Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.11.2015, Az. 2 StR 180/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 2528

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Gegenstand

Unmittelbarkeit bei der Beweiserhebung: Verlesung von schriftlichen Erklärungen eines in der Hauptverhandlung nicht vernommenen Zeugen wegen Berufung auf ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht


Tenor

Die Revision der Nebenkläger gegen das Urteil des [X.] ([X.]) vom 19. Dezember 2014 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler ergeben hat.

Die sofortige Beschwerde der Nebenkläger gegen die Kostenentscheidung des vorgenannten Urteils wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerdeführer haben die Kosten der Rechtsmittel und die der Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

1. [X.], das [X.] habe gegen seine Amtsaufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 [X.] verstoßen, da es den Inhalt des ärztlichen Berichts des sachverständigen [X.]nicht verlesen habe, bleibt ohne Erfolg.

Die Aufklärungspflicht ist nicht verletzt. Der Senat neigt zu der Ansicht, dass die Verlesung des ärztlichen Berichts von Dr. S.   bereits unzulässig gewesen wäre, weil seine Einführung in die Hauptverhandlung den in § 250 [X.] enthaltenen Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt hätte. Dr. S.   , der kurz nach der Tat von den Ärzten, die die Angeklagte nach einem Suizidversuch intensivmedizinisch behandelt hatten, im Hinblick auf eine möglicherweise weiterhin bestehende Suizidgefahr als Konsiliararzt hinzugezogen worden war und über seine Untersuchung einen schriftlichen Bericht gefertigt hatte, machte in der Hauptverhandlung zwar Angaben zur „Befindlichkeit“ der Angeklagten anlässlich dieser konsiliarischen Untersuchung, berief sich im Übrigen aber – nach dem (vorsorglichen) Widerruf der [X.] durch die Angeklagte – auf sein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 [X.].

Bei dieser Sachlage liefe die Verlesung des von dem Zeugen gefertigten Berichts auf eine nach § 250 Satz 2 [X.] unzulässige Ersetzung des Zeugenbeweises hinaus. Denn Dr. S.   hatte zum Inhalt des Berichts, der auch Angaben zu einer Befragung der Angeklagten enthielt, aus denen die Revision Rückschlüsse auf einen schon länger zuvor gefassten [X.] ziehen will, vollumfänglich die Auskunft verweigert und lediglich Angaben zum Zustand der Angeklagten gemacht. Macht aber ein Zeuge zu einem bestimmten [X.] von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch, würde die Verlesung der von ihm stammenden schriftlichen Erklärung dazu dienen, seine mündliche Vernehmung insoweit zu ersetzen. Dies würde zu einer Umgehung des durch § 53 [X.] bezweckten Schutzes des Vertrauensverhältnisses zwischen den dort genannten Berufsgeheimnisträgern und einem Angeklagten führen. Der Senat neigt daher zu der Ansicht, dass eine Teilaussage nicht den pauschalen Zugriff auf alle schriftlichen Erklärungen ermöglicht (vgl. [X.] in: [X.]/[X.], [X.], § 250 Rn. 20). Soweit der 1. Strafsenat demgegenüber im Falle eines die Aussage nach § 55 [X.] verweigernden Zeugen die Verlesbarkeit einer von ihm schriftlich abgegebenen Erklärung auch mit Blick auf § 250 Satz 2 [X.] für zulässig erachtet hat, weil dieser jedenfalls Fragen zur Herkunft dieser Erklärung beantwortet hatte, weshalb sich ihre spätere Verlesung nicht als Ersetzung, sondern als zulässige Ergänzung seiner (auf die Herkunft begrenzten) Aussage darstellte ([X.], Urteil vom 23. Dezember 1986 - 1 [X.], [X.], 36 m. krit. [X.]. [X.] [X.], 6, 10), vermag dies den Senat daher nicht zu überzeugen.

Indes bietet der vorliegende Fall keinen Anlass zur Erörterung der Frage, ob die im Zusammenhang mit § 55 [X.] ergangene Entscheidung des 1. Strafsenats der Ansicht des Senats entgegenstehen würde, denn letztlich kommt es im hiesigen Fall darauf nicht an. Die Verwertung des schriftlichen Berichts des [X.]musste sich dem [X.] schon nicht aufdrängen. Ohne Rechtsfehler hat die [X.] in ihrer ablehnenden Entscheidung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Verlesung des Berichts auch darauf hingewiesen, dass den Angaben der Angeklagten gegenüber Dr. S.   nur geringe Bedeutung zukommen könne, weil sie anlässlich der Untersuchung nicht zu sachgerechten Äußerungen in der Lage gewesen sei.

2. Die Verwerfung der sofortigen Beschwerde der Nebenkläger gegen die Kostenentscheidung als unzulässig erfolgt aus den Gründen der Antragsschrift des [X.].

Krehl                      Eschelbach                           Ott

                Zeng                              Bartel

Meta

2 StR 180/15

11.11.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Marburg, 19. Dezember 2014, Az: 6 Ks 4 Js 4612/14

§ 53 Abs 1 Nr 3 StPO, § 244 Abs 2 StPO, § 250 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.11.2015, Az. 2 StR 180/15 (REWIS RS 2015, 2528)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2528

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