Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2001, Az. IX ZR 317/98

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 2760

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:26. April 2001PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:[X.]:[X.] § 765Wird in einer Bürgschaft auf erstes Anfordern die Vorlage einer schriftlichen [X.] über ihm erbrachte Leistungen vorausgesetzt, brauchtder Bürge ohne Vorlage einer solchen Urkunde grundsätzlich auch dann nicht zuleisten, wenn der Hauptschuldner - eine GmbH - inzwischen wegen Vermögenslo-sigkeit im Handelsregister gelöscht worden ist.[X.], Urteil vom 26. April 2001 - [X.] - [X.][X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 26. April 2001 durch [X.] Kreft und die [X.], Kirchhof, Dr. Fischer und Raebelfür Recht erkannt:Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Juli 1998 aufgeho-ben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten erkannt ist.Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der [X.] vom 1. April 1998 wird in [X.] mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage zur Zeitunbegründet ist.Die Kosten beider Rechtsmittelzüge fallen der Klägerin zur Last.Von Rechts [X.]:Die Klägerin schloß mit der [X.] Immobilien- und Beteiligungsgesell-schaft mbH (nachfolgend: [X.] oder Hauptschuldnerin) einen [X.] über die Instandsetzung und Modernisierung eines Hauses. In§ 18 dieses Vertrages verpflichtete die Auftraggeberin sich, der [X.] auf § 648a BGB eine Sicherheit in Höhe von 750.000 DM zu [X.] 3 -Mit schriftlicher Erklärung vom 1. September 1995 übernahm die [X.] gegenüber der Klägerin unter Bezugnahme auf den [X.] eine unbefristete Bürgschaft, in der es heißt:"... übernehmen wir ... für die Erfüllung sämtlicher Ansprü-che, die dem Auftragnehmer gegen den [X.] entstehen, daß der Auftraggeber die verein-barten Zahlungen ... nach Vorlage der schriftlichen Be-stätigung des Auftraggebers über die erbrachten Baulei-stungen ... nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitigleistet, die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einemBetrag vonDM 750.000 ...... Wir verpflichten uns, auf erste schriftliche Anforderungan den Auftragnehmer Zahlung zu leisten."Nachdem die Klägerin eine Rechnung erteilt sowie die [X.] diese nichtbezahlt und entgegen einer Aufforderung durch die Klägerin keine weitere Si-cherheit im Hinblick auf § 648a BGB geleistet hatte, stellte die Klägerin die [X.] ein. Die [X.] entzog ihr den Auftrag. Die Klägerin berechnete ihr insge-samt rd. 983.500 DM restlichen Werklohn. Beauftragte der [X.] sandten dieRechnungen als nicht prüffähig zurück. Die [X.] ist inzwischen wegen Vermö-genslosigkeit im Handelsregister gelöscht.- 4 -Die Klägerin verlangt von der Beklagten aufgrund ihrer [X.] DM. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesge-richt hat ihr in der Hauptsache stattgegeben. Dagegen richtet sich die [X.] Beklagten.Entscheidungsgründe:Das Rechtsmittel führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Ur-teils.[X.] Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin könne trotz [X.] schriftlichen Bestätigung der [X.] die Bürgschaftssumme verlangen. [X.] davon auszugehen, daß die Beklagte sich nur in den durch § 648a Abs. 2Satz 2 BGB gesetzten Grenzen zur Zahlung habe verpflichten wollen. [X.] der Beklagten sei - auch mit Rücksicht auf § 648a Abs. 7BGB - dahin auszulegen, daß die Beklagte unter den in § 648a Abs. 2 Satz [X.] aufgeführten Voraussetzungen zur Zahlung verpflichtet sein solle, wobeimit der schriftlichen Bestätigung der Bauleistungen der Sache nach ein Aner-kenntnis der aufgrund eines Zahlungsplanes nach Baufortschritt zu entrichten-den Abschläge gemeint sei. Diese Voraussetzungen seien nicht [X.] könne die Klägerin infolge des Erlöschens der [X.] Zahlungaus der Bürgschaft verlangen. Sei der Besteller - wie hier - eine juristische Per-son und werde diese vermögenslos, könne die Regelung des § 648a Abs. 2Satz 2 BGB die mit ihr beabsichtigte Schutzwirkung nicht mehr entfalten. [X.] Interesse des Bestellers an Einwendungen oder Einreden ge-gen den Werklohnanspruch des Unternehmers bestehe schon deshalb nicht,weil der Besteller kein Rechtssubjekt mehr sei. Ebensowenig bedürfe der Bür-ge einer zuverlässigen Grundlage für den Rückgriff auf den Besteller, wenn beidiesem ohnehin keine Zahlung zu erlangen sei. Auch das ursprüngliche [X.] des Bürgen, nicht in einen Bauprozeß hineingezogen zu werden, spielebeim Wegfall des Bestellers keine Rolle mehr. Solange ein Rückgriff des Bür-gen noch in Frage komme, lägen Einwendungen und Einreden gegen [X.] und damit gegebenenfalls ein Bauprozeß vor allem im [X.] als derjenigen Person, die den Werklohn letztlich aufzu-bringen habe. Nach seinem Wegfall wäre ein Streit um den [X.] nur noch für den Bürgen selbst von Nutzen. Deshalb obliege [X.] dem Bürgen, sich mit der Berechtigung der [X.] aus-einanderzusetzen und der Inanspruchnahme wegen vermeintlich überzogenerForderungen des Unternehmers entgegenzutreten. Der Unternehmer [X.] nach einem Erlöschen des Bestellers wegen Vermögenslosigkeit ohneweiteres aus der Bürgschaft vorgehen, wobei er im Prozeß regelmäßig [X.] und den Umfang der Hauptforderung darzulegen und zu beweisen habe.Im vorliegenden Falle habe die Beklagte indes die [X.] bezahlen, ohne daß es einer prozessualen Klärung der Hauptforderung derKlägerin bedürfe. Sie habe nämlich eine Bürgschaft auf erstes Anfordern über-nommen. Danach solle die angeforderte Zahlung allein von der [X.] bzw. der Erfüllung der in § 648a Abs. 2 Satz [X.] genannten Voraussetzungen abhängig sein. Letzteres Erfordernis seientfallen. Aufgrund der Bürgschaft auf erstes Anfordern sei deshalb Zahlung zuleisten, ohne daß es einer schlüssigen Darlegung der Hauptforderung bedürfe.[X.] Auslegung verstößt, wie die Revision zutreffend rügt, gegen [X.]. Die tatrichterliche Auslegung einer [X.] bindet das Revisionsgericht nicht, wenn sie gesetzliche oder allgemeinanerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungs-sätze verletzt oder wesentliches Auslegungsmaterial außer acht läßt ([X.], [X.]. 25. Februar 1992 - [X.], NJW 1992, 1967, 1968; v. 5. Januar 1995- IX ZR 101/94, NJW 1995, 959).Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß sich die [X.] dem Wortlaut ihrer Bürgschaft nur gegen die Vorlage der darin genanntenErklärung des Auftraggebers zur Zahlung verpflichtet habe. Bei der Feststel-lung des [X.] von Bürgschaften auf erstes Anfordern gilt wegen [X.] dieses Rechtsinstituts und der besonderen Gefährlichkeit einer sol-chen Verpflichtung der Grundsatz der [X.]. Dieser verbietet Auslegun-gen, für die sich im Text der Urkunde keine Grundlage findet und die sich aufUmstände außerhalb der Urkunde stützen müßten (vgl. [X.]eil vom14. Dezember 1995 - [X.], [X.], 193, 195).