Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.07.2014, Az. III ZR 550/13

III. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3760

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 550/13

Verkündet am:

24. Juli 2014

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB § 839 (Ca, Fe); [X.] BW § 9 Abs. 1, § 59

Zur Verkehrssicherungspflicht bei der Gestaltung einer Parkbucht.

[X.], Urteil vom 24. Juli 2014 -
III ZR 550/13 -
OLG Stuttgart

[X.]
-

2

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Der III.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juli 2014
durch den Vizepräsidenten [X.] und die Richter
[X.], [X.], [X.] und Reiter

für Recht erkannt:

Die Revision des
[X.]
gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart
vom 18.
Dezember 2013 wird [X.].

Die Kosten des [X.] hat der Kläger zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die beklagte [X.] Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht geltend. Er ist Eigen-tümer eines
Fahrzeugs Typ Audi A
5 Sportback. Das Fahrzeug ist 4,63
m lang
und tiefergelegt.
Es
hat eine unterdurchschnittliche Bodenfreiheit von lediglich 10,1
cm.

Am 28.
September 2012 fuhr der Kläger in eine
Parktasche des
öffentli-chen Parkplatzes "Am S.

"
in S.

. Es war am
Abend und dunkel. Die Parkbucht
war 5
m lang und 3,5
m breit. Er kam
mit dem
vorde-ren Karosserieteil
seines Fahrzeuges über den stirnseitig angebrachten, min-1
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destens 20
cm hohen Randstein des Parkplatzes hinaus und beschädigte dabei die Verkleidung des vorderen Stoßfängers.

Es gab keine Hinweise auf die Höhe des [X.]. Diese war so [X.], da geplant war, den
Bereich hinter dem [X.] zu bepflanzen.
Die
vorgesehene Beleuchtungsanlage war noch nicht fertig installiert, so dass der Parkplatz zum Unfallzeitpunkt unbeleuchtet war.

Die Reparaturkosten betrugen 835,06

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt,
an den Kläger 602,04

r
Anwaltskosten zu zahlen.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolgreich gewesen.
Sie hat zur vollständigen Klageabweisung geführt.

Der Kläger möchte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen
Erfolg.

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I.

Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage vollständig abgewiesen, da dem
Kläger kein Schadensersatzanspruch nach §
839 BGB i.V.m.
Art.
34 GG aus dem streitgegenständlichen Vorfall zu-stehe. Die Beklagte habe ihre Straßenverkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Der Umfang der Straßenverkehrssicherungspflicht werde von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßge-bend bestimmt. Grundsätzlich
müsse der [X.] sich allerdings den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbiete. Im vorliegenden Fall sei von einer für den durchschnittlich aufmerksamen Kraftfahrer und auch für den Kläger erkennba-ren und auch vermeidbaren Gefahr auszugehen. Die Begrenzung habe beim Heranfahren aus einiger Entfernung ohne weiteres wahrgenommen werden können. Der auf dem Parkplatz und in eine Parkbucht fahrende Kraftfahrer kön-ne zwar aus seinem Fahrzeug die genaue Höhe der Randsteine nicht zuverläs-sig schätzen;
bei gehöriger Aufmerksamkeit müsse ihm aber gewahr werden, dass die Parkplatzbegrenzung jedenfalls eine Höhe aufweisen könne, die für sein Fahrzeug gefährlich werden könne, wenn er sie überfahre. Erst recht [X.] dies für den Führer eines Fahrzeugs gelten, das
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wie der Pkw des [X.]
-
nicht die serienmäßige Bodenfreiheit aufweise, sondern tiefergelegt sei und ei-ne unterdurchschnittliche Bodenfreiheit von lediglich 10,1
cm aufweise.

Auch eine fehlende Beleuchtung des [X.] und des
Parkplatzes führe nicht zu einer Haftung der Beklagten. Für Kraftfahrer sei auch bei Dunkel-heit die Abgrenzung im Lichtkegel der Scheinwerfer der jeweils einparkenden Fahrzeuge sichtbar gewesen.

