Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2004, Az. IV ZR 416/02

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 193

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL IV ZR 416/02

Verkündet am:

15. Dezember 2004

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. [X.] und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2004

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 7. November 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der [X.] eine höhere Zusatzrente mit Wirkung ab 1. Juli 2001.

Sie ist 1928 geboren und war im öffentlichen Dienst bei einem Dienstherrn beschäftigt, der an der beklagten [X.] ist. Seit 1. Januar 1991 bezieht die Klägerin eine Zusatzversorgungs-rente von der [X.]. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppel-buchst. [X.] ihrer Satzung (im folgenden: [X.]) in der für die Berechnung der Rentenhöhe der Klägerin maßgebenden Fassung berücksichtigte die Beklagte für den Faktor der gesamtversorgungsfähigen Zeit, von dem die Höhe ihrer Zusatzrente abhängt, außer den [X.], in denen ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Umlagezahlungen an die - 3 -

Beklagte für die Altersversorgung der bei ihm beschäftigten Klägerin [X.] hat, darüber hinaus andere Zeiten, die (über die Umlagemonate hinaus) der gesetzlichen Rente der Klägerin zugrunde liegen, nur zur Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz). Andererseits war nach der sei-nerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der Versorgungsrente grundsätzlich von der vollen Höhe der an die Klägerin gezahlten gesetz-lichen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der [X.] lediglich insoweit aufgestockt, wie die gesetzli-che Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 [X.] a.F.). Das [X.] hat in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten bei voller Berücksichtigung der gesetzlichen Rente einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne ([X.], 835 = NJW 2000, 3341). Die Klägerin hat daher beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ab 1. Juli 2001 ihre [X.], nicht im öffentlichen Dienst zurückgelegten Rentenversicherungszei-ten zu berücksichtigen, bis eine neue, die Regelung der Vordienstzeiten ändernde Satzung in [X.] trete.

Das [X.] hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesge-richt hat sie auf die Berufung der [X.] abgewiesen. Mit der [X.] erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Ur-teils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg. - 4 -

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gehören Berechtigte, die - wie die Klägerin - am 31. Dezember 2000 schon Renten von der [X.] bezogen haben, nicht zu dem Personenkreis, für den das [X.] die streitige Regelung beanstandet hat. Selbst wenn man aber annehme, daß auch für diese Gruppe von [X.] die Halbanrechnung unzulässig und die Satzung inso-weit unwirksam sei, könne die Klage keinen Erfolg haben. Denn es stehe eine Grundentscheidung der beteiligten [X.] in Frage, die [X.] hier nicht vom Gericht im Wege ergänzender Auslegung eines lückenhaft gewordenen Vertrages geschlossen werden könne. Die [X.] könne ihr Grundleistungsangebot nicht selbst gestalten, sondern müsse ein von den [X.] ausgehandeltes Ergebnis umsetzen, das notwendig kompromißhafte Züge trage und deshalb einer Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit kaum zugänglich sei. Die von der Klägerin geforderte zusätzliche Leistung sei, wenn man ihre finanziellen Auswirkungen auf die Beklagte abschätze, nicht etwa nur als Abrundung ihres Angebots zu werten, sondern erschüttere die Beklagte in ihrer wirtschaftlichen Substanz. Deshalb müsse als mögliche Neurege-lung auch in Betracht gezogen werden, daß Vordienstzeiten bei der Be-rechnung der von der [X.] gezahlten Zusatzrente überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden könnten.

Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.] lag der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 vor, der das bisherige Gesamtversorgungssystem der [X.] durch ein an den Grundsatz der Betriebstreue anknüpfendes Punktemodell ersetzt; Vor-- 5 -

dienstzeiten werden - abgesehen vom Bestandsschutz - nicht mehr [X.] (vgl. [X.], [X.], 37. Ergl. August 2002 Teil [X.]. 5). Im Hinblick darauf hat das Berufungsgericht keinen Anlaß gesehen, die [X.] etwa wegen Untätigkeit der [X.] ergänzend auszulegen.

