Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.03.2024, Az. 1 WB 4/23

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2024, 2422

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Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller rügt die Verletzung seiner Beteiligungsrechte bei Erlass von vorläufigen Ausführungsbestimmungen zur Soldatenarbeitszeitverordnung.

2

Durch die Erste Verordnung zur Änderung der Soldatenarbeitszeitverordnung vom 18. Februar 2020 ([X.]), die mit Wirkung vom 1. Januar 2020 in [X.] trat, wurden die Bestimmungen in den § 21 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 Nr. 2 [X.] geändert. § 21 Abs. 1 [X.] regelt die Anordnung von Dienst bei den in § 30c Abs. 4 SG genannten Tätigkeiten. Die dort vorgenommenen Änderungen betreffen die Modalitäten der Anordnung. Die ursprüngliche Fassung lautete wie folgt:

"Bei Tätigkeiten nach § 30c Absatz 4 Nummer 1 des Soldatengesetzes wird der Dienst vom [X.] angeordnet. In allen anderen Fällen des § 30c Absatz 4 des Soldatengesetzes wird der Dienst von der Inspekteurin oder dem Inspekteur des jeweilig zuständigen militärischen Organisationsbereiches angeordnet. Die Inspekteurinnen und Inspekteure können die Befugnis zur Anordnung im Rahmen ihrer [X.] auf nachgeordnete Stellen übertragen."

3

Durch die Änderung erhielt die Norm folgende Fassung:

"Bei den in § 30c Absatz 4 des Soldatengesetzes genannten Tätigkeiten ist der Dienst im Voraus und für ganze Kalendertage anzuordnen. Soweit es zwingend erforderlich ist, darf die Anordnung am selben Kalendertag erfolgen; in diesem Fall gilt der Dienst des gesamten [X.] als für die Tätigkeit nach § 30c Absatz 4 des Soldatengesetzes geleistet. Die Anordnung erfolgt bei den in § 30c Absatz 4 Nummer 2 bis 5 des Soldatengesetzes genannten Tätigkeiten durch die zuständige Inspekteurin oder den zuständigen Inspekteur. Sie oder er kann die [X.] nachgeordneten Stellen übertragen."

4

Die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Nr. 2 [X.] regelt den Ausgleich von Belastungen für Tätigkeiten nach § 30c Abs. 4 Nr. 2 bis 5 SG sowie bei einsatzgleichen Verpflichtungen nach § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG. Während die bis zum 31. Dezember 2019 geltende Fassung des § 23 Abs. 3 Nr. 2 [X.] noch einen abgestuften Ausgleich durch Freistellung vom Dienst vorsah, regelte die ab 1. Januar 2020 geltende Fassung als Belastungsausgleich einen pauschalen Anspruch auf Freistellung vom Dienst von einem Tag für jeden Kalendertag, an dem die Tätigkeit ausgeübt worden ist. Ebenfalls zum 1. Januar 2020 wurde § 50a [X.] mit dem [X.] [X.] und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetz - BesStMG - vom 9. Dezember 2019, [X.]) als Rechtsgrundlage für Ansprüche auf Vergütung in den in § 30c Abs. 4 SG genannten Fällen geschaffen, soweit ein über einen dienstfreien Tag im Kalendermonat hinausgehender zeitlicher Ausgleich nicht gewährt werden kann.

5

Unter dem 1. April 2020 wies der Leiter des Referats ... im [X.] unter Hinweis auf die wegen der beschriebenen Gesetzesänderungen bestehende Notwendigkeit von Anpassungen der in der Zentralen Dienstvorschrift [X.] "Anwendung der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten" enthaltenen Ausführungsbestimmungen zu [X.] an, die Kapitel 3 ("Ausnahmen von den Regelungen des [X.] Arbeitszeitrechts") und 4 ("[X.] bei Tätigkeiten in Anwendung der Ausnahmemöglichkeiten des [X.] Arbeitszeitrechts") der [X.] nicht mehr anzuwenden. Zugleich setzte er rückwirkend zum 1. Januar 2020 vorläufige Regelungen zu den arbeitszeitrechtlichen Ausnahmetatbeständen nach § 30c Abs. 4 SG in [X.], die er seinem Schreiben als Anlage beifügte.

