Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.10.2014, Az. 9 C 8/13

9. Senat | REWIS RS 2014, 2180

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Gegenstand

Erdrosselnde Wirkung einer Kampfhundesteuer


Leitsatz

1. Eine Gemeinde darf auch für Kampfhunde, für die ein individueller Nachweis fehlender gesteigerter Aggressivität erbracht wurde, eine erhöhte Hundesteuer festsetzen.

2. Eine Kampfhundesteuer, die einem faktischen Verbot der Haltung solcher Hunde gleichkommt ("erdrosselnde Wirkung"), kann nicht auf die Steuerkompetenz der Gemeinde für örtliche Aufwandsteuern gestützt werden.

3. Einem Steuersatz für das Halten eines Kampfhundes in Höhe von 2 000 €, der sich auf das 26-fache des Hundesteuersatzes für einen Nichtkampfhund beläuft und der den durchschnittlichen sonstigen Aufwand für das Halten eines solchen Hundes deutlich übersteigt, kommt eine solche "erdrosselnde Wirkung" zu.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid, mit dem sie zur Zahlung einer Hundesteuer in Höhe von 2 000 € jährlich für das Halten einer [X.]hündin herangezogen wurden.

2

Die Beklagte ist eine [X.] [X.] mit ca. 2 500 Einwohnern. Ihre am 1. Januar 2011 in [X.] getretene Hundesteuersatzung (im Folgenden: [X.]) besteuert das Halten eines über vier Monate alten Hundes im [X.]gebiet. Der Steuersatz beträgt für den ersten Hund 75 €, für den zweiten und jeden weiteren Hund 160 € sowie für sogenannte Kampfhunde je 2 000 € jährlich. Kampfhunde sind nach § 5 Abs. 2 [X.] alle in § 1 der [X.] über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 10. Juli 1992 in der jeweils geltenden Fassung (im Folgenden: [X.]) genannten Rassen und Gruppen von Hunden sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden. In § 1 Abs. 2 [X.] wird u.a. der [X.] genannt.

3

Die Kläger hielten seit April 2011 im [X.]gebiet der Beklagten eine [X.]hündin, für die sie über ein sogenanntes Negativzeugnis nach § 1 Abs. 2 [X.] verfügten. Dieses Zeugnis wird erteilt, wenn der Halter durch Vorlage eines Gutachtens nachgewiesen hat, dass sein Tier nicht die Merkmale eines gesteigert aggressiven und gefährlichen Kampfhundes aufweist.

4

Mit Bescheid vom 28. April 2011 setzte die Beklagte gegenüber den Klägern die erhöhte Hundesteuer nach § 5 Abs. 2 [X.] für das Kalenderjahr 2011 fest. Nach erfolglosem Widerspruch haben die Kläger im Dezember 2011 Klage gegen den Steuerbescheid erhoben, die das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen hat, die Hundesteuersatzung sei formell und materiell rechtmäßig; insbesondere liege keine unzulässige Erdrosselungssteuer vor, denn bei umgerechnet rund 167 € pro Monat werde die Haltung eines Kampfhundes nicht ausgeschlossen.

5

Die Kläger haben mit ihrer vom [X.]hof zugelassenen Berufung ihr Begehren weiterverfolgt. Der [X.]hof hat das Urteil des [X.] geändert und den angefochtenen Steuerbescheid insoweit aufgehoben als darin ein Betrag von mehr als 75 € festgesetzt ist. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Steuersatz entfalte erdrosselnde Wirkung. Zwar könne eine [X.] für einen sogenannten Kampfhund einen erhöhten Hundesteuersatz festsetzen. Der zulässige [X.] schlage aber ab einer gewissen Höhe in ein faktisches Verbot der Haltung dieser Tiere um. Hierfür habe die [X.] keine Regelungskompetenz. Auf eine erdrosselnde Wirkung könne vorliegend noch nicht allein aus der Anzahl der Kampfhunde in der [X.] geschlossen werden, denn eine solche Betrachtung setze größere Hundebestandszahlen in der jeweiligen [X.] voraus. Hingegen sei der erhebliche Steigerungsfaktor des Steuersatzes im Vergleich zum normalen Steuersatz (hier [X.]) ein gewichtiges Indiz für die Annahme einer erdrosselnden Wirkung. Denn die Beklagte gebe mit ihrem nicht allzu niedrigen Steuersatz für einen Nichtkampfhund (75 €), worunter auch durchaus große Hunde fallen könnten, zu erkennen, was sie in Bezug auf den vom Hundehalter getriebenen Aufwand für die Haltung eines (großen) Hundes an [X.] für gerechtfertigt halte. Darüber hinaus sei der Umstand entscheidend, dass hier eine Steuerbelastung vorgesehen sei, die den anzunehmenden jährlichen Aufwand für die Hundehaltung deutlich übersteige und etwa zu einer Verdreifachung führe.

