Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2013, Az. 1 StR 210/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 1809

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BUN[X.]ESGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]ES VO[X.]ES

URTEIL
1
StR
210/13

vom
22. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen

wegen Vergewaltigung

-
2
-
[X.]er 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 22.
Okto-
ber 2013, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
[X.]r. Raum

und [X.] am Bundesgerichtshof
[X.]r. Wahl,
[X.]r. Graf,
Prof. [X.]r. Jäger,
Prof. [X.]r. [X.],

Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung -

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
[X.]ie Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 28.
Januar 2013 wird als unbegründet verworfen.
2.
[X.]er Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
[X.]as [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fäl-len zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. [X.]ie auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
I.
[X.]as [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1.
[X.]er Angeklagte bewohnte [X.] in einem Wohnpflegeheim des [X.] M.

in [X.].

. Auf derselben Station lebte auch
der an Schizophrenie leidende Geschädigte

K.

. Zwischen
dem Angeklagten und K.

fanden bereits einvernehmliche Sexualkontakte
statt, bei denen K.

am Angeklagten auch den Oralverkehr durchführte.
K.

war trotz [X.]efiziten im sprachlichen Bereich und im [X.] in
der Lage, kund zu tun, wenn er keinen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklag-1
2
3
-
4
-
ten wünschte. Über den von ihm erkannten entgegenstehenden Willen K.

setzte sich der Angeklagte in den beiden folgenden Fällen hinweg:
a)
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt nach Mitte Februar 2012 und vor Juni 2012 forderte der Angeklagte den Geschädigten K.

in
[X.]
auf, ihn oral zu befriedigen. K.

lehnte dies jedoch ab.

und [X.] tief hinein und spiel mit der Zunge und schluck meinen Samen, .

mit der Hand.
Wie vom Angeklagten beabsichtigt, führte K.

aufgrund der Schläge die ge-
forderten Handlungen aus (Tat
B.
I.).
b)
Am 9.
Juni 2012 begab sich der Angeklagte zu dem in [X.] im Bett liegenden K.

Oralverkehr auf. Als K.

dies ablehnte, schlug der Angeklagte ihn mehrfach
mit der Faust wahllos auf
den Körper, so dass K.

seinen Widerstand aufgab
und am Angeklagten den Oralverkehr durchführte (Tat
B.
II.).
[X.]ie Einsichts-
und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war in beiden Fällen nicht beeinträchtigt.
2.
[X.]as [X.] hat beide Taten als Vergewaltigung gemäß §
177 Abs.
1, Abs.
2 Satz
2 Nr.
1 StGB gewertet. Es hat zudem -
sachverständig be-raten
-
die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung ge-mäß §
66 Abs.
1 StGB angeordnet. Bei dem mehrfach -
auch einschlägig
-
vor-bestraften Angeklagten, der an einer dis[X.] Persönlichkeitsstörung leide, bestehe ein Hang zur Begehung erheblicher rechtswidriger Straftaten. Allen Taten des Angeklagten sei gemeinsam, dass er mit den jeweils Geschädigten 4
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6
7
-
5
-
bekannt gewesen sei, diese auch einvernehmliche Sexualkontakte geduldet hätten, der Angeklagte im Falle einer Weigerung der Geschädigten dies aber nicht akzeptieren könne und seine Vorstellungen mit Gewalt durchsetze. In [X.] bestehe eine hohe Gefahr der Begehung deliktanaloger Taten, die als schwere Sexualstraftaten nach Maßgabe der Weitergeltungsanordnung des [X.] einzustufen seien. [X.]er Angeklagte sei mehrfach wegen nahezu identischer Tatbegehung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verur-teilt und gegen ihn sei zudem bereits die Maßregel der Sicherungsverwahrung verhängt worden. Weder der Vollzug der Freiheitsstrafen noch der Sicherungs-verwahrung hätten ihn -
trotz der geschützten Umgebung
-
von neuen Straf-taten abgehalten. [X.]er Angeklagte sei für die Allgemeinheit gefährlich. Es beste-he eine Rückfallgefahr für deliktanaloge Taten. [X.]ie Anordnung der Sicherungs-verwahrung sei auch verhältnismäßig, mildere Mittel zum Schutz der Allge-meinheit seien nicht vorhanden, insbesondere könne -
wie sich nach [X.] zur Bewährung gezeigt habe
-
mit Maßnah-men der Führungsaufsicht keine Verhaltensänderung bei dem Angeklagten [X.] werden.
II.
1.
[X.]ie Nachprüfung des Urteils hat hinsichtlich des Schuld-
und Straf-ausspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2.
Auch die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist -
entgegen der Auffassung des [X.]
-
nicht zu beanstanden.
a)
Zutreffend hat das [X.] die formellen Voraussetzungen der Maßregel gemäß §
66 Abs.
1 StGB bejaht. [X.] beraten hat es
8
9
10
-
6
-
zudem mit tragfähiger Begründung festgestellt, dass der Angeklagte nach
Maßgabe der auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundeseinheitlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung für

