Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2011, Az. 2 StR 263/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 3078

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 263/11
vom
22.
September 2011
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht

geringer Menge

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22.
September 2011 gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 21.
Februar 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten -
unter Freisprechung im Übrigen
-
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Men-ge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Mona-ten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die mitan-geklagte Ehefrau des Angeklagten hat es vom Vorwurf
der Beihilfe zu diesen Taten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die dane-ben erhobene Verfahrensrüge kommt es nicht an.

1
-
3
-
I.
1. Nach den Feststellungen bewohnte der Angeklagte im Jahr 2004 zu-sammen mit seiner mitangeklagten Ehefrau eine Wohnung im Anwesen

-
straße 20 in A.

-S.

, in dem sich auch eine von der Ehefrau be-triebene Gaststätte befand. Eine weitere Wohnung war an
den Zeugen U.

vermietet, stand aber leer und wurde vom Angeklagten zu [X.] ge-nutzt. In dieser Wohnung errichtete der Angeklagte zusammen mit dem geson-dert verfolgten Zeugen C.

sowie drei [X.] Staatsangehöri-gen im
Sommer 2004 eine [X.], in die im September 2004 ca. 500 Setzlinge eingebracht wurden. Während der Zeuge C.

beim Aufbau der Plantage mitwirkte, indem er erforderliche Elektroarbeiten durchführte, beteiligte sich der Angeklagte an der Aufzucht der Pflanzen und am Betrieb der Plantage. Das abgeerntete Marihuana in der Größenordnung von fünf Kilogramm wurde sodann von den [X.] Tatbeteiligten
übernommen und verkauft. [X.] der ursprünglichen Absprache erhielt der Angeklagte aus dem Verkaufser-lös keinen Anteil, weil dieser
mit getätigten Investitionskosten für den Aufbau und die Bepflanzung der Plantage verrechnet wurde (Fall 1).
Entweder im Spätjahr 2004 oder im Verlauf des Jahres 2005 wurden er-neut etwa 500 Cannabis-Pflanzen in die Anlage eingebracht, wobei sich neben den drei [X.] wiederum der Angeklagte als Mitbetreiber der Anlage an der Aufzucht der Pflanzen beteiligte, während man dem Zeugen C.

den Zugang zur Plantage nunmehr verweigerte. Das nach Abernten der Anlage ge-wonnene Marihuana wurde in der Folgezeit von den [X.] Mittätern verkauft; wie hoch der auf den Angeklagten entfallene Gewinnanteil war, konnte das [X.] nicht aufklären (Fall 2).
2
3
-
4
-
2. In sechs weiteren Fällen (Fälle 3 bis 8 der Anklage), in denen der Ange-klagte zusammen mit anderen Personen auch am Betrieb einer weiteren, in ei-nem anderen Gebäude betriebenen [X.] beteiligt gewesen sein soll, hat ihn das [X.] freigesprochen.
3. Der Angeklagte hat sich
ebenso wie die frühere Mitangeklagte in der Hauptverhandlung nicht zu den Tatvorwürfen eingelassen. Die [X.] hat die Verurteilung in erster Linie auf die Bekundungen gestützt, die die Zeugen

Ei.

und

R.

zu den Angaben gemacht haben, die der Zeuge C.

im Ermittlungsverfahren im Rahmen zweier [X.] getätigt hat. In der Hauptverhandlung hat der Zeuge C.

von seinem Aussageverweigerungsrecht gemäß §
55 StPO Gebrauch gemacht.