6

Die Beklagte macht mit ihrer vom [X.]hof zugelassenen Revision geltend, der gewählte Steuersatz sei nicht erdrosselnd. Als Bezugspunkt dürfe nicht allein die erhöhte Steuer für Kampfhunde betrachtet werden. Vielmehr sei in einer Gesamtschau zu fragen, ob von der (gesamten) steuerlichen Regelung eine „erdrosselnde“ Wirkung ausgehe. Dies sei nicht der Fall. Es gebe allenfalls einen „Umlenkungseffekt“ hin zu [X.]. Im Übrigen fehle es an belastbaren Tatsachengrundlagen in Bezug auf die jährlich anfallenden [X.]. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]hof überreichte Untersuchung sei nicht aktuell, auch seien weder Einmalausgaben wie die Anschaffungskosten noch Zusatzkosten für Kampfhunde mit einbezogen worden. Wegen der Zugrundelegung einer nicht belastbaren Untersuchung, die zudem zu spät, nämlich erst in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts übergeben worden sei, liege auch ein Verfahrensfehler vor.

7

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen [X.]hofs vom 25. Juli 2013 zu ändern und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des [X.] München vom 27. September 2012 zurückzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie verteidigen das angefochtene Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.]eklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Verfahrensrügen der [X.]eklagten greifen nicht durch (1.). Der [X.]hof ist ohne [X.] davon ausgegangen, dass die [X.]eklagte auch für gelistete Kampfhunde nach § 1 Abs. 2 [X.] mit sogenanntem Negativzeugnis eine erhöhte Hundesteuer festsetzen durfte (2.). Darüber hinaus hat der [X.]hof, auch wenn die Gründe des angefochtenen Urteils insoweit nicht in vollem Umfang mit revisiblem Recht in Einklang stehen, im Ergebnis zutreffend den in der Satzung der [X.]eklagten vorgesehenen Hundesteuersatz für Kampfhunde wegen seiner erdrosselnden Wirkung als nicht vereinbar mit [X.]undesrecht angesehen und den Hundesteuerbescheid deshalb teilweise aufgehoben (3.).

1. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

a) Das angefochtene Urteil leidet nicht an dem gerügten Verstoß gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ob sich, wie die [X.]eklagte meint, dem [X.]hof auch ohne entsprechenden [X.]eweisantrag in der mündlichen Verhandlung die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erlangung aktuellerer und umfassenderer Zahlen zu den durchschnittlichen [X.] aufdrängen musste, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt des [X.]hofs aus zu beurteilen (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 14. Januar 1998 - [X.] 11 [X.] 11.96 - [X.]E 106, 115 <119>). Danach ist es zunächst eine Rechtsfrage, welche Anforderungen an das Vorliegen einer "erdrosselnden Wirkung" einer Lenkungssteuer gestellt werden und ob es hierzu - wie es der [X.]hof annimmt - wegen des [X.]harakters einer Aufwandsteuer auch auf die Höhe der mit der Hundehaltung verbundenen sonstigen Kosten ankommt. Gleiches gilt für die Frage, welche Kosten hierfür im Einzelnen in Ansatz zu bringen sind, etwa nur die laufenden oder auch die einmalig anfallenden Kosten. Auch die auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung erfolgte Würdigung der in dem Gutachten "Ökonomische Gesamtbetrachtung der Hundehaltung in [X.]" von Prof. Dr. Ohr und [X.], [X.] 2006 (http://www.uni-goettingen.de/de/aktuelles/ 65380.html, dort S. 25 ff.) enthaltenen Zahlen zu den durchschnittlichen jährlichen [X.] ist grundsätzlich dem materiellen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen. Gemessen hieran führt die Rüge der [X.]eklagten, dem [X.]hof habe kein ausreichendes Datenmaterial vorgelegen, auf keinen Verfahrensfehler. Sie betrifft in erster Linie die Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung des Gerichts.

