Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.11.2010, Az. VII ZB 120/09

7. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 1039

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Gegenstand

Zwangsvollstreckungsverfahren: Internationale Zuständigkeit eines deutschen Vollstreckungsgerichts für die Vollstreckung in Zoll- und Steuerforderungen eines ausländischen Staates


Leitsatz

Deutsche Vollstreckungsgerichte sind nicht zuständig für die Vollstreckung in Zoll- und Steuerforderungen der Republik Argentinien .

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Schuldnerin werden der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 3. Dezember 2009, der Beschluss des [X.] vom 10. September 2009 sowie der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des [X.] vom 29. Januar 2009 aufgehoben, soweit die Pfändung und Überweisung von Steuer- und Zollforderungen gegen die [X.] und 2 angeordnet worden ist.

Der Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wird zurückgewiesen, soweit die Pfändung und Überweisung von Steuer- und Zollforderungen der Schuldnerin gegen die [X.] und 2 begehrt worden ist.

Die Kosten des [X.] trägt die Gläubigerin; die übrigen Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Gegenstandswert: 46.052,01 €

Gründe

I.

1

Die [X.]läubigerin betreibt gegen die Schuldnerin, die [X.], die Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.], nach dem die [X.]läubigerin Zahlung von [X.] nebst Zinsen beanspruchen kann.

2

[X.]uf [X.]ntrag der [X.]läubigerin hat das [X.]mtsgericht - Vollstreckungsgericht - am 29. Januar 2009 die Pfändung von angeblichen [X.]orderungen der Schuldnerin gegen die [X.] angeordnet und die [X.]nsprüche an die [X.]läubigerin überwiesen. Im Einzelnen sind, soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Relevanz, folgende [X.]orderungen gepfändet worden:

3

[X.]egenüber der Drittschuldnerin zu 1:

Steuer- und Zollforderungen im Zusammenhang mit Lieferungen von vorgefertigten Komponenten nach [X.], insbesondere für die Produktion der [X.]ahrzeugtypen "S." und "[X.].", für die Produktion von [X.]etrieben am Standort [X.] und für die Produktion des [X.]ahrzeugtyps "[X.]" am Standort P.

4

[X.]egenüber der Drittschuldnerin zu 2:

Steuer- und Zollforderungen im Zusammenhang mit

- Lieferung von [X.]asturbinen des Typs [X.]-4000[X.], Dampfturbinen des Typs SST-5000, [X.]bhitzedampferzeugern und von Elektrotechnik für die [X.]werke in [X.] in der [X.] und in [X.] nahe der Stadt [X.] in der [X.] ([X.]werke: J. und M.),

- Lieferungen von vorgefertigten Komponenten im Zusammenhang mit dem [X.]usbau bzw. Neubau der [X.] [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] und I in [X.]. [X.].,

- Lieferungen von Signalisierungs- und intelligenter Systemtechnik für den U-[X.]ahn-[X.]etrieb, wie beispielsweise "[X.]utomatic Train Operation",

- der Lieferung von Medizintechnik.

5

Die hiergegen gerichtete Erinnerung und die sofortige [X.]eschwerde der Schuldnerin sind erfolglos geblieben. Mit der vom [X.]eschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin die [X.]ufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses weiter.

II.

6

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur [X.]ufhebung der bisher ergangenen [X.]eschlüsse und zur Zurückweisung des [X.]ntrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

7

1. Das [X.]eschwerdegericht hat sich durch umfassende [X.]ezugnahme die [X.]usführungen des [X.]mtsgerichts zu Eigen gemacht.

8

Das [X.]mtsgericht sei gemäß § 828 [X.]bs. 2, § 23, § 35 ZPO international zuständig. Nachdem die Schuldnerin keinen allgemeinen inländischen [X.]erichtsstand habe, richte sich die gerichtliche Zuständigkeit nach § 23 ZPO. [X.]ei [X.]orderungen sei der Ort, an dem das Vermögen sich befinde, der Sitz des Drittschuldners. [X.]ieraus ergebe sich ein hinreichender Inlandsbezug. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die zu pfändenden Steuer- und Zollforderungen der [X.] unterfielen. Dies sei nicht der [X.]all.

9

Die Schuldnerin habe in § 12 [X.]bs. 4 Unterabsatz 1 der [X.]nleihebedingungen unwiderruflich auf ihre Immunität in [X.]ezug auf ihre Verpflichtungen aus den Schuldverschreibungen verzichtet.

