Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.03.2011, Az. 3 C 8/10

3. Senat | REWIS RS 2011, 8897

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Gegenstand

Import von Heilmitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin; Einfuhrerlaubnis; Arzneimittel; Vorprodukt


Leitsatz

1. Der Import von Granulaten als Heilmittel der Traditionellen Chinesischen Medizin bedarf einer Einfuhrerlaubnis für Arzneimittel nach § 72 des Arzneimittelgesetzes.

2. Vorstufen eines abgabefertigen Arzneimittels sind jedenfalls dann selbst Arzneimittel, wenn ihre arzneiliche Zweckbestimmung erkennbar ist und keine wesentlichen Verarbeitungsschritte bis zum abgabefertigen Produkt mehr erforderlich sind.

Tatbestand

1

Die Klägerin führt Heilkräuter und Granulate der Traditionellen [X.]n Medizin (TCM) aus der [X.] nach [X.] ein zur Belieferung von Apotheken. Bei den Granulaten handelt es sich um industriell gefertigte standardisierte Extrakte, die aus Kräutern durch Aufkochen, Eindampfen, anschließendes Sprühtrocknen des Rohextrakts und der Versetzung mit Hilfsstoffen als Trägersubstanzen hergestellt werden. Importiert werden die Granulate in 50g-Verpackungen, die einen [X.] oder [X.] Produktnamen tragen sowie den Aufdruck "[X.] Kräuter in Apothekenqualität" und den Hinweis "Keine Endverbraucherpackung". Die von der Klägerin belieferten Apotheker mischen die Granulate nach bestimmten Rezepturen und geben sie an Endverbraucher ab.

2

Auf ihren Antrag erteilte die Regierung von [X.] der Klägerin unter dem 14. März 2008 die Erlaubnis nach § 72 [X.] für den Import von [X.]. Ausdrücklich von der Erlaubnis ausgenommen waren Granulate. Anlässlich einer Inspektion der Betriebsräume im Dezember 2008 stellte die Regierung von [X.] fest, dass die Klägerin gleichwohl [X.] eingeführt hatte. Sie forderte die Klägerin deshalb auf, sich schriftlich zu verpflichten, keine Granulate ohne Einfuhrerlaubnis mehr zu importieren sowie alle bezogenen Chargen für den Vertrieb zu sperren. Mit Schreiben vom 29. Januar 2009 erklärte die Klägerin sich bereit, bis auf Weiteres auf die Einfuhr aus [X.], die nicht Mitglied der [X.] sind, zu verzichten und keine nach dem 14. März 2008 (Datum der erstmaligen Ausstellung der beschränkten Einfuhrerlaubnis) eingeführten [X.] auszuliefern.

3

Mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 3. Februar 2009 untersagte die Regierung von [X.] der Klägerin, alle vor und nach dem 14. März 2008 aus Drittstaaten ohne Erlaubnis eingeführten [X.] in Form von Granulaten in den Verkehr zu bringen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich der Bescheid auf § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 [X.] stütze. Die Klägerin habe Arzneimittel ohne die erforderliche Erlaubnis eingeführt. Eine Erlaubnis könne derzeit nicht erteilt werden, weil die notwendige Prüfung der pharmazeutischen Qualität der Granulate hinsichtlich Identität, Qualität und Reinheit nicht sichergestellt sei. Ohne eine solche Kontrolle seien Gesundheitsrisiken für die Verbraucher nicht auszuschließen. Dies wiege schwerer als das wirtschaftliche Interesse der Klägerin.

