Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.02.2021, Az. III R 5/19

3. Senat | REWIS RS 2021, 8622

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Unzulässige Klage bei Verwendung eines Falschnamens


Leitsatz

Die Klageerhebung unter Verwendung eines Falschnamens ist unzulässig, da die Identität des Klägers nicht feststeht. Es genügt nicht, dass sich eine Klage, die von einer Person unter einem Falschnamen erhoben worden ist, zweifelsfrei der Person zuordnen lässt, die den Falschnamen benutzt und dass gerichtliche Schreiben der mit dem Falschnamen bezeichneten Person tatsächlich zugehen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 12.12.2018 - 3 K 3168/18 aufgehoben.

Die Klage wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über den [X.] von Kindergeldrückforderungen.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bezog ab September 2015 unter dem Falschnamen [X.] als (vermeintlich) bangladeschische Staatsangehörige für drei minderjährige Kinder Kindergeld unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes a.F. Sie hatte der [X.] den Verlust ihres Arbeitsplatzes nicht angezeigt und in der Folgezeit für sich und die drei Kinder Leistungen nach dem [X.] bezogen, bei deren Ermittlung das Kindergeld als Einkommen angerechnet wurde. Nachdem die [X.] von der fehlenden Erwerbstätigkeit der Klägerin Kenntnis erlangt hatte, hob sie mit Bescheid vom 09.11.2017 die Kindergeldfestsetzung ab Februar 2016 auf und forderte das für den Zeitraum Februar 2016 bis September 2017 gezahlte Kindergeld in Höhe von 11.574 € von der Klägerin zurück.

3

Die Klägerin beantragte gegenüber der [X.] - Agentur für Arbeit C --Inkassoservice-- den Erlass des [X.] sowie aufgelaufener Säumniszuschläge in Höhe von 115,50 €. Diese erließ die Forderung für den Monat Februar 2016 (576 €) und lehnte den Antrag im Übrigen mit Bescheid vom 28.02.2018 ab, da die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe. Den Einspruch der Klägerin wies die [X.] - [X.] (Beklagte und Revisionsklägerin --Familienkasse--) am 18.07.2018 als unbegründet zurück. Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) hob den Ablehnungsbescheid vom 28.02.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.07.2018 auf und verpflichtete die Familienkasse, den Kindergeldrückforderungsanspruch in Höhe von 11.113,50 € zu erlassen. Im Übrigen wies es die Klage ab.

4

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist zudem der Ansicht, die Klage sei unzulässig, da die Klägerin die Klage unter einem unzutreffenden Namen erhoben habe. Es sei nicht möglich, die Identität der Klägerin hinreichend festzustellen.

5

Die Familienkasse beantragt sinngemäß,
das Urteil des [X.] vom 12.12.2018 - 3 K 3168/18 aufzuheben, soweit sie verpflichtet wurde, den Kindergeldrückforderungsanspruch in Höhe von 11.113,50 € zu erlassen, und die Klage auch insoweit abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Im Revisionsverfahren teilte die Klägerin mit, dass sowohl ihr Name und Vorname als auch ihr Geburtsdatum und ihre Nationalität richtigzustellen seien. Sie [X.] und stamme aus [X.]. Auch die Personalien der Kinder müssten korrigiert werden.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit, als die Familienkasse darin zum Erlass des zurückgeforderten Kindergeldes nebst Säumniszuschlägen verpflichtet worden ist, und zur Verwerfung der Klage. Die von der Klägerin unter einem Falschnamen erhobene Klage ist unzulässig.

9

1. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 [X.]O müssen der Kläger und der [X.] in der Klage bezeichnet werden. Dabei handelt es sich um eine Sachentscheidungsvoraussetzung [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, Vor §§ 33 bis 34 [X.]O Rz 19; Gräber/[X.], Finanzgerichtsordnung, § 65 Rz 4). Ob die Voraussetzungen für ein Sachurteil des [X.] vorlagen, hat der [X.] ([X.]) von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senatsurteil vom 13.05.2015 - III R 8/14, [X.]E 249, 422, [X.], 844, Rz 27 zur Klagefrist; [X.] in Tipke/[X.], § 65 [X.]O Rz 1; Gräber/[X.], a.a.[X.], Vor § 33 Rz 16, und Gräber/Ratschow, a.a.[X.], § 115 Rz 45 und 68).

