Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2015, Az. 4 StR 152/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 5111

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

BES[X.]HLUSS
4 StR 152/15

vom
22. September
2015
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen Erpressung u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und der
Beschwerdeführer am 22.
September
2015
gemäß §
349 Abs.
2 und 4, § 357 Satz 1 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revisionen der Angeklagten [X.].

und B.

wird
das Urteil des
[X.] Magdeburg vom 13.
Novem-ber
2014

auch soweit es die Mitangeklagte [X.]

betrifft

mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit die Angeklagten im Fall
II.2 der Urteilsgründe ver-urteilt sind,
b)
bei den Angeklagten [X.].

und [X.]

in den Gesamt-
strafenaussprüchen,
c)
soweit bei dem Angeklagten [X.].

von der Anordnung
der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgese-hen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und
Entscheidung, auch über die Kosten der [X.], an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
2.
Die weiter gehende Revision
des Angeklagten [X.].

wird

verworfen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten [X.].

wegen Betrugs und Erpres-
sung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, den Angeklagten B.

wegen Erpressung in Tateinheit mit [X.]omputerbetrug zu
einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten und die nicht [X.] Mitangeklagte [X.]

wegen Beihilfe zum Betrug und zur Erpressung zu
einer Gesamtgeldstrafe von 150
Tagessätzen zu je 50
Euro verurteilt. Die Revi-sionsführer wenden sich gegen ihre Verurteilungen jeweils mit einer Verfah-rensrüge und der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel des Angeklagten B.

hat in vollem Umfang, das Rechtsmittel des Angeklag-
ten [X.].

in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten [X.].

ist offensichtlich unbe-
gründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Die Verurteilung der Angeklagten wegen einer in Mittäterschaft be-gangenen Erpressung im Fall
II.2 der Urteilsgründe kann nicht bestehen blei-ben, weil die von der [X.] angenommene Gewaltanwendung nicht festgestellt ist.
a)
Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte [X.].

über [X.]-
plattformen, auf denen sexuelle Kontakte zwischen Männern und Frauen verab-redet
wurden, Verbindung zu Männern auf, um diese bei vereinbarten Treffen um Geld oder Wertgegenstände zu bringen. Dabei fungierte die Mitangeklagte
[X.]

Einige Zeit vor dem 8.
November 2012 lernte der
Angeklagte [X.].

auf
diesem Weg den Geschädigten

Ba.

kennen, der Kontakt zu Frauen
1
2
3
4
-
4
-
suchte, um mit ihnen gegen Entgelt den Geschlechtsverkehr auszuüben. Bei einem von

Ba.

zu diesem Zweck in seiner Wohnung vereinbarten Ter-
min erschien der Angeklagte [X.].

anstelle der erwarteten Partnerin an der
Wohnungstür. Dabei verfolgte er die Absicht,

Ba.

einzuschüchtern und
gegebenenfalls Geld oder andere Wertgegenstände unter dem Vorwand mitzu-nehmen, dies als Entschädigung
für eine vermeintlich unlautere Verabredung zum Sex im [X.] verlangen zu können. Dementsprechend überschüttete er

Dabei [X.] er

Ba.

auch am Kragen, schüttelte ihn und sagte ihm, dass er sich
nicht noch einmal dabei erwischen lassen solle. In der Folge brachte der Ange-klagte [X.].

das Fahrrad des Geschädigten Ba.

an sich und vermochte ihn
bei weiteren Kontakten dazu zu veranlassen, ihm Dieselkraftstoff auszuhändi-wdem Angeklagten [X.].

erstattete der Geschädigte Ba.

keine Anzeige.
Am 17.
November 2012 verabredete der Geschädigte Ba.

über eine
einschlägige [X.]plattform für 19.00
Uhr ein Treffen mit einer vermeintlichen

.

-
rum die Anklagten [X.]

und [X.].

. Der Angeklagte [X.].

sah in dem ver-
einbarten Treffen die [X.]hance, Ba.

erneut in seiner Wohnung aufzusuchen, ihn
einzuschüchtern und Geld oder Wertgegenstände an sich zu bringen. Darüber hinaus kam er mit dem Angeklagten B.

überein, bei dieser Gelegenheit in
die Wohnung des Geschädigten Ba.

einzudringen und über dessen [X.]omputer
mit den Kreditkartendaten des

[X.].