4

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, bereits freiwillig auf den Vertrieb der nach dem 14. März 2008 eingeführten Granulate verzichtet zu haben. Das weitergehende [X.] sei unverhältnismäßig. Ihre Produkte würden ausschließlich als Rohstoffe an Apotheken für die Herstellung von Rezepturen abgegeben. Sie habe im Interesse des Verbraucherschutzes eigene Qualitätsstandards, die die gesetzlichen Vorgaben in mehrfacher Hinsicht überböten. Es sei daher verfehlt, gerade sie mit nicht erfüllbaren Anforderungen zu überziehen. Die von der Behörde vertretene Auffassung, alle [X.] seien gefährlich, sei nachweisbar unzutreffend. Von den ca. 230 importierten Kräutern und Granulaten seien nur wenig mehr als 10 % stark wirksame Drogen. Deshalb sei die pauschale Bezeichnung als Arzneidrogen in dem Bescheid unzutreffend und zu unbestimmt. Vielmehr sei eine differenzierte Betrachtungsweise geboten. Die meisten [X.] würden in der Küche verwendet, etwa als Kräutersuppen; sie seien deshalb als Lebensmittel anzusehen. Eine Einstufung als Arzneimittel auf Verdacht sei unzulässig. Eine Gefährdung der Gesundheit durch [X.] sei nicht ersichtlich. Durch den angefochtenen Bescheid würden ihre Qualitätsprodukte vom Markt verbannt, während die aus Mitgliedsländern der [X.] importierten bzw. von Importeuren außerhalb [X.] eingeführten Produkte toleriert würden.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. November 2009 abgewiesen. Bei den [X.]n handele es sich um [X.] im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Davon sei auszugehen, wenn ein Produkt ausdrücklich als Arzneimittel bezeichnet werde oder nach allgemeiner Verkehrsauffassung jedenfalls den Eindruck erwecke, ein Mittel zur Heilung von Krankheiten zu sein. Entscheidend sei die Zweckbestimmung, die dem Mittel nach außen erkennbar beigelegt werde. Außerdem sei die jeweilige Produktionsstufe zu berücksichtigen. Solange noch eine wesentliche Weiterverarbeitung erforderlich sei, handele es sich nicht um ein Arzneimittel. Nicht entscheidend sei hingegen, ob sich das jeweilige Produkt bereits in einer zur Anwendung geeigneten Form befinde oder erst im Zusammenwirken mit anderen Stoffen arzneilichen Zwecken diene. Die [X.] würden als Produkte der [X.] Medizin an Apotheken abgegeben und in Broschüren des Unternehmens und im [X.] als Heilkräuter der [X.] Medizin bezeichnet, die eine anerkannte Form der Heilung darstelle. Außerdem würden sie als Stoffe in Apothekenqualität beworben, deren Standardisierung die Rezepturdosierung erleichtere. Derartige Produkte seien nach allgemeiner Verkehrsauffassung Arzneimittel. Dem stehe nicht entgegen, dass die Granulate in der Regel nicht als Einzelsubstanzen, sondern nur als Mischung an den Endverbraucher abgegeben würden. Das Kombinieren von Einzelsubstanzen nach individuellen Rezepturen stelle keine wesentliche Weiterverarbeitung dar, zumal die Stoffe nach den Angaben der Klägerin bereits in einem standardisierten Drogen-Extrakt-Verhältnis geliefert würden.

6

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Sprungrevision. Das Verwaltungsgericht habe die von ihr vertriebenen [X.] zu Unrecht als Arzneimittel eingestuft. Es handele sich zum Teil um Gewürze wie Ingwer, Zimt oder [X.], zum Teil um sonstige pflanzliche Rohstoffe. Die Weiterverarbeitung zu Arzneimitteln sei kein zwangsläufiger Verwendungszweck. Die Produkte könnten deshalb nicht generell als Arzneimittel eingestuft werden. Die Behörde habe zudem überzogene Anforderungen an die für eine Erteilung einer Einfuhrerlaubnis vorzulegenden Nachweise gestellt und mit wechselnden Begründungen praktisch ein [X.] bewirkt. Das sei vor dem Hintergrund ihrer führenden Position beim Vertrieb und dem Import von [X.]n und angesichts ihrer Qualitätsstandards unangemessen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass sie keine Endverbraucher beliefere, sondern ausschließlich Apotheken. Erst in dortiger Verantwortung entstünden arzneimittelrechtlich relevante Produkte; die [X.] seien insoweit lediglich Vorprodukte. Diesen Standpunkt nehme hinsichtlich der [X.] mittlerweile auch die Behörde selbst ein; sie halte eine Einfuhrerlaubnis insoweit nicht mehr für erforderlich.