Soweit die [X.]eklagte - insoweit vom rechtlichen Standpunkt des [X.]hofs ausgehend - rügt, dieser habe trotz seines rechtlichen Ansatzes, es komme nur auf die in der Gemeinde entstandenen Aufwendungen an, auf eine Untersuchung mit bundesweit erhobenen Zahlen abgestellt, die zudem veraltet seien, hat sie weder in ihrer Revisionsbegründung noch in der mündlichen Verhandlung näher dargelegt, dass sich dem [X.]hof unter diesen Gesichtspunkten weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Hiervon unabhängig ist auch nicht ersichtlich, warum die aus dem [X.] stammenden Zahlen, bei denen es sich nur um Größenordnungen handelt, die zu der festgesetzten [X.] ins Verhältnis gesetzt werden sollten (900 € bis 1 000 [X.] gegenüber 2 000 € Hundesteuer), nicht aber um genau ermittelte [X.]eträge, nicht für diesen Zweck belastbar sein sollen. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die bundesdurchschnittlich ermittelten [X.] nicht auch für das Gemeindegebiet der [X.]eklagten gelten, sondern hier erheblich übertroffen werden.

b) Ein Verfahrensfehler lässt sich auch nicht damit begründen, dass das besagte Gutachten den [X.]eteiligten erst in der mündlichen Verhandlung überreicht wurde. Die [X.]eklagte hatte dort ausreichend Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Hätte sie sich außerstande gesehen, bereits in der mündlichen Verhandlung abschließend Stellung zu nehmen, hätte sie beantragen können, ihr gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 283 ZPO eine Schriftsatzfrist einzuräumen. Dies ist nicht geschehen. Die Revision legt nicht dar, warum der [X.]eklagten dies nicht möglich oder zumutbar gewesen sein sollte.

2. Die [X.]eklagte durfte für gelistete Kampfhunde nach § 1 Abs. 2 [X.] mit sogenanntem Negativzeugnis eine erhöhte Hundesteuer festsetzen.

Die Hundesteuersatzung der [X.]eklagten belegt alle in § 1 der [X.] über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 10. Juli 1992 in der jeweils geltenden Fassung (im Folgenden: [X.]; vgl. zur Gültigkeit dieser Verordnung [X.], [X.]eschluss vom 2. Juni 2014 - 10 [X.] 12.2320 - juris Rn. 4) genannten Rassen und Gruppen von Hunden sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden mit einer erhöhten Steuer (§ 5 Abs. 2 [X.]). Eine solche erhöhte [X.]esteuerung von Hunden bestimmter Rassen ist wegen der mit der Steuererhebung mitverfolgten [X.]e grundsätzlich zulässig (a). Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass die [X.] nicht zwischen denjenigen Rassen unterscheidet, bei denen nach § 1 Abs. 1 [X.] die Eigenschaft als Kampfhund unwiderleglich vermutet wird und solchen, bei denen nach § 1 Abs. 2 [X.] der zuständigen [X.]ehörde durch ein sogenanntes Negativzeugnis für den einzelnen Hund nachgewiesen werden kann, dass dieser keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist (b).

