Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.02.2021, Az. 3 C 1/20

3. Senat | REWIS RS 2021, 8353

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Bezug von Arzneimitteln, die von einem Schweizer Lieferanten erworben, aber in Frankreich hergestellt werden


Leitsatz

Arzneimittelgroßhändler dürfen ihre Vorratsbestände an Arzneimitteln nur bei Personen beschaffen, die über eine von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union erteilte Erlaubnis verfügen. Eine nach schweizerischem Recht erteilte Erlaubnis zum Großhandel mit Arzneimitteln genügt hierfür nicht.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] für das [X.] vom 19. November 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Der Rechtsstreit betrifft die Voraussetzungen für den Bezug von [X.]n, die von einem [X.] Lieferanten verkauft, aber in [X.] hergestellt und von dort in die [X.] geliefert werden.

2

Die Klägerin, ein pharmazeutisches Unternehmen mit Sitz in [X.], ist Inhaberin einer Herstellungserlaubnis sowie einer Erlaubnis zum Großhandel mit [X.]n und vertreibt im [X.] [X.]. Sie gehört als Tochterunternehmen zu einem [X.] Mutterkonzern, der weltweit über Produktionsstätten verfügt und im Besitz einer Erlaubnis zum [X.]großhandel nach schweizerischem Recht ist. Die Klägerin hat mit ihrem Mutterkonzern eine Vereinbarung getroffen, auf deren Grundlage sie [X.] von ihm erwirbt. Die [X.] werden in einem in [X.] ansässigen Schwesterunternehmen, das im Besitz einer von den [X.] Behörden ausgestellten Herstellungserlaubnis ist, hergestellt und unmittelbar von dort an die Klägerin geliefert. Die kaufmännische Abwicklung über die [X.] beruht nach Angaben der Klägerin auf steuerlichen Gründen.

3

Nachdem die [X.] im März 2016 eine Inspektion in den Räumen der Klägerin durchgeführt hatte, verfasste sie unter dem 6. Juni 2016 einen [X.], der in Ziffer 6.2 "schwerwiegende Fehler und Mängel" feststellte. Unter Ziffer 6.2.6 (Vertriebsmodell ..., ...) heißt es dort:

"Die [X.] bezieht die im Vertrag genannten [X.] von der ..., [X.]. Für diese globalen Produkte führt die [X.] keinen Herstellungsschritt durch, sie ist jedoch für die meisten Produkte der pharmazeutische Unternehmer. Obwohl die [X.] körperlich aus der [X.] ([X.]) geliefert werden, erfolgt der Handel mit der in der [X.] ([X.]) ansässigen Firma ... Die ... verfügt nicht über eine Erlaubnis zum Großhandel mit [X.]n in der [X.]. Somit werden die [X.] von einem nicht zur Abgabe von [X.]n berechtigten Großhändler bezogen (§ 4a (1) AM-HandelsV)."

4

Mit Bescheid vom 6. Juni 2016 erließ die [X.] Anordnungen zur Beseitigung der festgestellten Verstöße. Sie forderte die Klägerin darin u.a. auf, die im [X.] unter 6.2 genannten Mängel innerhalb von drei Monaten nach Zugang des Bescheids abzustellen und dies unter Vorlage geeigneter Nachweise schriftlich anzuzeigen.