7

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Bei Granulaten sei anders als bei Kräutern wegen der vielen Verarbeitungsschritte im Herkunftsland die Zweckbestimmung und Anwendbarkeit als Arzneimittel bereits eindeutig gegeben. Bei der abschließenden Verarbeitung durch den Apotheker handele es sich nicht um einen wesentlichen Produktionsprozess. Die [X.] setze nicht voraus, dass der Stoff bereits in einer Form vorliege, die die unmittelbare Abgabe an den Endverbraucher erlaube.

8

Der Vertreter des [X.] tritt der Revision ebenfalls entgegen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Urteil des [X.] verstößt nicht gegen Bundes- oder Gemeinschaftsrecht.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen für die angegriffene Ordnungsverfügung vorliegen. Der Bescheid stützt das Verbot, ohne Erlaubnis eingeführte TCM-Granulate in den Verkehr zu bringen, auf § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 des [X.]es ([X.]) in der Fassung der Neubekanntmachung vom 12. Dezember 2005 ([X.]). Danach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhinderung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie können insbesondere das Inverkehrbringen von [X.] oder Wirkstoffen untersagen, wenn die erforderliche Erlaubnis für das Verbringen in das [X.] nicht vorliegt. Gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bedarf einer Erlaubnis, wer gewerbs- oder berufsmäßig aus Ländern, die nicht Mitgliedstaaten der [X.] sind, Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 [X.] in die Bundesrepublik einführt.

1. Bei den von der Klägerin zu Heilzwecken importierten [X.] handelt es sich um Arzneimittel. Mangels Nachweises einer pharmakologischen Wirkung scheidet zwar eine Einordnung als sog. Funktionsarzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 [X.] und Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/[X.] zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 6. November 2001 (ABl [X.] Nr. L 311 S. 67) in der Fassung der Richtlinie 2009/53/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 ([X.] Nr. L 168 S. 33) - [X.] - aus (vgl. dazu Urteil vom 26. Mai 2009 - BVerwG 3 C 5.09 - [X.] 418.710 LFGB Nr. 6 Rn. 15).

Die Granulate erfüllen aber die Merkmale eines sog. Präsentationsarzneimittels im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und Art. 1 Nr. 2 Buchst. a der [X.]. Darunter fallen alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung menschlicher Krankheiten bestimmt sind. Ein Produkt erfüllt diese Voraussetzungen, wenn es entweder ausdrücklich als ein solches Mittel bezeichnet wird oder aber sonst bei einem durchschnittlich informierten Adressaten auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass es in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (vgl. Urteil vom 26. Mai 2009 - BVerwG 3 C 5.09 - a.a.[X.]; [X.], Urteil vom 15. November 2007 - Rs. [X.]/05 - Slg. 2007 [X.] Rn. 43 ff.). Das Inverkehrbringen solcher Produkte ist arzneimittelrechtlich nicht anders zu behandeln als bei Mitteln, bei denen eine arzneiliche Wirkung feststeht. Insbesondere erfordert die Einfuhr solcher Arzneimittel eine Erlaubnis nach § 72 [X.].

a) Das Verwaltungsgericht hat hinreichende Feststellungen getroffen, aus denen sich ergibt, dass die von der Klägerin importierten TCM-Granulate als Mittel präsentiert werden, die zur Heilung oder Linderung von Krankheiten bestimmt sind. Dafür spricht schon, dass die Produkte auf der Verpackung oder in werbenden Aussagen in Broschüren und auf der Internet-Seite der Klägerin als Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin bezeichnet werden. Hinzu kommen der Hinweis auf die Verwendung von Heilkräutern, deren Einsatz als alternative Heilmethode anerkannt sei, sowie die Betonung der Apothekenqualität der Produkte und des Umstands, dass ausschließlich Apotheken beliefert würden zur Verwendung der Granulate in der Rezeptur. Verfahrensrügen gegen diese Feststellungen hat die Klägerin nicht erhoben. Sie sind deshalb der Revisionsentscheidung zugrunde zu legen. Da in der Außendarstellung nicht zwischen einzelnen Produkten oder Wirkstoffen unterschieden, sondern die gesamte Produktpalette in der beschriebenen Weise dargestellt wird, müssen sich alle von der Klägerin importierten Granulate ohne Rücksicht auf ihre tatsächliche Wirkung oder den Grad ihrer möglichen Gefährlichkeit für die Gesundheit der Verbraucher als Mittel zur Heilung oder Linderung menschlicher Krankheiten behandeln lassen. Die Klägerin kann demgegenüber nicht mit Erfolg einwenden, dass eine Vielzahl der von ihr importierten Produkte (auch) als Lebensmittel Verwendung finden könne; denn nach ihren eigenen Erklärungen ist die Bestimmung und die Präsentation ihrer Produkte eindeutig. Sie werden nicht als Lebensmittel dargestellt, sondern als Mittel mit einem arzneilichen Zweck ("Medizin") und mit dieser Zweckbestimmung importiert.

