Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2003, Az. VI ZR 256/02

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 2611

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[X.] DES [X.]/02Verkündet am:24. Juni 2003Böhringer-Mangold,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]: ja[X.] § 3 Nr. 8, Nr. 3 Satz 2 Halbsatz 2Ein mit seiner Klage auf Schadensersatz gegen den Versicherer "nur" wegen Verjäh-rung (§ 3 Nr. 3 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]) abgewiesener Geschädigter kann nichtmehr mit Erfolg gegen den Schädiger klagen.[X.], Urteil vom 24. Juni 2003 - [X.] - [X.] -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin [X.], den [X.]. [X.], die Richterin [X.] sowie [X.] und Zollfür Recht erkannt:Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] desOberlandesgerichts [X.] vom 6. Mai 2002 wird auf Kosten des[X.] zurückgewiesen.Von Rechts wegen- 3 -Tatbestand:Der Kläger, ein überregionaler Sozialhilfeträger, nimmt den Beklagten(früher: Beklagter zu 2)) aus übergegangenem Recht (§ 116 Abs. 1 SGB X) [X.] der Ersatzpflicht für zukünftige materielle Schäden in Anspruch.Bei einem Verkehrsunfall am 27. März 1988 erfasste der Beklagte mit [X.] dem früheren Beklagten zu 1) (im Folgenden: Versicherer) haftpflichtversi-cherten Fahrzeug ein damals 6 Jahre und 2 Monate altes Kind, das zwischenzwei am rechten Fahrbahnrand geparkten Autos hindurch auf die [X.] war. Das Kind erlitt u.a. ein schweres Schädel-Hirn-Trauma aufgrunddessen es lebenslang behindert ist. Seit dem 21. August 2000 befindet es [X.] der [X.].Der Kläger erhielt nach seiner Behauptung erstmals am 19. Juni 2000anlässlich einer Fachausschusssitzung in den [X.] Kenntnis davon,daß die Behinderung des Geschädigten auf das Unfallereignis zurückzuführenist. Mit Schreiben vom 9. Januar 2001 bat der Kläger den Versicherer darum,ihm zur Prüfung eines Anspruchs des Geschädigten auf Schadensersatz [X.] des Verfahrens zur Verfügung zu stellen. Der Versicherer wiesmit Schreiben vom 22. Januar 2001 Ansprüche als unbegründet zurück, da [X.] für den Beklagten unabwendbar gewesen sei. Im [X.] der Kläger auf Übersendung der Unterlagen über den Schadensher-gang, die der Versicherer, der sich mittlerweile auf Verjährung des Anspruchsberufen hatte, schließlich im April 2001 übersandte.Das [X.] hat der am 27. April 2001 erhobenen Klage gegen [X.] stattgegeben; die in demselben Verfahren erhobene Klage gegenden Versicherer hat es abgewiesen. Da der Kläger erst am 19. Juni 2000 vonseiner Kostentragungspflicht und dem hierfür ursächlichen Unfall Kenntnis er-- 4 -halten habe, sei der Anspruch gegen den Beklagten nicht verjährt. Hingegen seidie für den Anspruch gegen den Versicherer maßgebliche zehnjährige [X.] des § 3 Nr. 3 S. 2 [X.] noch vor Klageerhebung abgelaufen.Gegen dieses Urteil hat der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt. Auf dieBerufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des [X.]sabgeändert und die Klage auch ihm gegenüber abgewiesen. Mit seiner zuge-lassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzli-chen Urteils.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht [X.] sein Urteil ist in [X.], 56 f. veröffentlicht [X.]meint, weil die Klage gegen den Versicherer rechtskräftig abgewiesen [X.], müsse aufgrund der Rechtskrafterstreckung des § 3 Nr. 8 [X.] auch [X.] gegen den Beklagten abgewiesen werden. Sinn und Zweck der für [X.] geltenden Verjährungsfrist des § 3 Nr. 3 [X.] erforderten eineRechtskrafterstreckung (§ 3 Nr. 8 [X.]) auch in den Fällen, in denen die Klage"nur" wegen Verjährung abgewiesen worden sei, da die Regelung über [X.] sonst leerlaufe. Der Geschädigte habe nämlich die Mög-lichkeit, den Schädiger auch noch nach Ablauf der Zehnjahresfrist in Anspruchzu nehmen (§ 852 Abs. 1 [X.] a.F.). Wenn dieser in einem solchen Fall seineAnsprüche gegen den Versicherer geltend mache, würde dies letztlich entge-gen § 3 Nr. 3 S. 2, [X.] [X.] doch zur Haftung des Versicherers [X.] 5 -II.Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß eine Rechts-krafterstreckung nach § 3 Nr. 8 [X.] auch dann in Betracht kommt, wenn [X.] und der Haftpflichtanspruch nicht in getrennten, nacheinandergeführten Prozessen geltend gemacht, sondern Versicherer und Schädiger als[X.] einfache (vgl. [X.]Z 63, 51, 53 ff.) [X.] Streitgenossen gemeinsam im [X.] in Anspruch genommen werden (vgl. Senatsurteile vom13. Dezember 1977 [X.] VI ZR 206/75 [X.] VersR 1978, 862, 865; vom 29. Mai 1979[X.] [X.] [X.] VersR 1979, 841 f. und vom 14. Juli 1981 [X.] VI ZR 254/79 [X.]VersR 1981, 1156 ff. sowie ebenfalls vom 14. Juli 1981 [X.] VI ZR 304/79 [X.] VersR1981, 1158 f.).2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht [X.] auch zu Recht eine Rechtskrafterstreckung gemäß § 3 Nr. 8 [X.]angenommen.Bereits in seinem Urteil vom 29. Mai 1975 (- [X.] - VersR 1979,841 ff.) hat es der erkennende Senat als sehr zweifelhaft bezeichnet, ob [X.], der mit seinem Ersatzanspruch gegen den Schädiger "nur" wegen Verjäh-rung abgewiesen worden sei, trotz § 3 Nr. 8 [X.] anschließend noch mit [X.] den Versicherer klagen könne. Infolge der Besonderheiten der damali-gen Fallgestaltung konnte diese Frage allerdings letztlich offenbleiben. Sie istnunmehr zu entscheiden. Im Streitfall kommt der Senat nach Prüfung der vonder Revision vorgetragenen Bedenken mit dem Berufungsgericht zu der [X.], daß die Rechtskrafterstreckung nach § 3 Nr. 8 [X.] auch dann erfolgt,wenn der Geschädigte mit seinem Begehren auf Schadensersatz nur deshalb- 6 -unterlegen ist, weil die zehnjährige Verjährungsfrist für seinen Anspruch gegenden Pflichtversicherer abgelaufen [X.]) Der Wortlaut von § 3 Nr. 8 [X.] vermag die gegenteilige Ansicht [X.] nicht zu stützen.Ihre Auffassung, bei Abweisung der Klage wegen Ablaufs der [X.] nach § 3 Nr. 3 Satz 2, [X.] [X.] seien die Voraussetzungen des§ 3 Nr. 8 [X.] nicht erfüllt, sondern es stehe dem Kläger noch ein Anspruch [X.] dieser Vorschrift zu, der lediglich infolge Verjährung nicht durchsetzbarsei, ist nicht zwingend. Vielmehr legt der Wortlaut der Norm eine Auslegungdahin nahe, daß die Rechtskrafterstreckung immer dann Platz greift, wenn [X.] aus sachlichen und nicht etwa aus prozessualen Gründen abgewie-sen wird. Bei dieser Betrachtungsweise steht dem Geschädigten ein Anspruch,der - wie hier - wegen Verjährung abgewiesen wird, im Sinne des § 3 Nr. 8[X.] nicht (mehr) zu.b) Auch den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, daß die in § 3Nr. 8 [X.] vorgesehene Rechtskrafterstreckung in den Fällen einer Klageab-weisung wegen Verjährung nicht gelten solle. In der gesetzlichen Begründungwird ausgeführt, daß die Erstreckung der Urteilswirkung nur eintrete, wenn undsoweit die Klage deswegen abgewiesen worden sei, weil das Gericht das Be-stehen eines Anspruchs des Geschädigten auf Ersatz des Schadens verneinthabe. Sie trete nicht ein, wenn die Klage aus anderen Gründen abgewiesenworden sei, etwa weil "der Versicherer entgegen Nummer 1 Satz 2 auf Natural-ersatz in Anspruch genommen worden ist oder weil er sich auf einen auch ge-genüber dem Geschädigten wirkenden Risikoausschluß berufen konnte oder [X.] einer reinen Prozessabweisung" ([X.]. IV/2252, [X.]). Hingegen fehltein Hinweis auf die Verjährung, der jedoch im Hinblick auf die Regelung des § 3- 7 -Nr. 3 S. 2, [X.] [X.] nahegelegen hätte, wenn auch diese Fälle von [X.] hätten ausgenommen werden sollen.c) Entscheidend für die Rechtskrafterstreckung in Fällen, in denen eineKlage auf Schadensersatz "nur" wegen Verjährung abgewiesen worden ist,sprechen zudem Sinn und Zweck der Regelungen des § 3 Nr. 3 Satz 2, [X.]und Nr. 8 [X.].aa) Der Gesetzgeber hat in § 3 Nr. 8 [X.] die Erstreckung der [X.] vorgesehen, um dem Versicherer nachteiligeFolgen aus der Doppelgleisigkeit der Ansprüche des Geschädigten gegen [X.] und Schädiger zu vermeiden. Er wollte erreichen, daß der [X.] den Versicherer [X.] abweichend von den allgemeinen [X.] ff. [X.]; § 325 Abs. 2 ZPO) [X.] hinsichtlich der Wirkung eines abweisen[X.] Gerichtsurteils im Regelfall das Schicksal des [X.] den Ersatzpflichtigen teilt und umgekehrt (vgl. [X.]