6

Mit Schreiben vom 8. April 2020 setzte der Leiter des Referats ... im [X.] den Antragsteller von seinen unter dem 1. April getroffenen Maßnahmen in Kenntnis. Dabei wies er darauf hin, dass die Überarbeitung der Durchführungsbestimmungen zur [X.] im Hinblick auf die gesetzlichen Anpassungen im Arbeitszeitrecht aufgrund der langwierigen Bearbeitung der rechtsetzenden Normen bis zum Beginn der [X.] noch nicht habe zum Abschluss gebracht werden können. Insofern sei es bisher auch nicht möglich gewesen, eine förmliche Beteiligung der Interessenvertretungen einzuleiten. Gleichzeitig sähen die Maßnahmen zur Bewältigung der [X.] auch die Anordnung des arbeitszeitrechtlichen Ausnahmetatbestandes nach § 30c Abs. 4 Nr. 2 SG (Amtshilfe) im erforderlichen Umfang vor. Zur Vermeidung einer widersprüchlichen [X.] in Bezug auf [X.] im Ausnahmetatbestand sei es daher dringend notwendig gewesen, vorläufige, ausschließlich an die gesetzlichen Änderungen angepasste, Regelungen kurzfristig zu etablieren.

7

Der Antragsteller rügte die Vorgehensweise des [X.] mit Schreiben vom 14. April 2020. Nach § 43 Abs. 2 [X.] könnten vorläufige Regelungen nur zu Maßnahmen getroffen werden, die gemäß der Natur der Sache nach keinen Aufschub duldeten. In Anbetracht der bisherigen Dauer der Überarbeitung der Durchführungsbestimmungen könne die dringende Notwendigkeit für den Erlass vorläufiger Regelungen kaum nachvollzogen werden. Ebenso stelle die Aussetzung der Kapitel 3 und 4 der o. g. Grundsatzregelung einen eigenen Beteiligungstatbestand dar. Die rechtmäßige Durchführung beider mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen setzten die vorherige Zustimmung des [X.] (im Folgenden: [X.]) und ein abgeschlossenes Beteiligungsverfahren voraus. Aus diesem Grund werde gebeten, die Maßnahmen bis zum Abschluss des Beteiligungsverfahrens auszusetzen.

8

Mit Schreiben vom 23. April 2020 bekräftigte der Leiter des Referats ... im [X.], dass die ergriffene Maßnahme dringlich sei. Die bestehende widersprüchliche [X.] müsse unverzüglich aufgelöst werden. Vor diesem Hintergrund werde die Maßnahme aufrechterhalten.

9

Der Antragsteller stellte am 23. April 2020 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Unter dem 26. Mai 2020 teilte er dem [X.] mit, dass er im Rahmen seiner Sondersitzung am 25. Mai 2020 beschlossen habe, sich gegen die Verletzung seiner Beteiligungsrechte in vorliegender Sache zu beschweren und anwaltlich vertreten zu lassen. Er ließ mit Schreiben vom 23. Juli 2020 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Nachdem er mit Schreiben vom 24. September 2020 und 20. Januar 2021 um Mitteilung des [X.] gebeten hatte, teilte das [X.] mit Schreiben vom 5. Februar 2021, 31. März 2021 und 13. August 2021 jeweils mit, dass die Prüfung noch nicht abgeschlossen sei. Daraufhin hat der Antragsteller am 16. Dezember 2022 Untätigkeitsbeschwerde erhoben. Das [X.] hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung am 10. Februar 2023 mit einer Stellungnahme dem Senat vorgelegt.

Der Antragsteller macht geltend, bei den Ausführungsbestimmungen handele es sich um gemäß § 38 Abs. 3 [X.] mitbestimmungspflichtige Grundsatzregelungen. Die vorläufige Regelung erschöpfe sich nicht in Hinweisen auf die Änderung der zugrunde liegenden Normen und einer Erläuterung ihrer Auswirkungen. Vielmehr habe die vorläufige Regelung konstitutive Bedeutung und gestaltende Wirkung. So enthalte Nr. 315 [X.] eine durch das Ministerium erstellte Begriffsbestimmung der einsatzbezogenen Operationsplanungen. Hierbei handele es sich nicht nur um eine Norminterpretation, sondern um die Ausübung des Ermessens der Behörde bei der Festlegung, welche Sachverhalte nach diesen Vorgaben behandelt werden sollen. Darüber hinaus regele Nr. 413 [X.] eine sich nicht bereits aus den Vorschriften ergebende Dokumentationspflicht. Ebenfalls eine eigenständige Regelung enthalte Nr. 415 [X.]. In dieser werde geregelt, dass Freistellungen in der Regel nicht mehr als zeitnah angesehen würden, die später als ein Jahr nach der Belastung erfolgten. Hierdurch werde zum einen eine Vorgabe gesetzt, zum anderen ein Ermessensspielraum eingeräumt. Diese Festlegung der vor Ort durchzuführenden Prüfschritte stelle eine eigenständige Regelung dar.