b) Der Einordnung als Präsentationsarzneimittel steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Produkte nur an Apotheken zur Weiterverarbeitung liefert und ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich nicht um Endverbraucherpackungen handelt. Die Präsentation der Granulate durch die Klägerin bezieht sich zwar nur auf Produkte, die erst durch den Apotheker ihre endgültige Form finden. Es entspricht indes dem Schutzzweck des Gesetzes, nicht nur das abgabefertige Endprodukt als Arzneimittel einzuordnen, sondern bei einem mehrstufigen Herstellungsprozess auch bestimmte Vorstufen des Endproduktes den Kontrollen und Anforderungen des [X.] zu unterwerfen. Die von der Klägerin importierten Produkte fallen danach unter den Arzneimittelbegriff. Dafür ist entscheidend, dass die Granulate als standardisierte Pflanzenextrakte die Wirkstoffe enthalten, denen die heilende Wirkung der [X.] zugesprochen wird, und dass sie sich bereits in einem Verarbeitungszustand befinden, der für eine Abgabe an den Endverbraucher keine wesentliche weitere Aufbereitung mehr erfordert. Im Einzelnen:

Das [X.] enthält keine ausdrücklichen Regelungen darüber, ab welcher Produktionsstufe von einem Arzneimittel gesprochen werden kann. Es definiert neben [X.] die Stoffe (§ 3), die Wirkstoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von [X.] als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden (§ 4 Abs. 19), und erwähnt daneben im Zusammenhang mit Fertigarzneimitteln die sog. Zwischenprodukte, die jedenfalls keine Fertigarzneimittel sind (§ 4 Abs. 1 Satz 2), sowie die Ausgangsstoffe von [X.] (§ 54 Abs. 2 Nr. 8). Daneben haben sich weitere Begriffsdefinitionen etabliert (etwa Rohstoff, Grundstoff und Bulkware, vgl. [X.]/[X.], [X.] § 2 [X.]. 27), die indes (ebenfalls) keine trennscharfe Abgrenzung ermöglichen. Auch die Regelungen des [X.]es über Arzneimittel, die keine Fertigarzneimittel im Sinne des § 4 Abs. 1 [X.] sind, sondern erst durch die Zubereitung des Apothekers ihre endgültige Abgabeform erlangen, liefern keinen eindeutigen Aufschluss. Zwar befreit das Gesetz Apotheker für die Herstellung von [X.] im üblichen Apothekenbetrieb von der Notwendigkeit einer Herstellungserlaubnis (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Daraus lässt sich allerdings nicht schließen, dass solche Arzneimittel in jedem Fall erst durch den Apotheker "hergestellt" werden, also zuvor noch keine Arzneimittel, sondern lediglich Ausgangsstoffe oder Zwischenprodukte vorliegen.

Das Gesetz geht vielmehr von einem weiten Begriff des [X.] aus. Nach § 4 Abs. 14 [X.] ist darunter das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das [X.], das Kennzeichnen und die Freigabe zu verstehen. Angesichts der Weite dieser Definition verbietet sich die Annahme, dass stets nur der letzte Produktionsschritt vor der Abgabe an den Endverbraucher zur Herstellung des Arzneimittels führt und davor lediglich Zwischenprodukte vorliegen, die nicht unter den Arzneimittelbegriff fallen (so aber [X.], [X.] 2003, 79 ff., unter Bezugnahme auf einen Beschluss des [X.] vom 23. August 1982 - 11 CS 82 A.1343 -). Das widerspräche zum einen der allgemeinen Verkehrsauffassung; denn es liegt auf der Hand, dass etwa ein Produkt, das nur noch in bestimmter Weise gekennzeichnet oder abgepackt werden muss, bevor es als Arzneimittel an den Endverbraucher abgegeben wird, bereits zuvor diese Eigenschaft haben kann. Vor allem aber widerspräche es dem Schutzzweck des Gesetzes, die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, indem der Verkehr von [X.] besonderen Anforderungen unterworfen wird. Das ließe sich nicht erreichen, wenn stets nur der letzte Produktionsschritt vor der Abgabe an den Endverbraucher die [X.] des Produktes begründete.

