Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.12.2010, Az. V B 11/10

5. Senat | REWIS RS 2010, 542

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Gegenstand

Anforderungen an die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs - Mitwirkung der Beteiligten bei der Sachaufklärung


Leitsatz

NV: Ein fachkundig vertretener Beteiligter muss bei umstrittener Sachlage und/oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten.

Gründe

1

Die Beschwerde, mit der der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, Divergenz und wegen Verfahrensfehlern begehrt, hat keinen Erfolg.

2

1. Der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O dargelegt. Erforderlich sind insoweit Ausführungen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die aufgeworfene Rechtsfrage umstritten ist (vgl. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 10. Februar 2010 [X.]/09, [X.], 881, m.w.N.). Weiter bedarf es einer Auseinandersetzung mit den in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen (vgl. [X.] vom 10. Juni 2010 IX B 14/10, [X.], 1654).

3

Hieran fehlt es im Streitfall. Der Kläger begehrt die Zulassung zur Klärung der Rechtsfrage, ob die Anordnung einer Wiederholungsprüfung ohne Angabe von Ermessensgründen zulässig ist. Insoweit fehlt es schon an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfrage im Streitfall, denn eine Wiederholungsprüfung liegt nicht vor, wenn es sich --wie im Streitfall nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.] um verschiedene Steuerpflichtige handelt und die Prüfung der Feststellung dienen soll, ob die Voraussetzungen einer Organschaft vorliegen. Im Übrigen fehlt es an der Darlegung, weshalb diese Frage klärungsbedürftig sein soll.

4

2. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [X.]O) zuzulassen. Die Zulassung einer Revision wegen Divergenz erfordert nicht nur, dass das [X.] bei gleichem oder vergleichbar festgestelltem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der [X.], der Gemeinsame Senat, der [X.], ein anderes oberstes [X.] oder ein anderes [X.] ([X.]-Beschlüsse vom 18. Februar 2010 [X.]/08, [X.], 1117; vom 14. Oktober 2009 [X.]/09, [X.], 443; vom 28. September 2009 [X.]/08, [X.], 167), sondern der Beschwerdeführer muss darüber hinaus einander widersprechende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] und den Entscheidungen, von denen die Vorinstanz abgewichen sein soll, gegenüberstellen (vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 19. Januar 2010 [X.]/08, [X.], 918; vom 8. Mai 2009 [X.]/08, [X.]/NV 2009, 1432, m.w.N.). Der Kläger hat zwar eine Vielzahl von abstrakten Rechtssätzen von [X.]-Entscheidungen wiedergegeben, diesen entgegenstehende Rechtssätze des angefochtenen Urteils hat der Kläger jedoch nicht herausgearbeitet; vielmehr beschränkt sich die Beschwerde auf die Darlegung, das [X.] hätte bei Anwendung dieser Grundsätze zu einem anderen Ergebnis kommen müssen, ohne dass erkennbar wird, welchen anderen, abweichenden Rechtssatz das [X.] aufgestellt hat.

5

3. Auch eine Zulassung der Revision wegen Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) kommt nicht in Betracht.

6

a) Zur Zulassung der Revision führen nur Verfahrensfehler des [X.], nicht dagegen Verfahrensfehler des Finanzamts ([X.]). Ohne Erfolg rügt der Kläger daher die Unzuständigkeit des [X.], die Unverhältnismäßigkeit der Sachverhaltsaufklärung durch eine Außenprüfung und die seiner Auffassung nach unzureichende Ermessensentscheidung.

7

b) Soweit der Kläger rügt, das [X.] habe zu Unrecht die Voraussetzungen des § 68 [X.]O bejaht, hat die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg, weil das [X.] im Urteil entschieden hat, die [X.] vom 6. Dezember 2006 seien nicht durch die [X.] vom 27. Mai 2008 ersetzt worden.

8

c) Ohne Erfolg rügt der Kläger "fehlerhafte Sachverhaltsdarstellung und mangelhafte Sachverhaltsaufklärung". Der Kläger trägt insoweit vor, er sei niemals Eigentümer von Grundstücken gewesen, die an die beiden [X.] vermietet worden seien, und überdies fehle es an der finanziellen Eingliederung, weil "nachweislich mit der Mutter des Klägers eine Stimmbindungsvereinbarung bestand".

9

Anhaltspunkte hierfür ergeben sich nicht aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils. Soweit der Kläger damit sinngemäß behauptet, der Sachverhalt sei fehlerhaft dargestellt, kann dies nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde, sondern nur mit dem fristgebundenen Antrag auf [X.] (§ 108 [X.]O) geltend gemacht werden. Soweit er sinngemäß rügen will, das [X.] habe seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung verletzt, hätte er u.a. darlegen müssen, warum er, jedenfalls sofern er --wie im [X.] durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat oder warum sich die unterlassene Sachaufklärung dem [X.] --auch ohne besonderen Antrag-- hätte aufdrängen müssen.

Im Übrigen wird der Amtsermittlungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 [X.]O begrenzt. Die Beteiligten trifft im finanzgerichtlichen Verfahren eine Mitverantwortung für die Sachaufklärung. Für die [X.] gilt dies in besonderer Weise bezüglich der ihrem Einflussbereich oder zumindest ihrem Wissensbereich zuzurechnenden Tatsachen (vgl. z.B. [X.] vom 10. Februar 2010 [X.]/09, [X.], 887).

d) Die vom Kläger gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 [X.]O), die zu den verzichtbaren [X.] gehört (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 16. Juni 2009 [X.]/08, [X.]/NV 2009, 1597, unter [X.]; vom 27. September 2007 [X.], [X.]/NV 2008, 27, unter 3.), liegt nicht vor. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs obliegt es dem Gericht u.a., den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben und ihre Ausführungen und Anträge wie auch den Akteninhalt zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Allerdings muss ein --zumindest fachkundig vertretener-- Beteiligter gerade bei umstrittener Sach- und/oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (s. [X.]-Beschlüsse vom 29. Dezember 2006 IX B 139/05, [X.]/NV 2007, 1084; vom 14. Oktober 2009 [X.]/09, [X.], 222, m.w.N.). Inwiefern dem Kläger das rechtliche Gehör versagt worden sein soll, legt er nicht dar.

e) Ohne Erfolg rügt der Kläger die fehlerhafte Anwendung des § 68 [X.]O unter Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.] zu den Prüfungsanforderungen bei erstmaliger Ermessensausübung in einem während des Klageverfahrens ersetzten Haftungsbescheid ([X.]-Urteil vom 16. Dezember 2008 [X.], [X.]E 224, 195, [X.], 539), denn das [X.] geht bei seiner Entscheidung davon aus, dass die [X.] vom 6. Dezember 2006 nicht durch die "geänderten [X.]" vom 27. Mai 2008 i.S. des § 68 [X.]O ersetzt worden sind, es sich vielmehr um die Anordnung einer Prüfungserweiterung handelt.

Meta

V B 11/10

09.12.2010

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 16. Dezember 2009, Az: 2 K 454/07, Urteil

§ 96 Abs 2 FGO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.12.2010, Az. V B 11/10 (REWIS RS 2010, 542)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 542

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