Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2015, Az. 3 StR 124/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 3290

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 124/13
vom
27. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen

wegen Handeltreibens mit Grundstoffen

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Oktober 2015
gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Januar 2013 mit den Feststellungen aufge-hoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen 14 Fällen des Handeltrei-bens mit Grundstoffen, die zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden sollten, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt sowie eine Verfalls-
und eine Kompensationsentschei-dung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
1. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen war der Ange-klagte selbständig als Handelsvertreter u.a. für rezeptfreie Medikamente tätig. Er vermittelte und organisierte, dass ein in [X.] ansässiges Unternehmen zwischen dem 15.
Juni 2007 und dem 6. Oktober 2008 [X.] in 13 Fällen nach [X.] und in einem Fall nach [X.] lieferte. Während die ers-1
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te und ein geringer Teil der 13. Lieferung aus "legal hergestellt[en]", "für eine Verwendung als Arzneimittel" bestimmten (UA
S. 9), "handelsüblichen" (UA S.
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mg-Tabletten bestanden, umfassten die übrigen Sendungen 60
mg-Tabletten, die auf entsprechende Nachfrage des Empfängers durch Vermittlung des Angeklagten von dem [X.] Unternehmen ab Juli 2007 produziert wurden. Der Angeklagte erhielt 50
% des jeweiligen Rechnungsbetrages als Provision. Er wollte die Lieferungen so oft und so lange wie möglich fortsetzen und an diesen verdienen. Ihm war schon vor der ersten Sendung bewusst, dass das Ephedrin zur Herstellung von Metamphetamin verwendet und dieses anschließend auf dem [X.] Drogenmarkt verkauft werden sollte.
2. Der Schuldspruch hat keinen Bestand. Die Strafbarkeit nach § 19 Abs.
1 Nr. 1, §§ 3, 1 Nr. 1 [X.] ([X.] I 2008, [X.] ff.), § 29 Abs. 1 Nr. 1, §§
3, 2 Nr. 1 [X.] aF ([X.] I 2005, [X.], 2689 f.) setzt u.a. voraus, dass es sich bei den [X.] um Grundstoffe handelt. Dies steht nach den bisherigen Feststellungen nicht fest.
a) Das [X.] Recht verweist zur Definition des Begriffs "Grundstoff" auf den "erfassten Stoff" im Sinne des Art. 2 Buchst. a in Verbindung mit [X.] der Verordnung ([X.]) Nr. 273/2004 des [X.] und des Rates vom 11. Februar 2004 und des Art. 2 Buchst. a in Verbindung mit Anhang der Verordnung ([X.]) Nr. 111/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004. Zwar ist Ephedrin in beiden genannten Anhängen grundsätzlich als "er-fasster Stoff" aufgeführt. Gleichwohl unterfallen die gehandelten Tabletten der Definition "erfasster Stoff" und damit auch der Definition "Grundstoff" nach der jeweiligen dortigen Ausnahmeregelung nicht, soweit es sich bei ihnen um [X.] im Sinne des Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/[X.] des [X.] und des Rates vom 6. November 2001 handelt (Art. 2 Buchst. a 3
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Satz 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 273/2004, Art.
2 Buchst. a Halbsatz 2 der [X.] ([X.]) Nr. 111/2005). Der Auffassung des [X.], die jeweilige Ausnahmeregelung greife dann nicht, wenn Arzneimittel derart zusammenge-setzt sind, dass der in ihnen enthaltene "erfasste Stoff" leicht und wirtschaftlich extrahiert werden kann, ist nicht zu folgen.
Hierzu hat der Senat in dieser Sache dem zur Auslegung europarechtli-cher Bestimmungen berufenen Gerichtshof der [X.] mit Be-schluss vom 22.
Oktober 2013 folgende Frage vorgelegt:
"Sind Arzneimittel gemäß der Definition der Richtlinie 2001/83/[X.] des [X.] und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, die von den Verordnungen ([X.]) Nr. 273/2004 und ([X.]) Nr. 111/2005 erfasste Stoffe enthalten, gemäß dem jeweiligen Art. 2 Buchst. a dieser [X.] stets von deren Anwendungsbereich ausgenommen, oder ist dies lediglich dann anzunehmen, wenn die Arzneimittel so zusammen-gesetzt sind, dass die erfassten Stoffe nicht einfach verwendet oder leicht und wirtschaftlich extrahiert werden können?"

