Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.04.2011, Az. 5 StR 463/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 7701

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Gegenstand

Strafbarer Arzneimittelhandel: Unerlaubten Großhandel mit dem verschreibungspflichtigen Arzneimittel Ephedrinhydrochlorid zwecks Herstellung des Betäubungsmittels Crystalspeed


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 4. Juni 2010 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Großhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in 17 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und Nebenentscheidungen getroffen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Ausführung bedarf nur das Folgende:

I.

2

Nach den Feststellungen lieferte der Angeklagte, ein Apotheker, über die von ihm in [X.] betriebene Apotheke 358 kg [X.] an den anderweitig verfolgten       B.        . Die insgesamt 17 Lieferungen wurden im Zeitraum vom 5. April 2004 bis 7. April 2005 über einen Mittelsmann durchgeführt. Das [X.] hatte der Angeklagte zuvor über den pharmazeutischen Großhandel bezogen. Es wurde nach [X.] exportiert und diente dort in den Laboren als Basis für die Herstellung von [X.]. Das in [X.] hergestellte [X.] wurde nach [X.] eingeführt und dort vertrieben, was der Angeklagte allerdings nach den Feststellungen des [X.]s nicht wusste. Ihm wurde mitgeteilt, das [X.] werde für den [X.]sport benötigt.

3

Das [X.] hat das Verhalten des Angeklagten als 17 (tatmehrheitliche) Vergehen gegen das [X.] gewertet (§ 95 Abs. 1 Nr. 5 [X.] i.V.m. § 47 Abs. 1 [X.]). Das [X.] erfülle den Arzneimittelbegriff im Sinne des § 2 Abs. 1 [X.], weil es zur Anwendung an Menschen bestimmt sei. Hierfür reiche es aus, dass der Stoff als Zwischenprodukt erst nach weiterer Verarbeitung in das Endprodukt einfließe. [X.] Großhandel könne auch durch einen Apotheker begangen werden. Der Angeklagte sei nicht Inhaber einer Großhandelserlaubnis gewesen und seine Tätigkeit habe den Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs überschritten. Da der Angeklagte das [X.] nicht an den in § 47 Abs. 1 [X.] bezeichneten Personenkreis abgegeben habe, sei der Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 5 [X.] erfüllt. Eine Strafbarkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF scheide aus, weil die strafbegründende Bezugnahme auf die Verordnung ([X.]) Nr. 3677/19 nicht ausreichend bestimmt sei.

II.

4

Die sachlichrechtlichen Einwände des Angeklagten gegen den Schuldspruch greifen nicht durch.

5

1. Das [X.] hat keine Strafbarkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF (jetzt § 19 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) angenommen. Dies mag für den hier maßgeblichen Zeitraum vor Inkrafttreten der [X.] und 111/2005 zutreffen. Spätestens seit der Novellierung des [X.] im Jahre 2008 nimmt die Strafvorschrift in eindeutiger Form auf diese Verordnung Bezug (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 17. März 2011 – 5 StR 543/10). Die Nichtanwendung der § 29 [X.] aF, § 19 [X.] nF beschwert aber den Angeklagten nicht, weil sie – ebenso wie die §§ 29 ff. BtMG (vgl. § 81 [X.]) – in Tateinheit mit den arzneimittelstrafrechtlichen Tatbeständen stünden.

6

2. Das [X.] hat rechtsfehlerfrei eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 [X.] bejaht.

7

a) Der vom Angeklagten gehandelte Stoff [X.] ist ein Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 5 [X.]. Der Stoff ist ausdrücklich genannt in der Anlage 1 zur [X.]. Dies betrifft sowohl die zu den [X.] geltenden wie spätere Versionen bis hin zur derzeitigen Fassung (vom 17. Februar 2011).

8

Der Stoff ist zur Anwendung am Menschen zu Heilzwecken bestimmt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Maßgeblich hierfür sind in erster Linie objektive Kriterien, nämlich welche Zweckbestimmung dem Stoff nach der Verkehrsanschauung zukommt ([X.], Urteil vom 25. April 2001 – 2 StR 374/00, [X.]R [X.] § 96 Nr. 5 Arzneimittel 1). Subjektive Elemente, also die Berücksichtigung der vom Hersteller oder dem Abgebenden verfolgten Ziele, können allenfalls dann zur Einordnung herangezogen werden, wenn sich – wie bei neuartigen Arzneimitteln – noch keine Verkehrsanschauung gebildet hat. Im Übrigen dient die subjektive Zweckbestimmung lediglich einer angesichts der erheblichen Weite des Tatbestands notwendigen Begrenzung des Anwendungsbereichs der Vorschrift (vgl. [X.], Urteil vom 8. Dezember 2009 – 1 [X.], [X.]St 54, 243, 248 ff.).

