Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2014, Az. 2 StR 1/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 5547

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 1/14
vom
15. Mai 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
versuchten Totschlags u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15.
Mai 2014 gemäß §
349 Abs.
4 [X.] beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkam-mer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat gegen den Angeklagten wegen versuchten [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung früherer Urteile eine
Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und acht Monaten verhängt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. a) Nach den Feststellungen war der Angeklagte in der Nacht vom 21. auf den 22.
Dezember 2012 im [X.] an eine private Party mit 11 weiteren ebenfalls erheblich alkoholisierten [X.] laut lärmend im Stadtgebiet von W.

unterwegs. Gegen ein Uhr morgens kam es nach einem [X.] mit einem sich über den Lärm [X.] Anwohner zu einer kör-perlichen Auseinandersetzung mit diesem. Mehrere der [X.], darunter der Angeklagte und die nicht (mehr) revidierenden Mitangeklagten [X.]

, [X.]

, D.

und J.

umringten den mit einem Hockey-1
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schläger bewaffneten Nebenkläger und schlugen -
mit Ausnahme des J.

-
diesen zu Boden,
[X.]

mit einem Schlagring, [X.]

mit dem dem Opfer entwendeten Hockeyschläger. Anschließend traten sie -
wiederum mit Ausnahme des J.

-
gemeinsam auf den Körper des mittlerweile besin-nungslos am Boden Liegenden ein, bis ein weiterer mit einem Baseball-Schläger bewaffneter Anwohner, der Zeuge L.

,
zu Hilfe eilte. Während die übrigen [X.] sofort davonliefen, trat der Angeklagte dem [X.] und stark blutenden Geschädigten, dessen Tod billigend in Kauf neh-mend, mit dem beschuhten Fuß noch mindestens dreimal ins Gesicht, was zu weiteren stark blutenden Platzwunden führte. Anschließend gelang es
dem
An-geklagten
nicht mehr,
zu der flüchtenden
Gruppe aufzuschließen. Nachdem er sich im Innenstadtbereich versteckt gehalten hatte, wurde er gegen drei Uhr morgens festgenommen.
b) Das [X.] stützt seine Feststellungen zur Tatbeteiligung des Angeklagten, der vorgibt, sich an das Tatgeschehen nicht erinnern zu können, vor allem auf die Angaben des Mitangeklagten [X.]

bei dessen Exploration durch den Sachverständigen. Danach seien der Angeklagte und der
-
freigesprochene
-
Mitangeklagte J.

die letzten gewesen, die bei dem Ge-schädigten
gestanden hätten. J.

habe schon zuvor massiv auf den [X.] eingeschlagen.
Nach dem Geschehen habe sich zudem Blut auf den Schuhen des J.

befunden.
Darüber hinaus spricht nach Ansicht der [X.] für die Täterschaft des Angeklagten [X.]

, dass dieser getrennt
von der Gruppe geflohen war
so-wie die
Aussage des Zeugen L.

, derjenige, der auf das Opfer zuletzt [X.] habe, sei mit einem grauen Pullover bekleidet gewesen. Der Angeklag-te [X.]

hatte unter einer [X.] einen hellen Kapuzenpullover getra-gen.
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-
4
-
2. Die Verurteilung wegen versuchten Totschlags hält rechtlicher Nach-prüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung ist nicht frei von [X.]:
Die [X.] hat den Mitangeklagten J.

freigesprochen. Den entgegenstehenden Angaben des Mitangeklagten [X.]

, wonach J.

zu-sammen mit dem Angeklagten auf den Geschädigten eingeschlagen habe, der Angeklagte und J.

als Letzte bei dem [X.] gestanden hätten und sich anschließend Blut auf den Schuhen des J.

befunden habe, ist das [X.] nicht gefolgt, da sie durch keinen weiteren Umstand bestätigt würden.
Hinsichtlich des Angeklagten stützt sich die [X.] hingegen auf die Angaben des [X.]

, die dadurch bestätigt würden, dass der Angeklagte nicht mit dem Rest der Gruppe geflohen war und seine Kleidung zudem zu der Beschreibung der Kleidung durch den Zeugen L.

passt.

Diese Überzeugungsbildung ist rechtlich nicht tragfähig. Die [X.] lässt unberücksichtigt, dass in einem Verfahren gegen mehrere Angeklagte sol-che Feststellungen, die nach dem [X.] zu Gunsten eines Angeklagten getroffen werden, nicht Grundlage für Feststellungen zum Nachteil eines ande-ren Angeklagten sein können ([X.], Urteil vom 7.
März 1995 -
1 StR 523/94, [X.], 81; Urteil vom 4.
Februar 1992 -
1 StR 787/91, [X.]R [X.] §
261 in dubio pro reo 8; [X.]/[X.], [X.] 57. Aufl. §
261 Rn.
32). Ist die Tatbeteiligung eines Angeklagten nicht sicher feststellbar und wird dieser [X.] freigesprochen, können daher gleichwohl hinsichtlich eines Mitangeklagten nach dem Zweifelsgrundsatz für diesen günstige Feststellungen geboten sein, die auf der Annahme der Tatbeteiligung des freigesprochenen Mitangeklagten beruhen. Entsprechend hat der [X.] ausgeführt:
"Die [X.]
musste hinsichtlich des Angeklagten [X.]

nach dem Grundsatz 'im Zweifel für den Angeklagten' von einer Tatbe-teiligung des Mitangeklagten J.

ausgehen. Auf dieser Grund-5
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7
8
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-
lage hatte sich das [X.] im Rahmen einer sorgfältigen Be-weiswürdigung insbesondere mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Angeklagte oder J.

der 'letzte Angreifer' war. Daran fehlt es hier. Die [X.] hat in ihre Überlegungen den [X.] J.

als Tatbeteiligten nicht einbezogen.
Sie hat sich auf den Angeklagten [X.]

beschränkt und sieht in dessen Kleidung -
heller Kapuzenpullover unter [X.] (UA S.
55)
-
ein gewichtiges,
für die Täterschaft des Angeklagten spre-chendes Indiz. Die Gewichtigkeit dieses Indiz lässt sich aber nicht beurteilen, da Feststellungen zur Kleidung des Mitangeklagten J.

am Tatabend fehlen. Danach bestimmen sich aber die in Bezug auf die Kleidung des Angeklagten [X.]

zu stellenden Be-weisanforderungen. Unabhängig davon erscheint zudem sehr fragwürdig -
worauf der Beschwerdeführer zu Recht hinweist
-
ob die [X.] ohne weiteres davon ausgehen kann, dass ein solcher 'heller Pullover' farblich mit dem von dem Zeugen L.

beschriebenen grauen Pullover übereinstimmt; jedenfalls ist die Beweiswürdigung insoweit lückenhaft, als sich das Tatgericht mit der Frage der farblichen Übereinstimmung von grau und hell in den Urteilsgründen nicht für das Revisionsgericht nachvollziehbar auseinandergesetzt hat. "
Dem schließt sich der Senat an und weist für die neue Hauptverhandlung darauf hin, dass -
wovon das [X.] zutreffend ausgegangen ist
-
wuchti-ge Tritte gegen den Kopf oder in das Gesicht eines bewusstlosen Opfers einen bedingten Tötungsvorsatz jedenfalls nahelegen.

[X.]

[X.] Eschelbach

Ott Zeng

9

Meta

2 StR 1/14

15.05.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2014, Az. 2 StR 1/14 (REWIS RS 2014, 5547)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5547

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