Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2005, Az. IV ZR 255/04

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1592

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL [X.]/04

Verkündet am:

28. September 2005

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

[X.] Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und von [X.] der wirtschafts- und steuerberatenden Berufe

Wird der Versicherungsnehmer einer Haftpflichtversicherung (hier: Vermögensscha-denhaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte) im [X.] zum Schadens-ersatz wegen positiver Vertragsverletzung verurteilt, so ist das Gericht im Deckungs-prozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer daran gebunden und kann seiner Entscheidung keinen anderen [X.] zugrunde legen.

[X.], Urteil vom 28. September 2005 - [X.]/04 - [X.]

[X.]

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], [X.] und Dr. [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2005
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zi-vilsenats des [X.] vom 30. März 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgeho-ben, als das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 24. Juli 2003 im [X.] zu [X.] (Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 38.594,54 • nebst Zinsen) aufgehoben und die Klage in diesem Umfang abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Rechtsanwältin. Sie fordert von der Beklagten [X.] aus einer Vermögensschadenhaftpflichtversiche-rung. Dem Versicherungsvertrag liegen unter anderem die [X.] -

Bedingungen für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und von Angehörigen der wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe ([X.]-[X.], [X.]) der Beklagten zugrunde.

1. Mitte 1995 erwarb die spätere Mandantin der Klägerin, [X.], ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück. Bereits die Voreigentümer hatten der [X.]

(im Folgenden: Sparkasse) zur Sicherung von Krediten an dem Grundstück vier Aufbau-hypotheken ([X.], Ränge 1-4) bestellt. Neben der [X.] hielten auch noch eine Reihe weiterer Gläubiger Grundpfandrech-te an dem Grundstück. In der Nacht zum 25. Dezember 1995 brannte das Wohnhaus infolge von Brandstiftung vollständig aus.

[X.] des Anwesens war ebenfalls die Beklagte, bei der die Sparkasse im September 1996 ihre Aufbauhypotheken [X.].

Im August 1998 wurde die Klägerin von der Grundstückeigentüme-rin [X.]mit der Schadensabwicklung beauftragt. Dabei sollten [X.] alle Grundpfandgläubiger aus den erwarteten [X.] befriedigt werden; restliche Beträge sollte die Mandantin erhal-ten. Auf deren Vorschlag schloss die Klägerin im Oktober/November 1998 eine Treuhandvereinbarung mit der Sparkasse. Danach sollte die Klägerin die auf die Aufbauhypotheken entfallenden [X.] vom Versicherer ausgezahlt erhalten. Ferner wurde ihr von der Sparkasse eine Löschungsbewilligung für die vier Aufbauhypotheken zur Verfügung gestellt, die Klägerin verpflichtete sich, hiervon erst nach [X.] 4 - 4 -

terleitung der im einzelnen aufgeschlüsselten, auf die vier Aufbauhypo-theken entfallenden Beträge an die Sparkasse Gebrauch zu machen.

Fortan drängte die Mandantin bei der Beklagten als ihrem Gebäu-deversicherer nachdrücklich darauf, die [X.] für das abgebrannte Haus zu leisten und nach Vora[X.]efriedigung der Grund-pfandgläubiger den verbleibenden Restbetrag auf ihr privates Konto zu überweisen. Die Beklagte sah demgegenüber die besonderen Voraus-setzungen für den Ersatz des [X.]s nicht als erfüllt an, ver-anlasste am 7. Dezember 1998 jedoch die Überweisung von 55.031,94 DM auf das Kanzleikonto der Klägerin. Begleitend übersandte sie der Klägerin ein Fax, aus dem hervorging, dass neben Zahlungen an weitere sieben "Realrechtsgläubiger" die Überweisung des genannten Betrages an die Klägerin veranlasst worden sei und sich dieser aus Be-trägen von 9.177,08 DM, 22.500,68 DM, 7.784,56 DM und 15.439,62 DM für die vier Aufbauhypotheken und einer [X.] von 130 DM für die Klägerin zusammensetze. Das Schreiben schloss damit, dass weitere Zahlungen - insbesondere direkt an die Mandantin - bis zur Vorlage noch fehlender Nachweise über weitere Restforderungen, Abtretungen und Pfändungen noch nicht erbracht werden könnten.