2. Dem ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen.

a) Am 19. September 2002 hat die Beklagte ihre Satzung mit [X.] ab 1. Januar 2001 geändert. Nach der Übergangsregelung in § 75 Abs. 2 der Neufassung werden die nach bisherigem Satzungsrecht ge-zahlten Versorgungsrenten grundsätzlich als Besitzstandsrenten weiter-gezahlt und entsprechend § 39 der Neufassung jährlich um 1% vom [X.] an erhöht. Die von der Klägerin geforderte volle Anrechnung der Vordienstzeiten ist nach wie vor nicht vorgesehen.

b) Das [X.] hat in seinem Beschluß vom 22. März 2000, auf den sich die Klägerin stützt, die Verfassungsbe-schwerde einer 1921 geborenen Rentnerin, die seit Anfang 1983 Lei-stungen von der [X.] erhielt und im Ausgangsverfahren erfolglos deren Erhöhung wegen Unwirksamkeit von Satzungsbestimmungen [X.] hatte, nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit sich die Be-schwerdeführerin gegen die volle Berücksichtigung ihrer [X.] bei der Bestimmung der Höhe der Zusatzversorgung einer-seits, aber die nur halbe Berücksichtigung von Zeiten vor Aufnahme ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst bei der Bemessung der [X.] andererseits gewandt hatte, hat das Bundesverfas-sungsgericht die Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppel-- 6 -

buchst. [X.] [X.] a.F. zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG beanstandet, eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin aber "(noch) nicht" festgestellt. Die Ungleichbehandlung sei zwar gravierend, halte sich derzeit jedoch noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung. Der [X.] sei wegen der hochkomplizierten Materie zu gewis-sen Vereinfachungen gezwungen. Dabei dürfe er Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen, solange davon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei. Das treffe auf die Rentnergeneration der Beschwerde-führerin zu, wie das [X.] feststellt. Für die [X.] sei ein bruchloser Verlauf der Erwerbsbio-graphie im öffentlichen Dienst angesichts stark gestiegener Teilzeitarbeit und einer stärkeren Diskontinuität des Erwerbslebens allerdings nicht mehr in hinreichender Weise typisch. Angesichts dieser Entwicklung könne die Benachteiligung der Rentner durch volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei nur hälftiger Berück-sichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit im Rahmen der Berech-nung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Beklagte durch die Entscheidung [X.] 98, 365 = [X.], 600 ohnehin zu einer grundlegenden Änderung ihrer Satzung gezwun-gen.

c) Dieser Beschluß des [X.]s mag bei den Rentenempfängern der [X.] die Erwartung geweckt haben, ihnen stehe vom [X.] an eine höhere Rente zu, wie sie sich bei voller Be-rücksichtigung der Vordienstzeiten aus der früher geltenden Fassung der [X.] ergeben würde. Die Klägerin des vorliegenden Verfahrens gehört - 7 -

jedoch nicht zu jenen jüngeren Versichertengenerationen, für die die [X.] Halbanrechnung nach Auffassung des Bundesverfassungsge-richts nicht mehr hinnehmbar ist. Das [X.] hat die Halbanrechnung trotz verfassungsrechtlicher Bedenken noch als zuläs-sige Typisierung und Generalisierung im Rahmen einer komplizierten Materie angesehen, weil ein bruchloser Verlauf der [X.] im öffentlichen Dienst erst für die jüngeren Versichertengenerationen nicht mehr hinreichend typisch sei. Bis zum Ablauf des Jahres 2000 kön-ne die Halbanrechnung aber noch hingenommen werden. Mithin ist das [X.] davon ausgegangen, daß alle Versicherten, die vor Ablauf des Jahres 2000 Rentner bei der [X.] geworden sind, noch zu denjenigen Generationen zählen, für die ein bruchloser Verlauf der (bei Rentenbeginn abgeschlossenen) [X.] als typisch angesehen werden kann. Die Klägerin bezieht bereits seit 1. Januar 1991 eine Zusatzrente von der [X.]. Für sie und für die Generation, der sie angehört, ist die Halbanrechnung der Vordienstzeiten also noch hinzunehmen.