Der Gerichtshof der [X.] hat die Vorlagefrage mit Urteil vom 5.
Februar 2015 wie folgt beantwortet:

"Der jeweilige Art. 2 Buchst. a der Verordnung ([X.]) Nr. 273/2004 des [X.] und des Rates vom 11. Februar 2004 betref-fend Drogenausgangsstoffe und der Verordnung ([X.]) Nr. 111/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 zur Festlegung von Vorschriften für die Überwachung des Handels mit Drogenausgangsstoffen zwischen der [X.] ist dahin auszulegen, dass ein Arzneimit-tel im Sinne der Definition von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/[X.] des [X.] und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Verordnung ([X.]) Nr. 1901/2006 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2006 geänderten Fassung als [X.], selbst wenn es einen in Anhang I der Verordnung Nr. 273/2004 5
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und im Anhang der Verordnung Nr. 111/2005 genannten Stoff enthält, der einfach verwendet oder leicht und wirtschaftlich extrahiert werden kann, nicht als 'erfasster Stoff' eingestuft werden kann."

b) Da somit anzunehmen ist, dass sämtliche Arzneimittel von den erfass-ten Stoffen im Sinne der Verordnungen und damit des Grundstoffs im Sinne des § 1 Nr. 1 [X.] bzw. § 2 Nr. 1 [X.] aF ausgenommen sind, kann die Verur-teilung des Angeklagten insgesamt keinen Bestand haben. Denn hinsichtlich der 30
mg-Tabletten hat das
[X.] die [X.] ausdrück-lich festgestellt, hinsichtlich der 60
mg-Tabletten eine solche jedenfalls nicht auszuschließen vermocht ([X.]).
3. Ein (Teil)Freispruch durch den Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO kam nicht in Betracht. Es ist nicht auszuschließen, dass sich in einer neuen Haupt-verhandlung für alle angeklagten Taten eine Strafbarkeit des Angeklagten er-geben kann.
a) Hinsichtlich der [X.] ist eine Strafbarkeit nach dem [X.] mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln missbraucht werden können, nicht ausge-schlossen. Von seinem Standpunkt aus konsequent ist das [X.] der Frage, ob es sich bei diesen Tabletten um Arzneimittel im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/[X.] handelt, nicht weiter nachgegangen. Dies wird die nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] nachzuholen haben. Dabei wird zu beachten sein, dass die Begründung der [X.] eines Stoffes mit dem Argument, dieser sei nach der Verkehrsanschauung (vgl. hier-zu und zum europarechtlichen Arzneimittelbegriff insgesamt [X.], Urteil vom 15. November 2007 -
C-319/05, [X.], 271 mwN) einzelner Kreise dazu bestimmt, den seelischen Zustand in Form eines Rausches zu beeinflussen 7
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(vgl. [X.], Urteil vom 8. Dezember 2009 -
1 [X.], [X.]St 54, 243, 251 f.; Beschluss vom 12. April 2011 -
5 [X.], [X.], 583), vor dem [X.] der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] nicht mehr haltbar sein dürfte, wonach die Beeinflussung der physiologischen Funk-tionen in einer Zuträglichkeit für die menschliche Gesundheit liegen muss ([X.], Urteil vom 10. Juli 2014 -
C 358/13 u.a., [X.], 461).
b) Soweit die gelieferten Tabletten Arzneimittel sind, scheidet zwar eine Strafbarkeit nach dem Gesetz zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstof-fen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln missbraucht wer-den können, aus. Dann kommt indes ein strafbewehrter Verstoß gegen das [X.] in Betracht.