a) Die von der [X.]eklagten erhobene Hundesteuer findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 105 Abs. 2a GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 KAG [X.]. Die Hundesteuer ist eine traditionelle örtliche Aufwandsteuer, denn das Halten eines Hundes geht über die [X.]efriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinaus und erfordert einen - wenn auch unter Umständen nicht sehr erheblichen - zusätzlichen [X.] (vgl. nur Urteile vom 19. Januar 2000 - [X.] 11 [X.] 8.99 - [X.]E 110, 265 <268> und vom 16. Mai 2007 - [X.] 10 [X.] 1.07 - [X.] 401.65 Hundesteuer Nr. 12 S. 4 ff.; [X.]eschluss vom 25. April 2013 - [X.] 9 [X.] - [X.] 401.65 Hundesteuer Nr. 13 S. 1 und [X.], Urteil vom 14. Oktober 1987 - [X.]/85 - [X.]E 151, 285). Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass eine Steuerregelung auch Lenkungswirkungen mitverfolgen darf ([X.], Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 [X.]vR 1493/89 - [X.]E 84, 239 <274>; [X.]eschluss vom 22. Juni 1995 - 2 [X.]vL 37/91 - [X.]E 93, 121 <147>), mag die Lenkung Haupt- oder [X.] sein (vgl. [X.], Urteile vom 10. Dezember 1980 - 2 [X.] - [X.]E 55, 274 <299> und vom 7. Mai 1998 - 2 [X.]vR 1991/95, 2 [X.]vR 2004/95 - [X.]E 98, 106 <118>), und dass sie hierfür keiner zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretenden Sachkompetenz bedarf (vgl. nur [X.]eschluss vom 19. August 1994 - [X.] 8 N 1.93 - [X.]E 96, 272 <277 f.> und Urteil vom 22. Dezember 1999 - [X.] 11 [X.] 9.99 - [X.]E 110, 248 <249 f.>).

Hiervon ausgehend ist ein erhöhter Steuersatz für gelistete Hunde, die abstrakt als gefährlich angesehen werden - sogenannte Kampfhunde - zulässig, denn die Gemeinde darf bei ihrer [X.] neben fiskalischen Zwecken auch den [X.] verfolgen, als gefährlich eingestufte Hunde aus ihrem Gemeindegebiet zurückzudrängen. Gerade die unwiderlegliche Vermutung der Gefährlichkeit ist in besonderer Weise geeignet, das mit der erhöhten Steuer bezweckte [X.] zu erreichen. Müssten nämlich in bestimmten Einzelfällen Ausnahmen von der höheren [X.]esteuerung gewährt werden, so würde das dem steuerlichen [X.], den [X.]estand an potentiell gefährlicheren Hunden möglichst gering zu halten, zuwiderlaufen. Da aus der nur potentiellen Gefährlichkeit bei Hinzutreten anderer Faktoren jederzeit eine akute Gefährlichkeit erwachsen kann, ist es sachgerecht, bereits an das abstrakte Gefahrenpotential anzuknüpfen (Urteil vom 19. Januar 2000 - [X.] 11 [X.] 8.99 - [X.]E 110, 265 <272 ff.>; [X.]eschluss vom 28. Juni 2005 - [X.] 10 [X.] - [X.] 401.65 Hundesteuer Nr. 9 S. 22 f.).

b) Die Satzung musste nicht auf eine höhere [X.]esteuerung derjenigen Hunde verzichten, für die ein sogenanntes Negativzeugnis vorliegt (vgl. oben zu den Regelungen in § 1 Abs. 1 und 2 [X.]).

Das Negativzeugnis nach § 1 Abs. 2 [X.] lässt nur die sicherheitsrechtliche Erlaubnispflicht entfallen, die nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das [X.]strafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ([X.]straf- und Verordnungsgesetz - LStVG) in [X.] für das Halten von Kampfhunden besteht. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich um Hunde handelt, bei denen von einer abstrakten Gefährlichkeit auszugehen ist. Ordnungsrechtliche Erlaubnisvorbehalte für das Halten gefährlicher Hunde, die den Nachweis der Zuverlässigkeit und Sachkunde des Halters sowie einen positiven Wesenstest des Hundes voraussetzen, lassen die erhöhte [X.]esteuerung von Hunden, deren abstrakte Gefährlichkeit nach Maßgabe einer Rasseliste vermutet wird, in ihrer Rechtmäßigkeit unberührt. Denn ein rechtfertigender sachlicher Grund für den Erlass einer Lenkungssteuer mit dem Ziel der Minimierung einer als gefährlich vermuteten Hundepopulation besteht auch dann, wenn nach dem einschlägigen Gefahrenabwehrrecht nur Hunde gehalten werden dürfen, die den Wesenstest bestanden haben und deren Halter zuverlässig und sachkundig sind. Gefahrenabwehrrechtliche Regelungen dieser Art nehmen der Hundesteuer nicht ihre Lenkungseignung. Denn der mit der erhöhten Steuer verfolgte [X.], die Population von Hunden, die als potentiell gefährlich eingeschätzten Rassen angehören, im Gemeindegebiet generell zurückzudrängen, zielt von vornherein auf einen deutlich größeren Kreis von Fällen - nämlich die potentiellen Halter solcher Hunde - als die ordnungsrechtliche Pflicht zur Eignungsprüfung und zum Wesenstest es tun. Letztere betreffen nämlich nur die Halter, die sich ungeachtet der erhöhten [X.]esteuerung zur Anschaffung eines nach Maßgabe der Rasseliste als gefährlich vermuteten Hundes entschlossen haben ([X.]eschluss vom 28. Juni 2005 a.a.O.).