. IV/2252, [X.]). Die negative Entscheidung über den [X.] gegen den [X.] wirkt demnach auch zugunsten des nicht unmittelbar von diesem Urteilbetroffenen Versicherungsnehmers. Das hat zur Folge, daß eine erneute Über-prüfung der Haftungsfrage ausgeschlossen ist (vgl. Senatsurteile vom13. Dezember 1977 [X.] VI ZR 206/75 [X.] VersR 1978, 862, 865; vom 29. Mai 1979[X.] [X.] [X.] VersR 1979, 841 f.; vom 14. Juli 1981 [X.] VI ZR 254/79 [X.]VersR 1981, 1156, 1157; vom 30. April 1985 [X.] VI ZR 110/83 [X.] VersR 1985,849, 850). Dies muß von der Interessenlage her auch für diejenigen Fälle [X.], in denen die Haftung des Schädigers oder des Versicherers "nur" [X.] abgewiesen worden ist.bb) In § 3 Nr. 3 [X.] hat der Gesetzgeber die Verjährung von Direktan-spruch und Haftpflichtanspruch weitgehend angeglichen. Dadurch, daß die- 8 -Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung, die bei dem Anspruch gegenden Haftpflichtigen oder bei dem unmittelbaren Anspruch gegen den [X.] eingetreten ist, sich jeweils auch auf den Anspruch gegen den [X.] auswirkt, sollte vermieden werden, daß die beiden eng zusammen-hängenden Ansprüche des Geschädigten unter Umständen zu verschiedenenZeitpunkten verjähren und dadurch für den Geschädigten wie auch für die übri-gen Beteiligten sachlich nicht gerechtfertigte Ergebnisse zustande kommen(vgl. [X.]. IV/2252, [X.]). Infolgedessen besteht kein Anlaß, dem Geschä-digten nach rechtskräftiger Abweisung seiner Klage wegen Verjährung dieMöglichkeit zu eröffnen, dieses Ergebnis trotz der in § 3 Nr. 8 [X.] normiertenRechtskrafterstreckung in einem weiteren Prozeß gegen den anderen Ersatz-schuldner zu korrigieren.cc) In § 3 Nr. 3 Satz 2, [X.] [X.] hat der Gesetzgeber die allgemeineVerjährungsfrist von dreißig Jahren für den [X.] durch eine [X.] von zehn Jahren ersetzt. Damit hat er der mit der Einführung des [X.] eingetretenen erhöhten Belastung der Versicherer Rechnung getragen.Zugleich hat er berücksichtigt, daß Schuldner des Anspruchs ein Versiche-rungsunternehmen ist und Versicherungsunternehmen auf einen möglichst bal-digen Abschluß ihres Rechnungswerks Wert legen müssen (vgl. [X.].IV/2252, [X.]).Unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Normen sowie der [X.] wirkt die Rechtskrafterstreckung des § 3 Nr. 8 [X.] auch dann zuGunsten des Schädigers, wenn die Klage gegen den Versicherer - wie hier -wegen Ablaufs dieser zehnjährigen Verjährungsfrist abgewiesen wird. Das Be-rufungsgericht weist zu Recht darauf hin, daß die für den [X.] [X.]de Höchstfrist von zehn Jahren praktisch leer liefe, räumte man dem [X.] die Möglichkeit ein, trotz rechtskräftiger Abweisung der Klage gegen- 9 [X.] Versicherer auch nach Ablauf der Zehnjahresfrist den Schädiger in [X.] zu nehmen. Da dieser gegen den Versicherer den Anspruch aus [X.] geltend machen könnte, käme es auf diesem Weg trotzrechtskräftiger Abweisung der Klage gegen den Versicherer letztlich doch zudessen Haftung. Dies widerspräche jedoch Sinn und Zweck der Einführung derVerjährungshöchstfrist.Die Revision ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO [X.].Müller[X.][X.]PaugeZoll

Meta

VI ZR 256/02

24.06.2003

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2003, Az. VI ZR 256/02 (REWIS RS 2003, 2611)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2611

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