9

Der vom Angeklagten vertriebene Stoff war auch nach seiner konkreten ihm zugedachten Verwendung Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 [X.]. Er stellte zugleich ein Zwischenprodukt dar, bei dem die Bestimmung des Anwendungszwecks möglich war, und auch hierfür lagen die Voraussetzungen des Arzneimittelbegriffs erkennbar vor (vgl. [X.], Beschluss vom 6. November 2007 – 1 [X.], [X.], 530). Dies kann bei der letztlich vorgenommenen Nutzung des [X.]s als Baustoff für das Betäubungsmittel [X.] nicht zweifelhaft sein. Von einer arzneimittelrechtlichen Relevanz des Stoffes ist aber auch auszugehen, wenn die vom Abnehmer B.     dem Angeklagten gegenüber bezeichnete Zweckbestimmung zugrunde gelegt wird. Die Verwendung des Stoffes für den Einsatz im [X.]sport erfüllt nämlich gleichfalls den Arzneimittelbegriff, weil hierdurch die Beschaffenheit des Körpers (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 [X.]) beeinflusst werden sollte.

b) Der Angeklagte hat – wie das [X.] zutreffend ausführt – gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 5 [X.] unter Verstoß gegen § 47 Abs. 1 [X.] unerlaubt Großhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln betrieben.

aa) Täter im Sinne des § 95 Abs. 1 Nr. 5 [X.] kann auch ein Apotheker sein.

(1) Die Vorschrift nimmt Bezug auf § 47 Abs. 1 [X.]. Dort sind allerdings nur pharmazeutische Unternehmer und Großhändler genannt und die für diese vorgeschriebenen Vertriebswege bezeichnet. Was im Sinne des [X.]es als Großhandel zu verstehen ist, wird in § 4 Abs. 22 [X.] legal definiert. Danach ist Großhandel mit Arzneimitteln jede berufs- oder gewerbsmäßige zum Zwecke des Handeltreibens ausgeübte Tätigkeit, die in der Beschaffung, der Lagerung, der Abgabe oder Ausfuhr von Arzneimitteln besteht, mit Ausnahme der Abgabe von Arzneimitteln an andere Verbraucher als Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte oder Krankenhäuser. Diese gesetzliche Begriffsbestimmung verdeutlicht, dass Großhandel nach der Art der Tätigkeit, nicht aber im Blick auf die funktionelle Stellung der ihn ausführenden Personen näher umrissen wird. Daher können auch Apotheker, soweit sie im Sinne des § 4 Abs. 22 [X.] tätig sind, als Großhändler anzusehen sein. Sie unterfallen dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 22 [X.].

(2) Ein solches Ergebnis entspricht im Übrigen auch dem Schutzzweck des [X.]es, nämlich für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (§ 1 [X.]). Hierzu gehört insbesondere die Festlegung von Vertriebswegen, die einen bestimmungsgemäßen Umgang mit Arzneimitteln und die Wahrung der Zielstellungen des [X.] gewährleisten sollen. Ein ganz wesentlicher Bestandteil ist in diesem Zusammenhang, dass die Arzneimittel auf einem geordneten Vertriebsweg weiterverteilt und letztlich durch die (besonders fachkundigen) Apotheken an den [X.] abgegeben werden. In Umsetzung dieses Ziels bestimmt deshalb § 47 [X.] die Adressaten, an die im Wege des Großhandels weiterverkauft werden darf. Da verhindert werden soll, dass Arzneimittel aus dem geordneten Verkehr herausfallen, untersagt § 47 [X.] die unkontrollierte Weitergabe durch Hersteller und Großhändler. Der Schutzzweck des § 47 [X.] erfordert es deshalb, auch einem Apotheker zu verbieten, sich als Großhändler zu betätigen und Arzneimittel an nicht zugelassene Händler weiter zu vertreiben.

bb) Der Weiterverkauf des [X.]s verstieß gegen § 47 Abs. 1 [X.].

(1) Die Regelung des § 47 Abs. 1 [X.] erfasst jedweden Weiterverkauf durch Großhändler, der nicht durch diese Norm gestattet ist. Maßgebend ist allein, dass der Angeklagte als Lieferant von Arzneimitteln an Weiterverkäufer aufgetreten ist (vgl. [X.], [X.], 3. Aufl., § 47 Rn. 2). Dieses Merkmal hat der Angeklagte erfüllt, indem er in erheblichem Umfang [X.] an B.        verkauft hat. Dabei ist es unerheblich, ob B.       als Abnehmer des Angeklagten seinerseits selbst als Großhändler agierte; jedenfalls war er als solcher nicht zugelassen (§ 52a Abs. 1 [X.]).

