Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.03.2016, Az. B 11 AL 103/15 B

11. Senat | REWIS RS 2016, 15015

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Zulässigkeit - grundsätzliche Bedeutung - revisibles Recht - Klärungsbedürftigkeit - Auseinandersetzung mit oberstgerichtlicher Rechtsprechung - insolvenzgeldliche Berücksichtigung von Urlaubsentgelt


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 2. Dezember 2015 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger vom 15.5. bis 14.8.2012 zu zahlenden Insolvenzgelds ([X.]).

2

Der Kläger erhielt nach einem [X.] seiner früheren Arbeitgeberin [X.]. Dabei wurde ihm ausgefallenes Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate in Form von ausgefallenem Nettoentgelt sowie von Teilen des [X.] ersetzt. Nach dem maßgeblichen Tarifvertrag standen ihm im Jahr 2012 30 Urlaubstage mit einem Urlaubsentgelt in Höhe des 1,5-fachen durchschnittlichen Anspruchs auf Arbeitsentgelt ohne Aufwendungen für Mehrarbeit zu. Die Auszahlung der Urlaubsvergütung wurde so gehandhabt, dass das Arbeitsentgelt während des Urlaubs in Höhe des 1,0-fachen Arbeitsentgelts fortgezahlt wurde, während der 0,5-fache Betrag für den gesamten Urlaubsanspruch als Urlaubsgeld mit dem Gehalt für den Monat Juni eines jeden Jahres ausgezahlt wurde. Die Beklagte hat bei der Berechnung des [X.] lediglich das Urlaubsgeld für die Tage berücksichtigt, in denen der Kläger im Insolvenzzeitraum Urlaub hatte, nicht aber das Urlaubsgeld für den gesamten Urlaubsanspruch berücksichtigt.

3

Das [X.] hat die auf höheres [X.] gerichtete Klage abgewiesen (Urteil des [X.]). Die Berufung hat das [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 2.12.2015). Auf der Grundlage des anzuwendenden Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der [X.] Metall- und Elektroindustrie vom 23.6./15.9.2008 ([X.]) und der Betriebsvereinbarung 02/10 vom 22.12.2010 bei der Arbeitgeberin des [X.] sei die Auszahlung des [X.] - unabhängig von der Inanspruchnahme des Urlaubs - mit der Entgeltabrechnung für den Monat Juni eines jeden Jahres erfolgt. Dadurch sei aber keine eigenständige, vom Urlaubsentgelt und von der Inanspruchnahme des Urlaubs unabhängige Sonderleistung "Urlaubsgeld" geschaffen worden. Vielmehr entstehe der Anspruch auf Urlaubsentgelt - wie im [X.] geregelt - mit Inanspruchnahme des Urlaubs.

4

Gegen die Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und wirft die Frage auf:

5

"Kann durch Betriebsvereinbarung oder arbeitgeberseitige Praxis eine für den gesamten Betrieb geltende Stichtagsregelung zur Entstehung und Auszahlung eines Urlaubsgeldanspruchs geschaffen werden

- wenn der den Urlaubsgeldanspruch normierende Tarifvertrag vorsieht, dass dieses zusätzliche Entgelt vor Eintritt des [X.] voll auszuzahlen ist, in einer Protokollnotiz aber eine Abweichungsmöglichkeit für den Auszahlungszeitpunkt des gesamten 'Urlaubsgeldes' (Urlaubsentgelt und zusätzliches 0,5-faches Urlaubsgeld) - durch Betriebsvereinbarung möglich ist, die Betriebsvereinbarung aber bestimmt, dass die Auszahlung des [X.] nur in voller Gänze unabhängig von der zeitlichen Lage des Urlaubs mit der Entgeltabrechnung für den Monat Juni eines jeden Jahres zu erfolgen hat, während das originäre Urlaubsgeld jeweils entsprechend der realisierten Urlaubstage vergütet wird -

sodass der im Einvernehmen mit dem Betriebsrat vom Arbeitgeber geschaffene Stichtag, wenn er im [X.] liegt, dazu führt, dass das … Urlaubsgeld im Insolvenzgeld auszuzahlen ist?"

6

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da der geltend gemachte [X.] nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

7

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung ([X.] § 160 [X.] und § 160a [X.], 11, 12, 31, 59, 65). Diese Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt.

