Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2012, Az. AnwZ (Brfg) 4/12

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2012, 8080

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Gegenstand

Rechtsanwaltszulassung: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das ihm an [X.] statt am 8. Dezember 2011 zugestellte Urteil des 1. Senats des [X.] in der [X.] wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]). Der [X.] hat die Klage abgewiesen. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der [X.]erufung hat keinen Erfolg.

I.

2

1. Nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO müssen im Zulassungsantrag die Gründe dargelegt werden, aus denen die [X.]erufung zuzulassen ist. Hierfür gelten im Grundsatz dieselben Anforderungen, wie sie die Rechtsprechung zur [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO) entwickelt hat. Daher müssen die aus Sicht des jeweiligen Antragstellers in [X.]etracht kommenden Zulassungsgründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO benannt und hinreichend erläutert, d.h. die Voraussetzungen des geltend gemachten [X.] substantiiert dargelegt werden (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2011 - [X.] ([X.]) 4/10, juris Rn. 4 und vom 16. Dezember 2011 - [X.] ([X.]) 4/11, juris Rn. 3, jeweils m.w.[X.]). Insoweit bestehen bereits [X.]edenken gegen die Zulässigkeit des klägerischen Antrags, in dem weder ein Zulassungsgrund im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO ausdrücklich benannt, noch näher zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm Stellung genommen wird. Aber auch wenn man das Vorbringen in der Antragsbegründung dahingehend wertet, dass der Kläger zumindest ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend machen will, verhilft dies dem Antrag nicht zum Erfolg.

3

2. Für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den [X.]punkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die [X.]eurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, [X.]RAK-Mitt. 2011, 246 Rn. 9 ff., für [X.]GHZ vorgesehen). Insoweit ist die vormals vom Senat aus prozesswirtschaftlichen Erwägungen zugelassene Möglichkeit entfallen, einen zweifelsfrei feststehenden nachträglichen Wegfall des Rücknahme- oder [X.] bereits im laufenden Gerichtsprozess zu berücksichtigen (Senat, aaO Rn. 13).

4

Dass sich der Kläger zum danach maßgeblichen [X.]punkt des [X.] vom 13. Mai 2011 in Vermögensverfall befunden hat und somit die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] vorgelegen haben, stellt er nicht in Abrede; dies haben die [X.]eklagte und der [X.], auf deren [X.]egründungen der Senat [X.]ezug nimmt, auch zutreffend festgestellt.

5

Soweit der Kläger, über dessen Vermögen auf Antrag des Finanzamts während des Verfahrens vor dem [X.] am 19. Oktober 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, in seiner Antragsbegründung vom 6. Februar 2012 darauf verweist, dass aus damaliger Sicht seit einer Woche ein (allerdings nicht zu den Akten gereichter) Insolvenzplan vorliege, der im Falle seiner Annahme zur Wiederherstellung geordneter Vermögensverhältnisse führen werde, ist dies nach Maßgabe der neuen Senatsrechtsprechung unerheblich. Die Auffassung des [X.], in seinem Fall müsse noch die frühere Rechtsprechung gelten, da anderenfalls eine unzulässige Rückwirkung bzw. ein Verstoß gegen den [X.] vorliege, ist unzutreffend. Die in der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts für die Rückwirkung von Gesetzen entwickelten Grundsätze sind auf eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht anwendbar (vgl. [X.]VerfGE 84, 212, 227; 122, 248, 277 f.; [X.]VerfG, [X.], 81, 82; [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 6. Mai 2008 - 2 [X.]vR 1926/07, juris Rn. 29 f.). Soweit im Zusammenhang mit einer solchen Änderung in der Rechtsprechung auch Vertrauensgesichtspunkte diskutiert worden sind ([X.]VerfG aaO; siehe auch [X.]VerfGE 74, 129, 155 ff.; [X.]GH, Urteil vom 29. Februar 1996 - [X.], [X.]GHZ 132, 119, 129 ff.; [X.]AG, [X.]eschluss vom 1. Februar 2007 - 2 [X.], juris Rn. 9 ff.), spielen diese im Falle des [X.] keine Rolle. Vertrauensschutz auf den Fortbestand einer Rechtsprechung setzt zunächst voraus, dass der [X.]etroffene nicht mit der Möglichkeit der Änderung rechnen musste. Die neue Senatsrechtsprechung beruht aber ihrerseits auf der Änderung des maßgeblichen Verfahrensrechts (Anwendbarkeit der Verwaltungsgerichtsordnung statt des [X.]) und der dadurch naheliegenden Angleichung an die Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts (Senat, aaO Rn. 14 ff.), war mithin nicht unvorhersehbar. Zum anderen geht es weder darum, dass ein in der Vergangenheit liegender abschließend geregelter Sachverhalt einer veränderten rechtlichen [X.]eurteilung unterworfen wird, noch darum, dass in eine zum [X.]punkt der Änderung geschützte Rechtsposition eingegriffen wird. Der Kläger befand sich auch zum [X.]punkt der Änderung der Senatsrechtsprechung in Vermögensverfall. Ihm geht es lediglich darum, dass ihm für die [X.] danach die Möglichkeit verbleibt, eine nachträgliche Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse und damit den Wegfall des Vermögensverfalls im Gerichtsverfahren - hier in zweiter Instanz - darlegen zu können. Insoweit hat die lediglich auf prozesswirtschaftlichen Gründen beruhende vormalige Senatsrechtsprechung aber keine schutzwürdige Rechtsposition zugunsten des [X.] begründet.

6

3. Im Übrigen reicht der Vortrag des [X.] auch auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung nicht aus, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen. Im Fall eines Insolvenzverfahrens können die Vermögensverhältnisse erst dann wieder als geordnet angesehen werden, wenn dem Schuldner entweder durch [X.]eschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 [X.]) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 [X.]) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 [X.]) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (vgl. nur Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2011 - [X.] ([X.]) 20/11, juris Rn. 8; siehe auch [X.]eschlüsse vom 31. Mai 2010 - [X.] ([X.]) 27/09, juris Rn. 15 und 16. September 2011 - [X.] ([X.]) 26/11, juris Rn. 7). Zum [X.]punkt der Entscheidung des [X.]s lagen diese Voraussetzungen nicht vor. Inwieweit sich ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an einem angefochtenen Urteil auch aus einer nachträglichen Veränderung der Sach- oder Rechtslage ergeben können (streitig; vgl. die Nachweise bei [X.]/[X.], VwGO, 17. Aufl., § 124 Rn. 7c), kann hier dahinstehen, da auch bisher diese Voraussetzungen nicht vorliegen bzw. vom Kläger nicht dargelegt und nachgewiesen sind.

II.

7

[X.] beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Tolksdorf                                          Roggenbuck                                          Seiters

                           Wüllrich                                                   Stüer

Meta

AnwZ (Brfg) 4/12

15.03.2012

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamburg, 8. Dezember 2011, Az: I ZU 7/11

§ 14 Abs 2 Nr 7 BRAO, § 113 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2012, Az. AnwZ (Brfg) 4/12 (REWIS RS 2012, 8080)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8080

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