2. Auf welche Weise der Kläger zu bezeichnen ist, regelt § 65 Abs. 1 Satz 1 [X.]O nicht ausdrücklich.

a) Rückschlüsse auf die erforderlichen Angaben lassen sich aus der Bedeutung der Klage für das finanzgerichtliche Verfahren ziehen. Mit Einreichung der Klageschrift verleiht der Kläger seinem auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer hoheitlichen Maßnahme gerichteten Rechtschutzbegehren Ausdruck und setzt ein gerichtliches Verfahren in Gang, bei dem an der Rechtsfindung --anders als im [X.] auch ein öffentliches Interesse besteht und das daher vom Untersuchungsgrundsatz geprägt ist. Zur Vorbereitung seiner Entscheidung obliegt dem [X.] gemäß § 76 Abs. 1 Sätze 1 und 2 [X.]O die Pflicht, den Sachverhalt unter Heranziehung der Beteiligten so vollständig wie möglich aufzuklären. Die Bezeichnung der Beteiligten in der Klageschrift ist daher nicht nur für die zweifelsfreie Identifizierung der Prozessbeteiligten und die eindeutige Fixierung des Prozessverhältnisses, sondern auch für eine ordnungsgemäße und sachgerechte Prozessführung von Bedeutung ([X.]-Urteil vom 28.01.1997 - VII R 33/96, [X.]/NV 1997, 585, unter 2.a). Bei natürlichen Personen ist im Regelfall neben der Angabe der Adresse auch die des Familiennamens und des Vornamens erforderlich (Schallmoser in [X.], § 65 [X.]O Rz 41 und 44; [X.] in Gosch, [X.]O § 65 Rz 21; Gräber/[X.], a.a.[X.], § 65 Rz 14 und 15; [X.] in Tipke/[X.], § 65 [X.]O Rz 7; [X.] in [X.]/[X.], [X.]/[X.]O, § 65 [X.]O Rz 26). Die Bezeichnung muss so bestimmt sein, dass jeder Zweifel an der Person des [X.] ausgeschlossen ist ([X.]-Urteil vom 11.04.1991 - V R 86/85, [X.]E 164, 219, BStBl II 1991, 729, unter B.2.).

b) Auch der [X.] ([X.]) verlangt im Zivilprozess, ausgehend von § 253 Abs. 2 Nr. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), wonach die Klageschrift u.a. die Bezeichnung der [X.]en enthalten muss, und von § 130 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 253 Abs. 4 ZPO, wonach eine Bezeichnung der [X.]en durch Name, Stand oder Gewerbe und Wohnort erfolgen soll, in der Regel die Angabe des Namens der [X.]. Voraussetzung einer im Ausnahmefall entbehrlichen Namensnennung ist, dass die [X.] ohne Angabe ihres Namens so klar bezeichnet wird, dass keine Zweifel an ihrer Identität und Stellung aufkommen können und sie sich aus der [X.]bezeichnung für jeden Dritten ermitteln lässt ([X.]-Beschluss vom 18.09.2018 - VI ZB 34/17, Neue Juristische [X.] Zivilrecht --NJW-RR-- 2018, 1460, Rz 7, m.w.N.).

c) Davon zu unterscheiden ist die Benutzung eines Künstlernamens (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 5 des Bundesmeldegesetzes), denn als Künstlername ist ein vom bürgerlichen Namen abweichender Name zu verstehen, der in bestimmten Lebensbereichen geführt wird und dort anstelle des Familiennamens die Identität und Individualität der Person ausdrückt (Urteil des [X.] vom 27.03.2018 - 10 A 10810/17, Rz 25, juris). Ein Künstlername tritt somit zum bürgerlichen Namen hinzu und ersetzt diesen im Bereich der künstlerischen Betätigung. Er ermöglicht die Feststellung des bürgerlichen Namens.

d) In dem Beschluss in NJW-RR 2018, 1460 beanstandete der [X.], dass Ungewissheit nicht nur über den richtigen Namen einer Person bestand, sondern auch über deren Identität. Die Identität einer Person wird nicht nur durch den von ihr verwendeten Namen definiert, sondern durch weitere Elemente wie Geburtsname, Tag und Ort der Geburt, Geburtsland, Anschrift sowie Staatsangehörigkeit (vgl. nunmehr § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Verbesserung des [X.] zu Verwaltungsleistungen). Steht die wahre Identität eines [X.] wegen der Verwendung eines Falschnamens nicht fest, ist er nicht [X.] von § 65 Abs. 1 Satz 1 [X.]O bezeichnet. Es genügt somit nicht, dass sich eine Klage, die von einer Person unter einem Falschnamen erhoben worden ist, zweifelsfrei der Person zuordnen lässt, die den Falschnamen benutzt, und dass gerichtliche Schreiben der mit dem Falschnamen bezeichneten Person tatsächlich zugehen.

3. Nach den Angaben der Klägerin im Revisionsverfahren hat sie die Klage unter dem Falschnamen erhoben, mit dem sie in die [X.] eingereist war. Da sie über ihre Identität getäuscht hatte, war die zweifelsfreie Identifizierung der Person der Klägerin nicht möglich.

4. Es kann dahinstehen, ob sich die Klage gegen den richtigen [X.]n richtete, weil es bereits an einer ausreichenden Bezeichnung der Klägerin in der Klageschrift fehlt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 [X.][X.]

Meta

III R 5/19

18.02.2021

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 12. Dezember 2018, Az: 3 K 3168/18, Urteil

§ 65 Abs 1 S 1 FGO, § 253 Abs 2 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.02.2021, Az. III R 5/19 (REWIS RS 2021, 8622)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8622

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III R 74/10 (Bundesfinanzhof)

Bezeichnung des Beklagten nach Ablauf de Klagefrist


III B 136/14 (Bundesfinanzhof)

Bezeichnung des FG-Urteils in Nichtzulassungsbeschwerde


III R 23/13 (Bundesfinanzhof)

Abzweigung von Kindergeld an Grundsicherungsträger bei einem teilstationär untergebrachten behinderten Kind


III R 54/11 (Bundesfinanzhof)

Kindergeldanspruch einer im Inland selbständig tätigen polnischen Staatsangehörigen, deren Kinder beim Ehemann in Polen leben …


III R 24/13 (Bundesfinanzhof)

Abzweigung von Kindergeld an Grundsicherungsträger bei einem teilstationär untergebrachten behinderten Kind


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.