Der Antragsteller beantragt,

1. festzustellen, dass die Umsetzung der Durchführungsbestimmungen zur [X.], [X.]. 11-08-01/060 auf Grund der Verletzung der Beteiligungsrechte des [X.] rechtswidrig gewesen war,

2. den Antragsgegner zu verpflichten, dass Beteiligungsverfahren unverzüglich nachzuholen und bis zum Abschluss des Beteiligungsverfahrens keine Regelungen zur Änderung der Durchführungsbestimmungen der [X.] zu erlassen.

Das [X.] beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antrag sei unbegründet. Die streitgegenständliche Maßnahme sei nicht mitbestimmungspflichtig, weil es sich dabei um keine Grundsatzregelung handele. Von den vorläufigen Regelungen gehe keine Gestaltungswirkung aus. Mit ihnen werde letztlich nur angewiesen, den Ausgleich von Diensten im arbeitszeitrechtlichen Ausnahmetatbestand anhand der gesetzlichen Bestimmungen - und nicht anhand der durch die Gesetzesänderung rechtswidrig gewordenen Verwaltungsbestimmungen - vorzunehmen. Damit sei mit den vorläufigen Regelungen keine eigene Rechtsfolge gesetzt worden. Es seien ausschließlich die geltenden gesetzlichen Bestimmungen wiedergegeben und ihre Anwendung innerhalb der [X.] erläutert worden.

Zum 1. Juni 2023 ist die Version 4 der Allgemeinen Regelung [X.]34 "Durchführungsbestimmungen [X.]" in [X.] getreten.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des [X.] hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Gründe

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

1. Der Antrag ist nur teilweise zulässig.

a) Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht das Fehlen einer ordnungsgemäßen Vertretung durch den Sprecher des Antragstellers entgegen. Dieser hat den - nicht als laufendes Geschäft [X.] § 45 Abs. 3 Satz 1 [X.] zu betrachtenden - Antrag auf gerichtliche Entscheidung zwar vor Ergehen des notwendigen legitimierenden Gremienbeschlusses gestellt; dass ihm die fristwahrende Einlegung von Rechtsmitteln in der Geschäftsordnung des Gremiums übertragen worden wäre, ist nicht ersichtlich (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Februar 2022 - 1 [X.] 33.21 - juris Rn. 35 ff.). Die [X.] wurde indessen mit dem am 25. Mai 2020 erfolgten Beschluss des Antragstellers, den Rechtsbehelf einzulegen, nachträglich genehmigt und der Mangel der [X.] Vertretung damit rückwirkend geheilt (s. dazu [X.], Beschluss vom 24. Februar 2022 - 1 [X.] 33.21 - juris Rn. 40).

b) Allerdings hat sich das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, soweit es ursprünglich auf Wiederaufnahme und Fortsetzung des Beteiligungsverfahrens gerichtet war, spätestens mit Ablösung der unter dem 1. April 2020 mit Wirkung vom 1. Januar 2020 in [X.] gesetzten [X.] und den Ausgleich von Diensten im Ausnahmetatbestand mit dem Erlass der [X.] (Version 4) "Durchführungsbestimmungen [X.]" zum 1. Juni 2023 erledigt. Der Antrag zu 1 ist deshalb sachgerecht als Fortsetzungsfeststellungsantrag (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 3 [X.]O), gerichtet auf die Feststellung, dass die Durchführung des gegenständlichen Beteiligungsverfahrens rechtswidrig war, auszulegen und als solcher zulässig, während der Antrag zu 2 unzulässig geworden ist.

Der Antragsteller hat insbesondere auch ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Überprüfung und der begehrten Feststellung. Das Feststellungsinteresse ergibt sich einerseits daraus, dass Zweck des Beschwerdeverfahrens nach § 17 [X.] gerade auch die Klärung von vertretungsrechtlichen Zuständigkeiten, Befugnissen und Pflichten ist. Daher ist ein auf die Voraussetzungen einer Vorschrift, ihre Auslegung und Anwendung gerichteter Feststellungsantrag in einem gerichtlichen Antragsverfahren über Soldatenbeteiligungsrechte regelmäßig die vorrangig gegebene Antragsart. Allerdings ist eine vom Einzelfall losgelöste allgemeine Nachprüfung oder die Klärung akademischer Rechtsfragen der Wehrbeschwerdeordnung fremd. [X.] Antragsverfahren sind deshalb nur zulässig, wenn entweder ein konkretes, bereits anhängiges Beteiligungsverfahren den Anlass setzt bzw. im Falle eines [X.] gesetzt hat oder wenn ein allgemeiner Feststellungsantrag prozessökonomisch eine Vorabklärung von Streitfragen einer Vielzahl bereits im Verwaltungs- oder Beschwerdeverfahren befindlicher, konkreter gleichgelagerter Beteiligungsverfahren ermöglicht ([X.], Beschluss vom 30. August 2019 - 1 [X.] 27.18 - NVwZ-RR 2020, 169 Rn. 22 m. w. N.).