Dabei kommt es nicht darauf an, dass möglicherweise die zur Tatzeit geltende Definition des Arzneimittelbegriffs in § 2 Abs. 1 [X.] weiter reichte als diejenige in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/[X.] ([X.]. 16/12256, S.
41). Denn das
engere gemeinschaftsrechtliche Verständnis, das über § 2 Abs.
1 [X.] in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 ([X.] I S. 1990) Eingang in das nationale Recht gefunden hat, wäre jedenfalls das mildere Recht (§ 2 Abs. 3 StGB).
Nach den bislang getroffenen Feststellungen liegt insbesondere die An-nahme eines täterschaftlich begangenen Verstoßes gegen § 96 Nr. 14 [X.] wegen Betreibens eines Großhandels ohne die erforderliche Erlaubnis nicht fern. Der Angeklagte handelte gewerbsmäßig. Auch das Vermitteln von [X.], die auf die Beschaffung, Lagerung oder Ausfuhr von Arzneimit-teln gerichtet sind, kann Großhandel im Sinne der Legaldefinition des § 4 Abs.
22 [X.] sein (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 52a Rn. 10; 10
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Weber, BtMG, 4. Aufl., §
4 [X.] Rn. 85). Demgegenüber war das Tätigwerden als Arzneimittelvermittler ohne Erlaubnis (heute § 96 Nr. 14a [X.]) zur Tatzeit noch nicht strafbewehrt.
Soweit der [X.] in seiner Antragsschrift eine Strafbar-keit nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 [X.] in Betracht gezogen hat, ist darauf hinzuwei-sen, dass es sich bei der Abgabe um einen Unterfall des Inverkehrbringens (§
4 Abs. 17 [X.]) handelt und beide Handlungsformen echte [X.] (Weber aaO, § 4 [X.] Rn. 56 ff.; § 95 [X.] Rn. 58 ff., 301; [X.], NJW 1977, 2329, 2334). Täter kann demnach nur sein, wer die eigene tatsächliche Verfügungsgewalt über ein Arzneimittel überträgt (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Februar 1985 -
2 Ss OWi 15/85, NJW 1985, 2206; siehe auch [X.], Beschluss vom 17. Oktober 2006
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3 StR 381/06, juris). An einer solchen tat-sächlichen Verfügungsgewalt des Angeklagten fehlt es jedoch nach den bishe-rigen Feststellungen, so dass allenfalls eine Beihilfestrafbarkeit in Betracht kä-me. Deshalb bedürfte es der Feststellung einer vorsätzlichen Haupttat durch Mitarbeiter des [X.] Unternehmens, wobei sich über § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB hinaus weitere grundsätzliche Fragen zur Anwendbarkeit [X.]n Rechts auf diese Auslandstat stellen würden (vgl. nur [X.]/[X.], 26.
Lfg., § 9 Rn. 12 f.). Mit Blick auf den nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB ge-minderten Unrechtsgehalt sowie den Rechtsgedanken des § 153c Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 StPO könnte sich insoweit ein Vorgehen nach § 154a Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 StPO empfehlen.
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c) Schließlich ist nicht ausgeschlossen, dass der neue Tatrichter weiter-gehende Feststellungen wird treffen können, die eine Verurteilung nach dem [X.] tragen könnten. Insoweit nimmt der Senat auf die zu-treffenden Ausführungen des [X.]s zur Notwendigkeit der Konkretisierung einer zumindest versuchten Haupttat Bezug.
[X.] Hubert

Schäfer Spaniol
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Meta

3 StR 124/13

27.10.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2015, Az. 3 StR 124/13 (REWIS RS 2015, 3290)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3290

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3 StR 124/13

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