Am 8. Dezember 1998 wurde der genannte Betrag wie angekündigt dem Konto der Klägerin gutgeschrieben, die Überweisung trug den be-gleitenden Vermerk "Eheleute [X.]". Am selben Tag teilte die [X.] der Klägerin per Fax mit, sie habe inzwischen dem Versicherer al-le noch fehlenden Nachweise sofort übersandt. Die Klägerin solle [X.] den Versicherer endlich unter Druck setzen, den Restbetrag "vom [X.]" zu zahlen. Sollte die Klägerin 55.000 DM vom [X.] 6 - 5 -

cherer erhalten haben, so möge sie diese per Blitzgiro sofort auf das pri-vate Konto der Mandantin überweisen. Das Geld werde dringend benö-tigt. Mit gleichem Ziel wurde die Klägerin in der Folgezeit auch mehrfach telefonisch bedrängt. Dabei behauptete die Mandantin unter anderem, sie habe inzwischen vom Versicherer telefonisch erfahren, dass das an die Klägerin überwiesene Geld ihr zustehe.

Am 11. Dezember 1998 überwies die Klägerin 49.816,16 DM per Blitzgiro auf das private Konto der Mandantin, wobei sie den Rest der 55.031,94 DM auf eigene Honorarforderungen (5.177,78 DM) und die Blitzgiro-Überweisungsgebühr (von 38 DM) verrechnet hatte. Noch am selben Tag wurde der gesamte Betrag dort abgehoben. Seither ist über den Verbleib des Geldes nichts bekannt.

2. Die Sparkasse erfuhr im Frühjahr 1999 von der Fehlleitung der für sie bestimmten 55.031,94 DM. Mit Schreiben vom 27. Mai 1999 for-derte sie Aufklärung von der Klägerin und erklärte, dass sie sich Re-gressansprüche vorbehalte. Daraufhin erstattete die Klägerin am 1. Juni 1999 eine Schadensmeldung an die Beklagte als ihrem Haftpflichtversi-cherer.

Am 28. September 1999 erhob die Sparkasse Klage gegen die jet-zige Klägerin auf Zahlung von 55.031,94 DM. Zwei Tage später [X.] diese der (jetzigen) Beklagten die Klagschrift des Haftpflichtpro-zesses.

In erster Instanz wurde die Klage der Sparkasse am 26. Januar 2000 abgewiesen. In zweiter Instanz trat die Beklagte als Gebäudeversi-7 8 9 10 - 6 -

cherer im Mai 2000 dem Rechtsstreit auf Seiten der Sparkasse bei. Mit Berufungsurteil vom 26. Oktober 2000 wurde die Klägerin vom Oberlan-desgericht zur Zahlung von 54.901,94 DM nebst Zinsen verurteilt, weil in der Fehlleitung des Geldes eine positive Verletzung des [X.] liege und die Klägerin bei der gebotenen Sachprüfung habe erken-nen können und müssen, dass die Überweisung der 55.031,84 [X.] der begleitenden Aufschlüsselung des Versicherers allein für die Sparkasse bestimmt gewesen sei.

3. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin wegen der ge-nannten Verurteilungssumme aus dem [X.] sowie Zinsen, Prozess- und Rechtsvertretungskosten Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 41.326,85 • (80.828,29 DM) von der Beklagten als ihrem Haftpflichtversicherer gefordert und daneben die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, weitere noch nicht bezifferbare [X.] zu ersetzen.

Die Beklagte hält sich für leistungsfrei. Es liege schon kein Versi-cherungsfall vor, weil die Klägerin der Sparkasse die Weiterleitung des Geldes nicht als Schadensersatz, sondern aufgrund des Erfüllungsan-spruchs aus dem Treuhandvertrag geschuldet habe. Gehe man dennoch von einem Schadensersatzanspruch der Sparkasse aus, folge die [X.] aus dem Risikoausschluss des § 4 Nr. 5 [X.]-[X.]. Die [X.] Weiterleitung des Geldes an die Mandantin sei in wissentli-cher Verletzung der Pflichten der Klägerin aus dem Treuhandvertrag ge-schehen. Schließlich habe die Klägerin gegen ihre Informations- und Schadensminderungsobliegenheiten aus § 5 II Ziff. 3 und 4 und [X.] Ziff. 1 [X.]-[X.] verstoßen, weil sie nach Klagerhebung im [X.] im 11 12 - 7 -

September 1999 mehr als ein Jahr lang keine Informationen über den Gang des Rechtsstreits an die Beklagte weitergeleitet habe.