Ein solches konkretes Anlassverfahren ist hier gegeben. Auch ist das vorliegende Verfahren - über den Einzelfall hinaus - geeignet, die rechtlichen Anforderungen an eine Beteiligung [X.] § 38 Abs. 3 Satz 1 und 3 [X.] (weiter) zu klären.

2. Der zulässige Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet.

Das [X.] war nicht verpflichtet, den Antragsteller vor dem Erlass der [X.] und den Ausgleich von Diensten im Ausnahmetatbestand und der zugleich erfolgten Anordnung der Aussetzung der Regelungen der Kapitel 3 und 4 der Zentralen Dienstvorschrift [X.] (Version 3) "Anwendung der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten" nach § 38 Abs. 3 Satz 1 oder 3 [X.] zu beteiligen, weil der Anwendungsbereich des § 38 Abs. 3 [X.] schon nicht eröffnet ist. Bei den Maßnahmen handelt es sich entgegen der Annahme des Antragstellers nicht um Grundsatzregelungen im Sinne dieser Norm.

a) Unter [X.] § 38 Abs. 3 [X.] sind Regelungen mit allgemeingültigem Charakter zu verstehen, die das [X.] in Wahrnehmung seiner Aufgaben als Dienstherr oder Arbeitgeber gegenüber allen oder einer unbestimmten Anzahl von Beschäftigten erlässt und die für eine Vielzahl von Fällen gelten. Sie müssen Gestaltungswirkung haben, mithin auf eine Veränderung eines Rechtszustandes hinwirken. Die Gestaltungswirkung bzw. der Regelungscharakter fehlen, wenn die Anordnung lediglich Verwaltungsregeln erläutert, Hinweise auf die Rechtslage gibt, nur allgemeine Weisungen zur Erledigung der Dienstgeschäfte enthält oder bloße Rechtsansichten äußert bzw. bestehende dienstliche Verpflichtungen konkretisiert ([X.], Beschluss vom 30. April 2020 - 1 [X.] 55.19 - [X.]E 168, 97 Rn. 28).

Gleiches gilt für bloß norminterpretierende Verwaltungsvorschriften ([X.], Beschluss vom 24. Februar 2022 - 1 [X.] 33.21 - juris Rn. 44 m. w. N.). Eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift verlangt als eine reine Auslegungsvorgabe aus sich heraus weder den Beschäftigten ein bestimmtes Verhalten ab noch konstituiert sie eine eigenständige Regelung. Sie erschöpft sich in der Feststellung des normativen Gehalts andernorts bereits konstituierter Regelungen und weist insofern Merkmale eines Erkenntnisakts auf. Die Beschäftigungsverhältnisse und die Arbeitsbedingungen werden rechtlich nicht durch sie selbst, sondern wurden bereits durch die mit ihr ausgelegten [X.] geändert. Dies gilt unbeschadet des Umstandes, dass sie im innerdienstlichen Raum Verbindlichkeit gegenüber denjenigen Mitarbeitern beansprucht, die diese [X.] - in der vorgegebenen Auslegung - zu vollziehen haben ([X.], Beschluss vom 30. April 2020 - 1 [X.] 55.19 - [X.]E 168, 97 Rn. 29).

b) Ausgehend von diesen Maßstäben enthalten die vorläufigen Regelungen keine Bestimmungen, die sich eine Gestaltungswirkung bzw. einen Regelungscharakter beimessen.

aa) Die Regelung in Nr. 315 der [X.] ist eine bloße norminterpretierende Verwaltungsvorschrift. Sie lautet:

"Einsatzbezogene Operationsplanungen umfassen Maßnahmen in Vorbereitung der Truppe auf einen konkret beauftragten Einsatz nach § 30c Absatz 4 Nr. 1 [X.]. Hierzu zählen insbesondere die Erstellung operativer Pläne sowie daraus resultierender logistischer Maßnahmen im Zuge einer unter zeitkritischen Aspekten durchzuführenden Verlegung. Der Umfang dieser Tätigkeiten muss von allen anderen Tätigkeiten im [X.] abgrenzbar sein."

