Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.08.2010, Az. VIII R 36/08

8. Senat | REWIS RS 2010, 3716

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Gegenstand

Wirkungsloser Verzicht auf mündliche Verhandlung - Auslegung und Wirkung der Verzichtserklärung


Leitsatz

1. Ein vom Kläger erklärter Verzicht auf mündliche Verhandlung wird wirkungslos, wenn das FG einen Erörterungstermin anberaumt und das persönliche Erscheinen des Klägers anordnet. Das FG darf danach nur dann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, wenn die Beteiligten erneut darauf verzichten .

2. Bittet der Kläger wegen fehlender finanzieller Mittel für die Anreise um Entscheidung im schriftlichen Verfahren und beantragt er zugleich die Gewährung von PKH, so handelt es sich nicht um einen unbedingten Verzicht auf mündliche Verhandlung i.S. von § 90 Abs. 2 FGO .

Tatbestand

1

I. In seiner Einkommensteuererklärung für 1997 machte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit als Lehrbeauftragter mehrerer privat- und öffentlich-rechtlicher Bildungsträger u.a. Betriebsausgaben für Bewerbungskosten (30 Bewerbungen x 50 DM), Fahrtkosten in Höhe von 28.149,16 DM sowie Kosten der Rückmeldung für die Einschreibung als Student der Rechtswissenschaften an der [X.] (306 DM) geltend.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte von den erklärten Aufwendungen nur die Kosten der Rückmeldung als Sonderausgaben, weil die Aufwendungen für Bewerbungs- und Fahrtkosten nicht nachgewiesen worden seien.

3

Mit der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrte der Kläger den Abzug der Bewerbungskosten, der Fahrtkosten zu den Fortbildungsstätten [X.] und Industrie- und Handelskammer ... sowie zu dem Messebesuch ... (ganztägiger Besuch mit einem von ihm betreuten Lehrgang von Jugendlichen), der Rückmeldungskosten für sein Studium an der [X.], der sonstigen Aufwendungen für Arbeitsmittel als Betriebsausgaben sowie den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen für 252 Tage. Auch die bis dahin nicht geltend gemachten Aufwendungen für den [X.] der ... Messe (28 DM) seien als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

4

Auf Anforderung des Finanzgerichts ([X.]) legte er zur Erläuterung der [X.] eine detaillierte Kostenaufstellung für eine einzelne Bewerbung (Kosten für Bewerbungsmappe, Sichthüllen, Kopien, Bewerbungsfoto, Material für Lebenslauf, Briefumschlag, [X.]) vor und machte geltend, der sich daraus ergebende Gesamtaufwand von 52,45 DM sei für jede der bereits mit Schriftsatz vom 1. September 2000 konkret bezeichneten 30 Bewerbungen entstanden. Auch zu den übrigen Streitpunkten trug er mehrfach umfangreich vor.

5

Abschließend hat der vor dem [X.] unvertretene Kläger in seinen schriftlichen Stellungnahmen um gerichtlichen Hinweis gebeten, soweit das Gericht weiteren Vortrag oder die Vorlage weiterer Unterlagen für erforderlich halte.

6

Auf die schriftlichen Stellungnahmen des [X.] hat das [X.] während des Klageverfahrens die Steuer durch --zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen-- Änderungsbescheid vom 25. Oktober 2004 unter Ansatz eines Teils der streitigen Betriebsausgaben (Bewerbungs-, Fahrt- und Arbeitsmittelaufwendungen) herabgesetzt. Zugleich berücksichtigte es die Aufwendungen für das Studium nicht mehr als Sonderausgabe in Höhe von 306 DM, sondern nur im Umfang des [X.] von 108 DM.

7

Mit Verfügung vom 16. November 2000 bat das [X.] die Beteiligten u.a. um Mitteilung, ob sie

- mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--)

- mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 3 und 4 [X.]O)

einverstanden seien.

8

Eine entsprechende Einverständniserklärung gab der Kläger mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2000 ab. Das [X.] verzichtete ebenfalls auf mündliche Verhandlung.

9

Nachdem die Beteiligten in der Folgezeit umfangreiche Schriftsätze ausgetauscht und über vorgelegte Belege des [X.] unterschiedliche Auffassungen geäußert hatten, lud der Berichterstatter des [X.] die Beteiligten zu einem Erörterungstermin am 16. Januar 2002 und ordnete das persönliche Erscheinen des [X.] an. Daraufhin bat der Kläger um Aufhebung des Termins und Entscheidung im schriftlichen Verfahren, weil er seit Oktober 2001 vom Sozialamt Hilfe zum Lebensunterhalt beziehe und deshalb nicht über die finanziellen Mittel für die Fahrtkosten und entstehenden Gerichtskosten im Zusammenhang mit dem Erörterungstermin verfüge. Zugleich beantragte er unter Vorlage des Sozialhilfebescheids Prozesskostenhilfe (PKH).

