Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2024, Az. II ZB 19/22

2. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1043

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Bestimmung des Geschäftswerts der notariellen Beurkundung der Übertragung eines Geschäftsanteils an gemeinnütziger GmbH


Leitsatz

Der Geschäftswert der notariellen Beurkundung der Übertragung eines Geschäftsanteils an einer gemeinnützigen GmbH bestimmt sich nach dem Eigenkapital der Gesellschaft im Sinne von § 266 Abs. 3 HGB, das auf den Anteil entfällt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des 19. Zivilsenats des [X.] vom 1. August 2022 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 1 ist eine gemeinnützige GmbH, mit einem Stammkapital in Höhe von 25.600 € und einem bilanziellen Eigenkapital in Höhe von 36.642.917,35 €.

2

Mit notarieller Urkunde des Beteiligten zu 2 vom 8. Dezember 2019(UR-Nr. 1864/2019 Z) wurden zwei von fünf auf denselben Nennwert lautende Geschäftsanteile unentgeltlich übertragen. Die anfallenden Kosten sollte die Beteiligte zu 1 tragen. Der Beteiligte zu 2 berechnete der Beteiligten zu 1 für das Beurkundungsverfahren Kosten in Höhe von 34.564,98 €. Als Geschäftswert setzte er 40 % des Eigenkapitals der Beteiligten zu 1 an.

3

Die Beteiligte zu 1 als Kostenschuldnerin hat Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und den für die Kostenberechnung für das Beurkundungsverfahren zugrunde gelegten Geschäftswert beanstandet. Das [X.] hat die Kostenberechnung bestätigt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt die Beteiligte zu 1 die Aufhebung der Entscheidung des [X.] und die Herabsetzung der Kostenberechnung des Beteiligten zu 2 vom 7. Januar 2020 auf 248,35 € brutto.

II.

4

Das Beschwerdegericht ([X.], GmbHR 2023, 35) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

5

Da es sich bei der Beteiligten zu 1 um eine Kapitalgesellschaft handele, greife für die [X.] § 54 Satz 1 [X.] ein. Danach bestimme sich der Wert nach dem Eigenkapital der [X.] entfalle. Entscheidend für die Ermittlung des [X.] sei der Wert des Geschäftsanteils selbst und nicht, welche Rechte dem einzelnen Gesellschafter hieraus nach dem Gesellschaftsvertrag zustünden. Es komme daher weder auf den Anteil der Gesellschafter am Gewinn noch auf deren Anteil am Liquidationserlös an. Gegebenenfalls sei zu prüfen, ob Anhaltspunkte für einen höheren Wert vorlägen. Dies gelte indes nicht für einen geringeren Wert, denn § 54 Satz 1 [X.] regele einen Mindestwert.

III.

6

Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte und auch im Übrigen gemäß § 129 Abs. 2, § 130 Abs. 3 [X.], § 70 Abs. 1, § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beschluss des [X.] hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Die Heranziehung des [X.] in Höhe von insgesamt 14.657.166,94 € ist rechtlich nicht zu beanstanden.

7

1. Der Geschäftswert der notariellen Beurkundung der Übertragung eines Geschäftsanteils an einer gemeinnützigen GmbH bestimmt sich nach dem Eigenkapital der [X.], das auf den Anteil entfällt (§ 97 Abs. 1, § 54 Satz 1 [X.]).