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Ein objektiv verkehrswidriger Zustand lasse sich auch nicht daraus [X.], dass die Parkbucht (lediglich)
eine Länge von 5
m aufgewiesen habe; es bestehe kein Rechtsanspruch darauf, dass markierte Parkflächen auch für "raumfordernde"
Fahrzeuge ausreichend dimensioniert seien. Im Übrigen habe die Länge der Parkbucht den Vorgaben der von der [X.] (Arbeitsgruppe [X.]) herausgegebenen
Empfehlung für Anlagen des ruhenden
Verkehrs
(Ausgabe 2005) entsprochen. Die gewählte [X.]höhe von 20
cm widerspreche
auch nicht den anerkann-ten Regeln zur Unfallverhütung und den anerkannten Regeln zur Erstellung von Parkflächen.

Ein
objektiv verkehrswidriger Zustand könne auch nicht daraus abgeleitet werden, dass es nach der Behauptung des [X.] schon vor dem [X.] zu
vergleichbaren
Vorfällen gekommen sei.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz ge-mäß §
839 BGB i.V.m. Art.
34 GG im Hinblick auf eine Verkehrssicherungs-pflichtverletzung der Beklagten zu.

1.
Die Beklagte ist verkehrssicherungspflichtig für die Parkbucht, in der das Unfallereignis stattgefunden hat. Die Beklagte ist gemäß §
44 [X.]
BW Träger der Straßenbaulast für Gemeindestraßen. Gemäß §
2 Abs.
2 Nr.
1
Buchst.
b [X.]
BW gehören zur öffentlichen Straße beziehungsweise zum Straßenkörper
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auch Parkplätze. Die mit der Überwachung der Verkehrssicherheit der öffentli-chen Straßen zusammenhängenden Pflichten obliegen den Organen und Be-diensteten der damit befassten Körperschaften und Behörden nach §
59 [X.]
BW als Amtspflichten in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit. Die Beklagte hat gemäß §
9 Abs.
1, §
44 [X.]
BW die Aufgabe, die Verkehrssicherheit der [X.] zu gewährleisten. Die Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen steht selbständig neben den sonstigen diese Straßen betreffenden
Pflichten. Es handelt sich bei ihr nur um einen Unterfall der allgemeinen [X.], die auf dem Gedanken beruht, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle oder einen gefahrdrohenden Zu-stand schafft oder andauern lässt, die Pflicht hat, alle ihm zumutbaren [X.] oder Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu [X.] (st.
Rspr., zuletzt Senatsurteil
vom 21.
November 2013 -
III
ZR 113/13, NVwZ-RR 2014, 252 Rn.
13 mwN). Ein Verkehrssicherungspflichtiger hat in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen [X.] auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für
den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten [X.] (st.
Rspr., zuletzt Senatsurteil
vom 5.
Juli 2012 -
III
ZR 240/11,
NVwZ-RR 2012, 831 Rn.
11 mwN).

Die Verkehrssicherungspflicht
erstreckt sich (auch) bei Parkplätzen
nicht nur auf die Beschaffenheit der [X.] selbst, sondern ganz [X.] auf die Abwehr derjenigen Gefahren, die den Verkehrsteilnehmern aus ihrer Benutzung drohen. Sie umfasst den gesamten Parkplatz bis zu der Stelle, die dem Verkehrsteilnehmer als Grenze äußerlich erkennbar ist. Der Träger der Verkehrssicherungspflicht ist deshalb gehalten, die Gefahren auszuräumen, die der Zustand oder die konkrete Besonderheit des Parkplatzes bei seiner Benut-16
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zung für den Verkehrsteilnehmer in sich [X.], die dieser nicht ohne weiteres erkennen kann und auf die er sich nicht ohne weiteres einzustellen und einzu-richten vermag (Senat, Urteil vom 14. Februar 1966 -
III ZR 126/64, [X.], 562, sowie Beschluss vom 27.
April 1989 -
III
ZR 193/88, [X.]R BGB §
823 Abs.
1 Verkehrssicherungspflicht
23). Dabei kann
der Verkehrssiche-rungspflichtige auch gehalten sein, ein nahe liegendes Fehlverhalten von Be-nutzern
zu
berücksichtigen (Senatsurteil vom 24.
Januar 2002 -
III
ZR 103/01, [X.], 1265
f; Senatsurteil vom 12.
November 1982 -
III
ZR 159/81, [X.], 854 zur Verkehrssicherungspflicht bei Treppen).