Das [X.] hat die Beklagte unter Abweisung der Leistungs-klage im Übrigen zur Zahlung von 38.594,54 • verurteilt und festgestellt, dass sie verpflichtet sei, der Klägerin weitere, noch nicht bezifferbare Schäden aus dem [X.] zu bezahlen. Das [X.] hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der beschränkt eingeleg-ten Revision erstrebt die Klägerin lediglich die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit es dem [X.] stattgegeben hatte.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht hat - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt, es liege schon kein Versicherungsfall vor, weil die Zahlungspflicht der Klägerin gegenüber der Sparkasse nicht aus einem Schadensersatzanspruch, sondern aus einem originären Anspruch auf Erfüllung des [X.] folge, der vom Versicherungsschutz nicht erfasst werde. Die Klägerin habe im Treuhandvertrag die Verpflich-tung übernommen, vom Feuerversicherer wegen der Aufbauhypotheken an sie ausgezahlte Gelder an die Sparkasse weiterzuleiten. Diesen [X.] habe sie nicht erfüllt. [X.] fielen nur ausnahms-weise unter den Versicherungsschutz, wenn eine Fehlverfügung des 13 14 15 - 8 -

Rechtsanwalts über ein Anderkonto zugrunde liege. Das sei hier aber nicht der Fall, die Klägerin habe das Geld von einem Geschäftskonto ih-rer Kanzlei an die Mandantin überwiesen.

Darüber hinaus habe sie auch wissentlich gegen ihre Verpflichtun-gen aus dem Treuhandvertrag verstoßen. Insoweit greife der [X.] nach § 4 Ziff. 5 [X.] Vermögen/[X.] selbst bei Annahme ei-nes Schadensersatzanspruches der Sparkasse gegen die Klägerin. Als Rechtsanwältin habe der Klägerin klar sein müssen, dass [X.] bei Fehlen einer anders lautenden Weisung des leistenden Feuerversicherers vorrangig aus der Versicherungsleistung zu befriedi-gen seien. Aus dem die Überweisung begleitenden Fax des Versicherers sei eindeutig hervorgegangen, wofür der Geldbetrag von 55.031,94 DM bestimmt gewesen sei. Deshalb habe die Klägerin nicht annehmen [X.], das Geld sei für die Mandantin bestimmt gewesen. Auch die rechtli-che Bedeutung der mit der Sparkasse getroffenen Vereinbarung habe ihr klar sein müssen.

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Bereits die Annahme, ein Versicherungsfall liege nicht vor, weil die Klägerin der Sparkasse gegenüber nicht aufgrund eines Schadenser-satzanspruchs, sondern eines Erfüllungsanspruchs zur Zahlung ver-pflichtet gewesen sei, erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil das [X.] dabei die Bindungswirkung des Haftpflichturteils verkannt hat.
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a) In der Haftpflichtversicherung gilt das [X.]. Das [X.], das zwischen dem geschädigten [X.] und dem haftpflichtigen Versicherungsnehmer besteht, ist von dem Deckungsver-hältnis zwischen Versicherungsnehmer und Haftpflichtversicherer zu trennen. Grundsätzlich ist im [X.] zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer dem [X.] gegenüber haftet. Ob der Versicherer dafür eintrittspflichtig ist, wird im [X.] geklärt (ständige Rechtsprechung: [X.]Z 117, 345, 350; 119, 276, 278 m.w.N.; [X.], Urteile vom 20. Juni 2001 - [X.]/00 - VersR 2001, 1103 unter [X.]; vom 17. Juli 2002 - [X.]/01 - [X.], 1141 [X.]).