3. Der in § 5 Abs. 2 [X.] festgesetzte Steuersatz von je 2 000 € für Kampfhunde ist unzulässig. Eine Steuer in dieser Höhe handelt dem ihr begrifflich zukommenden Zweck, Steuereinnahmen zu erzielen, geradezu zuwider, denn sie ist ersichtlich darauf angelegt, die Haltung von jeder Art von Kampfhunden praktisch unmöglich zu machen ("erdrosselnde Wirkung"). Dies hat der [X.]hof im Ergebnis zutreffend festgestellt und daher den Steuerbescheid zu Recht hinsichtlich des den Regelsteuertarif von 75 € je Hund übersteigenden [X.]etrags aufgehoben.

Die "[X.]" stellt die äußerste Schranke der [X.]esteuerung dar. Erst dann, wenn die - grundsätzlich zulässige (s.o.) - steuerliche Lenkung nach Gewicht und Auswirkung einer verbindlichen Verhaltensregel nahekommt, die Finanzierungsfunktion der Steuer also durch eine [X.] mit [X.] verdrängt wird, indem der steuerpflichtige Vorgang unmöglich gemacht wird, bietet die [X.] keine ausreichende Rechtsgrundlage (stRspr; vgl. nur [X.], [X.]eschlüsse vom 17. Juli 1974 - 1 [X.]vR 51/69, 1 [X.]vR 160/69, 1 [X.]vR 285/69, 1 [X.]vL 16/72, 1 [X.]vL 18/72, 1 [X.]vL 26/72 - [X.]E 38, 61 <81>, vom 7. Mai 1998 - 2 [X.]vR 1991/95, 2 [X.]vR 2004/95 - [X.]E 98, 106 <118> und vom 15. Januar 2014 - 1 [X.]vR 1656/09 - NVwZ 2014, 1084 Rn. 49; [X.], [X.]eschluss vom 19. August 1994 - [X.] 8 N 1.93 - [X.]E 96, 272 <277 f.>).

Abzustellen ist hinsichtlich der Verbotswirkung einer örtlichen Aufwandsteuer nicht auf den individuellen Steuerpflichtigen - hier die Kläger -, sondern auf den durchschnittlichen Steuerpflichtigen im Gemeindegebiet. Ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich (so ausdrücklich [X.], [X.]eschlüsse vom 6. Dezember 1983 - 2 [X.]vR 1275/79 - [X.]E 65, 325 <348> und vom 11. Oktober 2005 - 1 [X.]vR 1232/00, 1 [X.]vR 2627/03 - [X.]E 114, 316 <334>). Entgegen der Auffassung der [X.]eklagten und des [X.] kann es dabei nicht darauf ankommen, ob durch die für Kampfhunde festgesetzte [X.] ein Verbot der (allgemeinen) Hundehaltung bewirkt wird, was hier bei einem Steuersatz von 75 € für den ersten Hund und 160 € für den zweiten und jeden weiteren Hund unstreitig nicht der Fall ist. Vielmehr muss das konkret besteuerte Verhalten in den [X.]lick genommen werden, hier also das Halten eines Kampfhundes. Denn erst dann, wenn das verfolgte [X.] dazu führt, dass gerade das besonders hoch besteuerte Verhalten faktisch nicht mehr ausgeübt werden kann, bietet allein die [X.] keine ausreichende Rechtsgrundlage.

