Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2007, Az. 5 StR 189/07

5. Strafsenat | REWIS RS 2007, 3293

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Nachschlagewerk: ja [X.]St : ja Veröffentlichung : ja StPO § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 Nach [X.] einer [X.] darf diese nicht ohne vorherigen entsprechenden Hinweis an den Angeklagten im Urteil als erwiesen angesehen und zum Nachteil des [X.] klagten verwertet werden. [X.], Beschluss vom 21. Juni 2007 [X.] 5 [X.]

LG [X.] [X.]

5 [X.] (alt: 5 StR 583/05) [X.]BESCHLUSS vom 21. Juni 2007 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u. a.

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 21. Juni 2007 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 9. November 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen.
G r ü n d e
1 Das Schwurgericht hat den Angeklagten [X.] erneut, nach Aufhebung ei-nes ersten gleichlautenden Urteils durch Senatsbeschluss vom 22. Febru-ar 2006 [X.] wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Kör-perverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Auch dieses Urteil hat keinen Bestand. 1. Die Revision des Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge einer [X.] des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO Erfolg. 2 Zur Untermauerung der Einlassung des Angeklagten, dieser habe dem Nebenkläger [X.] entgegen dessen Aussage [X.] die blutende Halsverlet-zung nicht zu Beginn der tätlichen Auseinandersetzung zugefügt, sondern erst im späteren Verlauf, hatte die Verteidigung nach Inaugenscheinnahme der Bekleidung des Angeklagten die Vernehmung eines Sachverständigen beantragt, der nach Untersuchung der Kleidung bekunden sollte, dass sich daran keine Blutspuren des [X.] befänden. Das [X.] hat 3 - 3 - den Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, die Behauptung werde als wahr unterstellt. Im Urteil hat das Schwurgericht die unter Beweis gestellte Tatsache indes bereits aufgrund der Inaugenscheinnahme der Bekleidung als erwiesen angesehen und hieraus ein Indiz gegen die Einlassung des Angeklagten zum Tatgeschehen abgeleitet. Das Fehlen von [X.] spreche gegen den vom Angeklagten behaupteten Stich in den Hals des [X.], als dieser ihn von hinten umklammert hielt, da aufgrund der damit verbundenen besonderen räumlichen Nähe Blutspuren an der Kleidung des Angeklagten zu erwarten gewesen wären. Dieser Umstand stütze vielmehr die vom [X.] bekundete Version, der Stich sei aus der gewissen Distanz des [X.] erfolgt. 4 5 b) Das Vorgehen des Schwurgerichts war nach der erfolgten Ableh-nung des Beweisantrags verfahrensfehlerhaft. 6 Das Gericht war an einer Verwertung der nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 7 StPO allein zur Entlastung des Angeklagten als wahr unterstellten [X.] zu dessen Nachteil gehindert ([X.]R StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 [X.] 16; [X.]/[X.][X.], [X.] im Strafprozess 5. Aufl. [X.] f.). Wäre die unter Beweis gestellte Tatsache hingegen mit Ablehnung des Beweisantrags nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 3 StPO als bereits erwiesen angesehen worden, so hätte sie zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten verwertet werden dürfen (vgl. [X.]/[X.][X.] aaO S. 599; [X.] in: Löwe/[X.], [X.]. § 244 Rdn. 236, 242). Auf einen so geänderten Ablehnungsgrund hat sich das Schwurgericht im Urteil berufen. Hierauf wäre der Angeklagte aber, da-mit er seine Verteidigung darauf einrichten konnte, in der Hauptverhandlung hinzuweisen gewesen; dies durfte ihm nicht erst im Urteil bekanntgemacht werden (vgl. [X.]St 19, 24, 26; [X.] aaO Rdn. 150 f.; [X.] in: [X.]