Daraufhin hob der Berichterstatter des [X.] den Termin mit der Begründung auf, nach dem Vortrag des [X.] sei anzunehmen, dass dieser zum Termin nicht erscheinen werde. [X.] teilte er dem [X.] mit, der Kläger habe auf erneute telefonische Anfrage erklärt, nicht zu einem Erörterungstermin bereit zu sein und eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu erbitten.

Nachdem der Kläger mit Schriftsätzen vom 16. November 2004, vom 24. November 2005 und vom 9. Februar 2006 um Beiordnung eines Fachanwalts für Steuerrecht zur Vorlage einer ergänzenden Stellungnahme sowie um gerichtlichen Hinweis zur eventuellen Notwendigkeit weiteren Vortrags oder Beweisantritts gebeten hatte, lehnte das [X.] das PKH-Begehren mit Beschluss vom 16. März 2007 wegen fehlender Erfolgsaussichten der Klage im maßgeblichen Zeitpunkt des [X.] ab. Zugleich wies es die Klage als unbegründet ab, soweit sie nicht nach Maßgabe des Änderungsbescheids vom 25. Oktober 2004 von den Beteiligten in der Hauptsache sinngemäß für erledigt erklärt worden war.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des Verfahrensrechts.

Das [X.] habe seine Hinweispflichten und im Übrigen den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör verletzt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das [X.] bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Gründe des [X.]-Urteils. Das angefochtene Urteil sei im Übrigen verfahrensfehlerfrei zustande gekommen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

1. Die Vorentscheidung beruht auf einem Verfahrensfehler, weil der Kläger vor dem [X.] "nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war" (§ 119 Nr. 4 [X.]O).

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) ist ein Verfahrensmangel im Sinne der vorgenannten Vorschrift u.a. dann anzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine Entscheidung des [X.] ohne mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 1 und 2 [X.]O nicht gegeben sind (vgl. [X.]-Urteile vom 4. November 1992 [X.], [X.]/NV 1993, 372, und vom 5. Juli 1995 [X.], [X.]E 178, 301, [X.] 1995, 842, jeweils m.w.N.). Das Fehlen dieser Voraussetzungen hat der Kläger im Streitfall zu Recht geltend gemacht.

aa) Das angefochtene Urteil ist i.S. des § 119 Nr. 3 und Nr. 4 [X.]O verfahrensfehlerhaft, weil es im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an einem klar, eindeutig und vorbehaltlos erklärten Einverständnis des [X.] zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung fehlte (vgl. dazu [X.]-Urteil vom 1. Oktober 1970 [X.]/67, [X.]E 100, 432, [X.] 1971, 113; [X.]-Beschlüsse vom 6. April 2005 IX B 154/04, [X.]/NV 2005, 1352; vom 9. Januar 2006 XI B 176/04, [X.]/NV 2006, 1105).

(1) Zum einen konnte das [X.] im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mehr von einem Verzicht des [X.] auf mündliche Verhandlung auf der Grundlage seines vorbehaltlos erklärten Einverständnisses vom 22. Dezember 2000 ausgehen.

Dieses Einverständnis hatte nämlich durch die Anberaumung des Erörterungstermins und die Anordnung des persönlichen Erscheinens des [X.] im Januar 2002 seine prozessrechtliche Wirkung verloren. Eine Verzichtserklärung wird wirkungslos, wenn das Gericht selbst den Beteiligten gegenüber zum Ausdruck bringt, dass es eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung allein durch den früher erklärten Verzicht nicht mehr für hinreichend legitimiert ansieht. So verbraucht sich der erklärte Verzicht durch eine erneute Anfrage des Gerichts und deren Ablehnung durch die Beteiligten ([X.]-Urteil vom 29. April 1999 [X.], [X.]/NV 1999, 1480) ebenso wie durch einen sich an einen früheren Verzicht anschließenden [X.] ([X.]-Urteil vom 5. März 1986 [X.], [X.]/NV 1987, 651).

Diese einschränkende Auslegung der Verzichtserklärung und die Beschränkung ihrer Wirkung bis zur nächsten, eine Sachentscheidung vorbereitenden Entscheidung des [X.] --wie hier der Anberaumung eines Erörterungstermins unter Anordnung des persönlichen Erscheinens der [X.], ist aufgrund der besonderen Interessenlage der Beteiligten geboten ([X.]-Urteil vom 9. August 1996 VI R 37/96, [X.]E 181, 115, [X.] 1997, 77). Denn der Verzicht hat für die Beteiligten weitreichende Folgen, weil er als Prozesshandlung nach der Rechtsprechung des [X.] nicht wegen Irrtums anfechtbar und auch nicht frei widerrufbar ist (vgl. [X.]-Urteile vom 20. Juni 1967 II 73/63, [X.]E 90, 82, [X.]I 1967, 794; vom 26. November 1970 IV R 131/69, [X.]E 101, 61, [X.] 1971, 241; vom 4. April 1974 [X.], [X.]E 112, 316, [X.] 1974, 532; [X.]-Beschluss vom 7. Februar 1990 III R 101/87, [X.]/NV 1991, 402; für eine Zulässigkeit des Widerrufs bei wesentlicher Änderung der Prozesslage: [X.]-Urteil vom 6. April 1990 [X.]/89, [X.]E 160, 405, [X.] 1990, 744).

