Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.01.2015, Az. 2 StR 204/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 17119

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Gegenstand

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte: Flucht vor der Polizei


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2013 mit den Feststellungen aufgehoben

a) im Fall 16 der Urteilsgründe,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in vier Fällen, wegen Diebstahls und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sowohl in Tateinheit mit Sachbeschädigung als auch mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils im Fall 16 der Urteilsgründe sowie im [X.]; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Das [X.] hat zu Fall 16 der Urteilsgründe Folgendes festgestellt:

3

Am 6. Dezember 2012 verfolgten Beamte einer zivilen Ermittlergruppe mit drei zivilen Fahrzeugen den von dem Angeklagten, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, gesteuerten PKW Smart, in dem sich Diebesgut und Einbruchswerkzeuge befanden, um einen gegen den Mitangeklagten [X.], der auf dem Beifahrersitz saß, bestehenden Haftbefehl zu vollstrecken. Als der PKW Smart an einer roten Ampel hielt, erfolgte der Zugriff der Polizeibeamten. Der PKW [X.] mit den Polizeibeamten [X.]und [X.]stellte sich quer vor den Smart, der PKW [X.] mit den Beamten E.     und [X.]    hielt rechts neben dem Smart in einem Abstand von 40 cm an, der PKW [X.] mit den Polizeibeamten [X.]und [X.]     stellte sich schräg dahinter. Die Polizeibeamten stiegen aus ihren Fahrzeugen aus. Jedenfalls die Polizeibeamten [X.]     , E.     und [X.]trugen ihre Dienstausweise offen und gut sichtbar, so dass sie als solche erkennbar waren. [X.]     und [X.]     riefen laut und deutlich "Polizei! Türen auf! Aussteigen!", [X.]     und [X.]    zogen ihre Waffe und nahmen die Sicherungshaltung ein. Der Angeklagte [X.], der erkannt hatte, dass es sich um einen Polizeieinsatz handelte, legte abrupt den Rückwärtsgang ein, lenkte stark nach rechts und setzte das Fahrzeug hastig zurück, um sich der Festnahme zu entziehen. Dabei wurde der Opel [X.] beschädigt. Außerdem wurde der Polizeibeamte E.     zwischen der hinteren Ecke des PKW Smart und dem hinteren linken Radhaus des Opel [X.] eingeklemmt, wodurch er am Knie verletzt wurde. Der Angeklagte [X.]nahm die Beschädigung des Opel [X.] zu Fluchtzwecken billigend in Kauf. Die [X.] konnte dagegen nicht feststellen, dass der Angeklagte [X.]annahm, auch hinter dem Smart befänden sich Polizeibeamte.

4

Die Angeklagten gaben nach der Kollision den Versuch auf, sich der Polizeikontrolle zu entziehen.

5

2. Die Strafkammer hat diesen Sachverhalt als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 und 3 StGB sowohl in Tateinheit mit Sachbeschädigung (§§ 303 Abs. 1, 303c StGB, als auch mit Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) gewertet. Indem der Angeklagte [X.]versucht habe, sich der Polizeikontrolle durch Festnahme zu entziehen und zu diesem Zweck den PKW Smart abrupt trotz der ihn [X.] drei Fahrzeuge zurücksetzte, habe er bewusst und gewollt mit Gewalt Widerstand gegen die rechtmäßige Diensthandlung der Polizeibeamten geleistet.

6

3. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Unter Widerstand ist eine aktive Tätigkeit gegenüber dem [X.] mit Nötigungscharakter zu verstehen, mit der die Durchführung einer Vollstreckungsmaßnahme verhindert oder erschwert werden soll ([X.], 336). Nach dem Schutzzweck des § 113 StGB muss die Gewalt gegen den Amtsträger gerichtet und für ihn - unmittelbar oder mittelbar über Sachen - körperlich spürbar sein (BGHSt 18, 133; [X.]/Kühl, 28. Aufl. 2014, § 113 StGB Rn. 5). Bloße Flucht vor der Polizei ist kein (gewaltsamer) Widerstand, auch wenn dadurch gegebenenfalls Dritte gefährdet oder unvorsätzlich verletzt werden ([X.], 336; [X.], 62. Aufl. 2015, § 113 Rn. 23).

7

Danach fehlt es hier an einem Widerstandleisten im Sinne von § 113 StGB. Da der Polizeibeamte E.    vom Angeklagten unbemerkt um das Heck des PKW Smart herumlief, als der Angeklagte das Fahrzeug zurücksetzte, fehlt es bereits an der für den äußeren Tatbestand erforderlichen, gewaltsamen, gegen die Person des [X.] gerichteten Handlung. Ebenso wenig wird der für die Verwirklichung des § 113 StGB notwendige Vorsatz deutlich, durch eine nötigende Handlung gegen den [X.] die Vollstreckungsmaßnahme zu verhindern oder zu erschweren; festgestellt ist lediglich, dass der Angeklagte [X.]die Beschädigung des Opel [X.] billigend in Kauf nahm, nicht jedoch, dass er die Verletzung eines der Polizeibeamten im Rechtssinne gebilligt hat.

8

4. Der Rechtsfehler zieht die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 16 sowie des [X.]s nach sich. Der Senat schließt nicht aus, dass noch Feststellungen getroffen werden können, welche die Annahme des § 113 StGB tragen. Zugleich wird der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter die Möglichkeit in den Blick zu nehmen haben, dass der Angeklagte gegenüber dem Polizeibeamten E.    eine fahrlässige Körperverletzung im Sinne von § 229 StGB begangen haben könnte.

Appl                                  Schmitt                          Krehl

               Eschelbach                               Zeng

Meta

2 StR 204/14

15.01.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Erfurt, 18. Dezember 2013, Az: 881 Js 28838/12 - 1 KLs

§ 113 Abs 1 StGB, § 113 Abs 3 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.01.2015, Az. 2 StR 204/14 (REWIS RS 2015, 17119)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17119

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 272/22

2 StR 204/14

5 StR 157/20

5 StR 157/20

202 StRR 54/21

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