ung (vgl. [X.], Urteil vom 4.
Mai 2011 -
2
BvR 2365/09
u.a., NJW 2011, 1931; zur [X.] vgl. [X.], Urteile vom 11.
Juli 2013 -
3
StR
148/13 und vom 12.
Juni 2013
-
5
StR 129/13) infolge eines Hangs zu schweren Sexualstraftaten, zu denen regelmäßig
auch die Vergewaltigung zählt (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Ja-nuar 2013 -
1
StR
93/11, [X.]R StGB §
66 Strikte Verhältnismäßigkeit
2; Urteil vom 4.
August 2011 -
3 StR
175/11, [X.], 692), für die Allgemeinheit ge-fährlich ist.
b)
[X.]as [X.] musste sich im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose nicht weitergehend mit dem hohen Lebensalter des Angeklagten auseinander-setzen, der nach der zu erwartenden Vollverbüßung der verhängten Gesamt-freiheitsstrafe bereits 82
Jahre alt sein wird. Bei der Anordnung der Sicherungs-verwahrung ist für die Gefährlichkeitsprognose auf den Zeitpunkt der [X.] abzustellen (vgl. §
66 Abs.
1 Nr.
4 StGB). [X.]er Tatrichter darf -
zumal bei der Frage der obligatorischen Sicherungsverwahrung gemäß §
66 Abs.
1 StGB
-
dem Alter
des Angeklagten wie auch den Wirkungen des jahrelangen Strafvollzugs daher nur dann Bedeutung beimessen, wenn schon bei der
Urteilsfindung abzusehen ist, dass aufgrund dessen eine Gefährlichkeit bei [X.] des Vollzugs der Strafe nicht mehr bestehen wird (vgl. auch [X.], Urteile vom 19.
Juli 2005 -
4
StR
184/05, [X.], 337; und vom 4.
Februar 2004 -
1
StR
474/03, [X.]R StGB §
66 Abs.
1 Gefährlichkeit
7 jeweils mwN). [X.]ie bloße Möglichkeit abnehmender Körperkräfte beim Angeklagten mit der Folge, dass er nach [X.] zu einer gewaltsamen [X.]urchsetzung seiner sexuellen Wünsche nicht mehr in der Lage sein wird, vermag seine Gefährlich-11
-
7
-
keit nicht auszuräumen. Zwar denkbare, aber nur erhoffte Veränderungen der Umstände bleiben der obligatorischen Prüfung vor Ende des Strafvollzugs ge-mäß §
67c Abs.
1 StGB vorbehalten (vgl. [X.], jeweils aaO mwN).
c)
Auch Verhältnismäßigkeitserwägungen stehen einer Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht entgegen.
Es kann dahinstehen, ob in Fällen, in denen die Voraussetzungen des §
66 Abs.
1 StGB vorliegen, unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeits-grundsatz von der obligatorischen Anordnung der Sicherungsverwahrung abge-sehen werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 31.
Juli 1997 -
4
StR
339/97, [X.], 135; offen gelassen in [X.], Beschluss vom 9.
Januar 2013
-
1
StR
558/12, [X.], 256; zweifelnd [X.]/[X.] in [X.], 12.
Aufl., §
66 Rn.
225). Jedenfalls war die Anordnung der Sicherungsverwah-rung hier verhältnismäßig.
[X.]as gilt auch vor dem Hintergrund, dass gegen den Angeklagten bereits mit Urteil des [X.]s Nürnberg-Fürth vom 23.
Oktober 2001
die Maßregel der Sicherungsanordnung verhängt wurde und nun aufgrund der erneuten Straffälligkeit der Widerruf der am 21.
Juni 2010 bewilligten Aussetzung zur Bewährung gemäß §
67g Abs.
1 StGB droht. [X.]ie erneute Verhängung der
Maßregel der Sicherungsverwahrung bleibt nämlich auch dann möglich, wenn diese bereits durch ein früheres Urteil angeordnet war, aber noch nicht [X.] erledigt ist ([X.], Beschlüsse vom 9.
Januar 2013 -
1
StR 558/12,
NStZ-RR
2013, 256; vom 17.
September 1998 -
5
StR
404/98, [X.], 258; vom 31.
Juli 1997 -
4
StR
339/97, NStZ-RR
1998, 135; Urteil
vom 31.
August 1995 -
4
StR
292/95, StV
1996, 541).
12
13
14
-
8
-
[X.]as [X.] hat sich damit auseinandergesetzt, ob mildere, gleich wirksame Maßnahmen gegeben sind, um der vom Angeklagten ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit zu begegnen. Es hat dies mit tragfähiger [X.] verneint. [X.]as [X.] brauchte dabei entgegen der Auffassung des [X.] nicht weitergehend der Frage nachgehen, inwieweit durch Maßnahmen im Rahmen der Führungsaufsicht ein ausreichendes Maß an Kontrolle der [X.] Kontakte des Angeklagten zu erreichen ist, insbeson-dere ob für ihn eine Aufnahmeeinrichtung gefunden werden kann, in der er [X.] Gelegenheit haben wird, gegenüber ihm unterlegenen Männern gewaltsam sexuelle Handlungen zu erzwingen. [X.]ies lässt
sich
zum gegenwärtigen Zeit-punkt nicht hinreichend sicher beurteilen. Auch die Beantwortung dieser Frage hängt vielmehr von den konkreten Verhältnissen bei Ende des Vollzugs ab, die im Rahmen der obligatorischen Prüfung nach §
67c Abs.
1 StGB Berücksichti-gung finden müssen (zur Berücksichtigung von Maßnahmen der [X.] bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in der Siche-rungsverwahrung vgl. [X.], Beschluss vom 28.
März 2013 -
2
BvR
553/12).
Raum
Wahl
Graf

Jäger
[X.]
15

Meta

1 StR 210/13

22.10.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2013, Az. 1 StR 210/13 (REWIS RS 2013, 1809)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1809

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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