Danach ist die Einverständnis- oder Verzichtserklärung nur auf die nächste Sachentscheidung durch den Spruchkörper zu beziehen (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 181, 115, [X.] 1997, 77; vgl. [X.]/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 128 Rz 60; Stelkens in [X.]/[X.]/[X.], VwGO, § 6 Rz 10; [X.], [X.] 1996, 191). Für das weiter gehende Verfahren ist dann zum Schutz der Prozessbeteiligten entweder ein weiterer Verzicht auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung einzuholen oder eine mündliche Verhandlung anzuberaumen (vgl. [X.]-Beschluss vom 10. März 2005 [X.]/03, [X.]/NV 2005, 1068, m.w.N.; anderer Ansicht --kein Verbrauch des [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 90 [X.]O Rz 64; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 90 [X.]O Rz 13; Gräber/[X.], Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 90 Rz 15).

Ist eine Verzichtserklärung nach den vorstehenden Maßstäben wirkungslos geworden, ist eine gleichwohl ohne mündliche Verhandlung ergehende Entscheidung als verfahrensfehlerhaft i.S. des § 119 Nr. 4 [X.]O aufzuheben ([X.]-Urteil in [X.]/NV 1999, 1480; [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2005, 1068).

(2) Zum anderen kann in der Erklärung des [X.] anlässlich seiner Ladung zum Erörterungstermin vom 16. Januar 2002, er bitte um "Entscheidung im schriftlichen Verfahren", kein (erneuter) Verzicht auf mündliche Verhandlung gesehen werden.

Insoweit fehlt es schon an einem vorbehaltlos erklärten Einverständnis des [X.] (vgl. dazu [X.]-Entscheidungen in [X.]E 100, 432, [X.] 1971, 113; in [X.]/NV 2005, 1352; in [X.]/NV 2006, 1105). Vielmehr ergibt sich unmittelbar aus der Begründung für diese Bitte, dass sie ausschließlich durch die Mittellosigkeit des [X.] im Zusammenhang mit seiner Sozialhilfeabhängigkeit bedingt war.

Der Kläger hat nämlich seine Bitte um "Entscheidung im schriftlichen Verfahren" ersichtlich mit seiner im Zeitpunkt des Verzichts gegebenen Einkommens- und Vermögenssituation und der sich daraus ergebenden Schwierigkeit verknüpft, die Kosten für eine Teilnahme an einer Verhandlung aufzubringen.

Eine solche Verknüpfung mit bestimmten Umständen der für den Streitfall erheblichen Sach- und Rechtslage gilt nach der Rechtsprechung als Verzicht unter Vorbehalt und damit als unwirksame Verzichtserklärung i.S. des § 90 [X.]O ([X.]-Urteil vom 8. Oktober 1998 [X.], [X.]/NV 1999, 497 zu einem Verzicht "nach dem derzeitigen Verfahrensstand"). Für eine entsprechende Verknüpfung mit anderen Umständen, wie hier der fehlenden Fähigkeit, nach den persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen die Kosten einer Teilnahme an einer Erörterung oder mündlichen Verhandlung nicht tragen zu können, kann nichts anderes gelten.

bb) Im Übrigen hätte das [X.] selbst bei unterstellter Wirksamkeit der Verzichtserklärung des [X.] von dem ihm zustehenden Ermessen bei der Entscheidung über die Durchführung oder Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung ([X.]-Beschluss vom 8. Juni 1994 IV R 9/94, [X.]/NV 1995, 129; [X.]-Urteil in [X.]/NV 1999, 1480) nach den Umständen des [X.] in der Weise Gebrauch machen müssen, dass es sein Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung getroffen hätte.

(1) Allerdings kann das Gericht grundsätzlich nach seinem Ermessen uneingeschränkt auf der Grundlage eines Verzichts der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, ohne allein dadurch Verfahrensrechte der Beteiligten zu verletzen (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 21. November 2001 [X.]/01, [X.]/NV 2002, 517; vom 26. April 2004 [X.], juris; [X.] in [X.], [X.]O § 90 Rz 46, m.w.N.).