Das [X.] hat deshalb in seiner bisherigen Rechtsprechung für die Unterscheidung zwischen [X.] und bloßen Vorprodukten - in Bezug auf Funktionsarzneimittel - darauf abgestellt, ab welcher Produktionsstufe die Bestimmung eines Anwendungszwecks im Sinne des § 2 Abs. 1 [X.] möglich ist und erkennbar vorliegt. Danach genügt es für die Anwendung des [X.], dass ein Stoff mit seiner Herstellung für arzneiliche Zwecke bestimmt ist. Ob bei der Weiterverarbeitung ein chemisch-physikalischer Prozess stattfindet, durch den ein völlig neuer Stoff entsteht, der schließlich erst am menschlichen Körper angewandt wird, ist für die Einordnung als Arzneimittel unerheblich, solange für ein Produkt bereits im Zeitpunkt der Herstellung eindeutig feststeht, dass seine künftige Zweckbestimmung ausschließlich darin besteht, durch Anwendung im menschlichen Körper - wenn auch erst im notwendigen Zusammenwirken mit einem anderen Stoff - arzneilichen Zwecken zu dienen (Urteil vom 29. November 1984 - BVerwG 3 C 6.84 - [X.] 418.32 [X.] Nr. 10; s. auch [X.], Beschluss vom 6. November 2007 - 1 [X.] - [X.] 2008, 209; [X.]/[X.], [X.] § 2 [X.]. 27; [X.], [X.] § 2 [X.]. 4).

Nach Auffassung des erkennenden Senats spricht einiges dafür, diese ausschließlich an der Zweckbestimmung orientierte Unterscheidung zwischen [X.] und Vorprodukten enger zu fassen, um zu vermeiden, dass bei einem mehrstufigen Herstellungsprozess jede Art von Vorprodukten oder sogar Rohstoffe bereits dem Arzneimittelbegriff unterfallen, sobald ihre Bestimmung zur Weiterverarbeitung zu einem Mittel mit arzneilichem Zweck erkennbar ist. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Vorstufen nicht allein deshalb bereits [X.] haben, weil sie zu einem Arzneimittel weiterverarbeitet werden. Aus diesem Grund finden sich im [X.] neben dem Arzneimittelbegriff Bestimmungen über Wirkstoffe, Zwischenprodukte oder Ausgangsstoffe sowie - bezogen auf pflanzliche Arzneimittel - über die Arzneimittel und die pflanzlichen Stoffe oder Zubereitungen, die sie enthalten (§ 4 Abs. 29 [X.]). Um dieser im Gesetz angelegten Unterscheidung Rechnung zu tragen, könnte es geboten sein, als [X.] Kriterium für die [X.] von Produkten in einem mehrstufigen Herstellungsprozess darauf abzustellen, dass keine wesentlichen Bearbeitungsschritte bis zum abgabefertigen Endprodukt mehr erforderlich sind (so auch [X.], [X.] § 2 [X.]. 4; [X.], Urteil vom 24. Oktober 2002 - 11 [X.]/02 - juris Rn. 38; [X.], Beschluss vom 24. August 2009 - 9 CS 09.1023 - juris Rn. 13).

