Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2010, Az. XII ZB 232/09

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5539

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[X.]BESCHLUSS [X.] 232/09 vom 23. Juni 2010 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja FamFG § 78 Abs. 2 a) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, ist dem Beteiligten im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe ein Rechtsan-walt beizuordnen, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich ist. Entscheidend ist dabei, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. b) Die gebotene einzelfallbezogene Prüfung lässt eine Herausbildung von [X.], nach denen der mittellosen [X.] für bestimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, regelmäßig nicht zu. Ein [X.] ist nach der gebotenen individuellen [X.] deswegen nicht mit dem Gesetz vereinbar. c) Das Verfahren kann sich für einen Beteiligten auch allein wegen einer schwierigen Sachlage oder allein wegen einer schwierigen Rechtslage so kompliziert darstellen, dass auch ein bemittelter Beteiligter einen Rechtsan-walt hinzuziehen würde. Jeder der genannten Umstände kann also die Bei-ordnung eines Rechtsanwalts erforderlich machen. d) Die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts beurteilt sich auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten. e) Auch wenn der Grundsatz der Waffengleichheit kein allein entscheidender Gesichtspunkt für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der [X.] mehr ist, kann der Umstand der anwaltlichen Vertretung anderer Beteiligter ein Kriterium für die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage sein. [X.], Beschluss vom 23. Juni 2010 - [X.] 232/09 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 23. Juni 2010 durch die [X.] Richterin [X.], die Richterin [X.] und [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 8. [X.] des [X.] vom 10. Dezember 2009 aufgehoben. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Be-schluss des [X.] vom 5. November 2009 abgeändert. Dem Antragsteller wird im Rahmen der für das erstin-stanzliche Verfahren bewilligten Verfahrenskostenhilfe Rechtsan-walt [X.]in [X.]

beigeordnet. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Streitwert: 3.000 • Gründe: [X.] Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Vater) und die Beteiligte zu 2 (im [X.]: Mutter) sind geschiedene Eheleute. Sie streiten um das Umgangsrecht des [X.] mit ihren im Februar 1999 und Mai 2000 geborenen Kindern. 1 - 3 - In einem gerichtlichen Vergleich vom 17. April 2009 hatten die Eltern ein Umgangsrecht des [X.] mit den beiden Kindern im zweiwöchigen Turnus - je-weils von freitags 16 Uhr bis sonntags 16 Uhr - vereinbart. Die Besuchszeiten konnten tagsüber auch in Anwesenheit der Lebensgefährtin des [X.] ver-bracht werden, während die Übernachtungen ohne die Lebensgefährtin in der Wohnung des [X.] stattfinden sollten. Nach Abschluss des Vergleichs zog der Vater mit seiner Lebensgefährtin zusammen. Er begehrt nunmehr Abände-rung des Vergleichs und ein Umgangsrecht, das sich vierzehntägig auf jeweils samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr erstreckt. 2 Das Amtsgericht hat dem Vater ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt, den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts aber abgewiesen. Das Ober-landesgericht hat die Beschwerde des [X.] gegen die Abweisung seines [X.] auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde des [X.]. 3 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft, weil das Beschwerdegericht sie wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu-gelassen hat. Daran ist der Senat gemäß § 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG gebunden. Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig und begründet. 