2.
Ausgehend von diesem Maßstab hat das Berufungsgericht zutreffend
eine Haftung der Beklagten verneint.

Der Parkplatz ist entsprechend den technischen Regelungen eingerichtet und hergestellt worden.
Randsteine
dienen
der Begrenzung der eigentlichen Parkfläche. Sie sind
-
was jeder Verkehrsteilnehmer weiß oder wissen
muss -
schon entsprechend ihrer Begrenzungsfunktion nicht ohne Weiteres stets zum
"Darüber-Fahren"
oder auch nur zum "Überhangparken"
mit den vorderen Fahrzeugkarosserieteilen durch Anfahren der Fahrzeuge mit den Rädern bis zur [X.]kante
geeignet
beziehungsweise konzipiert. Demgemäß bestehen
auch keine generellen Amtspflichten der verkehrssicherungspflichtigen Körper-schaft, für ein gefahrloses "Überhangparken"
Sorge zu tragen oder vor
Gefah-ren beim freigabewidrigen Überhangparken
zu warnen (a. A. wohl
OLG Hamm, [X.], 405: [X.]e von 18-23 cm Höhe stellen eine "abhilfebedürftige Gefahrenquelle"
dar).

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Vorliegend ist
die stirnseitige Begrenzung der Parkbuchten durch das Anbringen der 20 cm hohen Randsteine und die Bepflanzung so ausgestaltet,
dass ein "Überhangparken"
ersichtlich nicht stattfinden kann beziehungsweise nicht stattfinden soll. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts waren die mit der Höhe der Randsteine verbundenen Gefah-ren und Risiken für einen durchschnittlich aufmerksamen Kraftfahrer ungeachtet der zum Unfallzeitpunkt
noch fehlenden Bepflanzung ohne weiteres erkennbar und beherrschbar. Dies war nach der Würdigung des Berufungsgerichts
trotz der ebenfalls noch nicht funktionsfähigen
Beleuchtungseinrichtungen
auch
bei Dunkelheit
der Fall, wenn ein Fahrer sein Fahrverhalten -
wie geboten -
den herrschenden
Lichtverhältnissen anpasste.

Ob trotz dieser -
revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden -
Bewertung der Gefahrenlage durch das Berufungsgericht (jedenfalls) bis zur Fertigstellung des [X.] vorliegend besondere Warnpflichten bestanden, weil es
-
was das Berufungsgericht als unstreitigen Sachvortrag des [X.] gewertet hat -
vor dem streitgegenständlichen Schadensereignis bereits zu vergleichba-ren Unfällen mit vergleichbaren Schädigungen gekommen ist, kann offenblei-ben.
Ein Schadensersatzanspruch stünde dem Kläger gleichwohl nicht zu, denn ihn träfe ein so überwiegendes Mitverschulden, dass daneben der [X.] der Beklagten zu vernachlässigen wäre: Der Kläger wusste, dass er ein tie-fergelegtes Fahrzeug mit einer Bodenfreiheit von nur ca. 10 cm hatte. Bei die-ser Sachlage musste er (wie das Berufungsgericht im Rahmen seiner Ausfüh-rungen zur Erkennbarkeit der Gefahrenquelle zutreffend ausgeführt hat) der Höhe der vorhandenen Randsteine sein ganz besonderes Augenmerk widmen. Sein Fahrzeug konnte auch ohne ein Überhangparken in der fünf Meter langen

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Parkbucht abgestellt werden. Die erforderliche Abwägung (§ 254 BGB) kann der Senat, da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, selbst vornehmen.

[X.]

[X.]

[X.]

Remmert

Reiter
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.07.2013 -
1 O 71/13 -

OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.12.2013 -
4 [X.] -

Meta

III ZR 550/13

24.07.2014

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.07.2014, Az. III ZR 550/13 (REWIS RS 2014, 3760)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3760

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