Satz 1 dieser Regelung enthält eine Umschreibung des Begriffs der "Einsatzbezogenen Operationsplanungen" [X.] § 30c Abs. 4 Nr. 4 [X.]. Zur Illustration dieses Terminus führt Satz 2 Beispiele auf. Schließlich enthält Satz 3 den Hinweis, dass die unter den Begriff der "Einsatzbezogenen Operationsplanungen" zu fassenden Tätigkeiten von Tätigkeiten im [X.] abgrenzbar sein müssen. Diese Bestimmungen weisen über eine bloße Auslegungshilfe nicht hinaus. Sie halten sich im Rahmen des Wortlauts des § 30c Abs. 4 [X.] und stellen - entgegen der Auffassung des Antragstellers - keine über den Regelungsgehalt der gesetzlichen Norm hinausreichenden Vorschriften dar.

bb) Entsprechendes gilt für die Nr. 415 der [X.], die wie folgt gefasst ist:

"Freistellung vom Dienst soll möglichst zeitnah zur Belastung erfolgen. Sie darf nur aus dringenden dienstlichen Gründen versagt werden. Regelmäßig nicht mehr zeitnah ist eine Freistellung, die später als ein Jahr nach der Belastung erfolgt. Die [X.] beginnt mit dem [X.], der auf die besondere zeitliche Belastung folgt. Der Ablauf der Frist wird weder durch Urlaub, Krankheit oder dienstlich bedingte Abwesenheit unterbrochen oder gehemmt. Für die nach dem [X.] oder Fünften Abschnitt [X.] Dienstleistenden (Reservistendienst leistende) soll ein zeitlicher Ausgleich während der jeweiligen Dienstleistung erfolgen."

Diese Regelungen dienen der Anwendung und Interpretation des § 23 [X.] in der bis zum 29. September 2022 geltenden Fassung, wobei hier insbesondere die Handhabung der Freistellungsregelungen in zeitlicher Hinsicht in das Blickfeld gerückt wird, wie sie etwa in § 23 Abs. 3 Nr. 3 [X.] a. F. angesprochen ist, der eine Freistellung vom Dienst nach Beendigung einer Tätigkeit nach § 30c Abs. 4 [X.] "in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang" vorsieht. Nr. 415 Satz 3 der [X.] zeigt eine äußerste Grenze der Interpretation auf, ohne eine neue Regelung jenseits der gesetzlichen Vorschriften zu schaffen.

cc) Schließlich vermag auch die in Nr. 413 der [X.] statuierte Dokumentationspflicht auf keine mitbestimmungspflichtige Grundsatzregelung zu weisen. Dort heißt es:

"Anrechenbare Arbeitstage und dienstfreie Tage während Tätigkeiten nach § 30c Absatz 4 [X.] sind zu dokumentieren."

Damit die gesetzlichen Ansprüche in der Verwaltungspraxis sachgerecht bearbeitet werden können, bedarf es einer Dokumentation als notwendige und beweissichere Entscheidungsgrundlage. Insoweit geht die Regelung nicht über eine (selbstverständliche) allgemeine Weisung zur (ordnungsgemäßen) Erledigung der Dienstgeschäfte hinaus. Sie korrespondiert mit der in § 21 Abs. 2 Satz 1 [X.] enthaltenen Bestimmung, nach der geleisteter Dienst bei Tätigkeiten nach § 30c Abs. 4 [X.] einschließlich seiner Anordnung und seines Ausgleichs zu erfassen ist.

dd) Auch im Übrigen enthalten die [X.] keine Bestimmungen, die sich als [X.] § 38 Abs. 3 [X.] einordnen lassen.

c) Der Anordnung der Aussetzung der Kapitel 3 und 4 der Zentralen Dienstvorschrift [X.] (Version 3) "Anwendung der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten" kommt ebenfalls keine Gestaltungswirkung bzw. kein Regelungscharakter zu, weil es sich bei den ausgesetzten Regelungen lediglich um normkonkretisierende Bestimmungen handelt. Ist für derartige Regelungen schon eine Mitbestimmung ausgeschlossen, muss dies auch im Umkehrschluss gelten, jedenfalls dann, wenn sie - wie hier - durch vorläufige Regelungen ersetzt werden, die ebenfalls nicht der Mitbestimmung unterliegen.

d) Da es für eine Beteiligung des Antragstellers bereits an dem Merkmal der Grundsatzregelung fehlt, das eine Voraussetzung in allen hier in Rede stehenden Beteiligungstatbeständen (§ 38 Abs. 3 Satz 1 und 3 [X.]) bildet, können die weiteren zwischen dem Antragsteller und dem [X.] strittigen Fragen dahingestellt bleiben.

Meta

1 WB 4/23

20.03.2024

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.03.2024, Az. 1 WB 4/23 (REWIS RS 2024, 2422)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2422

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