Der [X.]hof hat eine faktische Verbotswirkung in [X.]ezug auf die Kampfhundehaltung im Gemeindegebiet der [X.]eklagten im Ergebnis zu Recht bejaht. Dabei hat er mit dem Steigerungssatz im Verhältnis zu dem Steuersatz für Nichtkampfhunde (a) und der Relation zu den durchschnittlichen [X.] (b) auf zwei Kriterien abgestellt, die von [X.]undesrechts wegen nicht zu beanstanden sind. Darüber hinausgehende weitere Kriterien musste er nicht berücksichtigen (c).

a) Ein gewichtiges Indiz für die erdrosselnde Wirkung stellt der Umstand dar, dass sich der auf 2 000 € festgesetzte Steuersatz für einen Kampfhund auf das 26-fache des Hundesteuersatzes für einen Nichtkampfhund beläuft.

Zwar darf die Gemeinde - wie oben ausgeführt - für Kampfhunde zu [X.]en einen Steuersatz festsetzen, der über den Steuersatz für nicht gefährliche Hunde hinausgeht. Es spricht jedoch viel dafür, dass die [X.] dann überschritten wird, wenn die Gemeinde - wie hier - einen ohnehin nicht ganz niedrigen Regelsteuersatz von 75 € derart vervielfacht, dass sich eine nach übereinstimmender Auffassung der [X.]eteiligten im bundesdurchschnittlichen Vergleich völlig aus dem Rahmen fallende [X.] ergibt. Schon dem Steuersatz für Nichtkampfhunde kann nämlich ein gewisser Orientierungsmaßstab entnommen werden, der selbst unter [X.]erücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums des [X.] Anhaltspunkte für den Verlauf der rechtlichen Grenzen des erhöhten Steuersatzes für gefährliche Hunde gibt. Denn bereits der Steuersatz für normale Hunde bringt die angenommene Aufwandsbereitschaft innerhalb der örtlichen [X.] zum Ausdruck und zeigt auf, welche abgabenrechtliche [X.]elastung zur Eindämmung der Hundehaltung allgemein für notwendig und ausreichend erachtet wird. Unter [X.]erücksichtigung dessen darf der Steuersatz für gefährliche Hunde zum einen das Ausmaß widerspiegeln, in dem der vermutete objektive Aufwand für das Halten derartiger Hunde den allgemeinen Hundehaltungsaufwand übersteigt. Zum anderen darf der [X.] das rechtspolitische Ziel verfolgen, gerade die Haltung gefährlicher Hunde verstärkt einzudämmen, muss dabei allerdings darauf achten, dass der steuerrechtlich legitime [X.] nicht in eine Verhinderungsfunktion umschlägt (vgl. auch [X.], Urteil vom 14. Juni 2005 - 6 [X.] 10308/05 - juris Rn. 31). Die tatrichterliche Würdigung des [X.]erufungsgerichts, dass die hier in Rede stehende Relation zwischen dem Regelsteuersatz und dem besonderen Steuersatz für Kampfhunde eine faktische Verhinderungswirkung für das Halten derartiger Hunde deutlich indiziert, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

b) Des Weiteren - und entscheidend - hat der [X.]hof darauf abgestellt, dass die festgesetzte Jahressteuer für einen Kampfhund den durchschnittlichen sonstigen Aufwand für das Halten eines solchen Hundes übersteigt. Auch insoweit ist ein [X.] nicht feststellbar, wenngleich dem [X.]hof nicht in allen [X.]egründungselementen gefolgt werden kann.