4 1. In Familiensachen, die weder Ehesachen noch Familienstreitsachen sind (vgl. §§ 112 f. FamFG), ergibt sich ein Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe aus den §§ 76 ff. FamFG. § 76 Abs. 1 FamFG ordnet die entsprechende An-wendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe 5 - 4 - an, soweit in den nachfolgenden Vorschriften nichts Abweichendes bestimmt ist. 6 a) Die Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rah-men einer bewilligten Verfahrenskostenhilfe sind in § 78 FamFG gesondert ge-regelt. Die Vorschrift unterscheidet ausdrücklich zwischen Verfahren mit An-waltszwang (§ 78 Abs. 1 FamFG) und Verfahren, in denen eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist (§ 78 Abs. 2 FamFG). Nur wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben ist, wird dem Beteiligten nach § 78 Abs. 1 FamFG stets ein zur Vertretung bereiter Rechts-anwalt seiner Wahl beigeordnet. Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt hingegen nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl nach § 78 Abs. 2 FamFG nur beigeordnet, "wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Ver-tretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint". Für die regelmäßig nicht streng kontradiktorisch geprägten Verfahren der freiwilligen [X.] hat die Vorschrift die Regelung in § 121 Abs. 2 2. Alt. ZPO, wonach in [X.] die Beiordnung eines Anwalts geboten ist, wenn auch ein anderer Be-teiligter anwaltlich vertreten ist, ausdrücklich nicht übernommen (BT-Drucks. 16/6308 S. 214). b) Nach § 114 Abs. 1 FamFG müssen sich die Ehegatten in Ehe- und Folgesachen sowie die Beteiligten in selbständigen Familienstreitsachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. In den übrigen Familiensachen ist die Ver-tretung durch einen Rechtsanwalt vor dem Familiengericht und dem Oberlan-desgericht nicht zwingend vorgeschrieben. Auch in [X.], zu de-nen nach § 151 Nr. 2 FamFG Verfahren über das Umgangsrecht zählen, richtet sich die Beiordnung eines Rechtsanwalts also nach § 78 Abs. 2 FamFG. 7 - 5 - 2. Unter welchen Voraussetzungen nach § 78 Abs. 2 FamFG wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsan-walt erforderlich ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. 8 9 a) Teilweise wird unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung ein sehr enger Maßstab für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 78 Abs. 2 FamFG vertreten. Die Beiordnung richte sich nach der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, sei also allein nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Auch die Schwere des Eingriffs in die Rechte eines Beteiligten erfülle die Voraussetzun-gen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen einer bewilligten [X.] regelmäßig nicht. Unzureichende persönliche Fähigkeiten des Antragstellers könnten eine Beiordnung nicht begründen. Ob der [X.]teller in rechtlichen Angelegenheiten unbewandert sei, sei angesichts der bestehenden Amtsermittlungspflicht ohne Belang ([X.] - 19 WF 136/09 - veröffentlicht bei juris; [X.] [X.], 383, 386 f.; Prütting/[X.]/[X.] FamFG § 78 Rdn. 3 f.; [X.]/[X.]/[X.] FamFG § 78 Rdn. 26 ff., 33; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 78 FamFG Rdn. 3). b) Eine andere Auffassung knüpft an die Rechtsprechung des Senats zur Prozesskostenhilfe in früheren [X.] (jetzt [X.]) an (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. September 2007 - [X.] 27/07 - FamRZ 2007, 1968 [X.]. 7 ff. und vom 2. Juni 2010 - [X.] 60/09 - zur [X.] bestimmt; OLG Frankfurt NJW 2007, 230 f.). Wegen der besonderen Bedeu-tung sei auch in [X.] nach neuem Recht grundsätzlich die Bei-ordnung eines Rechtsanwalts erforderlich ([X.] FamRZ 2010, 826, 827; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] FamFG § 78 Rdn. 4). 