, die der Angeklagte B.

zuvor anlässlich des [X.] von dessen Kreditkarte unbefugt fotografisch gesichert hatte, Bestellungen über das [X.] vorzunehmen. [X.] war dabei 5
-
5
-
bewusst, dass Ba.

aufgrund der auch schon in der Vergangenheit gezeigten
Angst keine große Gegenwehr leisten würde.
Entsprechend dem gemeinsamen [X.] traf sich die Mitangeklagte
[X.]

zu dem vereinbarten Termin mit dem Geschädigten Ba.

und ging mit
ihm in dessen Wohnung. Die
Angeklagten B.

und [X.].

stellten sich un-
terdessen vor der
Wohnungstür
auf. Als der Geschädigte auf Veranlassung der
Mitangeklagten
[X.]

nochmals seine Wohnungstür öffnete, stürmten die An-
geklagten B.

und [X.].

direkt in die Wohnung. Dabei herrschte der Ange-
klagte [X.].

-

r Folge forderte der Angeklagte [X.].

den Geschädigten auf, sich auf ein Sofa
zu setzen, während sich der Angeklagte B.

und die Mitangeklagte [X.]

in der Wohnung umsahen. Im weiteren Verlauf veranlasste der Angeklagte
[X.].

den Geschädigten
dazu, einen Finger auf den Tisch zu legen. Anschlie-
ßend ließ er sich ein Messer reichen und deutete Schneidebewegungen an, um sich über den bereits eingeschüchterten
Geschädigten lustig zu machen.
Der Angeklagte B.

bestellte über den [X.]omputer des Geschädigten,
der auf Befragen sein Passwort genannt hatte, bei dem [X.]händler A.

eine Regenjacke (Kaufpreis: 229,75
Euro) und ein Alarmsystem (Kaufpreis: 275,95 Euro). Dabei gab er die Kreditkartendaten des

[X.].

an.
Nachdem der Angeklagte B.

einen Kontoauszug des Geschädigten gefun-
den hatte, verließen die Angeklagten [X.].

und B.

mit dem Geschädigten
die Wohnung, um mit dessen E[X.]-Karte das gesamte Geld von seinem Konto abzuheben. Tatsächlich hob der eingeschüchterte Geschädigte in der Folge 500
Euro von seinem Konto ab. 100
Euro erhielt die Angeklagte [X.]

, die
restlichen 400
Euro teilten die Angeklagten B.

und [X.].

unter sich auf.
6
7
-
6
-
Außerdem nahm der Angeklagte [X.].

dem Geschädigten im Verlauf des
Abends noch dessen Mobiltelefon ab. Die von dem Angeklagten B.

bestell-
ten Waren wurden an die Adresse des Geschädigten ausgeliefert und von [X.] an den Angeklagten [X.].

(Alarmanlage) und den Angeklagten B.

(Regenjacke) weitergegeben. Der Kaufpreis wurde zunächst bei dem Kreditkar-teninhaber

[X.].

abgebucht und nach dessen Protest von der
Firma A.

wieder seinem Konto gutgeschrieben.
Die [X.] ist von einer mit Gewalt verübten Erpressung durch alle drei Angeklagten ausgegangen. Das Nötigungsmittel der Gewalt sei in dem überraschenden Eindringen der Angeklagten B.

und [X.].

in die Woh-
nung des Geschädigten zu sehen. Dieses Nötigungsmittel sei in der Absicht angewendet worden, unter Ausnutzung der dadurch für den Geschädigten ent-stehenden Zwangslage dessen Wohnung nach stehlenswerten Gegenständen durchsuchen und von dessen P[X.] aus Bestellungen vornehmen zu können. [X.] seien die Angeklagten davon ausgegangen, dass sich der Geschädigte aus Angst nicht wehren würde und hätten diese Angst ausgenutzt.
b)
Diese Feststellungen tragen die Annahme einer mit Gewalt verübten Erpressung nicht.
aa)
Gewalt setzt auch beim [X.] die Entfaltung von

nicht notwendig erheblicher

Körperkraft durch den Täter voraus, die einen unmittelbar oder mittelbar auf den Körper eines anderen wirkenden Zwang aus-übt, der nach der Vorstellung des [X.] geeignet ist, einen geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden oder auszuschließen (vgl. [X.], [X.] vom 20.
Juli 1995

1
StR
126/95, [X.]St 41, 182, 185; Beschluss vom 8
9
10
-
7
-
27.
Juli 1995

1
StR
327/95, [X.], 592
f. [jeweils zu §
240 StGB]; [X.] in: MüKoStGB, 2.
Aufl., §
253 Rn.
4; [X.]/[X.], 2.
Aufl.,
§
253 Rn.
4).
bb)
Ein von einer Kraftentfaltung der Angeklagten ausgehender unmittel-bar oder mittelbar auf den Körper des Geschädigten einwirkender Zwang lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Soweit die Angeklagten [X.].