b) Notwendige Ergänzung des [X.]s ist die Bin-dungswirkung des Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungs-rechtsstreit. Die Bindungswirkung folgt nicht aus der Rechtskraft des Haftpflichturteils, da der Versicherer am [X.] nicht beteiligt ist. Vielmehr ist sie dem Leistungsversprechen, das der Haftpflichtversi-cherer dem Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag gegeben hat, zu entnehmen ([X.], Urteil vom 20. Juni 2001 aaO; [X.]Z 119, 276, 280 f.). Sie bedeutet, dass das Ergebnis des vorangegangenen Haft-pflichtprozesses für die Deckungsfrage verbindlich ist. Damit wird ver-hindert, dass die im [X.] getroffene Entscheidung und die ihr zugrunde liegenden Feststellungen im [X.] erneut über-prüft werden können und müssen ([X.], Urteil vom 20. Juni 2001 aaO; [X.]Z 117, 345, 350; 119, 276, 278 f. m.w.N.). Das Haftpflichturteil [X.] also im nachfolgenden [X.] Bindungswirkung jeden-falls insoweit, als es um den [X.] geht ([X.] aaO). Dieser umfasst die tatsächlichen Elemente, die der Tatrichter des Haftpflicht-19 20 - 10 -

prozesses der Haftung des Versicherungsnehmers zugrunde gelegt hat, ferner den dem Versicherungsnehmer anzulastenden Pflichtverstoß. Es ist deshalb im [X.] nicht mehr möglich, eine andere scha-densverursachende Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers [X.] zu legen als dies im [X.] geschehen ist ([X.], Urteile vom 20. Juni 2001 aaO und vom 17. Juli 2002 aaO). Anders als die Re-visionserwiderung meint, ergibt sich aus der Senatsrechtsprechung zur so genannten Voraussetzungsidentität (vgl. dazu [X.], Urteil vom 18. Februar 2004 - [X.]/02 - VersR 2004, 590 unter [X.] 1 und 2) nichts anderes. Denn die Frage nach dem [X.] erweist sich im [X.] immer als entscheidungserheblich in dem Sinne, dass sie nach dem im [X.] gegebenen [X.] für den nachfolgenden [X.] verbindlich geklärt werden soll.

c) Nachdem im Berufungsurteil des [X.]es eine [X.] Vertragsverletzung der Klägerin gegenüber der [X.] worden war, war das Gericht im [X.] daran gerade auch mit Blick auf den angenommenen [X.] gebunden. Dass auch Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung solche aus "gesetzli-chen Haftungsbestimmungen privatrechtlichen Inhalts" im Sinne von § 1 I 1 [X.]-[X.] sind, ist allgemein anerkannt (vgl. dazu [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 1 [X.] Vermögen [X.]. 1 mit Hinweis auf § 1 AHB [X.]. 3 ff. und insbes. [X.]. 5 m.w.N.). Für die Annahme, es feh-le an einem gesetzlichen Haftpflichtanspruch zur Begründung eines [X.] blieb danach kein Raum.
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2. Soweit das Berufungsgericht weiter meint, der Anspruch auf Versicherungsleistungen scheitere jedenfalls am Leistungsausschluss aus § 4 Ziff. 5 [X.]-[X.], da die Klägerin den Schaden durch eine wis-sentliche Pflichtverletzung verursacht habe, ist dies ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei begründet.

a) Allerdings steht die Bindungswirkung des Haftpflichturteils die-ser Annahme nicht entgegen.

Zwar ist der Klägerin dort nur angelastet worden, sie habe sich dem Drängen ihrer Mandantin entziehen und bei gebotener Sachprüfung die wahre Zweckbestimmung des an sie überwiesenen Geldes erkennen, notfalls Rückfrage beim Feuerversicherer und der Sparkasse halten müssen. Damit ist lediglich der Vorwurf einfacher, unbewusster Fahrläs-sigkeit erhoben. Das genügte aber auch für den [X.], denn ein Verschulden im Sinne von § 276 BGB - als Voraussetzung für die Haftung aus positiver Vertragsverletzung - setzte nicht die Feststellung voraus, die Klägerin sei sich der Pflichtwidrigkeit ihres Handelns bewusst gewesen (dazu, dass Vorsatz und Fahrlässigkeit einerseits und wissent-liche Pflichtverletzung andererseits sich nicht decken, vgl. auch [X.], [X.], 825, 826). Die Bindungswirkung reicht aber nur so weit, wie eine für die Entscheidung im [X.] maßgebliche Frage zu einzelnen Anspruchsvoraussetzungen sich auch im [X.] als entscheidungserheblich erweist ([X.], Urteil vom 18. Februar 2004 - [X.]/02 - VersR 2004, 590 unter [X.] 1 und 2; [X.] NJW-RR 2002, 1185, 1186). Die Frage nach einer wissentlichen Pflichtverletzung war für den [X.] nicht entscheidungserheblich, weil dort Fahrlässigkeit zur Haftungsbegründung ausreichte. 22 23 24 - 12 -

b) Eine wissentliche Pflichtverletzung, wie sie der [X.] des § 4 Ziff. 5 [X.]-[X.] voraussetzt, hat das Berufungsgericht aber nicht rechtsfehlerfrei dargelegt.