10 - 6 - c) Die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur beur-teilt die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Sinne von § 78 Abs. 2 FamFG nicht allein nach objektiven Kriterien, sondern berücksichtigt daneben auch subjektive Umstände. Zu berücksichtigen sei auch die Fähigkeit der [X.], sich mündlich oder schriftlich auszudrücken. Nur dies genüge dem aus dem Sozialst[X.]ts- und Rechtsst[X.]tsprinzip folgenden Gebot der Gleichstellung von [X.] und Unbemittelten zur Verwirklichung eines effektiven Rechts-schutzes. Unter Berücksichtigung des Einzelfalles sei deswegen auch auf der Grundlage der gesetzlichen Neuregelung durch das FamFG von Bedeutung, in wieweit ein Beteiligter subjektiv in der Lage sei, seine Rechte und Interessen im Verfahren durchzusetzen, insbesondere, ob er in der Lage sei, sich mündlich und schriftlich auszudrücken ([X.] - 4 WF 47/10 - veröffentlicht bei [X.]; [X.] - 10 WF 91/09 - veröffentlicht bei juris; [X.] - 12 WF 254/09 - veröffentlicht bei juris; [X.] NJW 2010, 1212, 1213; OLG Celle FamRZ 2010, 582; [X.] FamRZ 2010, 579, 580; Bahrenfuss/[X.] FamFG § 78 Rdn. 5 f.; [X.]/[X.] FamFG § 78 Rdn. 4; [X.]/[X.] 2. Aufl. § 2 Rdn. 72 ff.; [X.]/[X.] FamFG § 78 Rdn. 4). 11 3. Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. 12 a) Der Wortlaut des § 78 Abs. 2 FamFG spricht allerdings dafür, die Er-forderlichkeit der [X.] nach objektiven Kriterien zu bemessen. Darauf stellt ausdrücklich auch die Gesetzesbegründung ab (BT-Drucks. 16/6308 S. 213 f.). 13 [X.]) Bei der gebotenen objektiven Bemessung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage ist nach § 78 Abs. 2 FamFG nicht nur auf die Ermittlung der tatsächlichen Umstände, sondern auch auf die rechtliche Einordnung [X.] - 7 - stellen. Freilich kann sich das Verfahren für einen Beteiligten allein wegen einer schwierigen Sachlage oder allein wegen einer schwierigen Rechtslage so kom-pliziert darstellen, dass auch ein bemittelter Beteiligter einen Rechtsanwalt hin-zuziehen würde. Anderes lässt sich auch der Gesetzesbegründung nicht ent-nehmen (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 213 f.). Jeder der genannten Umstände, die Schwierigkeit der Sachlage oder die Schwierigkeit der Rechtslage, kann also für sich allein die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der bewillig-ten Verfahrenskostenhilfe erforderlich machen ([X.] FamRZ 2010, 580, 581; [X.] 2009, 58, 60; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 78 FamFG Rdn. 3). [X.]) Den Grundsatz der "Waffengleichheit" hat der Gesetzgeber [X.] bewusst nicht aus § 121 Abs. 2 2. Alt. ZPO in die gesetzliche Neurege-lung des § 78 Abs. 2 FamFG übernommen, weil die §§ 76 ff. FamFG nicht für streitige Ehesachen und Familienstreitsachen gelten (BT-Drucks. 16/6308 S. 214; OLG Celle [X.] 2010, 171; [X.]/[X.] 2. Aufl. § 2 Rdn. 73; Bahrenfuss/[X.] FamFG § 78 Rdn. 7; [X.]/[X.]/[X.] § 78 Rdn. 31 f.). In den verbleibenden Familiensachen sei das Gericht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 26 FamFG ohnehin zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung verpflichtet. Dies gelte auch in Fällen, in denen die [X.] entgegen gesetzte Ziele verfolgen, wie etwa in [X.] (BT-Drucks. 16/6308 S. 214). Nach diesem Willen des Gesetzgebers kann im familiengerichtlichen [X.] nicht - wie im Zivilprozess - stets vom Grundsatz notwendiger Waffengleichheit ausgegangen werden. Auch wenn andere Beteiligte anwaltlich vertreten sind, führt dies nicht notwendig zur Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der bewilligten [X.]. 15 - 8 - Allerdings hat das [X.] bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass ein pauschaliertes Abstellen auf den [X.] gegen das Prinzip der Rechtsschutzgleichheit verstößt ([X.] NZS 2002, 420; NJW-RR 2007, 1713, 1714 und Beschluss vom 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - veröffentlicht bei juris [X.]. 