II.
Die Beweiswürdigung der Kammer hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand; das [X.] hat wesentliche Gesichtspunkte, die gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen C.

sprechen könnten, nicht er-kennbar bedacht.
1. Hängt -
wie hier
-
die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklag-ten entscheidend von der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben eines Mit-täters ab, so muss der Tatrichter die für die Richtigkeit der Angaben des einzigen Belastungszeugen sprechenden Gesichtspunkte umfassend prüfen, würdigen und dies im Urteil deutlich machen (vgl. BGHR StPO,
§
261 Mitangeklagte
2; BtMG §
29 Beweiswürdigung 7; [X.], 243, 244; 2002, 467; NStZ-RR 2002, 146, 147). Dabei sind im Hinblick auf Art.
6 Abs.
3d MRK erhöhte [X.] an
die Sorgfältigkeit und Vollständigkeit der vorzunehmenden Gesamt-4
5
6
7
-
5
-
würdigung zu stellen, wenn die belastenden Angaben -
wie hier
-
nur mittelbar über eine Vernehmungsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden [X.] (vgl. BGHR StPO,
§
261 Zeuge 2; [X.], 691, 692).
2. Diesen Anforderungen werden die beweiswürdigenden Ausführungen der Kammer nicht gerecht.
a) So ist den Urteilsgründen bereits nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen sich die Tatvorwürfe in den Fällen 3 bis 8, die sich nach der Anklage ebenfalls auf die Angaben des Zeugen C.

im Ermittlungsverfahren ge-stützt hatten, in der Hauptverhandlung nicht bestätigt haben. Da sich die Urteils-gründe insbesondere zu einer möglichen Falschbelastung durch den Zeugen in diesem [X.] nicht verhalten, kann der [X.] nicht prüfen, ob die [X.], die der [X.] an die umfassende Würdigung belastender Zeugenaussagen in solchen Konstellationen aufgestellt hat (vgl. BGHSt 44, 153, 159; BGHR StPO §
261 Beweiswürdigung 13; BtMG §
29 Beweiswürdigung 7; [X.], 2451; NStZ 2003, 164; [X.], 270, 271; Urteil vom 12.
August 2010 -
2
StR
185/10 Rn.
6 f.), hinreichend Beachtung gefunden ha-ben.
b) Ferner
hätte sich das [X.] auch mit der Frage auseinanderset-zen müssen, ob sich der Zeuge C.

in dem gegen ihn geführten Strafver-fahren möglicherweise durch unrichtige Angaben Vorteile im Sinne einer "Aufklä-rungshilfe"
verschaffen wollte ([X.], 691, 692). Denn für die Glaub-haftigkeitsbeurteilung gerade bei Aussagen im Bereich des Betäubungsmittel-strafrechts ist es ein wesentlicher Gesichtspunkt, ob sich der Zeuge durch seine Aussage in dem gegen ihn gerichteten Verfahren im Hinblick auf §
31 BtMG Vor-teile verspricht und vor diesem Hintergrund einen Nichtgeständigen möglicher-weise zu Unrecht belastet (BGHSt 48, 161, 168; [X.], 245). Die 8
9
10
-
6
-
Möglichkeit einer bewussten Falschbelastung wird im Übrigen durch den von der Kammer herausgehobenen Umstand nicht entscheidend gemindert, der Zeuge habe sich durch seine Angaben auch selbst belastet. Denn den insoweit knappen Ausführungen der [X.] lässt sich schon nicht entnehmen, ob der Zeuge im Hinblick auf vorhandene Sachbeweise überhaupt damit rechnen konnte, den Verdacht jeglicher Tatbeteiligung
von sich abzulenken (vgl. BGHR BtMG §
29 Beweiswürdigung 5). Hinzu kommt, dass der Zeuge im Fall 1 einen eher unter-geordneten eigenen Tatbeitrag (Ausführung von Elektroinstallationsarbeiten) ein-geräumt und im Fall 2 eine eigene Tatbeteiligung generell in Abrede gestellt hat.
Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung.

Fischer

[X.]
Herr RiBGH Dr. Berger

ist wegen Urlaubs an der

Unterschriftsleistung ge-

hindert.

Fischer

Krehl

Ott
11

Meta

2 StR 263/11

22.09.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2011, Az. 2 StR 263/11 (REWIS RS 2011, 3078)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3078

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