Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. 2 StR 343/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 1725

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 343/13
vom
23. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen

wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 23.
Oktober 2013, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer

und [X.] am Bundesgerichtshof
Prof. [X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.],
[X.],

Richterin am [X.]

als Vertreterin
der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,
Rechtsanwältin

als Vertreterin der Nebenklägerin,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
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-

1.
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen
das Urteil des [X.]s Trier vom 15.
März 2013 wird verworfen.
2.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Ausla-gen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] Trier hat den Angeklagten wegen sexuellen [X.] in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Außerdem hat es Führungsaufsicht angeordnet. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einem psychiatri-schen Krankenhaus nach §
63 StGB
richtet, bleibt ohne Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des [X.]s entwickelte sich Ende 2009/
Anfang 2010 ein engerer Kontakt des nicht vorbestraften Angeklagten zu der in unmittelbarer Nachbarschaft mit ihren Kindern lebenden

K.

. Sie unter-stützte dabei den alleinstehenden, etwas verwahrlost wirkenden und an [X.] leidenden Angeklagten bei behördlichen Dingen, er half ihr in 1
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praktischen Dingen, etwa bei der Renovierung. Vor allem aber kümmerte er sich um ihre geringgradig geistig behinderten Kinder, die bei ihm -
ebenso wie der 1999 geborene später Geschädigte A.

M.

-
ein und aus gingen. Im Rahmen dieser engen Beziehungen zu den Kindern nutzte
der Angeklagte an nicht näher bestimmbaren Tagen im Zeitraum zwischen dem 14.
April 2010 bis Anfang Mai 2012 das freundschaftliche Verhältnis zu folgenden sexuell mo-tivierten Handlungen aus.
Zwei Mal führte der Angeklagte den Oralverkehr an der entblößten Scheide des Kindes D.

K.

aus. [X.] masturbierte der Ange-klagte vor D.

K.

bis zum Samenerguss. Der Aufforderung des Kindes, sein Sperma aufzulecken, kam D.

nicht nach. An einem anderen Tag zeigte der Angeklagte D.

sexuell motiviert einen pornographischen Videofilm, der sexuelle Handlungen unter Erwachsenen, insbesondere Geschlechts-
und Oralverkehr, zeigte. Bei einer weiteren Gelegenheit führte er den Kindern A.

M.

sowie D.

und Ch.

K.

in sexueller Motivation einen porno-graphischen Film vor. Schließlich veranlasste der Angeklagte die Kinder D.

K.

und A.

M.

, Szenen aus pornographischen Filmen nachzuah-men. Dabei führte A.

unter anderem sein nacktes Glied an D.

