Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2018, Az. 1 StR 201/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 6530

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:050718B1STR201.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 201/18

vom
5. Juli
2018
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5.
Juli 2018 gemäß §
349 Abs.
2 [X.] beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14.
Dezember 2017 wird als unbegründet verwor-fen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes
in vier tateinheitlichen Fällen
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen in weiterer Tateinheit mit versuchter [X.]stiftung mit Todesfolge und schwerer [X.]stiftung sowie wegen [X.]stiftung in vier [X.] Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 [X.].
Der Erörterung bedarf lediglich die Annahme des [X.]s, der An-geklagte sei im Fall
III.1. der Urteilsgründe nicht gemäß §
24 Abs.
1 StGB straf-befreiend vom Versuch des Mordes (§§
211, 23 Abs.
1 StGB) und der [X.]-1
2
-
3
-
stiftung mit Todesfolge (§§
306c, 23 Abs.
1
StGB) zurückgetreten. Sie hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
1.
Nach den Feststellungen des [X.]s zu Fall
III.1. der [X.] setzte der Angeklagte, der Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr R.

war, am späten Abend des 5.
Januar 2016 ein bewohntes dreistöckiges Wohnhaus im Erdgeschoss in [X.], um dadurch einen Feuerwehreinsatz aus-zulösen und an der Bekämpfung des Feuers mitzuwirken. Ihm kam es hierbei allein darauf an, die ausgelobte Einsatzvergütung zu erlangen und so seine schlechte Vermögenssituation zu verbessern.
Aufgrund des durch den [X.] entstandenen Rauches und hochgiftiger [X.]gase, die in die Wohnbereiche des 1. und 2.
Obergeschosses des Hau-ses zogen, war den vier zu dieser Zeit im Haus befindlichen Bewohnern der Fluchtweg durch das Treppenhaus abgeschnitten. Während die Gebrüder P.

vom 1.
Obergeschoss aus über den Balkon des [X.] aus dem Haus gelangten, brachten sich

G.

und [X.] zunächst auf dem Balkon ihrer
Wohnung im 2.
Obergeschoss in Sicherheit. Dort machten sie eine Nachbarin auf sich aufmerksam, die dann die Feuerwehr alarmierte. Die Feuerwehr evakuierte das Ehepaar G.

dann nach einigen Minuten mittels einer Leiter von dem Balkon. Der Angeklagte hatte bereits nach der [X.]-legung das Haus verlassen und abgewartet, bis sein Feuerwehrpiepser den Feueralarm meldete. Danach machte er sich mit dem Fahrrad auf den Weg zum Feuerwehrhaus, wo er anschließend in der [X.] für über vier Stunden seinen Dienst versah.
2.
Die Annahme des [X.]s, dass es hier für einen Rücktritt ge-mäß §
24 Abs.
1 StGB nicht ausreichend war, sich nach Eingang eines
3
4
5
-
4
-
erst durch Dritte ausgelösten [X.] auf seinem Feuerwehrpiepser zum Feuerwehrhaus zu begeben und
dort die [X.] zu besetzen, hält im Er-gebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Versuch des Mordes und der [X.]stiftung mit Todesfolge aus Sicht des Angeklagten beendet war, als er einen in der Waschküche abgestellten [X.] und anschließend das Haus verlassen hatte, nachdem er sich versichert hatte, dass der [X.] weiterbrennen würde
und er deshalb alles zur Erfolgs-herbeiführung Erforderliche getan habe. Für einen strafbefreienden Rücktritt hätte der Angeklagte daher entweder die Vollendung der Tat freiwillig verhin-dern müssen (§
24 Abs.
1 Satz
1 Alt.
2 StGB) oder sich zumindest freiwillig und ernsthaft um die Abwendung des Erfolgseintritts bemühen müssen (§
24 Abs.
1 Satz
2 StGB). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
a)
Allerdings hat das [X.] für die Beantwortung der Frage, ob der Angeklagte gemäß §
24 Abs.
1 Satz
1 Alt.
2 StGB durch Mitwirkung an der [X.] zurückgetreten ist, unrichtige Maßstäbe ange-legt. Es nahm rechtsfehlerhaft an, der Angeklagte wäre auch bei diesem Rück-trittsgrund verpflichtet gewesen, nach besten Kräften für die Erfolgsvermeidung zu sorgen. Der [X.] kann aber ausschließen, dass das Urteil auf dem [X.] rechtlichen Ansatz des [X.]s beruht, weil ausgehend von den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom (beendeten) Versuch gemäß §
24 Abs.
1 Satz
1 Alt.
2 StGB auch bei Zugrundelegung zutreffender Maßstäbe für die [X.] [X.] nicht gegeben waren.
6
7
-
5
-
Nach der Rechtsprechung des [X.] kommt ein Rücktritt vom Versuch gemäß §
24 Abs.
1 Satz
1 Alt.
2 StGB schon dann in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die gerichtete Verhalten des Versuchstäters als erfolgreich und für die [X.] als ursächlich erweist. Es kommt nicht darauf an, ob dem Täter schnellere oder sicherere Möglichkeiten der Erfolgsabwendung zur
gemäß §
24 Abs.
1 Satz
2 StGB gilt für diesen Fall nicht ([X.], Beschluss vom 20.
Dezember 2002