[X.] handelt nur derjenige Versicherte, der die verletzten Pflichten positiv kennt. [X.] Vorsatz, bei dem er die in Rede ste-hende Verpflichtung nur für möglich hält, reicht dafür ebenso wenig aus wie eine fahrlässige Unkenntnis. Es muss vielmehr feststehen, dass der Versicherte die Pflichten zutreffend gesehen hat ([X.], Urteile vom 26. September 1990 - [X.] - [X.], 176 unter 4 b, zu § 4 Nr. 6 S. 1 [X.]-[X.]; vom 5. März 1986 - [X.] - [X.], 647 unter 2 b, zu § 4 Nr. 5 [X.] Vermögen).

Eine solche Feststellung hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es erörtert nicht, inwieweit die Klägerin ihre vom Tatrichter des Haft-pflichtprozesses erst durch eine umfangreiche Auslegung des [X.] ermittelten mehrseitigen Verpflichtungen gegenüber der [X.], der Sparkasse und dem Versicherer wirklich überblickt hat. Es setzt sich weder mit der seinerzeit offensichtlichen beruflichen Unerfah-renheit der Klägerin noch mit der nahe liegenden Frage auseinander, welches Motiv sie gehabt haben sollte, wissentlich gegen die Verpflich-tung zu verstoßen, das erhaltene Geld an die Sparkasse weiterzuleiten. Stattdessen wird der Klägerin lediglich angelastet, als Rechtsanwältin habe ihr die rechtliche Bedeutung der getroffenen Vereinbarungen klar sein müssen und sie habe angesichts des klaren Inhalts des [X.] erläuternden Faxes des Versicherers auch nicht annehmen können, das erhaltene Geld sei für die Mandantin bestimmt. Damit ist [X.] 26 27 - 13 -

des nur der Vorwurf - möglicherweise auch grober - Fahrlässigkeit [X.], nicht aber positiv festgestellt, dass die Klägerin ihre [X.] zutreffend erkannt und sich bewusst darüber hinweggesetzt hat.

Auch im übrigen ist die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts lückenhaft, denn mit den Behauptungen der Klägerin, die Mandantin [X.] ihr gegenüber geäußert, der Versicherer sei inzwischen damit einver-standen, dass das Geld an sie weitergeleitet werde, sie sei davon irritiert gewesen, dass die Überweisung den Vermerk "Ehepaar [X.] " ge-tragen habe und ein Mitarbeiter der Beklagten ihr gegenüber telefonisch geäußert habe, die Mandantin und ihr Ehemann hätten noch circa 50.000 DM zu bekommen, setzt sie sich nicht ausreichend auseinander.

3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderem [X.] als richtig. Denn anders als die Beklagte meint, ist sie auch nicht in-folge einer Verletzung von Informationsobliegenheiten aus § 5 [X.]-[X.] leistungsfrei.

a) Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Klägerin ihre Oblie-genheit zur Anzeige der Anspruchserhebung durch die geschädigte Sparkasse binnen einer Woche (§ 5 II Ziff. 3 [X.]-[X.]) verletzt hat. Denn erstmals mit Schreiben vom 27. Mai 1999 hat die Sparkasse darauf [X.], dass sie sich Regressansprüche gegen die [X.]. Schon unter dem 1. Juni 1999 - und damit unverzüglich - schrieb die Klägerin eine Schadensmeldung an die Beklagte. Dass diese nicht [X.] einer Woche bei der Beklagten vorgelegen hätte, ist nicht vorgetra-28 29 30 - 14 -

gen. Insoweit kann offen bleiben, ob das Schreiben der Sparkasse schon ein ernstliches Geltendmachen des [X.] enthielt.

b) Ebenso wenig ist dargelegt, dass die Klägerin ihre Obliegenheit, unverzüglich die Klageerhebung gegen sie dem Versicherer zu melden (§ 5 II Ziff. 4 [X.]-[X.]), verletzt hätte. Am 28. September 1999 erhob die Sparkasse Klage gegen die damals beklagte jetzige Klägerin. Mit [X.] vom 30. September 1999 übersandte die Klägerin diese Klagschrift der Beklagten.