Die Frage bedarf aus Anlass dieses Falles keiner abschließenden Klärung. Die von der Klägerin importierten TCM-Granulate fallen auch dann unter den Arzneimittelbegriff, wenn neben der arzneilichen Zweckbestimmung zusätzlich darauf abgestellt wird, dass bis zur Abgabe an den Endverbraucher keine wesentlichen Verarbeitungsschritte mehr erforderlich sind. Die Produkte haben in der Form, in der sie aus dem Herstellungsland nach [X.] importiert werden, die Stufe eines bloßen Vorprodukts oder Ausgangsstoffes bereits überschritten. Die wesentlichen Produktionsschritte erfolgen im Herkunftsland durch die industrielle Verarbeitung der pflanzlichen Rohstoffe und bestimmter Zusatzstoffe zu Granulaten mit einem standardisierten Wirkstoffverhältnis. Nach den Feststellungen des [X.] werden die Granulate in den Apotheken lediglich nach individuellen Rezepturen gemischt ("kombiniert") und sodann an den Endverbraucher abgegeben. Dieser letzte Verarbeitungsschritt stellt nach der Verkehrsanschauung keine wesentliche Weiterverarbeitung dar. Zwar entsteht erst durch den Apotheker ein individuell auf die jeweiligen Patienten zugeschnittenes Heilmittel. Das Abwiegen, Portionieren und Zusammenstellen gleichartiger Substanzen zu einer Mischung führt aber nicht zu einem wesentlich anderen oder neuen Produkt. Die den [X.] zugeschriebenen pflanzlichen Wirkstoffe werden durch diesen Vorgang nicht weiter verändert oder aufbereitet. Die Granulate sind schon anwendungsfertig in dem Zustand, in dem sie von der Klägerin eingeführt werden. Dass sie in der Regel nicht als Einzelgranulat, sondern als Mischung verschiedener Granulate eingenommen werden, ändert daran nichts.

Die Einstufung der von der Klägerin importierten TCM-Granulate als Arzneimittel und nicht lediglich als Vorprodukte zu einem Arzneimittel gebietet auch der Schutzzweck des Gesetzes, die Herstellung und den Verkehr mit [X.] zu kontrollieren. Dies gilt namentlich für Substanzen, bei denen der wesentliche Teil des Herstellungsprozesses in Drittländern erfolgt. Die Vorschriften über die Einfuhr von [X.] (§ 72 [X.], § 72a [X.]) übertragen die für die Herstellung geltenden Anforderungen auf den Importeur (§ 72 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Durch das zusätzliche Erfordernis von Zertifikaten nach § 72a [X.] soll sichergestellt werden, dass im Exportland die anerkannten Grundregeln für die Herstellung und die Qualität von [X.] eingehalten werden. Die Beachtung dieser Standards ist für jede Form von [X.], die am oder im menschlichen Körper angewendet werden, von hoher Bedeutung, um zu verhindern, dass mangelhafte, etwa verunreinigte oder aus anderen Gründen für die menschliche Gesundheit bedenkliche Produkte in den Verkehr gelangen. Diese Grundanforderungen müssen alle Arzneimittel unabhängig davon erfüllen, ob sie sich selbst eine heilende Wirkung zusprechen oder nachweislich pharmakologische Wirkungen entfalten; denn in beiden Fällen handelt es sich um Produkte, die vom Menschen zur Heilbehandlung angewandt oder eingenommen werden. Die Klägerin kann deshalb nicht erfolgreich einwenden, nur an Apotheken zu liefern und darauf hinzuweisen, dass ihre Produkte nicht für Endverbraucher bestimmt sind. Sie kann die Verantwortung für die Qualität und Sicherheit ihrer als Heilmittel präsentierten Stoffe nicht auf die belieferten Apotheker abwälzen. Dass diese eine eigene Verantwortung für die von ihnen an Endverbraucher abgegebenen Arzneimittel trifft (§ 6 Apothekenbetriebsordnung), entbindet die Klägerin nicht von den Anforderungen des [X.]es, wenn sie - und sei es nur gegenüber den Apothekern als ihren Abnehmern - Stoffe präsentiert, die ohne wesentliche Weiterverarbeitung als Heilmittel verwendbar sein sollen. Im Übrigen besteht keine rechtliche Verpflichtung der Klägerin, sich auf die Belieferung von Apotheken zu beschränken. Sind die Produkte einmal importiert, könnten sie ohne die Restriktionen des [X.] an jedermann geliefert werden.

