Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.07.2010, Az. II B 144/09

2. Senat | REWIS RS 2010, 4634

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Zum Begriff des "Wohnteils" i.S.d. § 2 Abs. 2b KraftStG - Kein Klärungsbedarf gegeben, wenn Rechtsfrage bereits beantwortet ist)


Leitsatz

NV: Außerhalb eines Kraftfahrzeugs belegene Flächen gehören nicht zum Wohnteil eines Fahrzeugs.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Halterin eines Fahrzeugs der Marke [X.], welches sie im März 2006 dergestalt umbaute, dass sie einen Kühlschrank mit Spülbecken und Wasserablauf sowie eine seitlich klappbare Halterung für einen [X.] einbaute. Seither verfügt das Fahrzeug zudem über eine Schlafgelegenheit (umbaubare hintere Sitzbank). Am hinteren Teil des Fahrzeugs lässt sich bei geöffneter Heckklappe ein Vorzelt anbringen, welches es erlaubt, die im Fahrzeugheck eingebaute [X.] und Kochgelegenheit zu nutzen. Das Fahrzeug hat nach dem Umbau ein zulässiges Gesamtgewicht von 2 805 kg und weist im Wohnteil eine geringere Stehhöhe als 170 cm auf.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) besteuerte das Fahrzeug mit Wirkung ab dem 15. März 2006 als "sonstiges Fahrzeug" und setzte die Kraftfahrzeugsteuer nach dem zulässigen Gesamtgewicht auf 172 € fest.

3

Mit [X.] vom 9. Juli 2007 stufte das [X.] das Fahrzeug rückwirkend ab dem 15. August 2005 als PKW ein und setzte die Kraftfahrzeugsteuer nach Maßgabe des Hubraums auf 401 € fest. Zur Erläuterung gab es an, dass sich die Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug nach § 9 Abs. 1 des [X.] (KraftStG) i.d.[X.] zur Änderung des [X.] vom 21. Dezember 2006 --3. KraftStÄndG-- ([X.], 3344) i.V.m. § 2 Abs. 2a KraftStG rückwirkend geändert habe.

4

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) hat entschieden, dass das Fahrzeug der Klägerin kein Wohnmobil i.S. des § 2 Abs. 2b KraftStG sei, weil es die erforderliche Stehhöhe von 170 cm an der Kochgelegenheit und an der [X.] nicht erreiche. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung liege nicht vor, weil das klägerische Fahrzeug auch ohne die gesetzliche Neuregelung als PKW zu besteuern gewesen wäre.

5

Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), die Erforderlichkeit einer Entscheidung des [X.] ([X.]) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O) sowie das Vorliegen eines [X.], auf dem die Vorentscheidung beruhe (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O), geltend.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Es liegen keine Revisionszulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 [X.]O vor.

7

1. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob unter den Begriff des "[X.]" in § 2 Abs. 2b KraftStG auch eine Fläche zu fassen ist, die außerhalb des Fahrzeugs im Bereich eines angebauten [X.] belegen ist, ist nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O klärungsbedürftig, weil sich die Antwort ohne Weiteres aus dem Wortlaut und dem Sinngehalt des Gesetzes ergibt und die Rechtslage daher eindeutig ist.

8

a) Nach § 2 Abs. 2b KraftStG gelten als Wohnmobile Fahrzeuge der [X.] mit besonderer grundsätzlich fest eingebauter Ausrüstung nach Anhang II Abschnitt A Nr. 5.1 der Richtlinie 70/156/[X.], wenn sie auch zum vorübergehenden Wohnen ausgelegt und gebaut sind, die Bodenfläche des [X.] den überwiegenden Teil der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs einnimmt und der Wohnteil eine Stehhöhe von mindestens 170 cm sowohl an der Kochgelegenheit als auch an der [X.] aufweist. Bereits aus diesem Wortlaut ergibt sich in Übereinstimmung mit der Einschätzung des [X.], dass sich der Begriff des [X.] auf die Fläche des Fahrzeugs selbst beziehen muss. Dies folgt bereits aus der Formulierung, dass "die Bodenfläche des [X.] den überwiegenden Teil der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs" einnehmen muss. Dadurch, dass der Gesetzgeber auf die Nutzfläche "des Fahrzeugs" abstellt, macht er deutlich, dass außerhalb des Fahrzeugs belegene Flächen nicht in die Betrachtung mit einbezogen werden dürfen.