5

Gegen den auf Ziffer 6.2.6 des [X.]s Bezug nehmenden Teil der Verfügung hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Das gewählte Vertriebsmodell stehe im Einklang mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften. Nach Art. 85a Satz 2 und 3 der Richtlinie 2001/83/[X.] sei der Bezug von [X.]n aus [X.] ausdrücklich erlaubt, wenn der Verkäufer eine nach den einschlägigen Vorschriften des [X.] erteilte [X.] besitze. Aus § 4a der [X.] [X.]handelsverordnung ergebe sich nichts anderes, weil die Vorschrift auch in [X.] erteilte Berechtigungen zur Abgabe von [X.]n umfasse. Die von dem Beklagten befürchtete Sicherheitslücke könne nicht entstehen, weil die [X.] innerhalb der [X.] und mit gültiger Erlaubnis hergestellt und von dort unmittelbar nach [X.] geliefert würden.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen; die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberverwaltungsgericht für das [X.] zurückgewiesen. Mit dem Erwerb von [X.]n von ihrer in der [X.] ansässigen Konzernmutter verstoße die Klägerin gegen § 4a Abs. 1 der [X.]handelsverordnung. Die von einem Drittstaat ausgestellte Berechtigung zur Abgabe von [X.]n genüge den Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht. Dies folge zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm, die einschränkende Auslegung sei aber schon mit Blick auf die unionsrechtlichen Vorgaben geboten. Danach müsse grundsätzlich für alle Akteure der Lieferkette eine von einem [X.]-Mitgliedstaat erteilte Genehmigung vorliegen. Die von der Klägerin in Anspruch genommene Ausnahmeregelung in Art. 85a Satz 2 der Richtlinie 2001/83/[X.] erfasse nur die Ausfuhr und damit nicht die vorliegende Fallgestaltung. Entgegen der Auffassung der Klägerin werde sie dadurch auch nicht schlechter gestellt als im Fall der physischen Einführung der [X.] aus der [X.]; vielmehr bedürfe sie hierfür der in §§ 72 und 72a des [X.]gesetzes geregelten Erlaubnis.

7

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts entspreche das beanstandete Vertriebsmodell den Voraussetzungen der [X.]handelsverordnung, weil ihr Lieferant über eine [X.] Großhandelserlaubnis verfüge und damit zur Abgabe von [X.]n berechtigt sei. Da die [X.] physisch von einem großhandelsbefugten Hersteller aus einem anderen [X.]-Mitgliedstaat beschafft würden, bedürfe es auch keiner zusätzlichen Sicherheitsprüfung. Hieran ändere die rein buchhalterische Abwicklung der Bestellung über ein Unternehmen in der [X.] nichts. Diese Einordnung folge im Übrigen bereits aus dem Erfordernis einer richtlinienkonformen Auslegung. Denn nach Art. 85a Satz 2 und 3 der Richtlinie 2001/83/[X.] reiche es aus, dass der Lieferant über eine Zulassung in seinem Land verfüge. Unabhängig hiervon müsse von einer unmittelbar gesetzlichen Berechtigung des [X.] Lieferanten ausgegangen werden. Dies folge aus einem Erst-Recht-Schluss, weil eine physische Einfuhr aus der [X.] gemäß § 72 des [X.]gesetzes erlaubnisfähig sei, und das gewählte Vertriebsmodell, bei dem die [X.] in [X.] hergestellt und die [X.] niemals verlassen würden, nicht schlechter gestellt werden dürfe.

8

Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verweist darauf, dass das Genehmigungserfordernis nicht zuletzt dazu diene, den zuverlässigen Schutz gegen das Einbringen gefälschter Lebensmittel in die legale Lieferkette auch bei unübersichtlichen Lieferketten sicherzustellen. [X.], bei denen Akteure aus [X.] beteiligt würden, seien hierfür besonders anfällig. Schließlich liege die vorgetragene Schlechterstellung nicht vor, weil bei einem physischen Import der [X.] aus der [X.] eine Einfuhrerlaubnis und ein Einfuhrzertifikat benötigt würden und damit strengere Voraussetzungen erfüllt werden müssten.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet, das angefochtene Berufungsurteil verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). [X.] dürfen ihre Vorratsbestände nur bei Personen beschaffen, die über eine von einem Mitgliedstaat der [X.] erteilte Erlaubnis verfügen. Eine nach schweizerischem Recht erteilte Erlaubnis zum Großhandel mit Arzneimitteln genügt hierfür nicht (1.). Dies steht mit den Vorgaben des Unionsrechts in Einklang (2.).

1. Rechtsgrundlage der angegriffenen Verfügung ist § 69 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln ([X.] - [X.]) vom 24. August 1976 ([X.] [X.] 2445), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. April 2020 ([X.] [X.]). Danach trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Diesen Voraussetzungen entspricht die streitige Anordnung, den Mangel abzustellen, der in der Beschaffung von Arzneimitteln bei der in [X.] ansässigen ... liegt. Nach § 4a Abs. 1 der Verordnung über den Großhandel und die Arzneimittelvermittlung (Arzneimittelhandelsverordnung - [X.]) vom 10. November 1987 ([X.] [X.] 2370), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. November 2020 ([X.] [X.]), dürfen Arzneimittel nur von zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigten Betrieben erworben werden. Dies setzt eine von einem Mitgliedstaat der [X.] erteilte Erlaubnis voraus.