8

a) Ob § 54 Satz 1 [X.] auch auf eine gemeinnützige GmbH Anwendung findet, ist streitig. Eine Meinung geht wie das Beschwerdegericht davon aus, dass nach der Regelung des § 54 Satz 1 [X.] bei der Bewertung von Geschäftsanteilen an einer gemeinnützigen GmbH ein Abschlag nicht veranlasst ist ([X.], [X.] 2023, 73 f.; [X.], [X.] 2018, 158, 159; [X.] in [X.][X.], GmbHG, 21. Aufl., § 15 Rn. 52; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], 4. Aufl., [X.] § 54 Rn. 20; [X.]/[X.], 22. Aufl., [X.] § 54 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.] Gerichts- & Notarkosten-Kommentar, 3. Aufl., § 54 Rn. 25; [X.] Kostenrecht/Neie, Stand: [X.], § 54 [X.] Rn. 1; [X.]/Kawell, Kostenrecht, 53. Aufl., § 54 [X.] Rn. 1; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand: Januar 2023, § 54 Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 3. Aufl., § 36 Rn. 89; [X.] Notarhandbuch/[X.]/[X.], 6. Aufl., Teil 5 Kap. 9 Rn. 84; [X.], [X.] Kostenspiegel, 3. Aufl., Rn. 21.847 ff.; Notarkasse, Streifzug durch das [X.], 13. Aufl., Rn. 1265; [X.], [X.] 2018, 306, 307; [X.], [X.] 2020, 193, 209; [X.]/Strauß, [X.] 2023, 583, 593; [X.], notar 2018, 271, 282; [X.], notar 2023, 225, 228 f.). Anderer Auffassung zufolge soll es auch nach der gesetzlichen Neuregelung in § 54 [X.] möglich sein, als Geschäftswert den Nominalbetrag des Geschäftsanteils anzusetzen ([X.] in [X.]/[X.], [X.], § 54 Rn. 20; [X.] in [X.]/[X.]/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 54 [X.] Rn. 15; [X.]/[X.]/[X.], Praxis des Handelsregister- und Kostenrechts, 7. Aufl., Rn. 3272 f.).

9

b) Die erstgenannte Auffassung ist richtig. § 54 Satz 1 [X.] gilt auch für eine gemeinnützige GmbH.

Der Wortlaut der Vorschrift unterscheidet nicht zwischen den mit der Kapitalgesellschaft verfolgten Zielen und umfasst daher individual- und gemeinnützige Kapitalgesellschaften gleichermaßen. Bei diesem Befund bedeutete der Ausschluss gemeinnütziger Kapitalgesellschaften vom Anwendungsbereich der Vorschrift eine teleologische Reduktion. Deren Voraussetzungen lassen sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht feststellen.

aa) Eine teleologische Reduktion kommt in Betracht, wenn der Wortlaut einer Norm mit Blick auf ihren Zweck zu weit gefasst ist. Sie setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ob eine solche Lücke vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen ([X.], Urteil vom 13. November 2001 - [X.], [X.]Z 149, 165, 174; Beschluss vom 20. Januar 2005 - [X.] 134/04, NJW 2005, 1508, 1510; Urteil vom 26. November 2008 - [X.], [X.]Z 179, 27, 35; Urteil vom 30. September 2014 - [X.], [X.]Z 202, 302 Rn. 13; Urteil vom 14. August 2019 - [X.], [X.]Z 223, 57 Rn. 10; Urteil vom 7. April 2021 - [X.], NJW 2021, 2281 Rn. 36; Urteil vom 21. Februar 2022- VIa ZR 8/21, [X.], 731 Rn. 57; Beschluss vom 28. Juni 2022 - [X.], [X.], 1595, 1596 Rn. 12). Eine solche Regelungslücke kann sich auch aus der weiteren Rechtsentwicklung ergeben ([X.] 88, 145, 167; [X.], Beschluss vom 28. Juni 2022 - [X.], [X.], 1595, 1596 Rn. 12).

bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes ist nicht anzunehmen. Damit fehlt es an einer Rechtfertigung für eine teleologische Reduktion. Diese ist wegen der Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG, § 1 GVG) nur gerechtfertigt, wenn ihre Voraussetzungen belegt sind ([X.], Beschluss vom 28. Juni 2022 - [X.], [X.], 1595, 1596 Rn. 13).

(1) Der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers spricht gegen eine planwidrige Regelungslücke.