aa) Ausgangspunkt der Überlegungen, auf den durchschnittlichen Haltungsaufwand abzustellen, ist der [X.]harakter der Hundesteuer als Aufwandsteuer. Maßstab für deren [X.]emessung ist die in der Vermögensaufwendung zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit. An deren Erfassung muss sich die tatbestandliche Ausgestaltung der Steuer orientieren ([X.], Urteil vom 4. Februar 2009 - 1 [X.]vL 8/05 - [X.]E 123, 1 <20>; vgl. auch [X.], in: Festschrift Kirchhof, 2013, S. 2087: Orientierung "an der Höhe der entsprechenden [X.]"), hier also an dem Aufwand für das Halten eines Kampfhundes. Steht die festgesetzte Steuer außer Verhältnis zu dem besteuerten Aufwand, wird sich nach allgemeiner Lebenserfahrung ein durchschnittlicher Steuerpflichtiger den Aufwand nicht mehr leisten, hier also von der Anschaffung bzw. Haltung eines Kampfhundes Abstand nehmen. Hiervon ist nach Auffassung des [X.]s jedenfalls dann auszugehen, wenn die Steuer - wie hier - den Aufwand deutlich übersteigt.

bb) Die durchschnittlichen Kosten für die Haltung eines Kampfhundes werden maßgeblich durch die laufenden Unterhaltskosten (insbesondere Futter, Versicherung, Zubehör, Impfkosten, sonstige Tierarztkosten usw.) bestimmt. Daneben sind aber auch einmalig anfallende Kosten wie etwa Anschaffungs- und [X.]estattungs- bzw. Tierkörperbeseitigungskosten sowie besondere Kosten im Zusammenhang mit der Kampfhundeeigenschaft (insbesondere Kosten für den Wesenstest, die Gebühr für das Negativzeugnis sowie ggf. Kosten für sicherheitsrechtliche Auflagen wie Maulkorb oder Zwinger) einzubeziehen. Für die vom [X.]hof vorgenommene Ausklammerung solcher Einmal- und Mehrkosten fehlt eine tragfähige [X.]egründung. Ebenso ist nicht einleuchtend, dass der [X.]hof nur solche Kosten erfassen will, die im Gemeindegebiet entstehen. Zwar kommt es - wie oben ausgeführt - hinsichtlich der Verbotswirkung auf den durchschnittlichen Steuerpflichtigen im Gemeindegebiet an; ob dessen Aufwendungen allerdings im Gemeindegebiet selbst entstehen oder andernorts ist unerheblich. Dass es sich um eine örtliche Aufwandsteuer handelt, ergibt sich daraus, dass sie an das Halten eines Hundes in einem Haushalt anknüpft, der in der steuererhebenden Gemeinde geführt wird (stRspr; vgl. nur [X.]eschluss vom 25. April 2013 - [X.] 9 [X.] - [X.] 401.65 Hundesteuer Nr. 13 Rn. 7).

cc) Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.]hofs, die nicht erfolgreich mit [X.] angegriffen worden sind (s.o.), so dass sie das Revisionsgericht binden (§ 137 Abs. 2 VwGO), belaufen sich die durchschnittlichen [X.] für einen normalen Hund auf ca. 900 € bis 1 000 € jährlich.

Zwar ist dieser [X.]etrag zu niedrig angesetzt, weil auch einmalig anfallende allgemeine Kosten für die Hundehaltung sowie besondere Kosten für die Kampfhundehaltung einbezogen werden müssen. Den vom [X.]hof zu Unrecht ausgeklammerten Kosten kommt allerdings im Vergleich zu den durchschnittlichen laufenden [X.] kein so entscheidendes Gewicht zu, dass sich hierdurch etwas an dem Größenverhältnis ändern könnte. Denn die Einmal- und Sonderkosten müssen auf die durchschnittliche Lebenserwartung eines Kampfhundes - bezogen auf die in § 1 Abs. 1 und 2 [X.] genannten Rassen etwa 10 bis 12 Jahre - umgerechnet werden. Trotz des sich dann ergebenden [X.] übersteigt die [X.] in Höhe von 2 000 € immer noch deutlich den sonstigen durchschnittlichen Haltungsaufwand für einen Kampfhund.