a) Das beanstandete Vertriebsmodell der Klägerin weist zwar Parallelen zu einem Einfuhrtatbestand auf, weil die Arzneimittel von einem [X.] Unternehmen erworben werden. Eine Einfuhr im Sinne des [X.]es liegt aber nicht vor, weil die Arzneimittel nicht aus einem Drittstaat in den zollrechtlich freien Verkehr des [X.] überführt werden (vgl. § 4 Abs. 32 Satz 2 [X.]). Die Arzneimittel werden vielmehr in [X.] hergestellt und dort auch freigegeben (vgl. den Gesprächsvermerk vom 18. Juli 2016, [X.]). Dies ist von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat ausdrücklich bestätigt worden. Die Beschaffung stellt daher einen Großhandel mit Arzneimitteln dar (vgl. § 4 Abs. 22 [X.]) und unterliegt den Vorgaben der Arzneimittelhandelsverordnung (§ 1 Satz 1 [X.]).

b) Nach § 4a Abs. 1 [X.] dürfen Arzneimittel nur von zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigten Betrieben erworben werden. Abweichend vom Wortlaut der Norm in der ursprünglichen Fassung vom 30. Juli 2004 ([X.] [X.] 2031), der noch auf die Erlaubnisse aus § 13 und § 52a [X.] Bezug genommen hatte, fehlt in der aktuellen Formulierung zwar eine ausdrückliche Bestimmung der geforderten Berechtigung. Bereits die Entstehungsgeschichte der Regelung macht aber deutlich, dass der Normgeber mit der Streichung der Bezugnahme auf die nach dem [X.] [X.] erteilten Erlaubnisse durch Gesetz vom 19. Oktober 2012 ([X.] [X.] 2192) die Richtlinie 2001/83/[X.] und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines [X.]skodexes für Humanarzneimittel ([X.] [X.]) umsetzen (vgl. [X.]. 17/9341 [X.]) und damit die von einem anderen Mitgliedstaat der [X.] erteilten Erlaubnisse einbeziehen wollte.

Dieser Zusammenhang wird insbesondere an der Änderung des § 4a Abs. 3 [X.] in der Fassung vom 2. Juli 2018 ([X.] [X.] 1080) deutlich. Denn mit dieser Novellierung ist neben der Erlaubnis nach § 52a [X.] ausdrücklich die von einem anderen Mitgliedstaat der [X.] für den Großhandel mit Arzneimitteln erteilten Genehmigung nach Art. 77 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/[X.] gestellt worden. Ausweislich der Entwurfsbegründung sollte damit klargestellt werden, "dass Arzneimittel nicht nur von [X.] im Inland, sondern auch von entsprechenden [X.] im [X.] bezogen werden können" ([X.]. 143/18 S. 13 zu Nummer 1 Buchst. b).

Genehmigungen, die von [X.] erteilt worden sind, werden von dieser Änderung nicht erfasst. Die [X.] bieten auch sonst keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Normgeber mit § 4a Abs. 1 [X.] in der Fassung vom 19. Oktober 2012 ([X.] [X.] 2192) auch in [X.] erteilte Genehmigungen einbeziehen wollte. Vielmehr hat er mit der Einführung des [X.] in § 4a [X.] das Ziel verfolgt, das Eindringen gefälschter Arzneimittel in die legale Lieferkette zu verhindern (vgl. [X.]. 15/2109 [X.] sowie [X.]. 17/9341 [X.]). Gerade unübersichtliche Bezugswege mit Beteiligten aus [X.] erhöhen aber ein solches Risiko. Sinn und Zweck der Norm stehen einer Ausdehnung der Berechtigung auf die von [X.] erteilten Genehmigungen daher ebenfalls entgegen.

c) Die Regelung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Mit ihren [X.] geht die Klägerin von einem zu engen Begriff der Arzneimittelsicherheit aus. Die Einbeziehung aller Akteure der [X.] in die arzneimittelrechtliche Kontrolle ist eine Maßnahme zur Erhöhung der Arzneimittelsicherheit.