Bei der Ermittlung des Werts von Beteiligungen und Anteilen an Gesellschaften kannte die Kostenordnung keine besondere Regelung für den Fall, dass der Wert nicht feststand. Der Gesetzgeber wollte daraus resultierenden Bewertungsschwierigkeiten abhelfen und hat mit § 54 [X.] eine besondere Bewertungsvorschrift für Anteile an Kapitalgesellschaften und für [X.] geschaffen, die an das Eigenkapital im Sinne von § 266 Abs. 3 HGB anknüpft und die in dieser Norm unter A benannten Positionen ausdrücklich aufzählt. Hierbei hat er in Kauf genommen, dass mit der gewählten Anknüpfung an das bilanzielle Eigenkapital häufig nicht der für die Kostenberechnung nach dem [X.] gebotene, eher am Verkehrswert orientierte Wert erfasst wird ([X.] eines [X.] des Kostenrechts, BT-Drucks. 17/11471 (neu) Seite 172 f.).

Der Gesetzgeber hat sich demnach bewusst für eine Bewertungsschwierigkeiten vermeidende, gerade nicht am Verkehrswert orientierte pauschale, aber vereinfachte und praktikable Wertermittlung entschieden und hierbei in Kauf genommen, dass dieser Wert (Eigenkapital) nicht dem für eine notarielle Kostenberechnung an sich gebotenen Wert entspricht (vgl. KG, [X.], 406). Die Begründung der Ausnahmen in § 54 Satz 2 und 3 [X.] zeigt zudem, dass der Gesetzgeber nur in den Fällen zu dem für die Bemessung des [X.] nach dem [X.] regelmäßig maßgeblichen Verkehrswert zurückkehren wollte, in denen sich daraus ein höherer Geschäftswert ergibt, als es bei der Anknüpfung an das bilanzielle Eigenkapital der Fall wäre. In dieser Konsequenz wird in § 54 Satz 1 [X.] auf das bilanzielle Eigenkapital dann abgestellt, wenn keine genügenden Anhaltspunkte für einen höheren Wert von Anteilen bestehen. Eine niedrigere als durch das bilanzielle Eigenkapital bestimmte Bewertung bei der Übertragung von Geschäftsanteilen an einer gemeinnützigen GmbH würde diesem eindeutigen Willen des Gesetzgebers entgegenstehen.

Da unter dem Regime der Kostenordnung umstritten war, ob Geschäftsanteile an einer gemeinnützigen GmbH nach dem Nennwert oder nach ihrem anteiligen Wert am Reinvermögen, gegebenenfalls mit einem Abschlag, zu bewerten waren (vgl. [X.]/[X.], [X.] Gerichts- & Notarkosten-Kommentar, 3. Auflage, § 54 Rn. 25 mwN), liegt es fern, dass der Gesetzgeber bei der Novellierung des Kostenrechts die Möglichkeit der Erstreckung der Vorschrift auch auf gemeinnützige Kapitalgesellschaften übersehen hat.

(2) Die in § 91 Abs. 2 [X.] enthaltene Beschränkung der Gebührenermäßigung auf Körperschaften, Vereinigungen und Stiftungen, die ausschließlich und unmittelbar mildtätige oder kirchliche Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verfolgen, entspricht inhaltlich dem zuvor geltenden § 144 Abs. 2 [X.], mit dem der Gesetzgeber wiederum auf eine Entscheidung des [X.] vom 1. März 1978 reagierte, welche die Vorgängerregelung (§ 144 Abs. 3 [X.] idF vom 28. August 1969, [X.]) teilweise für nichtig erklärte.