20). Auch die Rolle eines Beteiligten im fami-liengerichtlichen Amtsverfahren kann nicht darauf reduziert werden, einerseits [X.] zu stellen, um im Folgenden mangels eigener Fähigkeiten zur [X.] Objekt des Verfahrens zu sein. Als Verfahrenssubjekt mit persönlichen Rechten und Pflichten werden die beteiligten Eltern weder durch den Amtsermittlungsgrundsatz ihrer Mitwirkungs- und Verfahrensförderungs-möglichkeit enthoben, noch durch einen Verfahrensbeistand der betroffenen Kinder ausreichend vertreten. Denn die Eltern verfolgen mit ihren Anträgen auch eigene Rechte von [X.]rang (vgl. auch [X.] NJW 2010, 1212, 1213). 16 Selbst wenn der Grundsatz der Waffengleichheit nach dem Willen des Gesetzgebers kein allein entscheidender Gesichtspunkt für die Beiordnung ei-nes Rechtsanwalts sein soll, kann der Umstand der anwaltlichen Vertretung anderer Beteiligter gleichwohl ein Kriterium für die Erforderlichkeit zur Beiord-nung eines Rechtsanwalts wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage sein ([X.] - 4 WF 47/10 - veröffentlicht bei juris; [X.] 2010, 392; [X.]/[X.] FamFG 16. Aufl. § 78 Rdn. 17). 17 cc) Die Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Die gebotene einzelfallbezogene Prüfung lässt eine Herausbildung von Regeln, nach denen der mittellosen [X.] für be-stimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, nur in engen Grenzen zu. 18 - 9 - Zwar hat der Senat zum früheren Recht entschieden, dass im [X.] jedenfalls dann, wenn die [X.]en entgegenge-setzte Ziele verfolgen, bereits die existenzielle Bedeutung der Sache die Bei-ordnung eines Rechtsanwalts nahelegen kann (Senatsbeschlüsse vom 11. September 2007 - [X.] 27/07 - FamRZ 2007, 1968 und vom 2. Juni 2010 - [X.] 60/09 - zur [X.] bestimmt). Diese Rechtsprechung kann - entgegen der abweichenden Auffassung - auf das neue Verfahrensrecht nach dem FamFG allerdings nicht in gleicher Weise übertragen werden. Denn die Schwere des Eingriffs in die Rechte eines Beteiligten soll nach der Gesetzes-begründung die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nicht mehr erfüllen (BT-Drucks. 16/6308 S. 2214). Ob ein vom allgemeinen Zivilprozess und auch vom Famili-enverfahren stark abweichendes Verfahren eine besonders schwierige Rechts-lage begründen kann (vgl. zu § 121 Abs. 2 ZPO Senatsbeschlüsse vom 11. September 2007 - [X.] 27/07 - FamRZ 2007, 1968 und vom 2. Juni 2010 - [X.] 60/09 - zur [X.] bestimmt), kann hier dahinstehen. 19 Denn mit den für und gegen alle wirkenden Statussachen sind die [X.] und insbesondere die Umgangsrechtsverfahren nicht vergleich-bar. Zwar werden auch bei [X.] der Eltern und des Kindes berührt, und der Umgangsberechtigung kann im Ein-zelfall existenzielle Bedeutung für einen der Beteiligten zukommen. Die Schwe-re des Eingriffs soll nach der gesetzlichen Neuregelung allerdings kein Kriterium für eine [X.] bilden. Sie rechtfertigt auch nicht den Schluss, dass sich ein bemittelter Rechtssuchender bei Umgangsstreitigkeiten vernünftiger-weise stets oder doch nahezu ausnahmslos anwaltlichen Beistands versichert hätte. Daraus lässt sich weder generell noch als Regel herleiten, dass Um-gangsstreitigkeiten besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art mit sich bringen und deshalb ausnahmslos oder doch im Regelfall die Beiord-20 - 10 - nung eines Rechtsanwalts erfordern. Ein [X.] ist nach der gebotenen individuellen Bemessung deswegen nicht mit dem Gesetz ver-einbar (Senatsbeschluss vom 18. Februar 2009 - [X.] 137/08 - [X.], 857 [X.]. 10; [X.] FamRZ 2010, 580, 581). 21 b) Neben den objektiven Umständen sind bei der Bemessung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage i.S. von § 78 Abs. 2 FamFG aber auch subjektive Umstände des betreffenden Beteiligten zu berücksichtigen. Zwar nennt die Gesetzesbegründung solche subjektiven Kriterien für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer [X.] nicht ausdrücklich; sie schließt diese aber auch nicht aus (BT-Drucks. 