Die Unterscheidung, die das [X.] zwischen der Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin einerseits und den jüngeren Versichertengenerationen andererseits trifft, verlöre ihren Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Rentner bei der [X.] waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren Versi-chertengeneration hätten gelten sollen. Daß auch die Beschwerdeführe-rin (und nicht nur die am Verfahren vor dem [X.] nicht beteiligten jüngeren Versichertengenerationen) vom Stichtag an ei-nen Anspruch auf Änderung der sie benachteiligenden, gegen Art. 3 - 8 -

Abs. 1 GG verstoßenden Satzungsbestimmungen gehabt hätte, ist nicht ersichtlich.

d) Der Senat folgt dem [X.] darin, daß die Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] a.F. bei der Berechnung der Versorgungsrente für solche Versicherte, die - wie die Klägerin - bis zum 31. Dezember 2000 versorgungsrenten-berechtigt geworden sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Damit liegt auch kein Verstoß gegen §§ 9 [X.], 307 BGB vor. Dabei kann auf sich beruhen, ob den Erwägungen des [X.]s zur Ungleichbehandlung der von der Halbanrechnung betroffenen [X.] trotz der Kritik der [X.] in jedem Punkte zu folgen ist (vgl. auch Hebler, [X.], 337 ff.). Denn mit dem Bundesverfas-sungsgericht ist der Senat der Auffassung, daß - ist mit der Halbanrech-nung eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Versicherten [X.], die ihr ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht ha-ben - sich die Ungleichbehandlung jedenfalls im Rahmen einer zulässi-gen Typisierung und Generalisierung einer komplizierten, eine sehr gro-ße Gruppe von Versicherten betreffenden Materie hielt. Diese Ungleich-behandlung hat ein Versicherter, der bis zum Ablauf des Jahres 2000 [X.] geworden ist, nicht zuletzt auch im Interesse der Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versorgungsträgers hinzunehmen, selbst wenn für die Zukunft eine andere, eine die Un-gleichbehandlung für zukünftige Rentenempfänger vermeidende Rege-lung zu treffen ist.

e) Die Klägerin wird auch gegenüber Versicherten, deren Rente sich nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der [X.] richtet, - 9 -

nicht in rechtlich erheblicher Weise benachteiligt. Nach unwidersproche-nem Vortrag der [X.] ist das Niveau der von ihr in Zukunft aufgrund ihrer neuen Satzung zu leistenden Renten generell niedriger als bisher; den Berechtigten wird daneben eine ergänzende Altersvorsorge angebo-ten, die aus eigenen Beiträgen aufgebaut werden muß. Daß die Klägerin trotz der dynamisierten Besitzstandsrente, die sie nach § 75 Abs. 2 [X.] n.F. erhält, wirtschaftlich im Ergebnis schlechter stehe als Berech-tigte, deren Rente nach neuem Satzungsrecht ohne Rücksicht auf Vor-dienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes berechnet wird, ist von ihr weder dargetan noch ersichtlich. Der in der Halbanrechnung von Vor-dienstzeiten vom [X.] gesehene Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist für die Zukunft ausgeräumt. Im Hinblick darauf stehen Rentenempfängern alten Rechts wie der Klägerin über die Wah-rung ihres Besitzstandes hinaus auch nach dem 31. Dezember 2000 [X.] weitergehenden Ansprüche aus Gründen der Gleichbehandlung zu.
[X.] [X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.]

Meta

IV ZR 416/02

15.12.2004

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2004, Az. IV ZR 416/02 (REWIS RS 2004, 193)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 193

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