Die von der Klägerin angeregte Vorlage der Sache an den [X.] ist nicht veranlasst. Die Kriterien für ein Präsentationsarzneimittel hat der [X.] wiederholt formuliert und dabei betont, dass der Begriff nach der Zielrichtung der Richtlinie, die Verbraucher vor schädlichen oder giftigen [X.] und vor Erzeugnissen zu schützen, die anstelle geeigneter Heilmittel verwendet werden, weit auszulegen ist (vgl. nur [X.], Urteil vom 15. November 2007 - Rs. [X.]/05 - a.a.[X.]). Danach besteht kein Zweifel, dass die von der Klägerin als im Wesentlichen fertig hergestellte Heilmittel importierten Granulate dem nationalen wie dem entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff unterfallen. Ob die [X.] angesichts ihres Anwendungsausschlusses für Arzneimittel, die in einer Apotheke nach ärztlicher Verordnung hergestellt werden (vgl. Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie), hier überhaupt zum Tragen kommt, bedarf daher keiner Vertiefung. Dass andere Mitgliedstaaten den Import von [X.] zulassen, wie die Klägerin geltend macht, zeigt ebenfalls keinen gemeinschaftsrechtlichen Klärungsbedarf auf. Es ist weder festgestellt oder vorgetragen, dass diese Produkte in der gleichen Weise als Heilmittel präsentiert werden, noch, dass sie ohne eine arzneimittelrechtliche Erlaubnis eingeführt werden dürfen.

2. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids im Übrigen bestehen nicht. Insbesondere hat die Behörde im Rahmen der gebotenen Ermessensausübung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ihrer Maßnahme gewahrt.

Der Erforderlichkeit steht nicht entgegen, dass die Klägerin vorläufig bis zu einer gerichtlichen Klärung freiwillig auf den Vertrieb von [X.] verzichtet hat, soweit diese nach dem Erlass der erstmalig erteilten Einfuhrerlaubnis importiert worden sind. Zum einen wird damit nur eine teilweise Befolgung des Bescheids versprochen, zum anderen wird eine Verpflichtung zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen nicht dadurch obsolet, dass der Betroffene sie bis zu einer gerichtlichen Klärung von sich aus befolgt.

Der mit der Maßnahme verfolgte Zweck steht auch nicht außer Verhältnis zur Intensität des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit und in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. § 69 Abs. 1 Satz 2 [X.] ermächtigt die zuständige Behörde, das Inverkehrbringen von [X.] zu untersagen, wenn sie ohne Erlaubnis eingeführt worden sind. Dadurch soll sichergestellt werden, dass nur solche Arzneimittel nach [X.] importiert werden, die den Anforderungen der §§ 72 ff. [X.] genügen, also insbesondere hinsichtlich ihrer Qualität und Sicherheit ausreichend geprüft sind. Fehlt die notwendige Einfuhrerlaubnis, kann die Behörde schon allein deshalb das Inverkehrbringen untersagen, ohne ihrerseits nachweisen zu müssen, dass von den Stoffen eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher ausgeht. Im Übrigen scheidet eine solche Gefahr hier auch nicht offensichtlich aus. Die Klägerin hat ohne nähere Spezifizierung der [X.] selbst vorgetragen, dass immerhin gut 10 % der importierten Produkte als stark wirksame TCM-Drogen anzusehen seien. Schon deshalb ist es nicht unangemessen, ihr unterschiedslos den Vertrieb aller Granulate aus Gründen der Gefahrenabwehr zu untersagen, bis geklärt ist, inwieweit eine Einfuhrerlaubnis erteilt werden kann.

Meta

3 C 8/10

03.03.2011

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Ansbach, 26. November 2009, Az: AN 16 K 09.00221, Urteil

Art 1 Nr 2 Buchst a EGRL 83/2001, Art 1 Nr 2 Buchst b EGRL 83/2001, Art 3 Nr 1 EGRL 83/2001, Art 12 Abs 1 GG, § 2 Abs 1 Nr 1 AMG 1976, § 2 Abs 1 Nr 2 Buchst a AMG 1976, § 3 AMG 1976, § 4 Abs 1 AMG 1976, § 4 Abs 14 AMG 1976, § 4 Abs 19 AMG 1976, § 4 Abs 29 AMG 1976, § 69 Abs 1 S 1 AMG 1976, § 69 Abs 1 S 2 Nr 6 AMG 1976, § 72 Abs 1 AMG 1976, § 72a AMG 1976, § 6 ApoBetrO 1987

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.03.2011, Az. 3 C 8/10 (REWIS RS 2011, 8897)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8897

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