Nach § 52c Abs. 1 [X.] darf auch ein Arzneimittelvermittler im [X.] nur tätig werden, wenn er hier oder in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] einen Sitz hat. Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber Gefahren für die Arzneimittelsicherheit nicht nur bei der körperlichen Verbringung von Arzneimitteln sieht. Zur Einhaltung der Anforderungen einer guten Vertriebspraxis für Arzneimittel hält der Gesetzgeber vielmehr einen umfassenden Schutz der Lieferkette vor dem Eindringen von Arzneimittelfälschungen für erforderlich (vgl. [X.]. 17/9341 S. 58 f.).

Die Einbeziehung selbst der Arzneimittelvermittler in das System einer umfassenden mitgliedstaatlichen Kontrolle geht auf Art. 85b Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83/[X.] in der durch die Richtlinie 2011/62/[X.] des [X.] und des Rates vom 8. Juni 2011 ([X.] [X.]) geänderten Fassung zurück. Danach müssen auch Personen, die Arzneimittel nur vermitteln, u.a. über eine ständige Anschrift in der [X.] verfügen, um den zuständigen Behörden eine Überwachung ihrer Tätigkeiten zu ermöglichen. Erwägungsgrund Nr. 6 Satz 3 und 4 der Richtlinie 2011/62/[X.] macht dabei deutlich, dass alle Akteure der [X.] für überwachungsbedürftig gehalten werden, unabhängig davon, ob sie selbst Eigentum an den Arzneimitteln erwerben oder "physisch" mit ihnen umgehen. Nur so hält der [X.] einen ausreichenden Schutz der Patienten vor einem Eindringen gefälschter Arzneimittel in die legale Lieferkette für gewährleistet (vgl. Erwägungsgrund Nr. 3 der Richtlinie 2011/62/[X.]). Diese Erwägungen waren auf alle Akteure des "immer komplexeren Vertriebsnetzes für Arzneimittel" bezogen, bei denen es sich nicht unbedingt um Großhändler handele (vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 Satz 2 der Richtlinie 2011/62/[X.]). Sie gelten für [X.] erst recht und in besonderer Weise.

Dass die Verantwortlichkeit des [X.]s nicht nur die physische Herstellung, Kontrolle und Verbringung der Arzneimittel betrifft, ergibt sich im Übrigen unmittelbar aus den unionsrechtlichen Vorgaben. Art. 80 der Richtlinie 2001/83/[X.] verpflichtet den Inhaber einer [X.] nicht nur zur physischen Kontrolle der von ihm beschafften Arzneimittel (Buchst. ca) und zur Bereithaltung eines Rücknahmeplans (Buchst. d), er hat vielmehr umfassend die Grundsätze und Leitlinien guter Vertriebspraktiken für Arzneimittel einzuhalten (Buchst. g). Dies schließt auch "buchhalterische" Vorgänge wie die Aufbewahrung, Speicherung und Zurverfügunghaltung aller für die Ein- und Ausgänge maßgeblichen Unterlagen für [X.] der zuständigen Behörden ein (Buchst. e und f).

Die Arzneimittelsicherheit, die Einschränkungen der Berufsfreiheit von [X.]n zu rechtfertigen vermag und das Erfordernis einer durch einen Mitgliedstaat der [X.] erteilten Erlaubnis trägt (vgl. Erwägungsgrund 35 Satz 1 der Richtlinie 2001/83/[X.]), ist daher sowohl unionsrechtlich als auch im nationalen Arzneimittelrecht weit gezogen. Sie kann auch durch nur "buchhalterische" Vorgänge gefährdet werden.

d) Schließlich liegt der von der Klägerin behauptete [X.] zu einer physischen Direktlieferung aus einem Drittstaat nicht vor. In diesem Fall hätte der Lieferant vielmehr strengere Anforderungen zu erfüllen.

Nach § 4 Abs. 32 Satz 2 [X.] ist Einfuhr jede Überführung von unter das [X.] fallenden Produkten aus [X.] in den zollrechtlich freien Verkehr. Eine physische Lieferung von Arzneimitteln aus [X.], die nicht Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] ist, an die Klägerin zum Zweck des Weitervertriebs innerhalb der [X.] stellt damit eine Einfuhr dar (vgl. auch [X.]. 16/12256 [X.]). Hierfür ist gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 [X.] eine Einfuhrerlaubnis sowie grundsätzlich auch ein Zertifikat nach § 72a Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderlich.