Steuer- und Zollforderungen seien auch nicht nach § 851 ZPO unpfändbar. Nach dieser Norm sei eine [X.]orderung in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist. Steuern unterlägen keiner besonderen Zweckbindung. Entsprechendes gelte für Zölle. Weder das Recht der [X.] noch das [X.] Recht enthielten Normen, die die Übertragung von Steuerforderungen ausdrücklich verböten.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Es kann sowohl dahingestellt bleiben, ob die Immunität der Schuldnerin der Pfändung und Überweisung ihrer Steuer- und Zollforderungen entgegensteht als auch ob [X.] Steuer- und Zollforderungen wegen § 851 ZPO überhaupt pfändbar sind. Die [X.]n [X.]erichte sind jedenfalls für die Zwangsvollstreckung in solche [X.]orderungen international nicht zuständig.

a) Das [X.]eschwerdegericht übersieht, dass trotz der Regelung des § 23 ZPO eine internationale Zuständigkeit nicht begründet ist, weil die Zwangsvollstreckung in eine öffentlich-rechtliche [X.]orderung eines anderen Staates erfolgt. Die internationale Zuständigkeit [X.]r [X.]erichte für das Zwangsvollstreckungsverfahren setzt voraus, dass die Zwangsvollstreckung in Vermögen erfolgen soll, das sich im Inland befindet, denn nur darauf kann staatliche Zwangsgewalt ausgeübt werden ("Territorialitätsprinzip"). Vollstreckungsmaßnahmen in [X.]egenstände, die in dem [X.]oheitsgebiet eines anderen Staates liegen, sind hingegen ausschließlich dessen [X.]ngelegenheit ([X.][X.][X.], [X.]eschluss vom 4. Oktober 2005 - VII Z[X.] 9/05, NJW-RR 2006, 198 m.w.N.). Die Verpflichtung der Drittschuldnerin, Steuer- und Zollforderungen der [X.] zu befriedigen, ist im [X.]oheitsgebiet der Schuldnerin und nicht in [X.] zu lokalisieren. Insoweit gilt nichts anderes als für die Verpflichtung einer Drittschuldnerin, öffentlich-rechtliche [X.]ebührenforderungen ausländischer [X.] zu befriedigen ([X.][X.][X.], [X.]eschluss vom 4. Oktober 2005 - VII Z[X.] 9/05, aaO; kritisch dazu [X.], [X.] 2007, 109 ff.).

b) Es existiert keine zwischenstaatliche Vereinbarung, die der [X.] die Durchsetzung ihrer Steuer- und Zollforderungen im [X.]undesgebiet möglich machen würde. Das [X.]bkommen vom 13. Juli 1978 zwischen der [X.]undesrepublik [X.] und der [X.]rgentinischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem [X.]ebiet der Steuern von Einkommen und Vermögen ([X.][X.][X.]l. II 1979, S. 585 ff.), in [X.] getreten am 25. November 1979 ([X.][X.][X.]l. II 1979, S. 1332), geändert durch das Protokoll vom 16. September 1996 zum [X.]bkommen vom 13. Juli 1978 zwischen der [X.]undesrepublik [X.] und der [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem [X.]ebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen ([X.][X.][X.]l. II 1998, S. 18 ff.), in [X.] getreten am 30. Juni 2001 ([X.][X.][X.]l. II 2001, [X.]) enthält zur Durchsetzung einer [X.]n Steuer- oder Zollforderung im [X.]ebiet der [X.]undesrepublik [X.] keine Regelung.

c) Es muss nicht entschieden werden, ob die [X.]nleihebedingungen so auszulegen sind, dass sich die Schuldnerin der internationalen Zuständigkeit der [X.]n [X.]erichte auch hinsichtlich des [X.] unterworfen hat. Eine solche Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit ist nicht wirksam getroffen. Die internationale Zuständigkeit der [X.]undesrepublik [X.] wird, soweit nicht vorrangig völkerrechtliche Verträge zu beachten sind, indiziert, wenn die örtliche Zuständigkeit eines [X.]n [X.]erichts gegeben ist. Diese ist - wie ausgeführt - nicht gegeben. Eine Prorogation ist gemäß § 40 [X.]bs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig, weil die Vollstreckungsgerichtsstände ausschließlich sind, § 802 ZPO.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 [X.]bs 1, § 97 [X.]bs. 1 ZPO.

Kniffka                                      Kuffer                                  [X.]

                     [X.]alfmeier                                 [X.]

Meta

VII ZB 120/09

25.11.2010

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Braunschweig, 3. Dezember 2009, Az: 5 T 947/09, Beschluss

§ 23 ZPO, § 828 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.11.2010, Az. VII ZB 120/09 (REWIS RS 2010, 1039)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1039

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Referenzen
Wird zitiert von

VII ZB 24/17

I ZR 275/14

VII ZB 120/09

1 AR 12/19

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