Das [X.] hielt die weiter gefasste Pflicht zur Gebührenermäßigung für unvereinbar mit der Berufsausübungsfreiheit der Notare (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG; [X.] 47, 285 ff.), weil eine Ermäßigungspflicht aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt und den Notaren zumutbar sein müsste und der Gesetzgeber dies unter Ermittlung der Einkommensauswirkungen für die Notare konkret zu prüfen habe ([X.] 47, 285 ff.). Diesen Vorgaben wollte der Gesetzgeber gerecht werden und die Gebührenvergünstigung in einem engen, den Notar möglichst wenig belastenden Rahmen halten (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 20. April 1989, BT-Drucks. 11/4394, Seite 10 f.; Gesetzesentwurf des Bundesrates vom 19. Mai 1988, BT-Drucks. 11/2343, Seite 10 f.). Angesichts dessen war der sachliche und persönliche Geltungsbereich der Gebührenermäßigung in der anschließenden Neuregelung des § 144 [X.] abschließend geregelt worden. Eine Ausdehnung der Regelung auf die weit gefasste Verfolgung gemeinnütziger Zwecke im Sinne der Abgabenordnung kommt nicht in Betracht, da dies dem erklärten Ziel des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Juni 2013 - [X.]/12, NJW-RR 2014, 183 Rn. 8 f.).

Die in § 144 Abs. 2 [X.] und § 91 Abs. 2 Nr. 1 [X.] getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung, u.a. gemeinnützige Vereinigungen nicht gebührenmäßig zu privilegieren, legt nahe, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des § 54 Satz 1 [X.] eine Differenzierung zu gemeinnützigen Kapitalgesellschaften nicht vornehmen wollte. Dass der Gesetzgeber im Lichte der zitierten Entscheidung des [X.] eine Ausdehnung der Gebührenermäßigung auf gemeinnützige Körperschaften, Vereinigungen und Stiftungen für nicht angezeigt hielt, spricht dafür, dass er auch eine privilegierende Wertfestsetzung bei der Übertragung von Anteilen an einer gemeinnützigen Kapitalgesellschaft nicht begründen wollte.

cc) Schließlich teilt der Senat die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht, die von der Rechtsbeschwerde für eine einschränkende Auslegung des § 54 Satz 1 [X.] angeführt werden. Die Verkehrsfähigkeit der übertragenen Anteile ist bereits deshalb nicht eingeschränkt, weil die [X.] der Anteile übernimmt.

[X.]     

      

Wöstmann     

      

Bernau

      

V. Sander     

      

Adams     

      

Meta

II ZB 19/22

06.02.2024

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Karlsruhe, 1. August 2022, Az: 19 W 11/21 (Wx), Beschluss

§ 54 S 1 GNotKG, § 97 Abs 1 GNotKG, § 266 Abs 3 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2024, Az. II ZB 19/22 (REWIS RS 2024, 1043)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1043

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III ZB 9/22 (Bundesgerichtshof)

Notarkostensache: Geschäftswert der notarielle Beurkundung eines Treuhänderwechsels bei einem mehrfach gestuften Treuhandvertrag mit einer Rechtsanwaltsgellschaft; …


II ZB 6/23 (Bundesgerichtshof)

Notarkosten: Bemessung des Geschäftswerts eines Beschlusses über die Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH


V ZB 23/16 (Bundesgerichtshof)

Notargebührenerhebung: Gebührenermäßigung für von Gemeinden oder Kirchen betriebene Kindergärten und Kindertageseinrichtungen


V ZB 70/19 (Bundesgerichtshof)

Notargebühr für Unterschriftsbeglaubigung bei mehreren Erklärungen imd verschiedenen Gegenständen


33 T 85/18 (LG Hof)

Gesellschaft, Kostenrechnung, Gesellschafter, Kostenschuldner, Gegenstandswert, Beteiligung, Berechnung, Form, Antragsteller, Umsatzsteuer, Stammkapital, Antragsgegner, Handelsregister, Notar, Antrag …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XI ZR 168/13

V ZB 130/12

II ZB 8/22

VIII ZR 49/19

IV ZR 279/17

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.