Die von der Klägerin in Anspruch angenommene Ausnahme für reimportierte Arzneimittel greift nicht, weil die Lieferung aus [X.] kein Reimport ist. Dieser umfasst nur die Verbringung eines Produkts von einem [X.]-Mitgliedstaat in einen anderen (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl. 2016, Vor § 72 Rn. 4 f. m.w.N.). Dementsprechend betreffen auch die vom Gerichtshof der [X.] entschiedenen Konstellationen des "Re-" oder "Parallel-"Imports nur Fallgestaltungen, bei denen die Arzneimittel aus einem anderen [X.]-Mitgliedstaat, in dem sie zugelassen waren, importiert worden sind (vgl. etwa [X.], Urteil vom 1. April 2004 - [X.]/02, [X.] [[X.]:[X.]:C:2004:208] - Slg. 2004, [X.] Rn. 13). Die Verbringung eines Arzneimittels aus [X.] in den Geltungsbereich des [X.]es ist kein Reimport in diesem Sinne; jedenfalls kann für diesen Fall eine Ausnahme von den Voraussetzungen der §§ 72, 72a [X.] nicht angenommen werden.

Aus dem Beschluss des [X.] vom 20. April 1998 - 4St [X.] - (NStZ 1998, 578) sowie der ihm folgenden Rechtsprechung (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 7. August 2014 - 1 [X.] -) und Literatur (vgl. etwa [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl. 2016, § 72a Rn. 3 m.w.N.) ergibt sich nichts anderes. Die dort vertretene Auffassung, "Herkunft" aus einem Drittland könne nur angenommen werden, wenn das Arzneimittel auch in dem Drittland hergestellt worden sei, entspricht nicht der hier maßgeblichen Rechtslage. Durch § 4 Abs. 32 [X.] in der Fassung vom 17. Juli 2009 ([X.] [X.] 1990) hat der Gesetzgeber die Begriffe "Verbringen" und "Einfuhr" definiert. Er hielt es gerade im Hinblick auf die Voraussetzungen für das Verbringen und die Einfuhr von Arzneimitteln oder Wirkstoffen nach §§ 72 ff. [X.] für erforderlich, die Begriffe klarzustellen (vgl. [X.]. 16/12256 [X.]). Maßgeblich ist danach aber nicht, wo das Arzneimittel hergestellt wurde. "Verbringen" ist vielmehr die Beförderung in den, durch den oder aus dem Geltungsbereich des [X.]es. "Einfuhr" ist die Überführung von unter das [X.] fallenden Produkten aus [X.], die nicht Vertragsstaaten des Abkommens über den [X.] sind, in den zollrechtlichen freien Verkehr. An diese Einfuhr knüpfen die Genehmigungs- bzw. Zertifikaterfordernisse aus § 72 Abs. 1 Satz 1 und § 72a Abs. 1 Satz 1 [X.] an.

2. Die dargelegte Auslegung des § 4a Abs. 1 [X.] ist mit Unionsrecht vereinbar.

a) Nach Art. 80 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/[X.] darf sich der Inhaber einer [X.] seine Vorratsbestände an Arzneimitteln nur bei Personen beschaffen, die entweder selbst Inhaber einer [X.] sind oder die gemäß Art. 77 Abs. 3 - also aufgrund des Besitzes einer Herstellungserlaubnis - von dieser Genehmigung befreit sind.

Auf diese Vorgaben geht § 4a Abs. 1 [X.] zurück (vgl. [X.]. 17/9341 [X.]). Die hiervon abweichende Bezugnahme auf den "Erwerb" ist von der Begriffsbestimmung der Beschaffung im Anhang der auf Grundlage des Art. 84 Satz 1 der Richtlinie 2001/83/[X.] von der [X.] veröffentlichten Leitlinien vom 5. November 2013 für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln ([X.] [X.] - [X.] -) umfasst; danach ist Beschaffung das [X.] und Beziehen, der Erwerb oder Kauf von Arzneimitteln von Herstellern, Importeuren oder anderen Großhändlern.