s
ebenfalls entblößte Scheide.
Das [X.] ist davon ausgegangen, dass der an einer vaskulären Demenz leidende Angeklagte bei allen Taten im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit gehandelt hat.
Von einer Unterbringung des Angeklagten nach §
63 StGB hat die [X.] abgesehen. Nach ihrer Ansicht fehlte es entgegen der Auffassung der Sachverständigen an der erforderlichen Erwartung, der Angeklagte werde infol-ge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen.
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Nach deren Einschätzung lägen bei dem Angeklagten [X.] vor, von denen eine geringere Gefährlichkeit ausgehe. Sie stünden aber im Zusammenhang mit der demenziellen Erkrankung des Angeklagten, die ihrerseits progredient verlaufe und die bei ihrem Fortschreiten die Rückfallge-fahr erhöhe. Erst ab einem gewissen Schweregrad der Demenz werde dieser Trend wieder gestoppt. Soweit der Angeklagte aber körperlich mobil und [X.] und örtlich orientiert sei, sei deshalb mit begründeter Wahrscheinlichkeit von der Begehung ähnlicher Straftaten auch in Zukunft auszugehen.
Dieser sachverständigen Einschätzung ist die [X.] nicht gefolgt. Das von der Sachverständigen geschilderte statistisch erhöhte Deliquenzrisiko bei Alterspädophilie reiche nicht aus, um die von §
63 StGB geforderte erhöhte Wahrscheinlichkeit erheblicher rechtswidriger Taten zu begründen. Es sei grundsätzlich vielmehr eine Gesamtwürdigung von Tat und Täter anhand kon-kreter Anhaltspunkte vorzunehmen. Dabei lasse sich bei dem zuvor unauffälli-gen Angeklagten, der es trotz vielfältiger Kontakte in drei Jahren zu nicht mehr als sechs Missbrauchshandlungen habe kommen lassen, die geforderte erhöh-te Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher Straftaten nicht feststellen. Dass der Angeklagte trotz fortschreitender Demenz über längere Zeit keine Straftaten begangen habe, sei ein wichtiges Indiz gegen die erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung künftiger Straftaten. Hinzu käme, dass sich der geistige Zustand des Angeklagten in den letzten Wochen und Monaten mit Zunahme der De-menz rapide verschlechtert habe und bei der zu erwartenden weiteren Entwick-lung abzusehen sei, dass der Angeklagte nicht mehr die erforderliche persönli-che und örtliche Orientierung vorweise, die die Sachverständige ihrer Prognose zu Grunde gelegt habe. Dies führe bereits zum jetzigen Zeitpunkt zur [X.], dass in naher Zukunft mit der geforderten erhöhten Wahr-scheinlichkeit keine weiteren erheblichen
Straftaten zu erwarten seien.
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Demgegenüber ist die [X.] davon ausgegangen, dass die für die Anordnung von Führungsaufsicht erforderliche einfache Wahrscheinlichkeit der Begehung von Straftaten bestehe.
II.
Die wirksam auf den [X.] begrenzte Revision der [X.] bleibt ohne Erfolg. Das [X.] hat im Ergebnis ohne durch-greifenden Rechtsfehler von der Unterbringung des Angeklagten im psychiatri-schen Krankenhaus abgesehen.
Dabei kann dahinstehen, ob die [X.] mit ihrer [X.], in naher Zukunft seien angesichts der progredienten Entwicklung der [X.] mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit [X.] weiteren erheblichen Straftaten zu erwarten, womöglich einen in der Zukunft liegenden und damit nach bisheriger unbestrittener Rechtsprechung unzutref-fenden Beurteilungszeitpunkt für die im Rahmen des §
63 StGB anzustellende Prognose gewählt hat. Denn aufgrund der Annahme des [X.]s, das un-ter Zugrundelegung der eingeholten gutachterlichen Stellungnahme einerseits und unter Berücksichtigung der fortschreitenden Erkrankung des Angeklagten andererseits nachvollziehbar und ohne Rechtsfehler darlegt, dass die Anord-nung von Führungsaufsicht (nach Vollzug der zu verbüßenden Freiheitsstrafe) ausreiche, um den Angeklagten von der Begehung künftiger Straftaten [X.], ist hinreichend dargetan, dass die Unterbringung des Angeklagten im psy-chiatrischen Krankenhaus zur Bekämpfung der von ihm (noch) ausgehenden Gefahren nicht erforderlich ist. Selbst wenn also davon auszugehen wäre, dass die Voraussetzungen für eine Anordnung nach §
63 StGB derzeit
anzunehmen wären, ergibt sich doch aus diesen Erwägungen des [X.]s zweifelsfrei, dass insoweit der zur Zweckerreichung ebenso geeigneten Führungsaufsicht 8
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als weniger beschwerender Maßregel der Vorzug
vor einer Unterbringung nach §
63 StGB
zu geben ist (§
72 Abs.
1 Satz
2 StGB).
Fischer [X.][X.]

Eschelbach

[X.]

Meta

2 StR 343/13

23.10.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. 2 StR 343/13 (REWIS RS 2013, 1725)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1725

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