9

b) Die vorgenannte Auslegung ist auch durch den Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2b KraftStG gedeckt. Denn der Gesetzgeber wollte durch die Vorschrift die dort genannten echten Wohnmobile von kleineren, sog. unechten [X.] abgrenzen. Dies beruht auf der Erwägung, dass Fahrzeuge, die etwa auf den [X.] von Kleinbussen, Geländewagen oder Mehrzweck- und Kombinationskraftfahrzeugen basieren, regelmäßig nur einzelne Beschaffenheitskriterien eines Wohnmobils erfüllen, weshalb sie der Besteuerung als PKW unterworfen werden sollten, soweit sie nicht die in § 2 Abs. 2b KraftStG genannten Tatbestandsmerkmale erfüllen (vgl. zur Gesetzesbegründung die Nachweise bei Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 2 Rz 7e). Würde man bezogen auf die danach erforderliche Stehhöhe auch Flächen einbeziehen, die außerhalb des Fahrzeugs belegen und nur durch ein Vorzelt mit diesem verbunden sind, so würde der genannte Abgrenzungszweck des § 2 Abs. 2b KraftStG verfehlt.

c) Soweit die Klägerin im Übrigen die Frage aufgeworfen hat, ob die durch das [X.] mit Rückwirkung auf den 1. Januar 2006 geschaffenen Neuregelungen für die Wohnmobilbesteuerung (§ 2 Abs. 2b [X.]. § 18 Abs. 5 KraftStG) gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen, ist diese Frage durch [X.]-Urteil vom 24. Februar 2010 II R 44/09 ([X.], 649, [X.], 1204) geklärt. Der [X.] hat eine unzulässige Rückwirkung verneint, weil die genannten Änderungen ausschließlich begünstigende Wirkung haben. Damit fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage (vgl. [X.]-Beschluss vom 4. Mai 1999 IX [X.]/99, [X.]E 188, 395, [X.] 1999, 587).

2. Angesichts der Tatsache, dass die Rechtslage somit eindeutig bzw. geklärt ist, fehlt es auch i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O an der Erforderlichkeit einer Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts.

3. Soweit die Klägerin rügt, das [X.] habe unter Verstoß gegen § 76 Abs. 1 [X.]O ihren Vortrag nicht berücksichtigt, dass die Fahrzeugausrüstung Einrichtungen zur Unterbringung von Gepäck und sonstigen Gegenständen umfasste, fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit. Bei der Prüfung, ob ein erheblicher Verfahrensfehler vorliegt, ist der materiell-rechtliche Standpunkt des [X.] zugrunde zu legen (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 96). Das [X.] hat seine Entscheidung auch darauf gestützt, dass die nach § 2 Abs. 2b KraftStG im Fahrzeug erforderliche Stehhöhe nicht erreicht werde. Danach hätte das Urteil des [X.] auch dann nicht anders ausfallen können, wenn es den Vortrag der Klägerin berücksichtigt hätte.

Meta

II B 144/09

20.07.2010

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 19. August 2009, Az: 14 K 165/08, Urteil

§ 2 Abs 2b KraftStG 2002 vom 21.12.2006, § 18 Abs 5 KraftStG, Anh 2 Abschn A Nr 5.1 EWGRL 156/70, § 76 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.07.2010, Az. II B 144/09 (REWIS RS 2010, 4634)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4634

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II R 40/09 (Bundesfinanzhof)

Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Neuregelung der Besteuerung von Wohnmobilen über 2,8 t


II S 32/09 (Bundesfinanzhof)

Kein Verfassungsverstoß wegen unterschiedlicher Besteuerung von echten und unechten Wohnmobilen


II R 44/09 (Bundesfinanzhof)

Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Neuregelung der Besteuerung von Wohnmobilen über 2,8 t


II R 31/10 (Bundesfinanzhof)

Keine Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer für ausschließlich zum Wegebau verwendete Fahrzeuge einer Anstalt des öffentlichen …


II B 136/12 (Bundesfinanzhof)

Neuregelung der Kraftfahrzeugsteuer für drei- und leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge ab 1. Juli 2010


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.