16/6308 S. 213 f.). [X.]) Die Vorschrift des § 121 Abs. 2 ZPO, die in den bis August 2009 ein-geleiteten Verfahren (vgl. insoweit Art. 111 [X.]) auch Rechtsgrundlage für die [X.] in Familiensachen ist, sieht in Verfahren ohne Anwalts-zwang eine Beiordnung vor, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Die danach notwendige Einzelfallprüfung setzt nach [X.] Rechtsprechung des Senats eine konkrete, an den objektiven wie subjek-tiven Gegebenheiten des konkreten Falles orientierte Notwendigkeitsprüfung voraus (Senatsbeschluss vom 18. Februar 2009 - [X.] 137/08 - [X.], 857 [X.]. 11). Maßgebend sind daher neben Umfang und Schwierigkeit der Rechtssache auch die Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken (Senatsbeschluss vom 18. Februar 2009 - [X.] 137/08 - [X.], 857 [X.]. 9). 22 Diese Rechtsprechung des Senats beruht auf der ständigen Rechtspre-chung des [X.]s, wonach für die [X.] im Rahmen einer bewilligten Verfahrenskostenhilfe entscheidend darauf abzustel-len ist, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des [X.] - 11 - nünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Dem aus dem Sozialst[X.]ts- und Rechtsst[X.]tsprinzip folgenden Gebot der weitestgehenden Gleichstellung von [X.] und Unbemittelten trägt die Entscheidung über die Beiordnung eines Rechtsanwalts deswegen nur dann Rechnung, wenn sie auch die subjektiven Umstände des konkreten [X.] einbezieht. Für die Entscheidung ist somit regelmäßig neben dem [X.] und der Schwierigkeit der konkreten Sache auch die Fähigkeit des [X.] maßgeblich, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken ([X.] NJW-RR 2007, 1713, 1714; vgl. auch [X.]E 63, 380, 394). [X.]) Im Hinblick auf diese eindeutige Rechtsprechung des [X.] kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit der ausdrücklichen Bezeichnung objektiver Kriterien für die Anwaltsbeiord-nung (BT-Drucks. 16/6308 S. 214) die von [X.] wegen für eine solche Entscheidung auch vorgegebenen subjektiven Kriterien ausschließen wollte. Die Vorschrift lässt deswegen eine verfassungskonforme Auslegung in dem Sinne zu (vgl. insoweit Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - [X.] ZR 161/08 - [X.], 2744 [X.]. 28 ff.), dass auch die persönlichen Fähigkeiten des Beteiligten zu berücksichtigen sind (vgl. auch [X.] - 10 WF 248/09 - veröffentlicht bei juris). 24 Ob die Beiordnung im Sinne von § 78 Abs. 2 FamFG erforderlich [X.], hängt also davon ab, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte ([X.] NJW 1997, 2103, 2104; NJW-RR 2007, 1713, 1714 und Beschluss vom 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - veröffentlicht bei juris [X.]. 17). Auch ein bemittelter Verfahrensbeteiligter beurteilt die Notwendigkeit zur Beauf-tragung eines Rechtsanwalts unter Berücksichtigung seiner eigenen subjektiven Fähigkeiten. Die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts im [X.] - 12 - men der bewilligten Verfahrenskostenhilfe beurteilt sich also auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten ([X.] - 4 WF 47/10 - veröffentlicht bei juris; [X.] - 10 WF 91/09 - veröffent-licht bei juris; [X.] - 12 WF 254/09 - veröffentlicht bei juris; [X.] NJW 2010, 1212, 1213; Bahrenfuss/[X.] FamFG § 78 Rdn. 5; [X.]/[X.] FamFG 16. Aufl. § 78 Rdn. 4; [X.]/[X.] 2. Aufl. § 2 Rdn. 75). 3. Auf dieser gesetzlichen Grundlage haben die Instanzgerichte die Bei-ordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der dem Antragsteller bewilligten Verfahrenskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt. 26 a) § 78 Abs. 2 FamFG verlangt, dass die Beiordnung eines Rechtsan-walts im Einzelfall erforderlich ist. Dies setzt eine konkrete, an den objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des konkreten Falles orientierte Notwendig-keitsprüfung voraus. Diese dem Tatrichter vorbehaltene Prüfung wird nicht [X.] entbehrlich oder erleichtert, dass für die Erforderlichkeit der Beiordnung pauschal auf den einfachen, mittleren oder hohen Schwierigkeitsgrad einer Ver-fahrensart abgestellt wird. Auch lässt das Erforderlichkeitskriterium für [X.] bei [X.] schon im Hinblick auf die Vielfalt der Lebenssachverhalte keinen Raum. 27 b) Entgegen der Rechtsauffassung des [X.]s ist die Sach- und Rechtslage hier bereits aus objektiver Sicht nicht einfach gelagert. 