und
B.

direkt in die Wohnung des Geschädigten gestürmt sind, ist nicht er-
kennbar, dass es dabei zu einer Zwangswirkung auf dessen Körper gekommen ist. Allein das resolute Auftreten des Angeklagten [X.].

und seine verbale Be-

einer Gewaltanwendung gegen den Geschädigten gekommen war, begründen noch nicht die Annahme eines aktuell auf den Körper des Geschädigten ein-wirkenden Zwangs. Da auch das Nötigungsmittel der Drohung im Sinne des §
253 Abs.
1 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht nicht hinreichend fest-gestellt und belegt ist, bedarf die Sache daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
2.
Die Aufhebung erfasst auch die an sich rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten B.

wegen [X.]omputerbetrugs gemäß §
263a
StGB. Da der aufgezeigte Rechtsfehler im Fall II.2 der Urteilsgründe auch die Verurteilung
der
Mitangeklagten [X.]

wegen Erpressung
betrifft, war die Auf-
hebung nach §
357 Satz
1 StPO insoweit auf sie zu erstrecken. Dadurch verliert sowohl bei dem
Angeklagten [X.].

als auch bei der Angeklagten [X.]

der
[X.] seine Grundlage.
Das Urteil war hinsichtlich des Angeklagten [X.].

schließlich auch in-
soweit aufzuheben, als das [X.] die Anordnung einer Maßregel nach §
64 StGB abgelehnt hat. Denn die [X.] hat ihre Entscheidung mit dem 11
12
13
-
8
-
Fehlen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem festgestellten Hang und den von ihr angenommenen Taten begründet. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass im zweiten Rechtsgang in Bezug auf die aufge-hobene Tat Feststellungen getroffen werden, die eine Unterbringungsanord-nung rechtfertigen.
3.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
a)
Eine Erpressung kann auch durch Drohung mit einem empfindlichen Übel begangen werden (§
253 Abs.
1 StGB). Dabei kann ein schlüssiges Han-deln ausreichend sein, wenn
der Täter das angedrohte empfindliche Übel durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht (vgl. [X.], Urteil vom 11.
März 2015

2
StR
323/14, [X.], 461). Besteht das konkludent ange-drohte empfindliche Übel in unmittelbar drohenden körperlichen Übergriffen und damit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben, kann eine räuberische Erpressung gemäß §§
253, 255 StGB
gegeben sein. Darauf, ob der Täter die Drohung erforderlichenfalls auch verwirklichen will, kommt es nicht an (vgl. [X.], Beschluss vom 18.
März 2015

3
StR
595/14, [X.], 213).
b)
Bei der Entscheidung, ob eine ([X.] von mehr als einem Jahr zur Bewährung ausgesetzt werden kann, muss grundsätzlich [X.] geprüft werden, ob zu erwarten steht, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die [X.] keine Straftaten mehr begehen wird (§
56 Abs.
1 Satz
1 StGB). Erst wenn dies bejaht werden kann, darf in die Prüfung der Frage einge-treten werden, ob auch besondere Umstände im Sinne des §
56 Abs.
2 Satz
1 StGB vorliegen. Dabei können dann auch Gesichtspunkte herangezogen wer-den, die bereits für die Prognose nach §
56 Abs.
1 StGB von Bedeutung gewe-14
15
16
-
9
-
sen sind. Es ist rechtsfehlerhaft, besondere Umstände im Sinne des §
56 Abs.
2 Satz
1 StGB zu verneinen, ohne sich zuvor mit der Frage zu befassen, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose nach §
56 Abs.
1 Satz
1 StGB zu stellen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 6.
August 2014

2
StR
255/14, Rn.
4; [X.] vom 28.
August 2012

3
StR
305/12, [X.], 85).
c)
Nach §
246a Satz
2 StPO ist ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und seine [X.] zu vernehmen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommt und deshalb eine Anordnung dieser Maßregel konkret zu erwägen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
September 2011

4
StR
434/11, [X.], 463, 464 mwN).
Sost-Scheible
[X.]ierniak
Franke

Bender
Quentin
17

Meta

4 StR 152/15

22.09.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2015, Az. 4 StR 152/15 (REWIS RS 2015, 5111)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5111

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 152/15

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