Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2016, Az. XII ZR 29/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13522

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:060416UXIIZR29.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
XII ZR 29/15
Verkündet am:

6. April 2016

Breskic,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 307 Bb
Zur Einschränkung der
Aufrechnungsmöglichkeit mit unbestrittenen oder rechts-kräftig festgestellten Forderungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in einem gewerblichen Mietvertrag.
[X.], Urteil vom 6. April 2016 -
XII ZR 29/15 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 6.
April 2016 durch [X.], die Richterin [X.] und [X.]
Klinkhammer, Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
für Recht erkannt:
Auf die Revision der
Beklagten
wird das Urteil der
3.
Zivilkammer
des [X.]s [X.]
vom 11.
März
2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten rückständige Gewerberaummiete. Auf die monatlich im Voraus zu zahlende Bruttomiete von 8.114,10

(Grund-miete 6.468,57

uszahlung 350

zahlte die Beklagte
im August 2009 nur
4.574,30

Wegen eines Wasserein-tritts durch das Dach in den Personalraum machte sie eine seit September 2005 aufgelaufene Minderung der
Miete in Höhe von 1.698,64

geltend. [X.] rechnete sie mit Gegenansprüchen wegen behauptet fehlerhafter Ne-benkostenabrechnungen für 2005 bis 2009 in Höhe von 1.412,76

e-1
-
3
-

gressansprüchen wegen des über ihren Zähler abgerechneten Allgemeinstroms für Flur, [X.] und Heizung in Höhe von brutto 428,40

In den Monaten September bis Dezember 2009 zahlte die
Beklagte je-weils nur 8.009,14

weil
die Miete wegen des Wassereintritts um monatlich
104,96

gemindert
sei.
§
8 des formularmäßig
abgeschlossenen
Mietvertrags lautet:
"1.
Der Mieter kann gegen die Miete weder aufrechnen noch ein Zurückbehaltungsrecht
ausüben oder die Miete mindern. [X.] ausgenommen sind Forderungen des Mieters wegen Schadenersatz für Nichterfüllung oder Aufwendungsersatz in-folge eines anfänglichen oder nachträglichen Mangels der Mietsache, den der Vermieter wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat,
und andere Forderungen aus dem Mietverhältnis, soweit sie unbestritten, rechtskräftig fest-gestellt oder entscheidungsreif sind.
Die Aufrechnung oder die Ausübung des Zurückbehaltungs-rechts ist nur zulässig, wenn der Mieter seine Absicht dem Vermieter mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete schriftlich angezeigt hat.

2.
Die Erstattung etwaiger im Wege der Aufrechnung geltend gemachter Gegenforderungen des Mieters aus dem Mietver-hältnis erfolgt in monatlichen Teilbeträgen, die 30% der jewei-ligen Monatsmiete nicht übersteigen dürfen.

3.
Eine Aufrechnung gegen Nebenkosten oder eine Minderung der Nebenkosten durch den Mieter ist unzulässig."
2
3
-
4
-

Das Amtsgericht hat
der auf Zahlung von 3.959,64

e-richteten Klage stattgegeben,
das [X.] die Berufung der Beklagten zu-rückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren
vom [X.] zugelassene Re-vision.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.].

I.
Das [X.] hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Gemäß §
8 Ziffer
1 Abs.
1 des Mietvertrags könne die Beklagte die Miete weder mindern noch gegen sie aufrechnen. Die
Vertragsbestimmung, die eine allgemeine Ge-schäftsbedingung darstelle, sei im gewerblichen Mietrecht nicht unangemessen und halte einer Überprüfung im Sinne von §
310 Abs.
1 Satz
2 i.V.m. §
307 Abs.
1
und
2 BGB stand.
Die Klausel sei so zu verstehen, dass sie das Minderungsrecht des [X.] nicht generell ausschließe, sondern ihm die Möglichkeit belasse, einen Rückzahlungsanspruch wegen überzahlter Miete als Bereicherungsanspruch geltend zu machen. Ausgeschlossen sei nur die Verwirklichung der Minderung durch Abzug vom Mietzins. Durch die Klausel werde auch nicht gegen §
309 Nr.
7a BGB verstoßen, da die Verschuldenshaftung des Vermieters aus §
823 Abs.
1 BGB für mängelbedingte Körperschäden des Mieters nicht durch die Klausel beschränkt werde.
4
5
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7
-
5
-

Ebenso seien
die in §
8 Ziffer
1 Abs.
2 des Mietvertrags festgelegte [X.] von einem Monat sowie die getroffene Differenzierung nach unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen einerseits und solchen streitiger Art andererseits formularmäßig zulässig.
Bedenken ergäben sich allenfalls gegen §
8 Ziffer
2 und 3 des [X.]. Das könne aber auf sich beruhen, weil sich deren mögliche [X.] nicht auf die in Ziffer
1 enthaltene Regelung auswirke. Diese sei
für sich genommen verständlich und auch sinnvoll von den übrigen Regelungen abtrennbar und könne deshalb für sich genommen erhalten bleiben.
Der Kläger verhalte sich auch nicht treuwidrig, wenn er die rückständige
Mietforderung
so kurzfristig vor der Verjährung der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen gerichtlich geltend mache, dass diese nach Zustellung der Klage oder des Mahnbescheids nicht mehr ihrerseits im Klagewege geltend
gemacht werden könnten.