8

Es ist schon fraglich, ob der Kläger eine Rechtsfrage zur Auslegung und Anwendung des nach § 162 SGG revisiblen Bundesrechts gestellt hat. Insoweit hat er zwar dargelegt, dass der hier anwendbare Tarifvertrag sowie die auf seiner Grundlage ergangene Betriebsvereinbarung [X.] sich zunächst auf das [X.] beziehen, aber auch Betriebe der Arbeitgeberin in [X.] beträfen. Nach der Rechtsprechung des [X.] kommt es für die Darlegung und Prüfung revisiblen Rechts nicht darauf an, dass zB ein Tarifvertrag auch außerhalb des auf ein Land beschränkten Geltungsbereichs Anwendung findet. Sein Geltungsbereich selbst muss sich entweder über das Gebiet eines Landes hinaus erstrecken oder es müssten in anderen Bundesländern nicht nur zufällig, sondern bewusst und gewollt inhaltlich gleiche Vorschriften vereinbart worden sein. Dass dies der Fall wäre, hat der Kläger nicht dargetan (vgl hierzu [X.]E 56, 45, 50 f = [X.] 2100 § 70 [X.] 1; [X.]E 79, 197, 198 f = [X.] 3-4100 § 69 [X.] 3). Entsprechendes gilt für den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung (vgl [X.]E 50, 121, 123 f) und wäre ebenfalls darzulegen gewesen.

9

Der Kläger hat auch die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend bezeichnet. Er hat sich zwar mit dem Urteil des [X.] vom 4.3.2009 (B 11 [X.] 8/08 R - [X.]E 102, 303 = [X.] 4-4300 § 183 [X.] 10) kurz auseinandergesetzt und vorgetragen, er könne der Entscheidung keine Maßstäbe dafür entnehmen, ob und wie das (zusätzliche) Urlaubsgeld zu behandeln wäre. Das [X.] hat in der genannten Entscheidung allerdings wie folgt differenziert: Werde Urlaubsgeld als akzessorische Arbeitgeberleistung für die Dauer des Urlaubs gewährt, sei es insolvenzgeldrechtlich nur zu berücksichtigen, soweit es für die [X.] in den letzten drei Monate vor dem [X.] vom Arbeitgeber zu zahlen gewesen wäre ([X.] aaO mwN). Werde das Urlaubsgeld dagegen urlaubsunabhängig gezahlt, sei es wie jede andere jährliche Sonderzuwendung außerhalb des laufenden Arbeitsentgelts nur dann berücksichtigt, wenn es sich ganz oder anteilig den dem [X.] vorausgehenden drei Monaten zuordnen lasse (unter Hinweis auf [X.] Urteil vom [X.] 11a [X.] 65/05 R). Davon ausgehend hat es die Leistung als akzessorische Arbeitgeberleistung angesehen, die für die Dauer des Urlaubs zu gewähren sei.

Der Kläger hat nicht näher erläutert, aus welchen Gründen sich die aufgeworfene Frage nicht anhand dieser Rechtsprechung des [X.] beantworten lässt, oder die vom [X.] geklärte Frage erneut klärungsbedürftig geworden wäre. Im Rahmen der Grundsatzrüge kommt es dagegen nicht darauf an, ob die Entscheidung des [X.] im Einzelfall zutreffend sein sollte.

Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist daher nach § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 11 AL 103/15 B

07.03.2016

Bundessozialgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Würzburg, 1. Oktober 2014, Az: S 7 AL 56/13, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 162 SGG, § 165 Abs 1 S 1 SGB 3, § 165 Abs 2 S 1 SGB 3

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.03.2016, Az. B 11 AL 103/15 B (REWIS RS 2016, 15015)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15015

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

L 10 AL 12/15 (LSG München)

Berücksichtigung des Urlaubsentgelts bei Bemessung des Insolvenzgeldes


B 11 AL 94/15 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Klärungsfähigkeit - Auseinandersetzung mit der …


B 11 AL 93/16 B (Bundessozialgericht)

Insolvenzgeldantrag - Insolvenzgeldbescheinigung - kein Antrag durch Insolvenzverwalter


B 11 AL 192/09 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - unzureichende Begründung - Arbeitsentgeltbegriff des Insolvenzgeldrechts …


B 11 AL 68/15 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - keine ausreichende Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.