28 Zwar hatte der Vater sogar eine Reduzierung des in dem gerichtlichen Vergleich eingeräumten Umgangsrechts beantragt. Allerdings hatte die Mutter das Umgangsrecht unter Hinweis auf ein belastetes Verhältnis der Kinder zur Lebensgefährtin des [X.] völlig abgelehnt. Auch die beantragte Reduzierung des Umgangsrechts, gegenüber der nach Auffassung des [X.]s 29 - 13 - von vornherein geringerer Widerstand zu erwarten sei, hatte die Mutter unter Hinweis auf eine ablehnende Haltung der Kinder abgelehnt, zumal ein kurzes Umgangsrecht "nichts bringe". Ob die Ablehnung des Umgangs mit der Le-bensgefährtin des [X.] auf dem Willen der Kinder beruht oder von der Mutter beeinflusst ist, haben die Instanzgerichte nicht ausreichend geklärt. Schließlich hatte die Mutter ein gemeinsames Gespräch im Jugendamt an den Nachweis des Umzugs des [X.] geknüpft und somit eine einvernehmliche Lösung ver-hindert. Selbst die Eignung der Wohnräume des [X.] zur Ausübung des [X.] mit Übernachtung hatte die anwaltlich vertretene Mutter in Frage gestellt. Zwar hat die Mutter im Beschwerdeverfahren auf eine jetzt bestehende Bereitschaft der Kinder zu Umgangskontakten mit Übernachtungen beim Vater hingewiesen. Sie hat aber auch auf fortdauernde Auseinandersetzungen der Eltern hingewiesen, die eine einvernehmliche Regelung erschweren. Ob dies allein eine [X.] erfordert, kann hier allerdings dahinstehen. 30 c) Entscheidend für die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsan-walts im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe sind hier die subjektiven Umstände beim Vater. 31 Der Vater hatte bereits zu Beginn des Verfahrens und auch gegenüber dem Jugendamt auf eine bestehende "Stoffwechselerkrankung im Gehirn" hin-gewiesen, die der Mutter bekannt sei. Weil der Gesundheitszustand des [X.] als subjektiver Umstand für die Entscheidung über die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht unerheblich ist, hätten das Amtsgericht und das Oberlan-desgericht auf die ausdrücklichen Bitten des [X.] rechtliche Hinweise erteilen müssen. Denn der Vater hatte angeboten, auf einen Hinweis des Gerichts wei-tere Beweise - beispielsweise Atteste - vorzulegen. Dieser Hinweispflicht aus 32 - 14 - § 28 FamFG sind die Instanzgerichte nicht in der gebotenen Weise nachge-kommen. Die Rechtsbeschwerde rügt deswegen zu Recht, dass der Vater die erst im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegte ärztliche Bescheinigung zur näheren Konkretisierung seiner Erkrankung schon in erster Instanz vorgelegt hätte und der Inhalt deswegen auch jetzt noch berücksichtigt werden muss. Nach dem Inhalt der ärztlichen Bescheinigung leidet der Vater an einer Psycho-se aus dem schizophrenen Formenkreis. Im Hinblick auf diese schwere Erkrankung des [X.] und das persönlich stark belastete Verhältnis der Eltern, das zu einer Ablehnung des [X.] durch die Mutter geführt hatte, hätte das Amtsgericht dem Vater im 33 - 15 - Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe auch einen Rechtsanwalt bei-ordnen müssen. Weil insoweit nicht mehr mit weiteren Feststellungen zur Erfor-derlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts zu rechnen ist, kann der Senat die Entscheidung nachholen und dem Vater für die erste Instanz seinen [X.] beiordnen. [X.] [X.] Dose
Klinkhammer [X.]: [X.], Entscheidung vom 05.11.2009 - 55 F 1272/09 - [X.], Entscheidung vom 10.12.2009 - [X.]/09 -

Meta

XII ZB 232/09

23.06.2010

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2010, Az. XII ZB 232/09 (REWIS RS 2010, 5539)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5539

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