(2) Die Pflicht des [X.], im Streitfall das ihm zustehende Ermessen bei der Entscheidung über die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zugunsten einer solchen Verhandlung auszuüben, folgt indessen aus dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausfluss des Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren (vgl. [X.]-Beschluss vom 12. September 1991 [X.]/91, [X.]/NV 1992, 50) wie auch aus seiner Pflicht, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 76 [X.]O) sowie gegenüber den Beteiligten, insbesondere wenn sie wie der Kläger unvertreten sind, unter Berücksichtigung ihrer Mitwirkungspflichten prozessfördernde Hinweise gemäß § 96 [X.]O zu geben.

Nach ständiger Rechtsprechung entbindet nämlich der Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung das Gericht nicht von der im Einzelfall gebotenen Sachverhaltsermittlung und Beweiserhebung (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Beschluss vom 5. Februar 2007 [X.], [X.]/NV 2007, 1106, m.w.N.).

Geht das Gericht wie im Streitfall ausweislich der Anberaumung des Erörterungstermins und Anordnung des persönlichen Erscheinens des [X.] im [X.] an einen intensiven und detailbezogenen Schriftsatzaustausch der Beteiligten zu den einzelnen Streitpunkten eines Verfahrens ersichtlich von der Notwendigkeit einer gerichtlichen Erörterung mit den Beteiligten aus, so reduziert sich sein Ermessen, über den Rechtsstreit aufgrund eines Verzichts der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, auf Null.

(3) Dem steht die Bitte des [X.] anlässlich der Ladung zum Erörterungstermin, wegen seiner Sozialhilfeabhängigkeit im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, nicht entgegen.

Sie bedeutet nämlich keine Weigerung des [X.], an der weiteren Sachaufklärung mitzuwirken, sondern beruhte ersichtlich auf den durch seine Sozialhilfeabhängigkeit bedingten Schwierigkeiten, die Kosten für die Teilnahme an einer Verhandlung vor dem [X.] aufzubringen.

Dieses Hindernis hätte das [X.] im Übrigen durch Bewilligung der zeitgleich beantragten [X.] nach Maßgabe des § 114 der Zivilprozessordnung [X.] § 142 [X.]O ausräumen können. Die Auffassung des [X.] in seinem erst fünf Jahre nach Antragstellung --zeitgleich mit dem angefochtenen [X.] gefassten Ablehnungsbeschluss, im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife (vgl. Kammerbeschluss des [X.] vom 14. Juni 2006  2 BvR 626/06, 2 [X.], Kammerentscheidungen des [X.] 8, 213) habe das [X.] keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt, steht im Widerspruch dazu, dass für die "hinreichende Erfolgsaussicht" schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügt (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 25. Juli 2001 [X.]/00, [X.]/NV 2001, 1598; vom 17. Januar 2006 [X.] ([X.]), [X.]/NV 2006, 801) und deshalb bei der Prüfung der Erfolgsaussichten keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind.

Dürfen danach im [X.]-Verfahren keine schwierigen, bislang noch nicht hinreichend geklärten Rechts- oder Tatsachenfragen entschieden werden, deren Entscheidung grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist ([X.]-Beschluss vom 21. Dezember 2001 [X.], [X.]/NV 2002, 692; ferner Kammerbeschlüsse des [X.] vom 13. Juli 2005  1 [X.], Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2005, 3489; vom 26. Juni 2003  1 BvR 1152/02, NJW 2003, 3190, jeweils m.w.N.), so hätte angesichts der Anberaumung des Erörterungstermins sowie der Anordnung des persönlichen Erscheinens des [X.] und damit angesichts des ersichtlich vom [X.] bejahten [X.] eine Bewilligung von [X.] nahe gelegen.

2. Aufgrund des Verfahrensfehlers ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. Der Verfahrensfehler ist ein absoluter Revisionsgrund, bei dem gemäß § 119 Nr. 4 [X.]O davon auszugehen ist, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Eine Sachentscheidung ist dem erkennenden Senat verwehrt (s. [X.]-Urteile vom 5. November 1991 [X.], [X.]E 166, 415, [X.] 1992, 425, und vom 22. Juni 1993 [X.], juris; vom 9. Januar 1997 [X.], [X.]/NV 1997, 507; vom 18. Februar 1999 [X.]-129/97, [X.]/NV 1999, 1464). Im Hinblick darauf kann der Senat dahinstehen lassen, ob die angefochtene Entscheidung im Übrigen verfahrensfehlerfrei ist.

Meta

VIII R 36/08

31.08.2010

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Bremen, 16. März 2007, Az: 1 K 422/02 (3), Urteil

§ 90 Abs 2 FGO, § 119 Nr 4 FGO, § 4 Abs 4 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.08.2010, Az. VIII R 36/08 (REWIS RS 2010, 3716)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3716

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B 1 KR 81/18 B

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