Der [X.] kann die vorstehende Würdigung auch ohne entsprechende Feststellungen des [X.]hofs jedenfalls deshalb selbst vornehmen, weil es sich bei den entsprechenden Tatsachen um generelle ([X.] handelt, die für die Entscheidung erheblich sind, ob die vom Revisionsgericht auszulegende und anzuwendende untergesetzliche Norm (hier: Hundesteuersatzung) sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung hält oder aber in ihren tatsächlichen Auswirkungen gegen höherrangiges Recht verstößt (vgl. Urteile vom 6. November 2002 - [X.] 6 [X.] 8.02 - [X.] 402.5 [X.] Nr. 89 S. 24 f. und vom 20. März 2012 - [X.] 5 [X.] 5.11 - [X.]E 142, 145 Rn. 25; [X.]SG, Urteil vom 25. Oktober 1994 - 3/1 RK 57/93 - [X.]-2500 § 34 Nr. 4 S. 19).

c) Weitere Kriterien zur Ermittlung der [X.] mussten im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden.

Zwar können [X.]estandszahlen vor und nach einer Steuererhebung oder Steuererhöhung grundsätzlich ein wichtiges Indiz dafür sein, ob eine noch zulässige Lenkung oder schon eine unzulässige Erdrosselung vorliegt (vgl. etwa [X.], [X.]eschluss vom 15. Januar 2014 - 1 [X.]vR 1656/09 - NVwZ 2014, 1084 Rn. 51 und [X.], [X.]eschluss vom 15. Mai 2014 - [X.] 9 [X.] 57.13 - NVwZ-RR 2014, 657 Rn. 9 ; [X.], Urteile vom 13. April 2005 - [X.] 10 [X.] 5.04 - [X.]E 123, 218 <235 f.> und vom 10. Dezember 2009 - [X.] 9 [X.] 12.08 - [X.]E 135, 367 Rn. 45 = [X.] 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 47 sowie [X.], Urteil vom 14. Mai 2013 - 6 [X.] 11221/12 - juris Rn. 26 ). [X.]ezogen auf die [X.] setzt dies aber größere Hundebestandszahlen in der jeweiligen Gemeinde voraus, an denen es regelmäßig fehlen dürfte, so auch nach den Feststellungen des [X.]hofs im vorliegenden Fall. Es kommt hinzu, dass selbst dann, wenn [X.]estandszahlen vorliegen, deren Aussagekraft dadurch begrenzt ist, dass diesen ein uneinheitlicher Kampfhundebegriff zugrunde liegt. So werden etwa Hunde mit Negativzeugnis oder kastrierte Hunde teilweise nicht (mehr) als Kampfhunde geführt (vgl. [X.], Ergebnisse der Hundesteuer-Umfrage 2010 des [X.], November 2011, [X.]). Schließlich lässt sich ein Kausalitätszusammenhang zwischen Steuererhebung bzw. -erhöhung und Rückgang der [X.]estandszahlen gerade bei Kampfhunden auch deshalb nur schwer feststellen, weil hier - anders als etwa bei den oben erwähnten Zweitwohnungen oder Glücksspielgeräten - weitere Faktoren hinzukommen, die für einen [X.]estandsrückgang ursächlich geworden sein dürften, etwa die [X.] Ächtung von Kampfhunden in der Gesellschaft sowie die restriktive Gesetzgebung (vgl. nur Gesetz zur [X.]eschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland vom 12. April 2001 - Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz, [X.]G[X.]l I 2001, 530).

Sonstige Kriterien, wie etwa das durchschnittliche Einkommen in der Gemeinde, musste der [X.]hof nicht heranziehen. Zwar ließen sich entsprechende Daten möglicherweise über die jeweilige Statistikbehörde des [X.] ermitteln. Der [X.] hält deren Aussagekraft für die Frage der Verbotswirkung der [X.] aber nicht für so hoch, dass sich dem [X.]hof das Abstellen auf dieses Kriterium hätte aufdrängen müssen, zumal es weder von den [X.]eteiligten vorgeschlagen noch in der bisherigen Diskussion über die [X.] eine Rolle gespielt hat.

4. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

9 C 8/13

15.10.2014

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 25. Juli 2013, Az: 4 B 13.144, Urteil

§ 5 Abs 2 KampfhV BY, § 1 Abs 1 KampfhV BY, § 1 Abs 2 KampfhV BY, Art 105 Abs 2a GG, Art 3 Abs 1 KAG BY 1993

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.10.2014, Az. 9 C 8/13 (REWIS RS 2014, 2180)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2180

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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