c) Die Beklagte meint, die Klägerin habe gegen die Obliegenheit aus § 5 [X.] Ziff. 1 [X.]-[X.] verstoßen, den Versicherer umfassend über den Schadensfall zu informieren, weil sie nach der Klagerhebung im [X.] mehr als ein Jahr lang keine Informationen über den weiteren Gang des Rechtsstreits an die Beklagte weitergeleitet habe. Auch damit kann die Beklagte jedoch keinen Erfolg haben.

Eine Leistungsfreiheit der Beklagten wegen Verletzung von [X.] kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die bei der Beklagten für die Haftpflichtversicherung zuständigen Mitarbeiter allen Anlass hatten, das bei der Gebäudeversicherung angefallene Wis-sen über den Fortgang des [X.]es zu erfragen, so dass die von der Beklagten als [X.] erlangten Kenntnisse ihr auch im Rahmen des Haftpflichtversicherungsverhältnisses zuzurechnen sind und ein darüber hinausgehender Informationsbedarf hier nicht mehr ge-geben war.
31 32 33 - 15 -

aa) Die Frage der wechselseitigen Wissenszurechnung hat den Senat bisher nur für konzernverbundene Unternehmen ([X.], Urteil vom 13. Dezember 1989 - [X.] - [X.], 258 unter 3) und für Unternehmen entschieden, die in einem [X.] eine gemeinsame Datensammlung unterhielten ([X.]Z 123, 224 ff.). Er hat ausgesprochen, dass in diesen Fällen eine Wissenszurechnung der Unternehmen unter-einander grundsätzlich nicht erfolgt, anderes aber dann gilt, wenn der Versicherer aufgrund von Angaben des Versicherungsnehmers einen konkreten Anlass hat, auf die ihm zugänglichen Daten des anderen [X.] oder der gemeinsamen Datensammlung zuzugreifen (Urteil vom 13. Dezember 1989 aaO; [X.]Z aaO S. 229).

[X.]) Diese Grundsätze lassen sich erst recht auf den vorliegenden Fall übertragen, in dem die Beklagte als [X.] und als Haftpflichtversicherer tätig geworden ist. Für die Beklagte als Haftpflicht-versicherer bestand schon seit der Schadensmeldung der Klägerin im Juni 1999 Anlass dazu, sich mit den für die Gebäudeversicherung zu-ständigen Mitarbeitern ins Benehmen zu setzen, um künftig die [X.] Informationen auszutauschen. Denn schon der Schadensmel-dung der Klägerin lag in Kopie das Schreiben der geschädigten [X.] vom 27. Mai 1999 bei, aus dem hervorging, dass es um eine Fehllei-tung einer Zahlung aus der Gebäudeversicherung durch die Klägerin ging, die Beklagte von der möglichen Pflichtverletzung der Klägerin also jedenfalls mittelbar mit betroffen war. Ein aufmerksamer Sachbearbeiter der Haftpflichtversicherung hätte aufgrund dieses Hinweises schon zu einem frühen Zeitpunkt erkennen können und müssen, dass der Gang der Auseinandersetzung um die Fehlleitung der Versicherungsleistung in 34 35 - 16 -

der Gebäudeversicherung für den Versicherungsfall in der Haftpflichtver-sicherung von Bedeutung war.

Erst recht bestand Anlass, auf das vorhandene Wissen zuzugrei-fen, nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 30. September 1999 der Beklagten die Klagschrift des [X.]es übersandt hatte, aus der die Rolle der Beklagten als [X.] in allen Einzelheiten hervorging. 36 - 17 -

4. Die Sache bedarf zur Prüfung einer wissentlichen Pflichtverlet-zung im Sinne von § 4 Ziff. 5 [X.]-[X.] neuer tatrichterlicher Verhand-lung. Sie war deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.] [X.] [X.]

[X.]

Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 24.07.2003 - 1 O 793/02 - [X.], Entscheidung vom 30.03.2004 - 25 U 4131/03 - 37

Meta

IV ZR 255/04

28.09.2005

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2005, Az. IV ZR 255/04 (REWIS RS 2005, 1592)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1592

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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