Die Richtlinie 2001/83/[X.] knüpft damit nicht nur das Inverkehrbringen von Arzneimitteln an die Genehmigung der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats (vgl. Art. 6 Abs. 1 und Art. 76 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/[X.]), auch der Arzneimittelgroßhandel bedarf der Genehmigung eines Mitgliedstaats (Art. 77 Abs. 1 Richtlinie 2001/83/[X.]). Mit diesem Genehmigungserfordernis will der [X.] Gesetzgeber alle Akteure der [X.] - und damit auch die einzelnen Vertriebsvorgänge - erfassen (vgl. Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 2001/62/[X.]). In der Genehmigung muss angegeben werden, für welche Räumlichkeiten im Hoheitsgebiet des Ausstellungsstaats sie gültig ist. Um die [X.] zu erlangen, muss der Antragsteller nicht nur über geeignete und ausreichende Räumlichkeiten, Anlagen und Einrichtungen sowie über sachkundiges Personal verfügen, sondern auch die ihm gemäß Art. 80 der Richtlinie 2001/83/[X.] obliegenden Verpflichtungen einhalten (vgl. Art. 79 Buchst. c der Richtlinie 2001/83/[X.]). Hierzu gehört u.a., dass er sich seine Vorratsbestände an Arzneimitteln nur bei Personen beschafft, die selbst Inhaber einer [X.] oder einer Herstellungserlaubnis sind (vgl. Art. 80 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/[X.]). Das Unionsrecht nimmt so auch den Erwerber der Arzneimittel dafür in die Pflicht, dass der Großhändler, bei dem er sich seine Vorratsbestände beschafft, tatsächlich über eine [X.] verfügt und die Grundsätze und Leitlinien der guten Vertriebspraxis einhält (Art. 80 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/[X.]). Entsprechendes gilt bei der Beschaffung bei einem Hersteller oder Einführer (Art. 80 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/[X.]) sowie bei der Einschaltung eines Arzneimittelvermittlers (Art. 80 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83/[X.]).

b) Die von der Klägerin in Anspruch genommene Ausnahme in Art. 85a Satz 2 der Richtlinie 2001/83/[X.] betrifft nur Fälle, in denen die Arzneimittel zum alleinigen Zweck der Ausfuhr bezogen werden. Sie findet auf das Vertriebsmodell der Klägerin daher keine Anwendung.

Nach Art. 85a Satz 1 der Richtlinie 2001/83/[X.] finden Art. 76 und Art. 80 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2001/83/[X.] im Fall des Großhandelsvertriebs an Drittländer keine Anwendung. Ferner finden gemäß Satz 2 der Vorschrift Art. 80 Abs. 1 Buchst. b und ca keine Anwendung, wenn ein Arzneimittel direkt aus einem Drittland bezogen, jedoch nicht eingeführt wird. In diesem Fall entfällt damit auch die Anforderung, dass sich der Großhändler seine Arzneimittel nur bei Inhabern einer von einem Mitgliedstaat der [X.] erteilten Genehmigung beschaffen darf.

Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, knüpft die Regelung des Satzes 2 an die in Satz 1 enthaltene Vorschrift an und nimmt auf sie Bezug. Aufbau und Wortlaut der Norm machen deutlich, dass auch Satz 2 nur den Fall des Großhandelsvertriebs an Drittländer betrifft. Die Vorschrift stellt klar, dass Art. 80 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/[X.] nur dann keine Anwendung findet, wenn ein Arzneimittel nicht eingeführt wird.

Dieses Verständnis ergibt sich auch aus dem systematischen Kontext. Dass bei den von Art. 85a der Richtlinie 2001/83/[X.] geregelten Fällen des Großhandelsvertriebs mit [X.] Arzneimittel an Personen geliefert werden dürfen, die nicht Inhaber einer von einem Mitgliedstaat der [X.] erteilten Genehmigung sind (Satz 1), liegt auf der Hand. Satz 4 der Vorschrift verpflichtet die Unionsgroßhändler aber darauf, Arzneimittel nur an Personen zu liefern, die gemäß den Vorschriften des betreffenden [X.] zum Erhalt berechtigt sind. Auch die Beschaffung im Drittland muss nicht vom Inhaber einer von einem Mitgliedstaat der [X.] erteilten Genehmigung erfolgen (Satz 2). Auch insoweit werden die Unionsgroßhändler aber verpflichtet, die Beschaffung nur bei Personen oder Stellen vorzunehmen, die gemäß den Vorschriften des betreffenden [X.] zur Lieferung berechtigt sind (Satz 3). Die in Art. 85a Satz 2 der Richtlinie 2001/83/[X.] enthaltene Regelung zur Beschaffung betrifft nach dem Regelungsgefüge daher nur Fälle, in denen die Arzneimittel nicht eingeführt, also nicht in den [X.] Arzneimittelmarkt überführt werden sollen. Wie sich aus Erwägungsgrund 15 der Richtlinie 2011/62/[X.] ergibt, hat der [X.] insoweit an Vorgänge in [X.] oder Freihandelszonen gedacht.