II.
Diese Ausführungen
halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Mietminderung bei der [X.]

anders als bei der Wohnraummie-te

eingeschränkt werden kann. Dies folgt aus einem Umkehrschluss zu §
536 Abs.
4 BGB. Eine solche Einschränkung ist grundsätzlich auch formularmäßig möglich (Senatsurteil [X.]Z 176, 191 =
NJW 2008, 2497 Rn.
8).
Gleiches gilt grundsätzlich für eine formularmäßige Einschränkung der Aufrechnung auf un-bestrittene, rechtskräftig festgestellte oder entscheidungsreife Gegenforderun-8
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-
6
-

gen (vgl. [X.] Urteil vom 14.
November 2007

VIII
ZR
337/06
WuM 2008, 152).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hält die Bestimmung in §
8 Ziffer
1 des Mietvertrags jedoch einer Inhaltskontrolle am Maßstab des §
307 BGB nicht stand.
a) [X.] vorgeschaltet ist die
gegebenenfalls durch Ausle-gung vorzunehmende Ermittlung des objektiven
Inhalts
der Klausel. Der Senat ist an die Auslegung des Berufungsgerichts nicht gebunden. Allgemeine Ge-schäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn ausgehend von ihrem Wortlaut einheitlich so auszulegen, wie sie von verstän-digen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der typi-scherweise an Geschäften dieser Art beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr.,
Senatsurteil
[X.]Z 176, 191
=
NJW 2008, 2497
Rn.
10
f. mwN).
b)
Nach dem Wortlaut der streitigen Klausel ist eine Minderung der Miete ebenso wie die Aufrechnung und die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gegen die Miete ausgeschlossen. Ausgenommen hiervon sind Forderungen des Mieters auf
Schadensersatz wegen
Nichterfüllung oder Aufwendungsersatz in-folge eines anfänglichen oder nachträglichen Mangels der Mietsache, den der Vermieter wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Ferner sind ausgenommen andere Forderungen des Mieters aus dem Mietverhältnis, soweit sie unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif sind.
Die Ausnahme für unbestrittene, rechtskräftig festgestellte oder
ent-scheidungsreife Forderungen beschränkt
sich sonach
ausdrücklich auf Forde-rungen "aus dem Mietverhältnis". In Bezug auf
nicht aus dem Mietverhältnis stammende Forderungen bleibt es klauselgemäß
bei dem uneingeschränkten [X.].
Danach
erlaubt die Klausel keine Aufrechnung gegen die 13
14
15
16
-
7
-

Miete mit unbestrittenen
oder
rechtskräftig festgestellten Forderungen aus ei-nem außerhalb des
Mietvertrags stehenden Rechtsverhältnis.
c) Mit diesem Inhalt hält die Klausel einer Inhaltskontrolle am Maßstab von
§
307 BGB nicht stand.
Nach §
309 Nr.
3 BGB ist eine Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbe-dingungen unwirksam, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die [X.] genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung
aufzurechnen. Diese Bestimmung ist zwar im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar, weil die
Beklagte die Räume als Unternehmerin gemie-tet
hat (§
310 Abs.
1 BGB
i.V.m. §
14 BGB). Sie stellt aber eine konkretisierte Ausgestaltung des [X.] des §
307 BGB dar, da es sich bei dem Ausschluss der Aufrechnung in den genannten Fällen um eine besonders schwerwiegende Verkürzung der Rechte des Vertragspartners handelt, die auch im Geschäftsverkehr nicht hingenommen werden kann (Senatsurteil vom 27.
Juni 2007

XII
ZR
54/05

NJW 2007, 3421 Rn.
20 mwN).
Der danach inhaltlich an §
309 Nr.
3 BGB auszurichtenden Inhaltskon-trolle hält das
in §
8 Ziffer
1
des Mietvertrags geregelte [X.] nicht stand, indem es die Zulässigkeit der Aufrechnung
mit
unbestrittenen
oder rechtskräftig festgestellten
Forderungen auf solche aus dem Mietverhältnis be-schränkt. Eine derartige Verkürzung der Gegenrechte des Beklagten benachtei-ligt diesen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher gemäß §
307 BGB unwirksam. Der Verstoß hat zur Folge, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist. Eine geltungserhaltende Reduktion des [X.] auf ein inhaltlich noch zulässiges Maß kommt nicht in [X.] (Senatsurteil vom 27.
Juni 2007

XII
ZR
54/05

NJW 2007, 3421 Rn.
21 mwN).
17
18
19
-
8
-

3. Zwar ist, wenn sich eine Formularklausel nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und in einen [X.] Regelungsteil trennen lässt, die Aufrechterhaltung des zulässigen Teils rechtlich unbedenklich (Senatsurteile
[X.]Z 178, 158
=
NJW 2008, 3772 Rn.
32 mwN und vom 14.
Januar 2015

XII
ZR
176/13

NJW 2015, 928
Rn.
23). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Denn die klausel-mäßige
Gestattung der Aufrechnungsmöglichkeit mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen ist inhaltlich derart eng mit der Be-schränkung auf Forderungen aus dem Mietverhältnis selbst verknüpft, dass diese bei einem [X.] der Beschränkung inhaltlich umgestaltet und mit einem anderen Inhalt aufrechterhalten würde.
Gleiches gilt für die mit glei-cher Zielrichtung in einem einheitlichen Satz vereinbarten grundsätzlichen [X.] der Aufrechnung, der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts und der Berufung auf eine Minderung der Miete.
20
-
9
-

4. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben. Da das [X.]

aus seiner Sicht folgerichtig

keine Feststellungen
zu den
von der Beklagten geltend gemachten
Gegenansprüchen
getroffen hat, ist der Rechtsstreit an das [X.] zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen nachholen kann.

Dose

[X.]

Klinkhammer

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.04.2013 -
80 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 11.03.2015 -
3 S 59/13 -

21

Meta

XII ZR 29/15

06.04.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2016, Az. XII ZR 29/15 (REWIS RS 2016, 13522)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13522

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZR 29/15

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