- 7 -Wird in einer Bürgschaft auf erstes Anfordern - wie hier - die [X.], in der Bürgschaftsurkunde genau [X.] Urkunden vor-ausgesetzt, braucht der Bürge nur zu zahlen, wenn der Gläubiger die Urkundevorlegt (so für eine Garantie auf erstes Anfordern [X.], Urt. v. 23. Januar 1996- [X.], [X.], 454, 455; v. 12. März 1996 - [X.], [X.],784, 785; für Bürgschaften auf erstes Anfordern vgl. [X.]. v. 9. März 1995- IX ZR 143/94, [X.], 833, 834). Solche formalen Merkmale dienen [X.] Bürgschaft auf erstes Anfordern auch der inhaltlichen Eingrenzung derHaftung (vgl. [X.]. v. 14. Dezember 1995 - [X.], aaO). [X.] kann daher grundsätzlich nicht durch die Erklärung des Gläubigers [X.] werden, er könne die Urkunde - sei es verschuldet oder nicht - nicht bei-bringen. Anderenfalls müßte der Bürge ohne Gewähr für das Bestehen einerForderung erst einmal zahlen, und die Prüfung seiner Pflicht würde in [X.] verlegt, obwohl Gegenteiliges ausdrücklich vereinbartwar. Das Risiko eines Wegfalls des [X.] würde - entgegen demmit der [X.] verfolgten Zweck - einseitig auf den Bürgen verlagert.Ein solches Ergebnis läßt sich nicht mit den vom Berufungsgericht an-geführten praktischen Erwägungen rechtfertigen. Es weist selbst zutreffenddarauf hin, daß jedenfalls der klagende Werkunternehmer selbst die Berechti-gung seiner Forderung zu beweisen hätte, wenn er aufgrund einer [X.] Bürgschaft Zahlung verlangte. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern solldem Gläubiger insoweit keine Erleichterung bringen, wenn darin ein urkundli-cher Nachweis der Forderung sowie ihrer Berechtigung ausdrücklich vereinbartist. Im Gegenteil muß der Gläubiger seinerseits in derartigen Fällen die Vorteileeiner erleichterten Durchsetzung, welche die Bürgschaft auf erstes Anfordern- 8 -gewöhnlich gewährt, mit den Nachteilen abwägen, welche ihm die inhaltlichenVoraussetzungen bereiten könnten.Der Gläubiger wird durch eine derartige Auslegung nicht rechtlos ge-stellt. Trotz Löschung der [X.] im Handelsregi-ster ist eine Klage gegen sie auf Abgabe der erforderlichen Erklärung nichtausgeschlossen. Besteht ein berechtigtes Interesse an einer von der [X.] abzugebenden Erklärung, dann ist diese Gesellschaft zum Zweckder prozessualen Durchsetzung des Anspruchs als existent anzusehen (vgl.[X.]Z 105, 259, 261). Die Erschwernis eines solchen Vorgehens muß [X.] allerdings auf sich nehmen, der eine Erklärung der [X.] inhaltlichen Voraussetzung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern hat wer-den lassen.Den Fall einer Auflösung der Hauptschuldnerin mögen die Parteien [X.] vorher nicht bedacht haben. In derartigen Fällen kommt [X.] ergänzende Vertragsauslegung (§ 157 BGB) in Betracht. Es mag offenbleiben, ob sie auch bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern möglich ist, so-weit der Text der Urkunde keine Anhaltspunkte dafür bietet. Jedenfalls wenn- wie im vorliegenden Fall - eine formalisierte Anspruchsvoraussetzung nur er-schwert zu erfüllen ist, könnte die Bürgschaft als eine solche auf erstes Anfor-dern nur aufrecht erhalten bleiben, wenn die Voraussetzung durch eine andere,vergleichbare ersetzt werden könnte. Eine solche Möglichkeit haben aber we-der das Berufungsgericht noch die Revisionserwiderung aufgezeigt. [X.] meint, das Bestehen der Hauptschuld (§§ 767, 768 BGB) sei mit [X.] Mitteln im Prozeß zu beweisen, bedeutete das im Ergebnis [X.] der besonderen Eigenschaften gerade einer Bürgschaft auf erstes- 9 -Anfordern. Statt dessen geht es dann allein um die Möglichkeit, eine nur untererschwerten Voraussetzungen durchsetzbare Bürgschaft auf erstes Anfordernals eine gewöhnliche Bürgschaft aufrecht zu erhalten (dazu unten III.).II[X.] Berufungsurteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig(§ 563 ZPO).Insbesondere kann die ausdrücklich auf erstes Anfordern erteilte [X.] nicht in eine gewöhnliche Bürgschaft umgedeutet werden, welche dieformalisierten Anspruchsvoraussetzungen möglicherweise nicht enthält. [X.] erachtet es für zulässig, eine auf erstes Anfordern erteilte Bürgschaft alsgewöhnliche Bürgschaft aufrechtzuerhalten, wenn der Gläubiger entgegen [X.] Obliegenheit den Bürgen nicht über die Gefährlichkeit der besonderenBürgschaftsform aufgeklärt hatte ([X.]. v. 12. März 1992 - [X.]/91,WM 1992, 854 ff; v. 2. April 1998 - [X.], [X.] 1998, 905, 907), und [X.] dann, wenn die Absicherung eines Anspruchs durch Bürgschaft [X.], dieser Anspruch in der Urkunde aber nicht als gesichert genannt war([X.]. v. 25. Februar 1999 - [X.], [X.], 895, 899). [X.] es im vorliegenden Fall nicht. Vielmehr ist die Absicherung des einge-klagten Anspruchs in der Urkunde rechtswirksam vereinbart worden; nur dievereinbarte Nachweisform kann nicht - oder nur schwer - erfüllt werden. [X.] Gläubiger ein solches Risiko durch eine Umdeutung der Bürgschaft abge-nommen werden kann, braucht hier nicht allgemein entschieden zu werden. [X.] -werden gewichtige Interessen des Bürgen entgegenstehen, dem die Rechts-klarheit und Sicherheit des vereinbarten Sicherungsmittels verloren geht.Im vorliegenden Fall scheidet eine solche Umdeutung jedenfalls deswe-gen aus, weil die Bürgschaft vereinbarungsgemäß unter Hinweis auf § [X.] zu stellen war. Hat sich ein Bauunternehmer vom Besteller - wie hier - [X.] eines Kreditinstituts geben lassen, darf dieses nach § 648a Abs. 2Satz 2 BGB an den Unternehmer (Auftragnehmer) nur leisten, soweit der Be-steller (Auftraggeber) den Vergütungsanspruch des Auftragnehmers [X.] durch vorläufig vollstreckbares Urteil zur Zahlung der Vergütung verurteiltworden ist und die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. Die Vorschrift istgem. § 648a Abs. 7 BGB zwingend. Sie steht der Umdeutung jedenfalls einersolchen Bürgschaft auf erstes Anfordern entgegen, die inhaltlich von einer ver-gleichbaren Voraussetzung abhängen sollte. In dieser Hinsicht kommt es, ent-gegen der Auffassung der Revisionserwiderung, nicht entscheidend darauf an,daß nach dem [X.] nur die "erbrachten Bauleistungen" zu bestäti-gen, nicht aber der Zahlungsanspruch anzuerkennen war. Unabhängig davonsollte die Klausel den Bürgen vor einer gesetzwidrigen Inanspruchnahmeschützen. Dieser Schutz darf nicht im Wege ergänzender [X.] 11 -Der Senat kann in der Sache selbst abschließend entscheiden, weil [X.] dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif ist (§ 565Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Ergänzender, entscheidungserheblicher Sachvortrag [X.] ausgeschlossen. Die Klage ist unbegründet, solange der [X.] nicht erbracht werden kann.Kreft Stodolkowitz Kirchhof Fischer Raebel

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IX ZR 317/98

26.04.2001

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2001, Az. IX ZR 317/98 (REWIS RS 2001, 2760)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2760

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