Schließlich entspricht nur ein auf den Großhandelsvertrieb an Drittländer begrenztes Verständnis der in Art. 85a Satz 2 der Richtlinie 2001/83/[X.] enthaltenen Regelung Sinn und Zweck der Norm (vgl. Erwägungsgrund 15 der Richtlinie 2011/62/[X.]). Die Bezugnahme auf die Zulassungsvorschriften des jeweiligen [X.] als Mindestanforderung für den Vertrieb an ein Drittland ist zur Wahrung der Grundsätze guter Vertriebspraxis ausreichend. Damit wird beim Vertrieb an Drittländer die Einhaltung der Zulassungsvorschriften des jeweiligen [X.] gewährleistet und als eigenständige unionsrechtliche Anforderung statuiert. Im Fall der Überführung der Arzneimittel in den [X.] Arzneimittelmarkt dagegen würde die Vorschrift eine Absenkung der hierfür vorgesehenen Standards bewirken, die nicht in das Regelungsgefüge passt und für die ein Sachgrund auch nicht ersichtlich ist.

Die in Art. 85a der Richtlinie 2001/83/[X.] enthaltenen Regelungen geben daher keinen Anhaltspunkt für die Sichtweise der Klägerin her. Derartige Gesichtspunkte sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Nach Art. 40 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/[X.] ist vielmehr auch für die Einfuhr mit Herkunft aus [X.] eine Erlaubnis in entsprechendem Maße wie für die Herstellung erforderlich. Gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/[X.] hat der Inhaber einer Herstellungserlaubnis bei aus [X.] eingeführten Arzneimitteln jede Arzneimittelcharge der erforderlichen Qualitätsprüfung zu unterziehen, "unabhängig davon, ob sie in der [X.] hergestellt wurden". Es ist damit hinreichend klar, dass im Unionsrecht keine Privilegierung für die Beschaffung von Arzneimitteln von Großhändlern aus [X.] besteht und auch Art. 85a Satz 2 der Richtlinie 2001/83/[X.] nur Fälle zum alleinigen Zweck der Ausfuhr erfasst. Einer Vorlage an den Gerichtshof der [X.] bedarf es daher nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

3 C 1/20

25.02.2021

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 19. November 2019, Az: 13 A 1951/17, Urteil

Art 40 Abs 3 EGRL 83/2001, Art 77 Abs 1 EGRL 83/2001, Art 80 Abs 1 EGRL 83/2001, Art 85a EGRL 83/2001, Art 85b Abs 1 UAbs 2 EGRL 83/2001, § 4 Abs 22 AMG, § 4 Abs 32 AMG, § 52a AMG, § 52c AMG, § 69 Abs 1 S 1 AMG, § 72 Abs 1 S 1 AMG, § 1 S 1 AMGrHdlBetrV, § 4a Abs 1 AMGrHdlBetrV

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.02.2021, Az. 3 C 1/20 (REWIS RS 2021, 8353)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8353

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 C 9/19 (Bundesverwaltungsgericht)


3 C 7/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Erforderliche Sachkenntnis der für den Arzneimittelgroßhandel verantwortlichen Person


3 C 18/15 (Bundesverwaltungsgericht)

Arzneimitteleigenschaft von lebenden Import-Blutegeln


3 C 8/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Import von Heilmitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin; Einfuhrerlaubnis; Arzneimittel; Vorprodukt


3 StR 124/13 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmittelgrundstoffen: Ephedrin als Grundstoff zur Herstellung von Betäubungsmitteln; Strafbarkeit des Handels mit …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.