2
StR
251/02, [X.]St 48, 147, 149
f.; zum [X.] in der Literatur vgl. die Nachweise bei [X.], StGB, 65.
Aufl., §
24,
Rn.
32
ff.). Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang gesetzt hat, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich oder jedenfalls mitursächlich geworden ist (vgl. [X.], Urteile vom 22.
August 1985

4
StR 326/85, [X.]St 33, 295, 301;
vom 13.
März 2008

4
StR
610/07, [X.], 508, 509; Beschluss
vom 20.
Mai 2010

3
StR
78/10, [X.], 276, 277). Ohne Belang ist dabei, ob der Täter noch mehr hätte tun können, sofern er nur die ihm bekannten und zur Verfügung stehenden Mittel benutzt hat, die aus seiner Sicht den Erfolg verhindern konnten (vgl. [X.] aaO,
[X.]St
33, 295, 301 mwN).
Nach den Feststellungen des [X.]s setzte der Angeklagte durch sein Handeln keine neue Kausalkette zur Rettung der Hausbewohner in Gang, die für die Nichtvollendung der Tat zumindest mitursächlich werden konnte. Die Gebrüder P.

hatten sich bereits selbst auf den Balkon des [X.] gerettet. Die beiden weiteren Bewohner wurden bereits nach einigen Minuten aufgrund einer Benachrichtigung durch eine Nachbarin von der Feuerwehr ge-rettet. Der Angeklagte trug zu der Rettung durch eigenes Verhalten nicht
bei. Er 8
9
-
6
-
wies weder auf den [X.] hin noch machte er

als der Notruf Dritter bei der Feuerwehr eingegangen war

Angaben zu rettungsbedürftigen Personen, [X.]herd oder [X.]ursache. Auch leistete der Angeklagte selbst keine akti-ven Beiträge zur Rettung der Personen. Allein dadurch, dass er zunächst auf die Mitteilung des [X.] auf seinem Feuerwehrpiepser wartete, um dann in der [X.] seinen Dienst zu verrichten, setzte er keine neue [X.] zur Rettung der Hausbewohner in Gang. Ausgehend von den Urteilsfest-stellungen schließt der [X.] auch aus, dass die Tätigkeit des Angeklagten in der [X.] für die Erfolgsverhinderung kausal oder zumindest mitursäch-lich geworden sein könnte.
b)
Ein Rücktritt des Angeklagten vom Versuch gemäß
§
24 Abs.
1 Satz
2 StGB ist ebenfalls nicht gegeben. Wird

wie hier

der Taterfolg durch Dritte verhindert, setzt ein strafbefreiender Rücktritt voraus, dass der Täter alles tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwen-dung erforderlich ist, und dass er die aus seiner Sicht ausreichenden Verteidi-gungsmöglichkeiten ausschöpft, wobei er sich auch der Hilfe Dritter bedienen kann (vgl. [X.], Urteile vom 22.
August 1985

4
StR
326/85, [X.]St 33, 295, 301
f.;
vom 13.
März 2008

4
StR
610/07, [X.], 508, 509; Beschluss
vom 20.
Mai 2010

3
StR
78/10, [X.], 276, 277). Hierfür genügt die bloße Dienstverrichtung des Angeklagten in der [X.] der Freiwilligen Feuerwehr R.

erst recht nicht. Insbesondere hat
der Angeklagte die

10
-
7
-
Rettungskräfte vor Ort nicht über die ihm bekannten Informationen über die [X.]ursache und den [X.]herd informiert, was aber erforderlich gewesen wäre, um sie möglichst effektiv bei der Rettung zu unterstützen.
Raum
Jäger
Radtke

Hohoff
Pernice

[X.]:[X.]:[X.]:2018:030918B1STR201.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 201/18
vom
3. September 2018
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Mordes u.a.
hier:
Berichtigung
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 3. September 2018 beschlossen:
Der [X.]sbeschluss vom 5.
Juli 2018 wird wegen eines offensicht-lichen Schreibversehens dahin berichtigt, dass es unter Randnum-mer

i-

Richter des [X.] Prof.
Dr.
Radtke ist aus dem
Bundesgerichtshof ausgeschieden und daher gehindert, an der Berich-tigung des [X.]sbeschlusses mitzuwirken (vgl. [X.], Urteil vom 22.
Januar 1981

4
StR
97/80; [X.] bei [X.] NStZ 1993, 30; [X.], [X.], 587 mwN; [X.]/[X.], [X.], 61.
Aufl., §
267 Rn.
39; [X.] in KK-[X.], 7.
Aufl., §
267 Rn.
46). Die Berichtigung war daher von den verbleibenden vier Richtern vorzuneh-men.
Raum
Jäger
Hohoff
Pernice

Meta

1 StR 201/18

05.07.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2018, Az. 1 StR 201/18 (REWIS RS 2018, 6530)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6530

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