kann nur dann erfolgreich sein, wenn der Rechtsmittelführer alles ihm in der konkreten Situation Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um den Gehörsverstoß abzuwenden (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 295 Abs. 1 ZPO). Die hierfür maßgeblichen Umstände sind innerhalb der [X.]eschwerdebegründungsfrist substantiiert und nachvollziehbar darzulegen ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 12. Januar 2022 - 5 [X.] 8.21 - juris Rn. 16 m. w. N.).

Hieran gemessen ist der vom [X.]eigeladenen zu 2 gerügte Verstoß gegen die Gewährleistung rechtlichen Gehörs in Form einer Überraschungsentscheidung nicht schlüssig dargelegt.

Der [X.]eigeladene zu 2 trägt vor, dass der Gesichtspunkt einer Wahlbeeinflussung durch den Abdruck einer privaten Unterstützungsanzeige im Nachrichtenblatt der [X.]eigeladenen zu 1 nicht Gegenstand des Vortrags der [X.]eteiligten gewesen sei. Erst in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht seien die [X.]eteiligten über dessen Rechtsauffassung hierzu in Kenntnis gesetzt worden. Damit ergibt sich bereits aus dem [X.] des [X.]eigeladenen zu 2, dass er aufgrund des Hinweises im Verhandlungstermin mit der Feststellung eines weiteren Wahlfehlers in Form der - aus Sicht des [X.]erufungsgerichts unzulässigen - [X.] einer privaten Unterstützungsanzeige im Nachrichtenblatt der [X.]eigeladenen zu 1 rechnen musste. Darüber hinaus legt der [X.]eigeladene zu 2 nicht dar, dass ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht eine Reaktion auf den dargelegten Hinweis nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wäre es Sache des [X.]eigeladenen zu 2 gewesen, gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof darauf hinzuwirken, zu dem Hinweis Gelegenheit zur Stellungnahme - etwa in Form eines Schriftsatznachlasses - zu erhalten. Dass dies erfolgt wäre, ist dem [X.]eschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.

Auch soweit der [X.]eigeladene zu 2 rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe das für die [X.] der Anzeige maßgebliche Redaktionsstatut des Nachrichtenblatts der [X.]eigeladenen zu 1 falsch ausgelegt, legt er keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar. Der [X.]eigeladene zu 2 stellt insoweit lediglich die von ihm für richtig gehaltene Auslegung des Statuts der vom [X.]erufungsgericht vertretenen Auffassung gegenüber.

Im Übrigen könnte ein Verfahrensmangel im Zusammenhang mit der Feststellung eines Wahlfehlers wegen der [X.] der Unterstützungsanzeige im Nachrichtenblatt der [X.]eigeladenen zu 1, selbst wenn er vorläge, nicht zur Zulassung der Revision führen, weil das [X.]erufungsurteil nicht darauf beruhen kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Entscheidung selbständig tragend auf einen weiteren Wahlfehler gestützt, ohne dass der [X.]eigeladene zu 2 bezogen hierauf durchgreifende [X.] erhoben hätte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Dabei folgt der Senat der Empfehlung in Nr. 22.1.3 des [X.]s für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. vom 18. Juli 2013, die im Fall der Anfechtung einer Kommunalwahl durch einen Mitbewerber von einem Mindeststreitwert von 7 500 € ausgeht.

Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des [X.] für ihn ergebenden [X.]edeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. [X.]ei der Ausübung des Ermessens kommt es auf das objektiv zu beurteilende Interesse des [X.] an. Der Umfang der Sache, der Arbeitsaufwand des Gerichts sowie die wirtschaftliche Situation des [X.] können daher bei der Streitwertfestsetzung nicht berücksichtigt werden ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 15. September 2015 - 9 KSt 2.15 - [X.]uchholz 360 § 52 GKG Nr. 17 Rn. 3). Die [X.]edeutung der Sache für den Kläger ergibt sich regelmäßig auch aus seinem wirtschaftlichen Interesse (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 9. April 2003 - 7 KSt 4.03 - NVwZ-RR 2003, 904). Die Festsetzung des [X.] von 5 000 € nach § 52 Abs. 2 GKG kommt erst dann in [X.]etracht, wenn der Sach- und Streitstand für die [X.]estimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Das ist dann der Fall, wenn alle anderen Möglichkeiten zur [X.]estimmung ausgeschöpft wurden ([X.], in: [X.], Kostenrecht, 53. Aufl. 2023, § 52 GKG Rn. 19 m. w. N. zur Rspr).

Hier bestehen genügende Anhaltspunkte für die [X.]estimmung des Streitwerts. Neben dem vom Verwaltungsgerichtshof hervorgehobenen öffentlichen Interesse an der Einhaltung wahlrechtlicher Vorschriften besteht auch ein wirtschaftliches Interesse des [X.] am Ausgang der Wahl, da es sich bei dem angestrebten Amt des hauptamtlichen [X.]ürgermeisters um ein besoldetes Wahlamt handelt. Ausgangspunkt einer wirtschaftlichen [X.]etrachtung ist daher die zu erwartende [X.]esoldung. Wegen der [X.]esonderheiten der Wahl eines hauptamtlichen kommunalen Wahlbeamten, kommt allerdings eine Anlehnung an die für die [X.]egründung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnisses geltenden Regelungen zur Streitwertfestsetzung des § 52 Abs. 6 GKG nicht in [X.]etracht. Im Interesse einer einheitlichen und vorhersehbaren Handhabung der Streitwertfestsetzung ist für die Anfechtung einer Kommunalwahl durch einen Wahlbewerber in kleineren Kommunen - wie hier - jedenfalls der sich aus dem [X.] ergebende Mindestbetrag festzusetzen.

Da der Verwaltungsgerichtshof abweichend hiervon den [X.] gemäß § 52 Abs. 2 GKG festgesetzt hat, macht der Senat von seiner [X.]efugnis gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG Gebrauch und ändert die Streitwertfestsetzung für die Vorinstanzen entsprechend ab.

Meta

8 B 24/23

10.08.2023

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 24. Januar 2023, Az: 1 S 359/22, Urteil

§ 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 47 Abs 1 S 1 GKG, § 47 Abs 3 GKG, § 52 Abs 1 GKG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.08.2023, Az. 8 B 24/23 (REWIS RS 2023, 5726)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5726

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