(2) Nach § 47 Abs. 1 [X.] ist sowohl genehmigte als auch ungenehmigte [X.] verboten, soweit sie nicht gegenüber den in dieser Vorschrift genannten Stellen erfolgt. Das [X.] hat deshalb zutreffend die Verkaufshandlungen vor sowie nach dem Inkrafttreten der 12. [X.]-Novelle als gegen § 47 Abs. 1 [X.] verstoßend gewertet. Für Apotheken ist durch die am 6. August 2004 in [X.] getretene 12. [X.]-Novelle in § 52a Abs. 7 [X.] eine Genehmigungspflicht für [X.] dann eingeführt worden, wenn sie den Bereich des üblichen Apothekenbetriebs übersteigt. Im Ergebnis bestätigt die eingefügte Regelung des § 52a Abs. 7 [X.], dass ein Apotheker zugleich auch Großhändler sein kann, weil ansonsten die Genehmigungspflicht ins Leere ginge. Abgesehen davon, dass der Angeklagte nicht über eine solche Genehmigung verfügte, berührt diese Genehmigung nur eine formelle Voraussetzung. Denn auch dem Inhaber der Genehmigung ist nur gestattet, nach Maßgabe des § 47 Abs. 1 [X.] Großhandel zu betreiben. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der Übergangsvorschrift des § 138 Abs. 4 [X.]. Danach darf derjenige (in erster Linie: der Apotheker), der bis 6. August 2004 befugt eine [X.] ausgeübt hat, diese bis zur Entscheidung über seinen Genehmigungsantrag weiter ausüben. Hierdurch wird klargestellt, dass nur das Fehlen der [X.] einer Genehmigung überwunden wird. Die materiellen Voraussetzungen, die in den gesetzlich zugelassenen Vertriebswegen vorgegeben sind, wurden durch die Änderungen in der 12. [X.]-Novelle nicht betroffen. An sie knüpft aber die Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 [X.] an.

cc) Der Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 5 [X.] ist – über die Verweisung auf § 47 Abs. 1 [X.] hinaus – insoweit enger, als er nur verschreibungspflichtige Arzneimittel erfasst, während der Verstoß gegen § 47 Abs. 1 [X.] bei bloß apothekenpflichtigen Arzneimitteln nur eine Ordnungswidrigkeit nach § 97 Abs. 2 Nr. 12 [X.] darstellt. Wie das [X.] zutreffend ausführt, ist auch dieses Merkmal erfüllt, weil es sich – wie oben dargelegt – bei dem [X.] um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel im Sinne dieser Bestimmung handelt.

3. Entgegen der Auffassung der Revision ist eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 [X.] nicht durch die (mildere) Strafvorschrift des § 96 Nr. 14 [X.] ausgeschlossen. Die Bestimmung des § 96 Nr. 14 [X.] ist nicht das speziellere Gesetz. Sie verfolgt vielmehr einen anderen Schutzzweck. Unter Strafe gestellt ist nach § 96 Nr. 14 [X.] die Verletzung der Pflicht, eine vorherige Genehmigung für die [X.] einzuholen. Demgegenüber stellt § 95 Abs. 1 Nr. 5 [X.] die Verletzung des durch § 47 Abs. 1 [X.] vorgegebenen [X.] unter Strafe. Beide Vorschriften können deshalb in Tateinheit zueinander stehen. Nach Inkrafttreten der 12. [X.]-Novelle und der dort angeordneten Erlaubnispflicht käme deshalb allenfalls zusätzlich eine Verurteilung auch wegen einer Verletzung des § 96 Nr. 14 [X.] in Betracht. Dass eine solche unterblieben ist, beschwert den Angeklagten jedoch nicht.

[X.]                             Raum                            Brause

                    [X.]                       [X.]

Meta

5 StR 463/10

12.04.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 4. Juni 2010, Az: (533) 3 Op Js 1995/08 KLs (12/09), Urteil

§ 2 Abs 1 Nr 1 AMG, § 2 Abs 1 Nr 5 AMG, § 4 Abs 22 AMG, § 47 Abs 1 AMG, § 95 Abs 1 Nr 5 AMG, § 96 Nr 14 AMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.04.2011, Az. 5 StR 463/10 (REWIS RS 2011, 7701)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7701

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