. § 244 Rdn. 59). Wäre die Inaugenscheinnahme, der das - 4 - Schwurgericht im Urteil das [X.] der [X.] entnommen hat, nach der abweichend begründeten Ablehnung des Beweisantrags mit [X.] erfolgt, hätte der unerlässliche Hinweis auf die abwei-chende Beurteilung möglicherweise im Rahmen dieser Beweisaufnahme als schlüssig erteilt angesehen werden können (vgl. hierzu [X.] aaO Rdn. 247). Die Inaugenscheinnahme erfolgte indes bereits vor der Bescheidung des Beweisantrags. In der [X.] liegt eine Zusicherung, auf deren Einhaltung sich der Angeklagte aus [X.] unbedingt verlassen können muss (vgl. [X.]St 32, 44; 40, 169, 185). Das bezieht sich auf alle Konsequenzen der [X.]: primär auf die Berücksichtigung der als wahr unter-stellten [X.] im Urteil, in dem nicht im Widerspruch dazu [X.] festgestellt werden dürfen; aber auch auf den Ausschluss der Verwendung zum Nachteil des Angeklagten, der darauf vertrauen darf, keine negativen Schlussfolgerungen auf der Grundlage dieser [X.] zu riskieren, so dass er sie bei seiner weiteren Verteidigung nicht kritisch auf ihre möglichen Beweisauswirkungen zu hinterfragen braucht. 7 Nach alledem durfte das Schwurgericht, selbst wenn es das Fehlen von [X.] an der Kleidung für erwiesen hielt, dies nicht zum Nach-teil des Angeklagten den Feststellungen zugrunde legen, weil es dadurch gegen die vorher zugesagte [X.] verstoßen hat. 8 c) Das Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler. Dies wäre auszuschlie-ßen, wenn sich sicher feststellen ließe, dass das [X.] auch ohne die negative Verwertung der zunächst als wahr unterstellten, ausweislich des Urteils als erwiesen angesehenen Tatsache zum gleichen Beweisergebnis gelangt wäre. Solches scheidet indes angesichts der Bedeutung aus, die das Schwurgericht dem Indiz für die Feststellung zum Tatablauf zumisst ([X.] f.). Auch mit der dem Verwerfungsantrag des [X.] zugrunde liegenden Erwägung, dass bei Bekanntgabe des veränderten [X.] - 5 - lehnungsgrundes des [X.]s in der Hauptverhandlung keine sach-dienlichen Verteidigungsanträge in diesem Zusammenhang möglich gewe-sen wären, lässt sich ein Beruhen des Urteils auf dem [X.] [X.] wie auch die Gegenerklärung der Verteidigung belegt [X.] nicht mit der not-wendigen Sicherheit ausschließen. 2. Der Senat merkt Folgendes an: 10 a) Wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat, trifft auch die weitere verfahrensrechtliche Beanstandung der Verletzung des § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO zu. Insoweit lässt sich freilich ein Beruhen des Urteils auf dem [X.] ausschließen. 11 12 b) Bei Feststellung des [X.] wird der neue Tatrichter die dem angefochtenen Urteil zu entnehmenden [X.] des [X.] ([X.], 29) und den Umstand zu berücksichtigen haben, dass ohne vorangegangenen Angriff des [X.] auch bei vorhandenem Affekt ein Motiv des Angeklagten für die sofortige Zufügung lebensgefährlicher Messerstiche allein als Reaktion auf eine Störung und Kränkung schwer nachvollziehbar ist. Auf die sachlichrechtlichen Bedenken der Revision gegen die physi-schen Gegebenheiten, denen das Schwurgericht bei der Widerlegung der Version des Angeklagten zur Beibringung des lebensgefährlichen Halssti-ches Bedeutung beimisst, wird der neue Tatrichter auch Bedacht zu nehmen haben. 13 c) Beachtlich könnten auch die Einwände der Revision gegen die Ver-sagung eines Rücktritts vom Versuch sein, sofern tatsächlich ein unbeende-ter [X.] und nicht, eventuell auch unter Berücksichtigung eines alsbald verän-derten Rücktrittshorizonts (vgl. [X.]R StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, [X.] - 6 - endeter 12, vgl. [X.], 21) ein beendeter [X.] Totschlagsversuch anzuneh-men wäre. [X.]Raum [X.] Jäger

Meta

5 StR 189/07

21.06.2007

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2007, Az. 5 StR 189/07 (REWIS RS 2007, 3293)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3293

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